„The proof of the pudding is in the eating“

Michael Opperskalski:

„The proof of the pudding is in the eating“[1]

Winston Churchill

Theoretische Positionen oder Ziele werden auf dem Prüfstand gesellschaftlicher Realitäten deutlich, oft entkleiden diese den objektiven Kern vom wohl formulieren, manchmal schillernden Überbau. Dies ist es, was der erzreaktionäre Stratege des britischen Imperialismus, Winston Churchill, mit seinem Zitat ausdrücken wollte.

Nun hat also die DKP „ihren Pudding“: das neue Programm wurde nach jahrelangen, quälenden Diskussionen verabschiedet  und – neben der nur wenig Monate zuvor durchgepeitschten „Politischen Erklärung“ – zur ideologisch-programmatischen Grundlage der Partei. Wie schmeckt nun, um im Rahmen des Churchill-Zitates zu bleiben, der „DKP-Pudding“?

Als Antwort auf diese Frage greife ich vier Aspekte heraus, die die tatsächliche Rolle des Parteiprogramms und seines Charakters beleuchten sollen:

  1. im langen, widersprüchlichen Diskussionsverlauf wurde nicht nur das ideologisch-politische Niveau der DKP des Jahres 2006 erstmals seit dem zeitweiligen Sieg der Konterrevolution (1989/1991) klar aufgezeichnet, sondern zudem für jeden sichtbar, dass es zum Teil gravierende Meinungsunterschiede innerhalb der Partei gibt;
  2. (spätestens) der 17. Parteitag hat während beider Tagungen sowohl bei der Verabschiedung der „Politischen Erklärung“ als auch des neuen Parteiprogramms deutlich gemacht, dass es Ansätze für politische Strömungen innerhalb der DKP gibt, die sich analog der Positionierung einzelner Mitglieder oder Gliederungen der Partei zu den umstrittenen ideologisch-politischen Grundfragen herausschälen und entwickeln. Diese Problematik wird zudem noch teilweise von der Tatsache überlagert, dass die DKP es nach wie vor und sehr offensichtlich nicht geschafft hat, beide historisch gewachsenen Strömungen der kommunistischen Bewegung – nämlich jener, die in der BRD im Klassenkampf gegen eine der ausgekochtesten, brutalsten und erfahrensten Bourgeoisien stand und den Genossen aus der DDR, die dort den Sozialismus als größter Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung aufbauten – wirklich organisch sowie politisch-ideologisch zusammenzuführen. Zugespitzt formuliert: die DKP ist immer noch und zugleich in JEDER Hinsicht eine „West-Partei“! Das schafft zusätzliche organisatorische, politische und ideologische Probleme, hindert aber auch die Partei daran, diese einmalige historische Situation schöpferisch zu nutzen;
  3. vor allem der 17. Parteitag hat die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse innerhalb der Partei (im wesentlichen) unverhüllt von parteidiplomatischen Ränkespielen und Worthülsen offen gelegt, aber auch recht deutlich in ihrer Strategie und Taktik (was entsprechende Beschränktheiten durchaus einschließt) dargestellt. In Konsequenz daraus zeigten sich die objektive Rolle, Strategie und Taktik  sowie die tatsächlichen ideologisch-politischen Positionierungen der Protagonisten unterschiedlicher Positionen innerhalb der DKP;
  4. all dies zusammengenommen erlaubt klare Aussagen zum Charakter der DKP. Daraus lassen sich, zumindest theoretisch und unter Berücksichtigung der derzeitigen gesellschaftlichen Situation, der Entwicklung der Klassenkämpfe, aber vor allem der anhaltenden konterrevolutionären Situation in der imperialistischen BRD, einige Konsequenzen für die Kommunisten in Deutschland ableiten.

