Appell ans Kapital: Seid bitte nicht kapitalistisch! Anmerkungen zur Standardrede eines Erzrevisionisten

Gerd Höhne

Appell ans Kapital: Seid bitte nicht kapitalistisch! Anmerkungen zur Standardrede eines Erzrevisionisten

Zum Artikel von Ulrich Sander in offen-siv 5-2006

Eine Fabel von B. Brecht:

„Der Skorpion
Der Skorpion trifft einen Frosch, er fragt den Frosch:
Kannst Du mich auf Deinen Rücken nehmen und über den Fluss tragen?
Der Frosxch sagt: Nein, das tu ich nicht, denn dann wirst Du mich in der Mitte des Flusses stechen, und wir ertrinken beide.
Aber das ist doch nicht vernünftig, antwortet der Skorpion, dann  würde ich ja auch sterben. Ja, antwortet der Frosch also gut, ich werde Dich über den Fluss tragen.
Als der Frosch kit dem Skorpion auf dem Rücken in der Mitte des Flusses schwimmt, sticht der Skorpion den Frosch in den Rücken.
Bevor beide ertrinken, spricht der Frosch: Warum hast Du das getan? Das ist doch nicht vernünftig, jetzt ertrinkst Du auch!
Und der Skorpion entwortet ihm, weißt Du, ich bin halt ein Skorpion, das ist mein Charakter, und das hat nichts mit Vernunft zu tun.“

1. Kann das Kapital überhaupt antikapitalistisch sein?

Vom Kapital zu erwarten, dass es nicht kapitalistisch sei, ist ebenso töricht, wie von Skorpion zu verlangen, sich nicht skorpionisch zu verhalten. Das kapitalistische System mit seiner Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist an sich unvernünftig. Das Kapital will Profit machen – egal wie.

Es wird, wie Lenin es mal feststellte, selbst den Strick verkaufen, mit dem es aufgehängt wird.

Die Illusion zu verbreiten, durch Appelle, Beschwörungen oder Bitten an die Adresse des Kapitals oder dessen Regierung, sie möge die Verfassung nicht zu ihrem Nutzen ändern oder sie einzuhalten, ist töricht.

Nur Dummköpfe oder Naive machen das, nicht aber Kommunisten. Die enthüllen die gesellschaftlichen Zusammenhänge mit dem Ziel, die Massen zum Widerstand gegen das Kapital zu mobilisieren, gegen die Machenschaften des Kapitals, wie Lohndrückerei, Abbau erkämpfter demokratischer und sozialer Rechte und – übergeordnet – mit dem Ziel der Beseitigung der kapitalistischen Herrschaft.

Dem giftigen Skorpion Kapitalismus kann nicht mit Geschmuse sein Gift in Milch und Honig verwandelt werden, sondern er muss von den Arbeitermassen zertreten werden. Nur so sind letztlich Massenverelendung, Unterdrückung, Faschismus und Kriege dauerhaft zu bekämpfen.

2. Die unkritische Veröffentlichung eines Textes eines Erzrevisionisten in „Offen-siv“

Ich meine, als Macher einer Publikation hat man Verantwortung dafür, was und wen man bringt. So halte ich es für sehr problematisch, wenn eine kommunistische Zeitschrift einen Erzrevisionisten unkommentiert abdruckt, denn sie adelt den Autor schon allein damit, dass sie ihn unkritisch bringt.

In der Nummer 5 der Zeitschrift Offensiv, die wir im Allgemeinen sehr hoch schätzen, finden wir den Text der Rede eines Ulrich Sander mit dem Titel: „Endlich das Grundgesetz einhalten.“

Kommunisten-online setzte sich schon mehrfach mit Ulrich Sander auseinander. 2002 z,B. denunzierte er den Junge Welt-Redakteur und österreichischen Kommunisten Werner Pirker beim DKP-Chef Stehr, weil in den Marxistischen Blättern ein Pirker-Artikel mit dem Titel „Einen anderen Zionismus gibt es nicht. Je rabiater Scharon vorgeht, desto stärker wird linker Bekenntnisdrang zu Israel“ veröffentlicht worden war. Sander verstieg sich sogar in der Behauptung, Pirker sei, weil er Österreicher ist, unkritisch den Nazis gegenüber.

