Wolfgang Herrmann:
Daniel Ortega hat es geschafft
Am 5. November stimmten 38 Prozent der Wahlbeteiligten in Nicaragua für Daniel Ortega von der FSLN. Von den bürgerlichen Parteien holte die Nicaraguanische Liberal-Konservative Allianz (ALN) mit Eduardo Montealegre 28,3 Prozent und die Liberal-Konstitutionalistische Partei (PLC) mit José Rizo 27,1 Prozent. Für die Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS) mit Edmundo Jarquín entschieden sich 6,3 Prozent. Die Frente gewann in den Departements Nueva Segovia, Madriz, Estelí, Chinandega, León, Managua, Carazo, Matagalpa und in der Autonomen Nordatlantik-Region. Die ALN eroberte Masaya, Granada und Rivas. Die PLC siegte in Boaco, Chontales, Jinotega und in der Autonomen Südatlantik-Region. Als der Oberste Wahlrat am 7. November das Ergebnis verkündete, war die Hauptstadt Managua voll von rotschwarzen Fahnen der FSLN. Die Anhänger Ortegas feierten ihren Präsident.
Es war ein langer Weg Daniel Ortegas und der FSLN zurück an die Macht, die sie 1990 bei der Wahl verloren hatten. Noch dreimal stellte sich Daniel Ortega der Wahl. Er und die FSLN wollten die Lüge der inneren und äußeren Reaktion widerlegen, daß die FSLN nur mit Waffengewalt an die Macht kommen und diese halten könne. Dafür ist er immer wieder angetreten und er hat es nun geschafft. Ein Teil des Volkes gab ihm noch einmal die Chance. Er hat mit seiner Partei das glaubhafte Projekt der Einheit Nicaraguas entworfen.
Das neoliberale Zeitalter
Als die FSLN 1990 nach der von ihr initiierten Verfassung abgewählt wurde, schien der Traum der sandinistischen Volksrevolution zu Ende gegangen zu sein. Nach 11jährigem Kampf gegen das USA-Imperium, das Nicaragua mit Contrakrieg und Wirtschaftsblockade überzog, war das nicaraguanische Volk müde geworden und die FSLN fast verbraucht. Bei den Wahlen erreichte sie zwar 41 Prozent, das langte aber nicht, um gegen die von Frau Violeta Barrios de Chamorro angeführte Nationale Oppositionsunion (UNO), eine antisandinistische Allianz, zu bestehen. Die neue Regierung versprach dem Volk den Beginn eines neuen Zeitalters. Es brachte dem Volk zwar den Frieden, aber auch unermeßliche Armut. Die volkseigenen und staatseigenen Betriebe wurden für geringfügige Geldsummen an die neuen Unternehmer verschleudert, die mit der UNO auftauchten.
Für die FSLN begann eine schwere Zeit. Hetze, Verleumdung und Rufmord jagten sie. Sie wurde als zweite Diktatur nach Somoza verteufelt. Nach der Methode „Haltet den Dieb!“, erfand die Reaktion die Piñata, den engeblichen Selbstbedienungsladen der Sandinisten. Konzentrationslager und Massengräber wurden erfunden. Der Krieg, die Wirtschaftskrise verwandelten sich in Folgen der Gewaltherrschaft der Sandnisten. Den Ostdeutschen, und nicht nur ihnen, wird das alles bekannt vorkommen.
1996 verlor Daniel Ortega und die FSLN erneut. Sie erreichte 38 Prozent gegenüber 56 der liberalen Allianz von Arnoldo Alemán. Frau Violeta Barrios de Chamorro hatte öffentlich dazu aufgerufen, den Bürgermeister von Managua, der Hauptstadt Nicaraguas, zu wählen. Alemán bedeutete fünf weitere Jahre des Elends für die Nicaraguaner. Er gestattete nicht nur den Erhalt des Systems. Vom ersten Tag seiner Regierung an begann er, die Beute unter seinen ihm am nächsten stehenden Gesinnungsgenossen zu verteilen.
An die Regierung gekommen, liefen Alemán und der PLC ein Teil der Mitglieder und Abgeordneten weg. Um in der Nationalversammlung die Mehrheit zu sichern, bot die PLC der FSLN einen Vertrag an. Die FSLN ging darauf ein und sicherte auf diesem Wege die Ergebnisse der Agrarreform, das Wahlgesetz, ihre Plätze im Obersten Wahlrat und ihre Richter. Sicherlich kann man sich bessere Konstellationen vorstellen.