Zuspitzungen im Vorfeld des Parteitages

Nach jahrelangen, teilweise sehr heftigen Diskussionen hat sich die DKP nun auf dem 17. Parteitag in diesem Jahr ein neues Programm gegeben. Zwar wurde das Programm mit einer überwältigenden Mehrheit der Parteitagsdelegierten verabschiedet, dennoch waren ein rundes Drittel der anwesenden Genossinnen und Genossen – sicherlich aus unterschiedlichen Gründen – nicht bereit, mit „Ja“ zu stimmen, votierten damit entweder gegen das Programm oder enthielten sich der Stimme. Die Abstimmung über das Parteiprogramm lies damit zugleich deutlich werden, dass auch der letzte Entwurf, der zur Abstimmung stand, die Auseinandersetzungen über grundsätzliche Fragen des Marxismus-Leninismus sowie daraus resultierend der Strategie und Taktik der DKP, nicht wirklich klären, sondern eigentlich nur erneut vertagen konnte, aber auch, dass das Kräfteverhältnis zwischen jenen Genossinnen und Genossen, die im wesentlichem der Parteiführung folgen und ihren Kritikern recht eindeutig zu Ungunsten letzterer ausgefallen ist und recht gut die GESAMTsituation der DKP widerspiegelt (was regionale Unterschiede nicht ausschließt). In dieser Hinsicht setzte die 2. Tagung des 17. Parteitages, die über das Programm zu entscheiden hatte, das fort, was bereits während der 1. Tagung einige Monate zuvor (vor allem bei der Abstimmung über die so genannte „Politische Erklärung“) sichtbar geworden war.

Bis zum 17. Parteitag konnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Auseinandersetzungen innerhalb der DKP um Grundfragen auf eine Art und Weise eskalierten, die in einer Art Eigendynamik durchaus zur – in welcher Form auch immer wahrzunehmenden – Formierung von Strömungen, der Abspaltung einzelner Untergliederungen oder öffentlich wahrnehmbarerer Austritte hätte führen können. Geschuldet war diese Eskalation im wesentlichen dem Agieren der Parteiführung und einzelner ihrer Protagonisten, die, um ihre Positionen ziemlich kompromisslos durchzuziehen und wohl auch zuweilen unsicher geworden um die tatsächlichen Kräfteverhältnisse innerhalb der Partei, ständig „Benzin ins Feuer“ der Auseinandersetzungen schütteten:

Wir streiten uns. Das ist gut, denn in einer Epoche tief greifender weltpolitischer Veränderungen, erfüllt von widersprüchlichen Prozessen, sind unterschiedliche Einschätzungen auf Grund der unterschiedlichen Erfahrungen der Einzelnen selbstverständlich. (…)

Was geschieht statt dessen? Argumente werden nicht als Ratschlag und Diskussionsbeitrag aufgenommen, sondern als Opposition bekämpft. Was der Perspektive, die gerade die einiger Sekretariatsmitglieder ist, nicht entspricht, wird verketzert, an den Rand gedrängt, ausgegrenzt. Der Parteivorsitzende stellt jene, die abweichender Meinung sind, mit den ‚Erneuerern’ von 1988, mit der Gruppe Rosenberg/Kröll auf eine Stufe, als hätten sie eine Spaltung der Partei im Sinn. Er verlangt von den Kritikern, sie ‚sollen offen darlegen, für welches Konzept sie politisch und personell stehen’ und behauptet wahrheitswidrig: ‚dies fehlt bislang in allen Debatten’. (…) Das ist nackte Demagogie, kein solidarischer Diskussionsstil unter Genossen.

Was für eine Partei sind wir, deren Organ, die UZ, unserem früheren Parteivorsitzenden Herbert Mies den Abdruck eines Briefes verweigert, der eine milde Kritik am Sekretariat enthielt? (…)

Genossinnen und Genossen, der 16. Parteitag hatte dem PV für die nächst Arbeitsperiode den unmissverständlichen Auftrag erteilt, nach weiterer gründlicher Diskussion den Entwurf zu einem Parteiprogramm zu veröffentlichen. Jetzt erklärt Heinz Stehr im UZ-Interview, es sei notwendig gewesen, ‚den Zünder aus einer polarisierenden und lähmenden Programmdebatte herauszudrehen’. Darf ein PV so mit Parteitagsbeschlüssen umgehen? Ich zitiere aus dem Brief von Herbert Mies an mich: ‚Die Vorgehensweise ist für mich und viele andere unverständlich, arrogant und von Macht und personaler Rechthaberei geprägt. Das ist schlimm.’ Das sagt ein erfahrener Parteiführer. Und ich füge hinzu: so polarisiert man. (…)[2]