Und noch ein  Zitat von Sander: „Wer immer noch in vielen Konflikten den Muslimen einredet, ihre Gewalttaten seien gerechtfertigt und werden „belohnt“ im Paradies, wenn sie an „Gottes Gebote glauben“ (Bin Laden laut Frankfurter Rundschau vom 12.9.01), der ist ein verbrecherischer Kriegshetzer. Und wer zu solchen Theorien schweigt, ist es auch, oder er wird zumindest mitschuldig. Insofern ist auch Präsident Bushs Aufruf: „Gott segne die Opfer, ihre Familien und Amerika“ höchst fragwürdig“ [1]

Unsere Antwort dazu: Der umzingelte Stammeskrieger im Hochgebirge, Bin Laden, ist ein „verbrecherischer Kriegshetzer“ – der Staatschef der aggressivsten und waffenstarrensten Macht der Erde ist nur „fragwürdig“. Alles ist eben relativ.

Sander war mal Redakteur der DKP-Zeitung UZ. Was er schrieb, will ich im Einzelnen nicht beurteilen. Jetzt ist er bei der VVN, immer noch in  der DKP und auch in der Friedensbewegung tätig. Da ist er hoch geachtet, seine Reden seien sehr gut, sagen einige Friedensfreunde (die offenbar seine Kriegsreden nicht genau gelesen haben und die für Friedensreden halten). Seine Partei machte ihn 2004 sogar zum Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters in Dortmund.

Als DKP-Vorsitzender Heinz Stehr  vor knapp 2 Jahren auf dem Höhepunkt des Massenmordes der USA-Besatzer in Faludscha, die Kollaboration der Irakischen Kommunistischen Partei rechtfertigte, sekundierte ihm Sander: „Wieder kämpfen heute islamische Revolutionäre um die Macht im Staate, diesmal im Nachbarland Irak. Sie verbünden sich zu grausamen Feldzügen und Anschlägen mit den Vertretern des alten Regimes des Saddam Hussein, mit Kriminellen und Terroristen gegen die USA und gegen alle, die sie für Handlanger der USA halten. Ihre Opfer sind vor allem irakische Mitbürger. Ich erkenne heute im Irak die Kräfte wieder, die im Iran der Achtzigerjahre der Revolution die furchtbare Wende bereiteten.“ [2]

Sander unterstützte Stehr mit einem blumigen Text in der UZ bei dessen Unterstützung für Kollaboration der IKP mit den Besatzern, in dem er Vergleiche zum Iran und der Tudeh-Partei herstellte. [3]

Die Tudeh-Partei ist allerdings den Verfolgern und Killern des Regimes des Ayatollah Ruhollah Khomeini zum Opfer gefallen. Ehe dies aber möglich war, erlag diese Partei in den Jahrzehnten davor immer mehr dem modernen Revisionismus. Anstelle im Iran die Massen zu organisieren, anstelle sie auf den gewaltsamen Sturz des Schah-Regimes vorzubereiten, anstelle sich selbst einen bewaffneten Arm zu schaffen, unterstützte sie vorbehaltlos Khomeni. Der aber, an die Macht im Iran gekommen, duldete keine Partei, die sich nicht seinen religiösen Vorstellung unterordnete und ließ die Tudeh-Partei blutig verfolgen. Die Partei war schutzlos den religiösen Fanatikern ausgeliefert.

Die vorbehaltlose Unterstützung, ja die Unterwerfung unter Khomeini, ließ in der iranischen – aber auch in der internationalen – Öffentlichkeit das Bild entstehen, als seien es nur die Ayatollahs, die dem Schah Widerstand leisteten und diesen schließlich stürzten. Alle anderen Widerstandsbewegungen gegen das Schah-Regime standen im Hintergrund, auch die Tudeh-Partei.

Es wäre Aufgabe der Kommunisten in der Tudeh-Partei gewesen, sich an die Spitze des Widerstands zu setzen, zumindest unabhängig von der Religiösen bewaffnete Strukturen aufzubauen.

