Michael Opperskalski: Wider die „Kritik auf den Knien”
Einige Thesen zur derzeitigen Strategiedebatte in der kommunistischen Bewegung
„Am gefährlichsten sind in dieser Hinsicht Leute, die nicht verstehen wollen, dass der Kampf gegen den Imperialismus eine hohle, verlogene Phrase ist, wenn er nicht unlöslich verknüpft ist mit dem Kampf gegen den Opportunismus” (W.I.Lenin)
„Die Geschichte der Partei lehrt ferner, dass die Partei der Arbeiterklasse ohne unversöhnlichen Kampf gegen die Opportunisten in ihren eigenen Reihen, ohne Vernichtung der Kapitulanten in ihrer eigenen Mitte die Einheit und Disziplin ihrer Reihen nicht aufrechterhalten, ihre Rolle als Organisator und Führer der proletarischen Revolution, ihre Rolle als Erbauer einer neuen, der sozialistischen Gesellschaft nicht erfüllen kann.” (Geschichte der KPdSU (Bolschewiki) – Kurzer Lehrgang)
Analysiert man die Grundtendenz der derzeitigen Diskussionen und Veränderungsprozessen in der internationalen kommunistischen Bewegung, samt ihrer Entsprechungen auf nationaler Ebene, dann zeichnet sich eine neue Stufe der Entwicklung seit dem – zeitweiligen – Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, insbesondere der Sowjetunion, ab.
Die Basis für die erfolgreiche Konterrevolution war das Eindringen sowie der nicht widerspruchsfreie und sich in unterschiedlichen Tempi in der internationalen kommunistischen Bewegung verbreitende Revisionismus.
Das Jahr 1956 wurde zum Wendepunkt hinsichtlich der Rolle und der Entwicklung des Revisionismus innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung. Mit dem XX. Parteitag der KPdSU, seinen Thesen und Orientierungen begann der verhängnisvolle Entwicklungsweg der internationalen kommunistischen Bewegungen sowie ihrer „nationalen Abteilungen”, der sich zunächst in der Spaltung derselben manifestierte. Vor allem die chinesischen Genossen waren nicht bereit gewesen, dem Positionswechsel der KPdSU kritiklos zu folgen. Ihnen schlossen sich schließlich weitere Parteien oder Genossen aus anderen Parteien an. Die Inhalte dieser Auseinandersetzungen wurden bereits in der „offen-siv” verschiedentlich und ausführlich dokumentiert.
Die Kernpunkte des Positionswechsel der sowjetischen Kommunisten, der sich mit entsprechenden Konsequenzen auch in der gesamten kommunistischen Weltbewegung – natürlich widersprüchlich und in unterschiedlicher „Tiefe” – um- und durchsetzte, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Mit der Einleitung der so genannten „Entstalinisierung” wurden wesentliche Elemente und Erfolge sowie die Geschichte und Traditionen des Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion entweder in Frage gestellt oder in einzelnen Aspekten gar gänzlich negiert;
b) Mit der Zurückweisung der marxistisch-leninistischen Position, dass sich der Klassenkampf auch im Sozialismus (natürlich unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen) fortsetzt und sogar verschärft, wurden dem Eindringen kleinbürgerlicher, revisionistischer, sogar konterrevolutionärer Positionen in die KPdSU Tür und Tor geöffnet;
c) Mit der Annahme der These von der kommunistischen Partei als „Partei des gesamten Volkes” wurde diese dem Klassencharakter sowie der daraus folgenden Avantgarderolle beraubt;
d) Die These vom „friedlichen Übergang zum Sozialismus” als Haupttendenz des Kampfes für den Sozialismus entkleidete die kommunistische Bewegung eines wesentlichen Grundpfeilers ihres revolutionären Charakters.
