Hans Heinz Holz:
Eine Antwort
Die Zeitschrift “offensiv“ hat in einem Sonderheft eine Tagung ihres Herausgeberkreises zur Analyse des DKP-Parteiprogramms veröffentlicht. Ihr Ergebnis ist nicht nur kritisch, sondern ablehnend: Das Programm sei revisionistisch, die Partei eine revisionistische. Ich möchte in eine Diskussion darüber nicht eintreten. Zu offenkundig ist – in den Diskussionsvoten noch deutlicher als in den Referaten – die Tendenz, in die DKP einen Zwist zu tragen und die Partei zu zersplittern. Zu wessen Nutzen?
„offensiv“ hat im Anhang meine Argumente für die Annahme des Programms aus T&P Nr. 6 abgedruckt und daran eine heftige Polemik gegen meine Person und Position geknüpft, ohne allerdings auf deren Begründung inhaltlich einzugehen. Es ist richtig, dass es politisch konzeptionelle Richtungsdifferenzen in der DKP gibt. Die müssen in der innerparteilichen Diskussion ausgetragen werden. Im Verlauf der Programmdebatte gab es Phasen, in denen eine Richtung, die auch vom Parteivorstand gestützt wurde, ihre Auffassungen dominierend durchzusetzen schien. In dieser Situation wäre es unerlässlich gewesen, der Partei einen Alternativentwurf vorzulegen. Die mehreren Hundert Anträge, die von der Parteibasis zum Programmantrag des PV gestellt wurden, änderten das Bild. Die mehrfach überarbeitete Vorlage, über die der Parteitag abstimmte, enthielt wesentliche Kernpunkte eines marxistisch-leninistischen Selbstverständnisses, um die zuvor gerungen worden war. Daneben bleiben allerdings unaufgelöste Widersprüche stehen und Streitfragen offen. Das war nach dem Kommunistischen Manifest in allen Programmen so. Wie das DKP-Programm heute aussieht, gibt es trotz aller Unklarheiten und auch Unrichtigkeiten im Einzelnen (die ich als Theoretiker bedauere und um deren Berichtigung in der Praxis jeweils zu kämpfen ist) eine Grundlage für eine kommunistische Haltung und kommunistisches Handeln.
Auf dem Weg jeder kommunistischen Partei in langfristig nicht-revolutionären Perioden (die Gramsci als Stellungskrieg bezeichnete) lauert die Gefahr des Revisionismus, wie auf der anderen Seite scheinrevolutionäre Strategien ins Abseits des Linksradikalismus führen. Ich würde es nicht als Zentrismus bezeichnen, das rechte Maß zwischen beiden abwegigen Extremen zu suchen.
Dem Gen. Obermedizinalrat Lange kann ich wegen unseres Alters keine „Kinderkrankheit“ mehr diagnostizieren. Aber ich möchte ihm einen alten Medizinerslogan entgegenhalten: „Operation gelungen, Patient verstorben.“ Wir wollen nicht, dass die DKP stirbt, sondern sich in weiteren Therapien und Rehabilitationen kräftigt. Gegenüber dem wahrhaft übermächtigen Klassenfeind ist die Einheit der Partei Überlebensbedingung und Voraussetzung dafür, dass sie das Klassenbewusstsein und die innere Verfassung zu revolutionärem Handeln gewinnen kann. Dazu kann das Programm ein Schritt sein, wenn Kommunisten seine Grundaussagen aufnehmen und als Perspektive in ihre Praxis einbringen.
Hans Heinz Holz
(dankend übernommen aus: „Theorie und Praxis“)[136]