Die Irakische Kommunistische Partei verhielt sich ähnlich und nun ist sie Verbündete und Quizling der USA-Besatzer. Es handelt sich aber beim irakischen Widerstand nicht um moslemische Fundamentalisten – von denen sind auch einige dabei – sondern um ein Bündnis der unterschiedlichsten nationalen und weltanschaulich ausgerichteten Gruppen – auch von Kommunisten, die die Politik der IKP nicht mittragen wollen. Die Unterstützung der IKP für die USA-Besatzer richtet sich gegen die Interessen des irakischen Volkes. Die IKP muss wissen, dass es den USA nicht um Befreiung des irakischen Volkes von der blutigen Herrschaft des Sadam Hussein geht, sondern um den Zugriff auf das Erdöl.

Die vorherrschenden Kräfte des irakischen Widerstands sind nicht religiös ausgerichtet. Sander betreibt hier nichts anderes als die Geschäfte der kapitalistischen Propaganda und somit, wie diese auch,  Hetze gegen antiimperialistische Kräfte.

Es ist selbstverständlich, dass auch ein blindes Huhn mal ein Korn findet und ein Erzrevisionist kann mal was Richtiges schreiben. Als Redakteur einer kommunistischen Zeitung schaue ich mir von solchen Leuten die Artikel besonders genau an:  Wo sind die inhaltlich revisionistischen Stellen und beleuchte sie kritisch – oder ich ignoriere deren Texte.

Wenn die Redaktion von Offensiv meinte, diesen Artikel unbedingt bringen zu müssen, musste sie zumindest einige kritische Anmerkungen hinzufügen. Offensiv bringt Sanders Ostermarsch-Rede aus Duisburg unkommentiert und unkritisiert. Der Inhalt aber ist – bei Sander kann man das fast ungeprüft voraussetzen – blabla, Gewäsch, Halbrichtiges und total Falsches, vermischt mit einigen radikalen Worthülsen. Die Redaktion von „Offensiv“  hat offensichtlich das von ihr übernommenes nicht kritisch durchleuchtet.

Das holen wir, an deren Stelle, hiermit nach.

3. „Weil der Iran nach Atomwaffen strebt…“ oder: Verfassung und Verfassungsrealität in Deutschland

Flott ist er ja, der Ulrich Sander. Er beeilt sich immer ganz schnell, die kriegsvorbereitenden Lügen der Imperialisten mit linkem Gerede zu untermauern und tut dann so, als sei er der wahre Friedensbringer. So auch hier. Sander behauptet doch ganz frech, der Iran strebe nach Atomwaffen. Woher hat er das denn? Kann er sich auf Informationen stützen, die wir nicht haben? Aber warum nennt er nicht seine Quellen?

Oder übernimmt er nur devot die Argumente des Klassenfeindes zur Kriegsvorbereitung und will damit ihre Glaubwürdigkeit erhöhen, indem ein waschechter Friedensfreund, hochgeachtet und VVN-Sprecher, sie imperialistischen Lügen nachplappert? Das  wird es wohl sein. Denn Sander weiß ebenso viel wie wir alle und seine Informationsquellen sind die Medien des Klassenfeindes, die nur Sprachrohr der Kriegshetzer sind. Wer das einfach unkritisch nachplappert, wird ganz schnell selbst zum Kriegshetzer.

Sander appelliert doch ganz ernsthaft an den sprechenden Hosenanzug, Frau Merkel: „…die deutsche Kanzlerin findet kein Wort der Kritik, sondern trieft vor Verständnis.“

Was erwartet Sander von der Kanzlerin? Dass sie sich an die Spitze der Friedensbewegung stellt, den USA-Imperialismus geißelt und sich für die Rechte der Völker einsetzt? Das kann doch selbst Sander nicht ernsthaft meinen.

Manchmal ist Sander nahe am Problem, aber eben nur nahe:

„Wir werden mit Lügen überschüttet, um Kriege zu begründen. Das allgemein anerkannte „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“ wurde zu „Nie wieder Auschwitz“ verkürzt…“

Die überschütteten Lügen übernimmt Sander oft gern selbst, sogar, indem er sie in Denunziatiönchen gegen Kommunisten packt (siehe Sanders Brief an Heinz Steht im Jahre 2002, betr. Werner Pirker)[7] oder dem irakischen Widerstand anlastet, er führe Krieg gegen die USA-Besatzer.