Die griechischen Genossen der KKE haben Orientierungen und Konsequenzen des XX. Parteitages der KPdSU sehr zutreffend beschrieben: „Das bedeutendste Ereignis war, dass der XX. Parteitag die – in der damaligen historischen Situation richtige – Position verwarf, dass sich vor allem der Klassenkampf verschärfte. (…) Theoretische Ansichten wurden kultiviert oder Optionen bevorzugt, die eine Abweichung von unserer Theorie, eine Verletzung ihrer grundlegenden Prinzipien bedeuteten. Die Kampffront gegen den Imperialismus und Revisionismus wurde geschwächt. In einigen Fällen wurden falsche Theorien angenommen, die nichts mit der Realität zu tun hatten oder schlicht Fragen des Aufbaus des Sozialismus simplifizierten, so z.B. die Theorien, die einen raschen Übergang zum entwickelten Sozialismus und Kommunismus verlangten und so den komplexen und langfristigen Charakter der Übergangsperiode (siehe XX. Parteitag) unterschätzten, Theorien über den ‚Staat des gesamten Volkes’, der ‚Partei des gesamten Volkes’ und der ‚Demokratie des gesamten Volkes’.
Die vom XX. Parteitag beschlossenen Orientierungen auf eine ‚Vielfalt von Übergangsformen in verschiedenen Ländern unter bestimmten Bedingungen zum Sozialismus’ wurden von den Führungen kommunistischer Parteien als theoretisches Fundament für eine Offensive gegen die wissenschaftliche Theorie des Sozialismus benutzt. Im Namen von nationalen Besonderheiten und Eigenheiten wurden die unveränderlichen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution einer Revision unterzogen. Sichtweisen wurden entwickelt, nach denen durch strukturelle Reformen und eine ‚Politik der Demokratie’ ein kapitalistisches in ein sozialistisches System transformiert werden könne, ohne dass ein revolutionärer Bruch notwendig sein.”
Auswirkung der Konterrevolution auf die kommunistische Bewegung
Der Revisionismus war nicht nur die notwendige Grundlage für die Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, er schuf zudem die Voraussetzungen für eine massive Schwächung und teilweise Zerschlagung der internationalen kommunistischen Bewegung. Seither haben sich im wesentlichen drei Grundtendenzen der Entwicklung der Kommunisten herausgeschält:
1) nicht wenige Parteien, vor allem im ehemals sozialistischen Lager, haben sich ganz offiziell aufgelöst (z.B. in Polen, Rumänien). Andere haben sich in offen sozialdemokratische Formationen verwandelt, was in Einzelfällen nicht ausschließen muss, dass in ihnen nach wie vor Strukturen und/oder einzelne Mitglieder zu finden sind, die ein kommunistisches Selbstverständnis artikulieren und/oder sich zumindest in kommunistischer Tradition fühlen. Diese Parteien haben damit sozusagen das Endstadium des Revisionismus erreicht: die organisatorische und/oder politisch-ideologische Tilgung des Marxismus-Leninismus;
2) andere Parteien befinden sich noch auf einem revisionistischem Entwicklungsweg (in der BRD die DKP). Das jeweilige Entwicklungsstadium muss sehr differenziert analysiert und bezüglich jeder einzelnen Partei oder Formation gesondert betrachtet werden. Ihnen allen gemeinsam ist es jedoch, dass ihre Führungen mehrheitlich, dominant oder geschlossen revisionistisch sind;
3) eine Minderheit von Parteien hat, teilweise noch sehr widersprüchlich und ebenfalls in unterschiedlicher Konsequenz, eine Korrektur revisionistischer Positionen vorgenommen und einen eindeutig marxistisch-leninistischen Entwicklungsweg eingeschlagen. Zu den herausragendsten und dynamischsten Kommunistischen Parteien, die in Europa auf marxistisch-leninistischen Positionen kämpfen, zählen vor allem die griechische KKE, aber auch die schwedische KPML, die portugiesische PCP oder die belgische PTB.
Auf die Entwicklung vormals „maoistischer” Parteien (seien sie ehemals auf die KP Chinas oder die Partei der Arbeit Albaniens orientiert gewesen) kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Manche von ihnen spielen jedoch eine offen konterrevolutionäre Rolle (so die so genannte MLPD in der BRD oder die so genannte PCP/”Sendero Luminoso” in Peru).
Zwar gibt es inzwischen eine Reihe von regelmäßigen oder auf einzelne Anlässe bezogene internationale Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien, ihre Struktur, Ablauf, Orientierung und Positionierungen wiederspiegeln jedoch den oben skizzierten, in unterschiedliche Tendenzen zerfallenden Charakter dessen, was von der einst mächtigen internationalen kommunistischen Bewegung übrig geblieben ist.