Die Zündschnur glimmt nur noch leicht rauchend vor sich hin

Von dieser durchaus explosiven Atmosphäre spürt man heute nur noch wenig, obwohl die grundsätzlichen Fragen eben nicht geklärt wurden. Was ist passiert? Zunächst stärkte das sehr deutlich zu Tage getretene Kräfteverhältnis während der 1. Tagung des 17. Parteitages ganz offensichtlich das Selbstbewusstsein der Parteiführung, ihre Positionen in den wesentlichen Kernaussagen mit allerdings weniger eskalierendem „Benzin in den Kanistern“ sowie damit einhergehend stärkerer Kompromissbereitschaft in einzelnen Formulierungsfragen durchzusetzen: „Der Parteitag hatte sich ja konkrete Ziele gesteckt mit dem Parteitag. Unterm Strich sind diese Ziele erreicht worden. Etwas besseres konnte uns nicht passieren. Die politische Erklärung wurde verabschiedet. Das Referat mit seiner politischen Linie fand große Zustimmung. Die Diskussion deckte sich weitgehend damit. (…)“ [3]

Die wahrnehmbare Pazifisierung der Atmosphäre in der DKP ist jedoch nicht nur aus dem veränderten Verhalten der Parteiführung und ihrer Protagonisten zu erklären. Beides trifft auf Kritiker, deren Minderheitenposition inzwischen nicht nur eindeutig dokumentiert wurde, die zudem weder über eine klare ideologisch-politische Linie verfügen noch auch nur ansatzweise organisatorisch abgestimmt aufgetreten sind. Gepaart ist dies mit einem politisch defensiven Herangehen an die Auseinandersetzungen um Grundfragen marxistisch-leninistischer Politik und Ideologie, was dann immer mehr in ein Zurückweichen und Einknicken vor den Positionierungen der Parteiführung einmündete. Manche Kritiker wurden im Verlauf dieses Prozesses gar zu „Ehemaligen“, wechselten die Seiten und exekutieren inzwischen im Großen und Ganzen die politische Linie der Parteiführung. Als personelles Beispiel für so eine Entwicklung mag die DKP-Landesvorsitzende von Brandenburg Brigitte Müller gelten.

Viele Kritiker begaben sich allerdings bereits schon im längeren Vorfeld in die politische Defensive, weil sie aus politischen, ideologischen oder taktisch gemeinten Gründen nicht bereit oder willens waren, die ausgebrochenen Auseinandersetzungen um essentielle Grundfragen des Marxismus-Leninismus als Auseinandersetzungen mit dem Revisionismus und seinen Trägern in der kommunistischen Bewegung zu begreifen und dementsprechend auch zu führen. Damit blieb immer unwidersprochener, was der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr bereits 2003 wie folgt formulierte: „Eine wesentliche Kontroverse ergibt sich aus der Fragestellung: 1. Sind wir alle der Meinung, dass alle bisher beteiligten Standpunkte von der Grundlage des Marxismus ausgehen oder nicht? Ich sehe es so, was die bisherigen Diskussionen in der Programmkommission anbelangt. Es ist kein Streit zwischen Marxisten und Revisionisten, wie es teilweise in Publikationen (Rotfuchs, offen-siv usw.) dargestellt wird. Es ist ein Streit im ‚normalen’ Spannungsfeld der Meinungsvielfalt einer kommunistischen Partei (auch international so). (…)“[4] Auf dieser Ebene trifft sich Stehr dann eben und gerade auch mit Hans Heinz Holz, der vielen Kritikern als Leit- und Orientierungsfigur galt und gilt: „In vielen Einzelfragen mag und wird es auch unterschiedliche Vorstellungen bei Genossinnen und Genossen geben. Sie verdienen Beachtung und Respekt. (…) Der Ausdruck unserer politischen und weltanschaulichen Einheit ist das Programm, das sich die Partei gibt. Darum ist es richtig, dass um die Inhalte des Programms mit höchstem Ernst gerungen wird. (…) Wo Differenzen auftauchen, müssen diese in gegenseitiger Achtung und ohne Rechthaberei ausgetragen werden. (…) Es gibt keine Alternative zur Partei.[5] An anderer wurde Holz jedoch noch deutlicher: „Unleugbar ist, dass unter Kommunisten heute konzeptionelle Differenzen bestehen, die auch in kontroversen Publikationen zutage treten. Nicht ideologische Verdammungsurteile schaffen diese Situation aus der Welt, sondern nur eine konsequente und solide  theoretische Arbeit, die sich mit der Praxis des Klassenkampfes vermittelt. Damit muss die Einheit aller kommunistisch Denkenden das Ziel sein; Zersplitterung der Kommunisten nutzt nur der herrschenden Klasse. Eine polemische Kritik von ‚links’ schwächt den ohnehin schwierigen Konsolidierungsprozess der kommunistischen Partei, der DKP, die die Kerntruppe der ‚Linken’ in Deutschland bildet. Wie wir aus der Geschichte der Arbeiterbewegung wissen, haben sich antikommunistische Geheimdienste sich dies immer wieder zunutze gemacht.“[6]