Aber Sander verschweigt auch wissentlich, was die wahren Ursachen der Verbrechen der Faschisten, in Auschwitz und anderswo, sind. Es ist richtig, ohne den Krieg wäre Auschwitz unmöglich gewesen. Hat aber ein gewisser Herr Hitler einfach mal so einen Krieg vom Zaun gebrochen oder steckten da nicht die Welteroberungs- und Profitinteressen der Krupp, Thyssen, Klöckner, Siemens , IG-Farben, der Großbanken usw. dahinter?

Davon aber kein Wort im Text des Herrn Sander.

Weiter: Um aber den Krieg beginnen und führen zu können, mussten die deutschen Konzernherren sich der Arbeiterbewegung – vor allem der Kommunisten –  entledigen. Deshalb begannen sie bereits kurz nach der Machtergreifung die Kommunisten blutig systematisch zu verfolgen. Die Nazis zündeten den Reichstag an und behaupteten, das seien die Kommunisten gewesen. Zehntausende Kommunisten wurden in Konzentrationslager verschleppt und gefoltert und ermordet. Bald folgte, am 2, Mai 1933, die Zerschlagung der Gewerkschaften und im Juni 1933 wurden auch die Sozialdemokraten verboten.

Die Vernichtung der Organisationen der Arbeiterbewegung war für die Kriegsvorbereitung von elementarer Bedeutung. Nur die Arbeiterklasse wäre in der Lage gewesen, den Kriegsplänen der Konzerne Widerstand entgegen zu setzen. Deshalb wandte sich die erste faschistische Terrorwelle gegen die KPD, deren Organisationen und deren Presse.

Das übersieht Sander geflissentlich. Zufall? Immerhin war Sander stellvertretender Chefredakteur der UZ.

Sander lamentiert an die Adresse der Herrschenden gerichtet, über deren Verfassungsbrüche. Hat Sander denn noch nichts über den Klassencharakter des Staates und dessen Gesetze und Justiz gehört? Oder lässt er das bewusst außen vor?

Kennt er denn nicht die wahre Bedeutung der bewaffneten Organe des kapitalistischen Staates, der Armee und Polizei?

Wenn das Kapital die Massen des Proletariats nicht mehr „friedlich“ beherrschen kann, ist man gewillt und in der Lage, auch das Militär einzusetzen. Und sie pfeifen da auf Verbote durch das Grundgesetz.

Was nützt da lamentieren? Wir müssen uns in die Lage versetzen, dagegen zu wirken. Wir müssen bereit sein, uns gegen solche Übergriffe zu wehren. Kommunisten sind keine Pazifisten, sie müssen bereit sein, ggf. auch bewaffnet Widerstand zu leisten. Und wir müssen uns in jeder Phase unseres Parteiaufbaus auf diese Notwendigkeit einzustellen:

Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. [4]

Aber dagegen Sander: „Das Grundgesetz schreibt die Parlamentsarmee vor, doch immer obenan beim Kommando über die Frage von Krieg oder Frieden sind die Generäle des neuen deutschen Generalstabs.“

Sander verschweigt, zu was die Bundeswehr geschaffen wurde: Sie sollte als Speerspitze der imperialistischen Mächte gegen das sozialistische Lager eingesetzt werden. Sie war also von Anfang an eine Angriffsarmee. Was war mit der „Vorwärtsverteidigung“ der Nato? Das war ein anderes Wort für Angriffskrieg.

Oder unterstellt Sander dem sozialistischen Lager, es habe einen Angriffskrieg gegen Westeuropa führen wollen, damit die Nato Deutschland verteidigen gekonnt hätte?

Parlamentsarmee! Dass ich nicht lache!

Weiter Sander: „Und die wollen die Fortsetzung und Steigerung der Rüstung auf hohem Niveau.“

Die Generäle, auf das bezieht sich das, wollen sie das ohne Zweifel. Die Bundeswehr bekäme jedoch keine einzige Patrone mehr, wenn das nicht im Interesse der wirklichen Herrn dieses Staates läge: den Konzernherren.