Die Widersprüche spitzen sich zu
Die seit dem – zeitweiligen – Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern vorherrschende so genannte „Neue Weltordnung” hat die Barbarei des imperialistischen Weltsystems auf allen Ebenen eskalieren lassen. Zwar ist der US-Imperialismus noch militärisch und ökonomisch dominant, aber ihm erwachsen mit deutlich erkennbarer Geschwindigkeit mächtige imperialistische Konkurrenten, vor allem Europa, in dem der BRD-Imperialismus eine herausragende Rolle nicht nur hinsichtlich seiner politischen und ökonomischen Stellung, sondern vor allem auch hinsichtlich seiner Aggressivität spielt. In diesem Sinne formieren die herrschenden Klassen ihre imperialistischen Gesellschaften, machen sie sozusagen „fit” für die langsam, aber wahrnehmbar eskalierende innerimperialistische Konkurrenz; Stichworte hierfür sind massiver Sozialabbau, die Vernichtung hart erkämpfter sozialer und gewerkschaftlicher Rechte insbesondere der Arbeiterklasse, der rasante Abbau demokratischer Rechte bis hin zu Faschisierung (siehe USA) und damit der in Konsequenz verbundene Auf- und Ausbau der Repressionsorgane, die organisierte Entwicklung extrem nationalistischer, chauvinistischer, sogar offen faschistischer Kräfte.
Im Rahmen der so genannten „Neuen Weltordnung” wurde der Krieg wieder zu einem Mittel der Durchsetzung von Politik im Zusammenhang mit imperialistischen ökonomischen wie geostrategischen Interessen. Die Kriege gegen Jugoslawien, den Irak und der drohende gegen den Iran seien hier wirklich nur als Stichworte angerissen. Diese Kriege haben jedoch auch blutig belegt, dass die innerimperialistischen Widersprüche anwachsen, aus der Konkurrenz der imperialistischen Mächte zunehmend eine immer härter und schärfer geführte Auseinandersetzung unter ihnen wird. Kurzum: die Kriegsgefahr wächst, auch unter den imperialistischen Mächten.
Diese sich zuspitzenden Bedingungen imperialistischer Barbarei, anhaltender Konterrevolution sowie die insgesamt noch viel zu unterentwickelten Klassenkämpfen sowie Kämpfe um nationale Befreiung und antiimperialistische Orientierung beeinflussen natürlich insbesondere die unterschiedlichen Entwicklungstendenzen innerhalb dessen, was der Revisionismus von der kommunistischen Bewegung übrig gelassen hat. Hiervon sind alle noch existierenden ideologisch-politischen Strömungen sowie Parteien und andere organisatorische Strukturen betroffen. Dies bedeutet, dass zurzeit folgende Tendenzen zu beobachten sind:
1) innerhalb der Parteien und Organisationen, die sich – widersprüchlich und mit unterschiedlichem Tempo – auf dem revisionistischen Entwicklungsweg befinden, spitzen sich die Widersprüche zum Teil dramatisch zu (Beispiel: Österreich) oder aber sind nicht mehr zu übertünchen und manifestieren sich inzwischen in konkret geführten öffentlichen Debatten, die über den organisatorischen Rand der betroffenen Partei hinausgehen (Beispiel: BRD/DKP). Hierbei ist zu beobachten, dass die Kritik an den jeweiligen revisionistischen Parteiführungen inzwischen nicht mehr nur von marxistisch-leninistischen Kräften innerhalb der betroffenen Organisationen vorgetragen wird. Auch dies ist ein sehr lebendiger Beleg für den fortschreitenden politisch-ideologischen wie organisatorischen Zerfallsprozess des Revisionismus;
2) die Konsolidierung der Parteien (z.B. KKE), die ihre Politik auf Basis des Marxismus-Leninismus entwickelt und umsetzen, nimmt immer klarere Züge an. Sie werden damit, obwohl sie sich insgesamt noch in der Minderheit befinden, zu einem kommunistischen Pol nicht nur für die zu erkämpfende Reorganisation der kommunistischen Bewegung, sondern besonders auch für den weltweiten Aufbau einer breiten, demokratischen, antiimperialistischen Front. Gerade die in diesem Heft der „offen-siv” abgedruckten Texte der griechischen KKE sind ein lebendiges, spannendes Zeugnis davon!