Man kann das Verhalten der FSLN in dieser Zeit kritisieren, keine Frage. Wer keine Verantwortung hat und keine übernehmen will, wird immer klüger sein. Der Vertrag wurde später als „Pakt zweier Caudillos“, Alemán und Ortega, verteufelt.
2001 erhielt die FSLN 42 Prozent der Stimmen. Es reichte wieder nicht. Nach dem 11. September hatte das Weiße Haus den Wahlkampf der bürgerlichen Parteien übernommen. Sie verordneten dem liberal-konservativen Lager einen Kandidaten, Enrique Bolaños, drohten mit Krieg und Wirtschaftsblockade, falls die FSLN die Wahl gewinnen sollte. Das Volk war eingeschüchtert. Mit der FSLN ging damals die Sandinistische Erneuerungsbewegung MRS, die Organisation der früheren Sandinisten, die sich von der FSLN abgewandt hatten oder aus ihr ausgeschlossen worden waren.
Die Regierung Bolaños setzte den Raubzug am Volk fort. Eine weitere Periode der Korruption begann, nur das sie dezenter, dafür hinterhältiger war. Letzte Beispiele: Die Abendgabe von 500 Millionen Dollar an eine Ingenieurgesellschaft und die Wertpapiere der bankrotten Banken, die sie zu aufgeweichten Preisen an die Ministranten der Regierung verkaufte. Oder das Geschäft mit dem Nicaraguasee. Mit NICANOR entstand ein norwegisch-nicaraguanischer Konzern, der in Fischfarmen drei Millionen Kilogramm Tilapias, eine afrikanische Barschart, züchtet. Alle Warnungen vor der Verschmutzung des Trinkwasser-Reservoires stießen auf taube Ohren. Gegründet wurde das Unternehmen vom Neffen des Ex-Präsidenten Bolaños.
2002 kam es zu einer schweren politischen Krise. Bolaños wollte sich der Forderung des Weißen Hauses fügen, die Sandinisten aus allen Ämtern zu vertreiben. Das war jedoch nicht im Sinne eines Tils der PLC, der widerspenstig gegenüber der USA-Administration auftrat. Dieser Flügel versagte Bolaños die Gefolgschaft. Es kam zu einem Machtvakuum. Das Land wurde unregierbar. Gerüchte über einen Staatsstreich lagen in der Luft. In diesem Moment handelte die FSLN und erneuerte den Vertrag. Bolaños fing seine Anhänger in der APRE, der Patriotischen Allianz für die Republik, auf. Daraus entwickelte sich die liberal-konservative Allianz Nicaraguas ALN.
Der lange Weg der FSLN zurück an die Macht
Am 5. November 2006 bewahrheiteten sich die Prognosen für die FSLN. Der lange Weg Daniel Ortegas und der FSLN zurück an die Macht war möglich geworden. Warum?
Erstens hat das nicaraguanische Volk genug von 16 Jahren liberaler Regierungen. Diese hatten jedesmal geschworen, mit und für das Volk zu arbeiten. Das angekündigte neue Zeitalter wurde eins mit fatalen Folgen. Die Kennziffern der Armut wuchsen: 82 Prozent der Bevölkerung lebt in Armut, 54 Prozent in Bedürftigkeit, zusammen 4,2 Millionen Arme. Das ist der Beitrag der Liberalen Nicaraguas an den 200 Millionen Armen in Lateinamerika und an seinen 62 Millionen Bedürftigen. Ungefähr 50 Prozent sind Arbeitslos. Einige verdienen monatlich zwischen 4 000 und 20 000 Dollar, während in anderen Bereichen, wie im Gesundheitswesen, im Bildungswesen, bei der Polizei und in der Armee nicht mehr als 500 bis 1 000 Cordoba gezahlt werden, das heißt 28 bis 56 Dollar.