Und die wollen nun, nachdem sie ein Drittel mehr Land und 17 Millionen mehr Menschen unter ihre Herrschaft gebracht haben, wieder einmal ihre Rolle in der Welt spielen. Wieder einmal wollen sie mitmischen im weltweiten Poker um mehr Öl, Rohstoffe und Absatzmärkte. Das sind die Gründe der Hochrüstung und nicht das, was ein paar Lamettaträger der Bundeswehr haben wollen.

Jedoch hierzu kein Wort bei Sander.

Wenn Ex-Minister Struck treuherzig zugibt, das würden die Massen durch Sozialraub finanzieren, so ist ungewöhnlich daran nur, dass er es gesagt hat. Hätte er das nicht, wäre es auch nicht anders gewesen. Die Massen müssen immer die Kriege, die gegen sie und gegen ihre Klassenbrüder geführt werden, bezahlen. Das war in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts  auch nicht anders gewesen.

Gegen die Kriegstreiber hilft nur entschiedener antikapitalistischer Kampf, also Klassenkampf des Proletariats. Solches Gewäsch á la Sander hilft da überhaupt nicht weiter, im Gegenteil. Es bremst nur.

Das Kapital hat ein großes Interesse daran, den Menschen im Lande den Klassencharakter des bürgerlichen Staates zu verschweigen. Sie haben Interesse daran, dass der Krieghetzerei kein organisierter Widerstand entgegen gesetzt wird. Dazu bedienen sich die Herrschenden ihrer Politiker und Medien. Als sehr wirkungsvoll haben sich jene heraus gestellt, die nach außen vorgeben, gegen den Kapitalismus zu sein, tatsächlich aber deren Geschäfte besorgen. Sander ist einer von ihnen.

Weiter bei Sander: „Es kann keine Rede davon sein, dass wir mit der neuen Regierung der Abschaffung der Wehrpflicht näher gekommen sind. Entscheidend sind die Anforderungen des Militärs. Sie benötigen die Wehrpflicht, um der Bundeswehr das geeignete Menschenmaterial zu beschaffen, das schnell auch zum Kanonenfutter werden kann.“

Kann das alles denn eine Berufsarmee nicht? Die BRD ist meines Wissens das einzige größere Nato-Land mit einer Wehrpflichtigenarmee. Die USA, Frankreich und England haben eine Berufsarmee. Sind sie aber damit ein Hort des Friedens? Natürlich nicht. Alle drei Länder führen seit vielen Jahren offene und versteckte Kriege in aller Welt. Zuletzt die USA und England im Irak. Was soll dann das Gewäsch von Abschaffung der Wehrpflicht? Eine Berufsarmee ist ebenso eine Armee eines imperialistischen Landes, sie ist sogar noch wirkungsvoller. Eine Söldnertruppe kennt keine Skrupel und schießt ggf. auch auf die eigenen Verwandten im eigenen Land. Eine Wehrpflichttruppe ist da weit unzuverlässiger.

Es kommt nicht darauf an, die Bundeswehr in eine Berufsarmee umzuwandeln. Die Arbeiterbewegung forderte früher immer die allgemeine Volksbewaffnung. Das wäre die Alternative zu Berufsarmee und Wehrpflichtarmee. Eine solche Milizarmee wäre wirklich untauglich für Angriffskriege und auch gegen streikende und demonstrierende Arbeiter wäre sie nicht einsatzfähig.

Mir ist klar, dass das derzeit nicht durchsetzbar ist, aber trotzdem muss ich es benennen. Ein Volk in Waffen ist nur schwer nieder zu halten. So einfach ist das, Herr Sander.