„Kritik auf den Knien”
Teil der von mir skizzierten, sich zuspitzenden Widersprüche ist die immer vernehmbarer werdende „Kritik auf Knien” innerhalb der sich auf dem revisionistischen Entwicklungsweg befindlichen Parteien. Dies ist aus meiner Sicht ein Beleg sowohl für die zunehmende ideologisch-politische, organisatorische Schwäche der revisionistischen Kräfte (selbst wenn sie in ihren Parteien und Organisationen noch dominant sind), aber auch der Marxisten-Leninisten.
Als Beispiel für eine solche „Kritik auf Knien” können die Positionen genommen werden, die Genosse Hans Heinz Holz in der „jungen welt” am 8. Januar 2005 („Richtungskämpfe müssen ausgefochten werden“) und am 20. Januar 2005 („Es gilt, die Einheit der Gegensätze herzustellen“) entwickelt hat.
Beide Aufsätze enthalten einiges Richtiges, vieles Ungenaues, manches Falsches. Zunächst einmal muss die Forderung des Genossen Holz, dass Richtungskämpfe ausgefochten werden müssen, vorbehaltlos unterstützt werden, zumal die Verkleisterung derselben auch kaum mehr durchzuhalten ist angesichts der fortschreitenden Barbarei des Imperialismus. Daher hat der entsprechende Titel des ersten Textes von Genossen Holz in der „jungen welt” bei nicht wenigen Genossinnen und Genossen Unterstützung, ja Hoffnung geweckt.
Doch welche Konsequenzen sieht Genosse Holz aus der von ihm erhobenen Forderung und den damit erweckten Erwatungen?
Er beschreibt die internationale kommunistische Bewegung in ihrer massiven Krise und Zerrissenheit. Das ist durchaus richtig. Doch schon bei dieser Beschreibung schleichen sich Ungenauigkeiten und Fehler in seinen Aufsatz. Er baut einen Widerspruch zwischen den kommunistischen Parteien Europas (die sich alle noch nach „der Niederlage des Sozialismus in der Sowjetunion” in einer „tiefe(n) Krise” befänden und jenen aus dem Trikont ( wobei er folgende Länder und Regionen besonders hervorhebt: „Indien und Lateinamerika, im Nahen Osten und in Südafrika“, wo der „kommunistische Kampfgeist (…) noch ungebrochen” sei. Konkrete Beispiele nennt er nicht. Damit wird das Bild, das Genosse Holz vom derzeitigen Zustand der internationalen kommunistischen Bewegung zeichnet, in einer Mischung aus Ungenauigkeit und Fehlerhaftigkeit gezeichnet.
Zum einen gibt es sehr wohl in Europa kommunistische Parteien, deren „Kampfgeist ungebrochen” ist. Dies sind vor allem die griechischen Genossen der KKE, die portugiesischen Genossen der PCP, die schwedischen Genossen der KPML oder die belgischen Genossen der PTB. Was diese Parteien – bei manchen Unterschiedlichkeit in einigen Positionen – eint, ist die Tatsache, dass sie ein festes marxistisch-leninistisches Fundament besitzen, das sie sich zum Teil in härtesten Kämpfen mit revisionistischen Kräften bewahrt, erneuert oder zurückerkämpft haben.
Und wenn Genosse Holz nebulös Indien als Hort des Kampfgeistes erwähnt, wen meint er dann? Die Immer-noch-Gorbatschow-Fans der KP Indiens oder zum Beispiel die Genossen des SUCI (wahrscheinlich wohl eher nicht)? Und ist eine Partei, die wie in Südafrika (vom Genossen Holz besonders hervorgehoben) nahezu jeden neoliberalen Winkelzug der Regierung, der auf Kosten der Arbeiterklasse geht, unterstützt oder in Zimbabwe offen auf Seiten der konterrevolutionären Opposition zur ZANU-PF steht, die sich bereits vor Jahren parteioffiziell von wesentlichen Grundpositionen des Marxismus-Leninismus sowie den Traditionen der internationalen kommunistischen Bewegung verabschiedet hat, wirklich als „Kraftquell” zu bezeichnen? Im Nahen Osten spielen Kommunisten nur eine Rolle am Rande der Entwicklungen sowie der immer schärfer werdenden antiimperialistischen Kämpfe. Im Irak ist die Führung der dortigen so genannten „Irakischen Kommunistischen Partei” zu billigen Kollaborateuren mit dem US-Imperialismus verkommen. Leider gibt uns Genosse Holz jedoch kein Instrument zur Hand, mit dessen Hilfe wir in der Lage wären, kommunistische „Kraftquellen” im Nahen Osten zu orten.