Der Analphabetismus betrug 1990 12 Prozent. Er wuchs auf 35 Prozent. Er hat die höchste Rate in der Region. Unter den Frauen auf dem Lande beträgt er 40 Prozent. 20 Prozent der Bevölkerung im schulfähigen Alter hat keinen Zugang zur ersten Bildungsstufe und 77 Prozent der Kinder, die in der ersten Bildungsstufe begannen, beenden sie nicht. 1998 gab es 313 öffentliche Schulen zweiten Stufe entgegen 436 private Schulen der zweiten Stufe. 253 057 Kinder (das ist die offizielle Angabe, real sind es mit Sicherheit mehr) sind dazu verdammt, für die Familie zu sorgen.
Costa Rica hat einen Analphabetismus von 4,4 Prozent. Auf Kuba ist er faktisch Null. Die Kindersterblichkeit wuchs in Nicaragua auf 35 tote auf 1 000 lebend geborene Kinder. Damit steht das Land auf einem Niveau mit El Salvador, Brasilien und Guatemala. Auf dem Gebiet der Kindersterblichkeit befindet sich Nicaragua unter den 36 Ländern der Erde mit den schlechtesten Werten. 1998 schickte Arnoldo Alemán die kubanischen Ärzte nach Hause, was dazu führte, das die ländlichen Gebiete ohne nennenswerte ärztlich Betreuung sind. Seit 1990 erfuhr Nicaragua einen noch nie dagewesenen Exodus, massive Immigrationen nach Costa Rica und in die Vereinigten Staaten, auf der Suche nach besseren Perspektiven. Rund 20 Prozent der Bevölkerung verließ in den vergangenen 16 Jahren das Land. Nicaragua exportiert die billigsten Arbeitskräfte. Es gibt mehr als 1 Million Immigranten: 600 000 in Costa Rica, 350 000 in den Vereinigten Staaten und 100 000 in El Salvador. Die Überweisungen an die Familien beliefen sich 1993 auf 50 Millionen Dollar. Heute sind es 1 Milliarde Dollar. Deshalb überlebte Nicaragua und erlitt keinen Kollaps.
Die Nicaraguaner ertrugen drei Regierungen, die in Friedenszeiten regierten, ohne Krieg, ohne Blockaden, mit einer enormen finanziellen Unterstützung. Am 5. November 2006 wählten sie das liberale Lager ab. Wie zerfressen dieses ist, beweist schon die Tatsache, daß es selbst der USA-Regierung nicht gelang, es diesmal zusammenzuhalten und auf einen Kandidaten einzuschwören.
Zweitens hat es die FSLN geschafft, Vertrauen im Volk zurück zu gewinnen. Dafür sprechen die Ergebnisse der Wahlen in den Departements, in den Munizipien und in den Autonomen Atlantikregionen. Nach 1990 hatte die Frente in den Departements und Munizipien empfindliche Wahlniederlagen einstecken müssen. Selbst historische Einflußgebiete gingen ihr verloren. Noch bei den Munizipalwahlen 2000 hatten die Liberalen Regionen in ihrer Hand, in denen Sandino erfolgreich kämpfte und später die FSLN im Kampf gegen Somoza “ihre Quartiere” hatte. Am schmerzlichsten mußten für sie die Verluste von Pancasán, Villa Sandino und Villa Carlos Fonseca gewesen sein. 2000 gewann die PLC 90, die FSLN nur 36 Munizipien.
Bei den Munizipalwahlen 2004 wandte sich das Blatt. Die FSLN gewann 87 der 152 Munizipien, die PLC Alemáns 59, die Indigenenpartei YATAMA und die APRE Bolaños je drei. Die FSLN gewann die Hauptstadt Managua mit 44 Prozent der Stimmen gegenüber 35 Prozent der PLC. Sie gewann ebenfalls in den Regionen Nueva Segovia, Madriz, Estelí, Chinandega, León, Managua, Masaya, Carazo, Granada und Rivas.
Bei den Wahlen in den Autonomen Atlantikregionen 2006 verbesserte das Bündnis aus FSLN und der YATAMA seine Positionen gegenüber 2002. Im Norden behielt es 9 Verwaltungsbezirke gegenüber 6 Verwaltungsbezirke der Liberalen. Im Süden verloren die Liberalen von 13 Verwaltungsbezirken fünf, während das Bündnis FSLN-YATAMA fünf zu den vorher zwei hinzu gewann. Die Frente nutzte die gewonnen Positionen. So hat sie mit einer Alphabetisierungskampagne in den 87 von ihr regierten Regionen begonnen. Nach einem Pilotplan werden 300 000 Personen lesen und schreiben lernen. Der beharrliche Kampf der FSLN, die nicaraguanischen Menschen durch konstruktive Arbeit in den Kommunen zurück zu gewinnen, zahlt sich endlich aus.