Sander: „Wenn der Kriegsminister die Anpassung der Verfassung an die kriegerischen Tatsachen verlangt, so fordern wir die Verteidigung der Verfassung. Sie verbietet die Bundeswehreinsätze außerhalb der Landesverteidigung und der Bündnisverteidigung. Sie verbietet Einsätze im Innern. Sie verbietet Angriffskriege und die Vorbereitung dazu.“

Verbalradikale Bezeichnungen wie „Kriegsminister“ halte ich zwar für zulässig, wenn es die Rolle dieses Ministeriums hervorheben soll. Aber Sander vernebelt den Durchblick. Waren denn frühere „Kriegsminister“, wie Franz Josef Strauß oder Kai Uwe von Hasselt Friedensminister, nur weil sie nicht verlangten, die Bundeswehr in Asien einzusetzen, sondern „nur“ hier – zur Eroberung der DDR?

Das Verbot von Angriffskriegen im Grundgesetz ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde. Wie man Angriffskriege in Verteidigungskriege umlügt, hat uns Hitler 1939 und US-Präsident Bush 2003 anschaulich vorgeführt. Hitler ließ den Reichssender in Gleiwitz von angeblichen Polen überfallen und Bush dichtete dem Irak Atomwaffen an. Beispiele dieser Art lassen sich noch viele finden.

Wenn Sander von „Bündnisverteidigung“ schwafelt, kann er doch nur die Nato meinen. Ein wahres Friedensbündnis also, dessen Ziel von Beginn an die Aggression gegen die sozialistischen Länder war.

Wer redet da von Einhaltung des Grundgesetzes? Nur solche, die naiv genug sind zu glauben, die Konzernherren und ihre Regierung halte sich an diese Verfassung oder komplette Schleimer des Kapitals.

Sander: „Wir sollen frei sein von Faschismus, weshalb das Verbot des NS und des Militarismus, das nach 1945 nachhaltig ausgesprochen wurde, weiter gilt (Artikel 139 GG).

Steht das wirklich im Grundgesetz Artikel 139? Tatsächlich steht da nur, dass die Alliierten Verbote von Naziorganisationen weiter Gültigkeit haben. Man muss aber bedenken, dass die BRD 1949 noch immer unter Besatzungsrecht stand. Wer auf Artikel 139 GG herum reitet, lenkt vom wirklichen Problem ab und macht das GG zu einer antifaschistischen Verfassung. Wieso aber waren soviel alte Nazi in hohen und höchsten Positionen in der frühen BRD? [5]

Die Realität sah ganz anders aus. Während der Adenauer-Zeit war Polizei, Justiz, Verwaltung, Geheimdienste und nach ihrer Gründung auch die Bundeswehr, von Nazis überschwemmt. Sie gaben überall den Ton an. In der Justiz war es so schlimm, dass einer der wenigen aufrechten antifaschistischen Juristen im Staatsdienst, der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, als er Informationen über den Aufenthalt von Adolf Eichmann bekam, sich an den israelischen Geheimdienst wandte. Er fürchtete, dass Eichmann von den deutschen Organen gewarnt werden könnte.

Die Sorge war berechtigt. Der Massenmörder und KZ-Arzt Josef Mengele konnte ungestört in Südamerika leben, bekam seinen Gewinnanteil an der Landmaschinenfirma Mengele (besteht noch heute) regelmäßig überwiesen und war auch mehrfach in Deutschland bei seiner Familie. Ihm krümmte nie jemand von einer deutschen Behörde ein Haar. Er musste nur Angst haben, dass es ihm ähnlich ging, wie Adolf Eichmann. Aber im Gegensatz zu diesem war Mengele ein reicher Mann und sein Bruder, der die Geschäfte der gemeinsamen Fabrik leitete, war einflussreich – obwohl jeder wusste, dass er seinen Bruder, einen Massenmörder, finanziell unterstützte.

Das, Herr Sander, war und ist die Verfassungsrealität des ach so antifaschistischen Grundgesetzes!

4. Statt Naziverfolgung wurden in der BRD Kommunisten verfolgt

Anstatt die alten Nazias zu verfolgen, verfolgte das BRD-Regime bis in die 60er Jahre die Kommunisten.So z.B. das VVN-Mitglied Jupp Angenfort. Angenfort war Vorsitzender der FDJ im Westen und Landtagsabgeordneter der KPD in NRW. Als Landtagsabgeordneter genoss er Immunität. Das hinderte das Bundeskriminalamt aber nicht daran, ihn im März 1953 in Duisburg zu verhafte. Angenfort wurde wegen Hochverrats zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Das war Verfassungsrealität des Grundgesetzes!