Auf diese Weise wird jedoch die (notwendige!) Auseinandersetzung um Grundpositionen der Kommunisten, um die Pfeiler des Marxismus-Leninismus, beliebig. Jeder solle eben als Marxist und Kommunist bezeichnet werden, solange er sich selbst als solchen bezeichnet, fast völlig losgelöst von Positionen, die er oder sie in theoretischen oder aktuellen Fragen des Klassenkampfes und Grundfragen des wissenschaftlichen Sozialismus vertritt. Damit wird verständlich, warum sich Stehr und Holz letztlich in (nicht nur) einer entscheidenden Frage, die jedoch jederzeit zu einer Kardinalfrage der kommunistischen Bewegung wird, einig sind: es geht eben angeblich bei den Auseinandersetzungen in der DKP eben nicht um eine Auseinandersetzung mit dem Revisionismus und seinen Vertretern innerhalb der kommunistischen Bewegung. Das ist in Konsequenz mehr als eine Unterschätzung des Revisionismus – trotz seiner Rolle als notwendige Voraussetzung für den Sieg der Konterrevolution in den ehemals sozialistischen Ländern -, es Bedeutet die Anerkenntnis der Berechtigung revisionistischer Positionen innerhalb der kommunistischen Bewegung….

Diese, diplomatisch formuliert, Defensivposition vieler Kritiker in der DKP, sicherlich auch der entsprechende Einfluss einer ihrer Leitfigur, von Hans Heinz Holz eben, geschuldet, macht erklärlich, wieso es zu keinem gemeinsamen strategischen und taktischen Auftreten kommen konnte und fast in allen politischen wie ideologischen Fragen ein mehr oder weniger billiger Kompromiss an die Parteiführung den nächsten jagte.[7]

Und nun wird die politische und ideologische Niederlage schön geredet

In seinem langen Grundsatzartikel in der Tageszeitung „junge Welt“ vom 20. April 2006 formuliert Hans Heinz Holz unter der Überschrift „Aufbau von Gegenmach“ euphorisch über das gerade auf der 2. Tagung des 17. Parteitages verabschiedete Programm: „Das Programm jedenfalls zeichnet meiner Meinung nach im Grundsätzlichen ein klares Profil. Es wird klar ausgesprochen, wie die Partei ihr politisches Ziel versteht. (…) < hier folgt jetzt die kurze Aufzählung von angeblich im Programm festgelegten marxistisch-leninistischen Grundpositionen > Die DKP ist die Partei der deutschen Kommunisten[8]. (…) Dem Programm fehlt noch dieser Fanfarenton des Aufbruchs. Es ist im ganzen zu beschreibend, und manche Beschreibungen halte ich für fraglich. Es ist mir zu wenig kämpferisch im Ton. Die Partei profiliert sich nicht genug gegenüber den pluralistischen ‚Kräften des Widerstands’. Darum bleibt die Darstellung des Weges zum Sozialismus blass.