Die Frente hat es in den Jahren geschafft, neue Bündnispartner zu finden. Dabei hat sie zweifellos taktiert. Bei den diesjährigen Wahlen führte die FSLN das Wahlbündnis Unida Nicaragua Triunfa an. Zu ihm gehört YATAMA, christliche Parteien, traditionelle Bewegungen, Teile der früheren Contra, sowie Liberale, die der PLC den Rücken kehrten. Mit der Verbindung zur YATAMA und anderen Parteien der Autonomie wurde ein Durchbruch unter der indigenen Bevölkerung erreicht. Zur Zeit der Sandinistischen Regierung waren die Beziehungen zu ihr keine fruchtbaren.
Die FSLN und ihre Verbündeten sind für die unteren Schichten der Bevölkerung eine Alternative geworden. Auch die Aussöhnung mit der katholischen Kirche und Teilen der früheren Contra scheint Früchte zu tragen. Besonders Letzteres war umstritten. Wer denkt noch daran, daß die FSLN 1988, als die sowjetische Führung Gorbatschows sie im Regen stehen ließ, an den Verhandlungstisch mit der Contra mußte? Damals schloß sie ein Abkommen. Die Demobilisierten der Armee und der Contra sollten Land erhalten und sich ansässig machen. Die Sandinisten konnten das Abkommen nicht mehr erfüllen und die folgenden liberalen Regierungen taten es nicht. Ist es so abwegig, daß die FSLN um Daniel Ortega es wieder aufnehmen und realisieren will?
Nicht aufrecht erhalten blieb für die FSLN die Zusammenarbeit mit der MRS. Noch auf dem III. Kongreß der FSLN hatte diese ihre Bereitschaft dazu erklärt, rückte aber 2005 mit der eigenen Kandidatur davon ab. Ihre Auftritte gegen die FSLN und Daniel Ortega nutzten dem liberal-konservativen Lager. Anläßlich einer Beratung im Mai diesen Jahres, zu der das State Department die drei Präsidentschaftskandidaten Rizo, Montealegre und Lewites nach Miamia eingeladen hatte, schloß letzterer einen Pakt, daß er und seine Allianz im Falle einer Stichwahl auf eine eigene Kandidatur verzichten würden und dem von der USA-Administration favorisierten Montealegre die Stimmen gäben. Das Volk hat das Manöver durchschaut. Nicht so einige Linke in der Bundesrepublik Deutschland. Abgeordnete der Linkspartei.PDS ergriffen Partei für die MRS. In einem Internetbericht stellten sie die „Retter des Sandinismus“ als linke Alternative zur FSLN vor.
Drittens hat die FSLN hat einen schweren Entwicklungsprozeß durchgemacht. Sie behielt aber immer ihre sandinistische Identität bei. Nach dem Vorbild Sandinos kämpft sie für die nationale Unabhängigkeit Nicaraguas und gegen die nordamerikanische Intervention. Bis zu ihrer Wahlniederlage 1990 war die FSLN keine Partei. Als solche konstituierte sie sich auf dem I. Kongreß im Juli 1991. Auf diesem Kongreß nahm sie strategische Linien an. Zwei Richtungen bestimmten die Debatte. Die eine wollte auf dem Weg von Reformen die Gesellschaft verbessern. Die andere verlangte, der neoliberalen Politik eine revolutionäre Antwort zu geben. Ihr Wortführer war Daniel Ortega. Der Kongreß war eine Veranstaltung der taktischen Einheit. Er stoppte die Meinungsvielfalt und privilegierte die Ortega-Strömung. Die Mehrheit der Delegierten wählten Daniel Ortega zum Generalsekretär.