Weitere Aspekte
Es gibt noch eine Reihe weiterer Aspekte in den beiden genannten Aufsätzen des Genossen Holz, die entweder unklar, nebulös, falsch oder eine Mischung aus allem sind. Erwähnen möchte ich nur am Rande, dass er sich mit den Beschreibungen kommunistischer Traditionen, Fehlentwicklungen, Problemen unter dem Zwischenüberschriften „Ursprünge der Krise” oder „Kommunistische Identität” nicht nur auf der Ebene von Oberflächlichkeit bewegt, sondern viel mehr Fragen und Probleme in einer Art und Weise „bedient” (Beispiel:„Dieser Weg forderte ungeheure Opfer. Auf ihm wurden auch Verbrechen begangen …“), die auf einer „schiefen Ebene” an revisionistische Positionen anstoßen.
Bei allen Fragen, die beide Aufsätze aufwerfen, bei allem Richtigen, das zu unterschreiben wäre, bei allem Falschen oder Ungenauen, über das diskutiert werden müsste – dennoch ist ein roter Faden erkennbar, der sich durch beide Aufsätze (wie auch andere Veröffentlichungen) des Genossen Holz zieht und der typisch für jene lauter vernehmbare Position ist, die ich mit „Kritik auf Knien” bezeichnen würde.
Genosse Holz drückt sich vor einer entscheidenden Positionierung: der Rolle des Revisionismus in der kommunistischen Bewegung – seine historischen Konsequenzen bis hin zu seinem aktuellen Einfluss. Mehr noch: Revisionismus im klassischen Sinne vermag er anscheinend nicht zu erkennen („Es wäre falsch, hier einfach von Opportunismus und Reformismus einerseits, von Orthodoxie und Dogmatismus andererseits zu sprechen.“). Genosse Holz sowie alle jene, die ihre „Kritik auf Knien” vortragen, können und wollen natürlich ihre Augen nicht vor der Tatsache der sich verschärfenden Widersprüche innerhalb vieler kommunistischer Parteien als Ausdruck der sich verschärfenden Widersprüche des Imperialismus verschließen. Im Gegenteil, sie kritisieren in vielen Fragen grundsätzlich die Positionen revisionistischer Parteiführungen und/oder Ideologen. Sie streiten aus ihrer Sicht für eine wirklich revolutionäre Alternative zur Barbarei des Imperialismus, für einen revolutionären Bruch mit diesem System. Sie erfüllt es mit Stolz, in der kämpferischen Tradition der kommunistischen Bewegung zu stehen. Sie positionieren sich daher im Prinzip positiv zum realen Sozialismus, insbesondere der Sowjetunion und DDR.
Sie sehen jedoch nicht die verheerende Rolle, die der Revisionismus in der kommunistischen Bewegung als Grundvoraussetzung für Spaltung, Konterrevolution, Schwächung, Zerschlagung oder Transformierung zur Sozialdemokratie gespielt hat und noch spielt. Sie sehen (noch) nicht die Zurückdrängung und letztliche Zerschlagung des Revisionismus als notwendig für den Wiederaufbau einer kommunistischen Bewegung, die fest auf den Positionen des Marxismus-Leninismus steht.
