Helmut Ische:
Folgendes, die Psychologie des Menschen betreffend
Der Beitrag des Genossen Dittmar in Offensiv 9/06, „Analysen zum neuen DKP-Programm“, hinterließ bei mir starken Eindruck und regte mich zu dieser Stellungnahme an.
Er schreibt u.a.: ….”machte Honecker mehrere hundert Millionen der knappen DM-Devisen locker. Damit hätte man allerhand Verbesserungen in der Trabbi-Produktion finanzieren können. Er ließ stattdessen 10.000 VW-Golf im Westen kaufen, um die Arbeiter zu beschwichtigen. So funktioniert Stagnation im Realsozialismus.”
Macht es sich Genosse Dittmar mit dieser Aussage nicht zu leicht? Ich möchte als lernender Genosse, der ganz sicher nicht über das ökonomische Wissen des Genossen Dittmar verfügt, folgendes, die Psychologie der Menschen betreffend, anmerken:
1. Die Sendung “Der schwarze Kanal”, moderiert vom Genossen K.E. v. Schnitzler, zeigte über Jahrzehnte hinweg das wahre Gesicht des Kapitalismus. Besonders den in der BRD vor-herrschenden. Ungeschminkt, offen und ehrlich. Die Sendung interessierte in der DDR nur eine kleine Minderheit. Mann/Frau glaubte dem Genossen einfach nicht, obwohl die ausgestrahlten Bilder und Beiträge an Klarheit nichts offen ließen. Genosse Schnitzler wurde als “Sudel-Ede” beschimpft.
2. Die damalige Führung der SED hätte zum angegebenen Zeitpunkt Milliarden an Mark in die Verbesserung des Trabbi investieren können….., die Bürger der DDR wollten andere Autos fahren. Sie waren schon lange der Macht der kapitalistischen Warenproduktion verfallen. Der Wandel durch Annäherung – W. Brandt – kleiner Grenzverkehr, Besuche von Rentnern ect. zeigten ihre Wirkung. Es mussten Westwaren sein, keine verbesserten Trabbis.
3. Einen Tag nach der erfolgreichen Konterrevolution durfte ausgereist werden. Göttingen, circa 30 km von der damaligen Staatsgrenze der DDR entfernt, war – Entschuldigung – im Ausnahmezustand. Keine Straße, kein Platz, keine Fußgängerzone, die nicht von kreuz und quer abgestellten Trabbis und Wartburgs verstopft gewesen wäre. Die Menschen, die sich schon morgens in Göttingen vor den Schaufenstern die Nasen plattdrückten, erreichte sicherlich die Zahl von weit über 100.000. Göttingen hat eine Einwohnerzahl von knapp 130.000 und davon sind immerhin 27.000 Studenten/innen. Die schlafen in der Regel morgens um 8.00 Uhr. Am ersten Werktag nach der Konterrevolution wurde auch in Göttingen das sog. „Begrüßungsgeld“ (100,-DM) ausgezahlt. Ich war damals noch bei der Sparkasse beschäftigt und habe so etwas nie wieder erlebt. Kilometerlange Schlangen von DDR-Bürgern, die nichts besseres zu tun haben, als sich beim Klassenfeind die Knete abzuholen. Ich war schockiert, frustriert und ratlos. Das war also aus 40jähriger sozialistischer Erziehung herausgekommen. Bürger, die sich öffentlich um Bananen, Kaffee und andere Dinge regelrecht vor den Kaufhäusern prügeln. Unfaßbar für mich. Ich hatte Tränen in den Augen.
Wie kann so etwas geschehen? Wirken volle Kaufhäuser, große Autos, Bananen und Kaffee auf die im Sozialismus – wohlgemerkt in einem Sozialismus, der mit dem Klassenfeind eine gemeinsame Grenze hat – lebenden Menschen mehr als alle Errungenschaften der sozia-listischen Gesellschaftsordnung? Hat “das” nicht auch `ne ganze Menge mit Psychologie zu tun?
Helmut Ische,
Göttingen