Die Liste ist unendlich: Das KPD-Verbot von 1956 und die Verfolgung von Kommunisten, der nie gesühnte Polizeimord ann FDJ-Mitglied Philipp Müller bei der Bundesjugendkarawane Essen, Berufsverbote in den 70er und 80er Jahren usw.usf. Erwähnt sei auch der Polizeimord am Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967. Der Polizist Karl-Heinz Kurras liquidierte Benno Ohnesorg durch Kopfschuss von hinten. Kurras saß keine Minute im Knast, wurde freigesprochen, weil „präventive Notwehr“, machte Polizeikarriere und lebt heute materiell gut abgesichert als pensionierter Oberkommissar in Berlin.

Das war Verfassungsrealität des Grundgesetzes!

Das Grundgesetz, mag es auch Artikel enthalten, die gut und richtig sind, aber wir müssen uns klar sein, dass weder Sander noch Ostermarsch die Herrschenden daran hindern werden, wenn sie es zur ufrechterhaltung ihrer Herrschaft für erforderlich halten, ihre eigene Verfassung zu brechen. So galt die Weimarer Verfassung auch bis zum 8. Mai 1945, was Hitler nicht daran hinderte, die faschistische Terrorherrschaft zu errichten, den 2. Weltkrig vom Zaun zu brechen und die Todesfabriken in Auschwitz, Treblinka usw. in Gang zu setzen.

Es gibt nur eine Möglichkeit, das zu verhindern: Mobilisierung der Massen. „Massenarbeit, Massenkampf, Massenwiderstand, Einheitsfront, keine Abenteuer – das ist das Alpha und Omega der kommunistischen Taktik“, ruft Dimitroff vor dem reichsgericht an die Adresse des zeugen Göring und an die der Richter.

In Frankreich versuchten 1936 die Faschisten auch an die Macht zu kommen. Sie scheiterten kläglich an der Entschlossenheit der französischen Arbeiterklasse. In Spanien putsche der faschistische General Franco gegen die Volksfront-Regierung. Aber die Republik, unterstützt durch Freiwillige aus aller Welt, bot den Faschisten die Stirn. Erst die massive Unterstützung durch die Faschistenregimes in Deutschland und Italien für Franco und die verlogene Haltung der Westmächte, die der republikanischen Regierung meterielle Unterstützung verweigerten, die faschistische Hilfe für Franco aber ungeahndet ließen, brachte in Spanien den Faschisten den Sieg.

Letztlich ist also eine faschistische Diktatur nur zu verhindern, indem das Proletariat den Nährboden des Faschismus, den Kapitalismus, beseitigt. Davon redet Sander aber nirgendwo.

4. Zusammenfassung

Sander ist sich wieder einmal treu geblieben und hat wieder einmal eine Nebelwand gelegt, damit die wahren Ursachen der Kriege, der Massenverelendung, der Unterdrückung und des Faschismus verschleiert werden. Er redet von Abschaffung der Atomwaffen hier – dafür sind wir auch – aber schweigt zu diesen Waffen in israelischem Besitz.

Sander nutzt schamlos seine Position in der Organisation aus, die einst von Widerstandskämpfern gegen den Faschismus gegründet wurde, der VVN/BdA – eine unter Linken und Demokraten hochgeachtete Organisation. Er hofft, dass es keiner wagt, sich gegen einen Sprecher der VVN zu positionieren.

Und tatsächlich, bisher haben nur wir es gewagt, Sander die Maske vom Gesicht zu reißen. Es war überfällig!

Gerd Höhne,
www.kommunisten-online.de

Anmerkungen

1. Aus einer Pressemitteilung Sanders vom 12. 9. 2001
2. Gastkolumne von Ulrich Sander: Lehren aus dem Iran
3. ebenda
4. Karl Marx / Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei
5. GG, Artikel 139, (Fortgeltung der Entnazifizierungsvorschriften). Die zur „Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus“ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses grundgesetzartikels nicht berührt.