Im Gegenteil, Genosse Holz beschwört die „Einheit der Gegensätze“: „Ich wollte zeigen, dass es aus historischen Gründen in der gegenwärtigen Phase der Neuformierung weltpolitischer Fronten zwei Tendenzen im Kampf gegen den Imperialismus gibt: dass diese Tendenzen einen objektiven Widerspruch der Situation widerspiegeln; und dass es für die kommunistische Bewegung verhängnisvoll wäre, wenn nicht beide Tendenzen zusammen das Bewusstsein und die Handlungsbreite kommunistischer Parteien bestimmen: defensiv bis reformerisch (nicht reformistisch!) und offensiv bis revolutionär. Die Dominanz der einen Richtung würde zu einer ‚Sozialdemokratisierung’ führen, die Dominanz der anderen Richtung geriete in die Gefahr eines abenteuerlichen Linksradikalismus.” Welch ein Drahtseilakt, den Genosse Holz mit vielen Worten, in vielen Bildern, manchmal nebulös durchzuhalten sucht, nur um nicht mit allen Konsequenzen über die Rolle und Funktion des Revisionismus in der kommunistischen Bewegung zu sprechen oder sich klar und eindeutig positionieren zu müssen (dabei weiß er sehr gut den Klasseninhalt des Revisionismus einzuschätzen, sonst würde je ja nicht, wie das Zitat belegt,vor einer „Sozialdemokratisierung” der kommunistischen Bewegung bzw. ihrer Partei warnen, falls von ihm als „defensiv bis reformerisch” beschriebene Kräfte die absolute Dominanz hätten)!
Die oben skizzierte Position der „Einheit der Gegensätze” des Genossen Holz ist jedoch nicht neu: „In vielen Einzelfragen mag es und wird es unterschiedliche Vorstellungen bei Genossinnen und Genossen geben. Sie verdienen Beachtung und Respekt. (…) Der Ausdruck unserer politischen und weltanschaulichen Einheit ist das Programm, das sich die Partei gibt. Darum ist es richtig, dass um die Inhalte des Programms mit höchstem Ernst gerungen wird. (…) Wo Differenzen auftauchen, müssen diese in gegenseitiger Achtung und ohne Rechthaberei ausgetragen werden. (…) Es gibt keine Alternative zur Partei.” An anderer Stelle wurde Genosse Holz in dieser Hinsicht jedoch noch deutlicher: „Unleugbar ist, dass unter Kommunisten heute konzeptionelle Differenzen bestehen, die auch in kontroversen Publikationen zutage treten. Nicht ideologische Abstempelungen und Verdammungsurteile schaffen diese Situation aus der Welt, sondern nur eine konsequente und solide theoretische Arbeit, die sich mit der Praxis des Klassenkampfes vermittelt. Damit muss die Einheit aller kommunistisch Denkenden das Ziel sein; Zersplitterung der Kommunisten nutzt nur der herrschenden Klasse. Eine polemische Kritik von ‚links’ schwächt den ohnehin schwierigen Konsolidierungsprozess der kommunistischen Partei, der DKP, die die Kerntruppe der ‚Linken’ in Deutschland bildet. Wie wir aus der Geschichte der Arbeiterbewegung wissen, haben antikommunistische Geheimdienste sich dies immer wieder zunutze gemacht.”
Genosse Holz und alle, die ihre „Kritik auf Knien” vortragen, haben es jedoch bisher versäumt, zu erklären, wie eine faktische Einheit von Revisionismus und Marxismus-Leninismus in einer Partei dauerhaft „funktionieren” soll, ohne dass diese Partei ihren revolutionären Charakter verliert. Auch ist mir kein geschichtliches Beispiel bekannt, wo dies in etwa über einen längen Zeitraum „funktioniert” hätte. Die Geschichte der PDS sei hier nur als letzte Katastrophe in dieser Hinsicht genannt.
Und: die Identität der Kommunisten ist unmittelbar mit dem Kampf gegen den Revisionismus und jegliche Formen des Opportunismus in der Arbeiterbewegung (wie auch in den eigenen Reihen) verbunden. Ja, die Gründung der Kommunistischen Parteien als eigenständige revolutionäre Formation der Arbeiterbewegung wäre ohne diese permanente Auseinandersetzung überhaupt nicht erklärlich (und historisch notwendig gewesen). Anders formuliert: ohne diese Auseinandersetzung, verknüpft mit der Verteidigung der Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus, ist die Existenz von kommunistischen Parteien objektiv überflüssig, ihre Existenzberechtigung stirbt förmlich ab…
Michael Opperskalski, Köln