Brief aus Oaxaca II

Claudio:
Brief aus Oaxaca, Mexiko

Hallo Genossin Erika! Verzeih mir, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Doch ich musste abtauchen, um mich zu schützen. Nach dem 25.11.06 war eine regelrechte “Hexenjagd” im Gange, speziell auch gegen ausländische Aktivisten. Deshalb habe ich es vorgezogen, in einem sicheren Versteck in den Bergen etwas Zeit verstreichen zu lassen.

Der jetzige Zustand der Bewegung ist sehr stark geschwächt. Grund dafür ist:

  • der fürchterliche Staatsterror,
  • die reformistische und verräterische Verhaltensweise der Gewerkschaftsführungen.

Sowohl Rueda Pacheco, Generalsekretär der Sektion 22, als auch Marco Villanueva, Generalsekretär der Angestellten im Gesundheitssektor, haben hinter dem Rücken und geheim Verhandlungen mit der Regierung geführt, die das Streikende zum Ziel hatten. Wieder einmal hat sich bestätigt, dass der Verrat aus den eigenen Reihen kommt – von Gewerkschaftsbonzen, die am Volk vorbei nur ihre eigenen gremialen und egoistischen Interessen vertreten. Durch diese Spaltung innerhalb der Bewegung war es ein einfaches Spiel für den Staatsterror, zuzuschlagen.

Die Lehrerbasis ist nun auch untereinander tief zerstritten, denn viele von den bewussten Lehrern sehen das Streikende als großen Verrat am eigenen Volk an. Die Lehrer haben für eine jämmerlich geringe Lohnerhöhung die übergeordneten Interessen ihrer eigenen Klasse verraten. Und einigen von ihnen ist auch der politiche Preis bewusst, den sie in der Zukunft zahlen müssen, falls sie wieder Hilfe brauchen wie nach dem 14. Juni, als Tausende aus der Bevölkerung den Lehrern beistanden.

Nun haben die Lehrer eine Gehaltserhöhung und das Volk nichts als Prügel und Tote.

Das Flugblatt und die Aktion, die Ihr in Gießen organisiert habt, ist toll.

Die APPO ist momentan nur mit Aktionen beschäftigt, um die Inhaftierten zu befreien. Der faschistoide Gouverneur Ruiz und seine Mafiacamarillia trauen sich wieder, in der Innenstadt spazieren zu gehen. Fast sieben Monate lang hatten sie Angst davor, nun tun sie so, als wenn nichts passiert wäre und spielen sich als die großen Versöhner auf.

Natürlich hat sich an den ganzen sozialen Gegensätzen, die zu diesem Volksaufstand führten, nichts geändert; und deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, wann es wieder brodelt, dann aber hoffentlich mit anderen “Gewerkschaftsführern”.

Solidarische Grüße, Claudio

(mit herzlichem Dank übernommen aus:
“Gießener Echo”,
DKP Gießen, E. Belz, Postfach 110226, 35347 Gießen,
www.dkp-giessen.de)