Vorbemerkung

Redaktion Offensiv:
Vorbemerkung

Während der Rosa-Luxemburg-Veranstaltung der „jungen Welt“ haben wir mit dem Aufruf der DKP-Berlin Unterschriften gesammelt gegen den in der Gedenkstätte der Sozialisten aufgestellten Stein „Den Opfern des Stalinismus“. Die dabei angestoßenen Diskussionen waren so interessant wie kontrovers. Die Anhänger des Reformismus und Revisionismus waren nur äußerst selten in der Lage, die Funktion dieses Gedenksteines im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Klassenauseinandersetzung zu sehen, sie bewegten sich vielmehr innerhalb einer klassen-neutralen, allgemeinen Opferrhetorik (die den Nazigeneral des Unternehmens „Barbarossa“ dann auch mit einschließt – was sie selbstverständlich nicht hören wollten). Genossinnen und Genossen der DKP, der SDAJ, der Roten Hilfe und viele andere dagegen hatten kein Problem, die Klassenfunktion dieses „Gedenkens“ zu erkennen und haben dementsprechend gegen den Gedenkstein unterschrieben.

Zwischen den Stühlen sitzen, Eiertänze aufführen, jeden verstehen und mit jedem auskommen, Licht und Schatten sehen, die ausgewogene Balance suchen – all das können gedankenschwere Zentristen genau wie wendefreudige Reformisten nur, so lange sie lavieren können und es nicht „Spitz auf Knopf“ kommt. Deshalb sind solche Situationen wie diese, in der man entweder unterschreiben oder aber die Unterschrift verweigern muss (denn halb unterschreiben geht nun mal nicht), sehr vielsagend.

Besonders interessant erschien uns in diesem Zusammenhang ein Vorgang, in den die Tageszeitung „Neues Deutschland“ und die „Kommunistische Plattform der Linkspartei.PDS“ eingebunden waren. Das „Neue Deutschland“ hatte eine Diskussionsseite geplant – pro und kontra Gedenkstein für die „Opfern des Stalinismus“. Jürgen Hofmann sollte den Stein verteidigen, Kurt Gossweiler war gebeten worden, dagegen zu argumentieren. Kurt Gossweiler hatte aus gesundheitlichen Gründen abgesagt und Eva Ruppert als Ersatz vorgeschlagen. Eva Ruppert reichte ihre Argumentation beim „ND“ ein, ihr Artikel wurde angenommen, die Seite wurde gesetzt (die Druckfahne liegt uns vor), da schritt der Chefredakteur ein und untersagte den Abdruck mit der Begründung, dass es sich bei dem Artikel von Eva Ruppert um eine Verherrlichung Stalins handele.

Wir dokumentieren im folgenden zu diesem gesamten Vorgang den Leserbrief von Eva Ruppert, den die „junge Welt“ am 11. Januar 2007 brachte, einen Artikel aus den „Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der Linkspartei.PDS“, Ausgabe 1-2007, von K.J. Goldstein, E. Brombacher, R. Farha, H. Karl und S. Wagenknecht sowie einen Leserbrief von Ellen Brombacher in der „jungen Welt“ vom 15. Januar des Jahres. Und danach drucken wir natürlich den im „ND“ nicht veröffentlichten Artikel von Eva Ruppert.

Diesen ganzen Aufwand betreiben wir, weil diese kleine Episode die Probleme der antikapitalistischen Linken exemplarisch und sehr deutlich aufzeigt: Die „demokratischen“ Sozialisten vom „ND“ üben Zensur aus, die „Kommunistische Plattform der Linkspartei.PDS“ hält das (in Person von Ellen Brombacher) im Resultat für „etwas Vernünftiges[36]“ und in ebensolchen Kreisen wird tatsächlich darüber diskutiert, ob man den antistalinistischen Stein nicht doch gegen eventuelle Provokationen schützen müsste.

Da gehen die Koordinaten des Klassenkampfes verloren. Und ein nicht geringer Teil der Menschen, die „eine andere Welt“ wollen, hält ein solches Verhalten für das Gebot der Stunde. So werden sie daran gewöhnt, im Sinne einer höheren „Vernunft“ (bloß keine Provokation – das wäre „mehr als schädlich“) anderen Interesse als ihren eigenen zu dienen.

Das Aufstellen dieses „Gedenksteins“ bewirkte und bewirkt mehr an Zerstörung, als es jeder noch so brutale Polizeieinsatz gegen die LLL-Demo je vermocht hätte. Und die Ursache für diese Zerstörung liegt  nicht nur in der Klugheit der Bourgeoisie und ihrer Lakeien.

Redaktion Offensiv,
Hannover

P.S.: Wir bitten Euch, den Aufruf der DKP Berlin, den Ihr am Schluss des Heftes findet, zu unterschreiben und Eure Unterschriften zu schicken an: DKP Berlin, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin!

  • [36]„… Wie auch immer: Es ist gut, dass der Partei (gemeint ist die Linkspartei.PDS; d.Red.), noch dazu im Rahmen der programmatischen Debatte, keine Diskussion aufgehalst wurde, die an die Zeiten vor der 1. Tagung des 4. Parteitages im Januar 1995 erinnert hätte. Manchmal bewirkt die Störung mut-maßlicher Planungen etwas Vernünftiges.“ (Zitat aus: Ellen Brombacher, Leserbrief in „jW“, 15.1.2007)