Aber das Programm hält die Voraussetzungen fest, von denen aus dieser Aufbruch erfolgen kann. Es setzt eine Schranke gegen Revisionismus und Opportunismus.“ Wenn denn der letzte Teil der Aussage zutrifft, dann möge uns Hans Heinz Holz einmal verständlich und fern vom Philosophenturm ohne Bodenhaftung einmal erklären, warum denn sich die DKP dann auf Seiten der mit dem US-Imperialismus kollaborierenden, verräterischen so genannten „KP des Irak“ engagiert, während des zionistisch-imperialistischen Aggressionskrieges gegen den Libanon die Umsetzung der UN-Resolutionen forderte, was eine Durchsetzung der nordamerikanischen imperialistischen Neuordnung der Region des Nahen Ostens bedeutet und die DKP in krassen Widerspruch zu den meisten kämpferischen Bruderparteien des Nahen Ostens bringt[9] oder auf unterschiedlichen Ebenen mit konterrevolutionären trotzkistischen Elementen à la SAV oder „Linksruck“ zusammenarbeitet, die offen für den Sturz der revolutionären Führung des sozialistischen Kuba eintreten. Das sind nur einige aktuelle Beispiele für die sehr konkrete Aufgabe kämpferischer antiimperialistischer Positionen.  Wo blieb da „die Schranke gegen Revisionismus und Opportunismus“, die uns Hans Heinz Holz so euphorisch sehen lassen möchte? Wo bleibt aber auch seine eigene, klare und eindeutige Positionierung zum Beispiel in den von mir angesprochenen Fragen?

Zu der von Holz im Programm gesehenen „Anerkennung für die Leistungen beim Aufbau des Sozialismus in der DDR“ (dies ist ein Punkt aus seiner in seinem bereits zitierten jW-Artikel herausgestrichenen Aufzählung angeblich im DKP-Programm festgezurrten marxistisch-leninistischen Grundpositionen, d. Verf.). Es ist richtig: an einer Stelle des Programms wird formuliert, dass die „DDR, ihr konsequenter Antifaschismus, ihr Eintreten für Frieden, Entspannung und Abrüstung sowie  die Verwirklichung elementarer sozialer Grundrechte gehören zu den größten Errungenschaften der deutschen Arbeiterbewegung.“[10] Doch nur wenige Absätze weiter wird das „administrativ-zentralistische ‚Sozialismusmodell’“ (ja, tatsächlich in Anführungszeichen geschrieben, was durchaus den Eindruck erwecken kann, dass die Autoren den real existierenden Sozialismus nicht als wirklichen, echten Sozialismus ansehen, d. Verf.) abgelehnt. Das geht doch einfach nicht zusammen. Was denn nun? Eindeutig ist nur, dass eine zunächst richtige und wichtige Aussage wieder zurückgenommen wird. Das will uns Hans Heinz Holz allerdings anders verkaufen. Ich schlage ihm deshalb einfach einmal vor, in ein Restaurant seiner Wahl zu gehen, ein Essen nach seinem Gusto zu bestellen, dieses dann vor dem Koch und der Bedienung des Lokals überschwänglich zu loben, es jedoch bereits kurz nach dem Nachtisch in aller Öffentlichkeit wieder auszukotzen. Was wird dann bei den anwesenden Gästen wohl eher wahrgenommen und als wirkliche „Aussage“ zur Qualität des Essens angenommen werden: die wohlformulierten Worte des Lobes oder das Erbrechen?

Die Aussage(n) zum Sozialismus sind typisch für weite Teile des Programms. An einigen Stellen wird richtiges und wichtiges gesagt, was an anderen Stellen unzweideutig zurückgenommen oder zumindest relativiert wird. Vieles fehlt schlicht und einfach auch, was zu den Grundbausteinen des Marxismus-Leninismus gehört. Auch diese Aussagen lassen sich ruhig und inhaltlich am Text des Programms nachweisen, was hier und an dieser Stelle nicht meine Aufgabe ist, zumal es andere Autoren in „offen-siv“ bereits en Detail geleistet haben.

Fazit: mit dem neuen Programm hat sich die DKP ein in weiten Teilen revisionistisches Programm gegeben. Tatsache ist auch, dass die Führung der Partei zumindest revisionistisch dominiert wird und das vor dem Hintergrund der während beider Tage des 17. Parteitages deutlich gewordenen Kräfteverhältnisse innerhalb der DKP, die zu Ungunsten der Kritiker ausfallen. Kurzum: man kann nicht anders, als die DKP jetzt als revisionistische Partei zu charakterisieren. Diese Aussage bedeutet eindeutig NICHT, diese zu bekämpfen oder zu verteufeln, sondern zu versuchen, sie im antiimperialistisch-demokratischen Kampf an möglichst vielen Fronten einzubinden, gerade auch im klaren Bewusstseins ihres Charakters.

Vor diesem Hintergrund wird die schon öfters und länger in „offen-siv“ zur Diskussion vorgestellte Position aktueller, dass es im imperialistischen Deutschland derzeit an einer einheitlichen, marxistisch-leninistischen Partei fehlt. Diese aufzubauen und möglichst viele Kommunisten, vor allem auch Mitglieder der DKP, in diesen Prozess mit einzubeziehen, ist die Aufgabe ALLER Marxisten-Leninisten in der BRD.

Für die Mitglieder der DKP, die sich trotz alledem und immer noch als Marxisten-Leninisten verstehen, steht daher jetzt die Herausforderung an, sich innerhalb der Partei taktische und strategische Konzepte zu erarbeiten, die dem Aufbau einer einheitlichen kommunistischen Partei, die fest auf dem Boden des Marxismus-Leninismus steht, nutzen. Dabei bleibt die Auseinandersetzung mit dem Revisionismus in all seinen Spielarten ein unverzichtbarer Kern dieses Prozesses.

Michael Opperskalski,
Köln

ANMERKUNGEN

  1. [1]Dieses Zitat von Winston Churchill würde man wie folgt recht frei übersetzen: „Ob ein Pudding schmeckt, merkt man erst, wenn man ihn isst“
  2. [2]aus: Diskussionbeitrag von Hans Heinz Holz auf der 1. Tagung des 17. Parteitages, gekürzt zitiert aus: „offen-siv“, Ausgabe März/April 2005
  3. [3]aus: Diskussionbeitrag von Hans Heinz Holz auf der 1. Tagung des 17. Parteitages, gekürzt zitiert aus: „offen-siv“, Ausgabe März/April 2005
  4. [4]UZ-Interview mit dem DKP-Vorsitzenden Heinz Stehr zu den Ergebnissen der 1. Tagung des 17. Parteitages in UZ vom 25. Februar 2005
  5. [5]Aus: DKP-Informationen, Nr.5/2003
  6. 86]Hans Heinz Holz: „Die Einheit der Partei und ihr Programm“, UZ, 16. Januar 2004
  7. [7]Hans Heinz Holz: „Ein Brief an Rosemarie Müller-Streisand“ in „Weissenseer Blätter“, Nr. 2/2002. Aber Holz ist sich ganz offensichtlich auch in einem weiteren Aspekt mit einigen aus der DKP-Führung einig, nämlich der Verunglimpfung und Diffamierung von Genossinnen und Genossen, die von Positionen des Marxismus-Leninismus aus einer Einheit mit revisionistischen Positionen und ihren Protagonisten in einer kommunistischen Partei (!!!) höchst kritisch gegenüberstehen und den Revisionismus prinzipiell bekämpfen. Ganz allgemein rückt er sie in die Nähe von imperialistischen Geheimdiensten und ganz konkret denunziert und diffamiert er sie auch als geheimdienstliche Agenten des Klassenfeindes (so auch den Autor dieses Aufsatzes)…
  8. [8]Dies kann sehr klar an den ungezählten Varianten von Alternativentwürfen zum Parteigrammentwurf und ihrer jeweiligen Mutation nachgewiesen werden
  9. [9]Diese Aussage kann von vielen Kommunisten in der BRD als schlichte Provokation gewertet werden, ist es doch eine gesellschaftliche Realität, dass Kommunisten nicht nur in der DKP organisiert und viele inzwischen unorganisiert sind. Das Programm der DKP kann sich daher lediglich auf die Mitglieder der DKP beziehen (so steht es übrigens auch im DKP-Statut) und die DKP ist auch nicht DIE kommunistische Partei im imperialistischen Deutschland. Im Gegenteil, es wäre auch Aufgabe der DKP, sich für deren Schaffung einzusetzen. Davon steht nichts im Programm. Und auch Holz schweigt sich dazu aus…
  10. [10]Vgl. dazu ausführlich: „Quo vadis“ in: „offen-siv“, Ausgabe Juli-August 2006
  11. [11]Zitat aus dem DKP-Programm