Vor den Präsidenschaftswahlen 1996 fand im Mai der II. Kongreß der FSLN statt. Er beschloß die Wahlplattform und eine Politik der Allianz. Die FSLN nahm erneut Gespräche mit Führern der Ex-Contra auf. Sie wollte einer Rekrutierung durch nordamerikanische Werber im Falle eines erneuten Machtantritts der Frente vorbeugen. Nach der Wahlniederlage brachen Machtkämpfe innerhalb der FSLN offen aus. Es entstanden Fraktionen und politische Gruppierungen. Die Frente verlor angesehene Leute. Sergio Ramirez, unter Daniel Ortega Vizepräsident, verließ die FSLN und gründete die Sandinistische Erneuerungsbewegung. Ihm gleich tat es Dora Maria Tellez, Gesundheitsministerin im Ortega-Kabinett. Sie wurde Vorsitzende dieser Bewegung. Die Priesterbrüder Ernesto und Fernando Cardenal, Minister in der Sandinistischen Regierung, zogen sich ebenfalls aus der FSLN zurück. Henry Ruiz, Victor Tirado, Jaime Wheelock und Luis Carrión, alle früher Mitglied der Nationalleitung, gingen auf Distanz. Einige von ihnen gehören heute der MRS an.
Auf ihrem III. Kongreß 2002 beschloß die FSLN ein neues Programm. Darin formuliert sie zum ersten mal in ihrer Geschichte, daß sie eine revolutionäre sozialistische Partei sein will, die sich den Sozialismus zum Ziel stellt. 2005 unternahm die MRS den Versuch, das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen. Sie baute Herty Lewites als Präsidentschaftskandidat der FSLN gegen Daniel Ortega auf. Der Kongreß der FSLN entschied anders. Ortega blieb der Präsidentschaftskandidat. Einzelne FSLN-Mitglieder, darunter das Mitglied des Nationalrates der FSLN, Victor Hugo Tinoco und Monica Baltodano lehnten sich dagegen auf. Sie wurden aus der FSLN ausgeschlossen beziehungsweise verließen diese und gingen zur MRS. Auch Herty Lewites.
Wer war Herty Lewites? Zur Zeit der Sandinistischen Regierung war er Tourismusminister im Ortega-Kabinett und Direktor des größten Tourismusunternehmens Nicaraguas NICATUR. Das Unternehmen behielt er nach der Wahlniederlage 1990. 2000 gewann er für die FSLN das Bürgermeisteramt der Hauptstadt Managua. 2004 trat er noch einmal dafür an, jedoch als Unabhängiger. Daraufhin stellte die FSLN Dionisio Marenco als Bürgermeisterkandidaten auf, der dann auch prompt die Wahl gewann. Herty Lewites hat diese Niederlage nicht überwunden. Er verstarb im Sommer diesen Jahres. Als Präsidentschaftskandidat beerbte ihn Edmundo Jarquin, der Schwiegersohn von Ex-Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro. Es wird erzählt, daß er COSEP, dem reaktionären Unternehmerverband, nahe stehe. Die MRS ist eine Minderheit von Leuten, die sich von der FSLN trennten.
Die heute zur MRS gehörenden Henry Ruiz, Luis Carrión und Victor Tirado, Dora Maria Téllez, Ernesto Cardenal, Hugo Torres, Mónica Baltodano, Sergio Ramirez und Victor Hugo Tinoco, waren in der Zeit der Sandinistischen Regierung dabei: als Vizepräsident, als Mitglieder der Nationalleitung, als Minister und als Abgeordnete der Nationalversammlung. Damals war Daniel Ortega für sie kein Caudillo, kein Kuppler und kein Diktator. Damals war er ihr Bruder. Und er war bereit, nach der Wahlniederlage 1990 den ganzen Schmutz, der über die FSLN ausgeschüttet worden ist, auf sich zu nehmen. Hat er das getan, um sich heute ihren Verrat abzuholen? Toni Solo, ein freier Journalist Mittelamerikas, schrieb dazu: „Die Führungskräfte der MRS und Herty Lewites schafften es nicht, in der FSLN zu überzeugen. Sie wurden geschlagen und sie gingen.“
In der FSLN haben sich also die Kräfte durchgesetzt, die ihr heutiges Profil bestimmen. An der Spitze dieser Kräfte steht Daniel Ortega. Der Formierungsprozeß der FSLN ist mit seinem Namen verbunden. Deshalb setzt die Frente immer wieder auf ihn. Er ist der Mann der Frente mit den größten Erfahrungen, sowohl als Guerillaführer, wie als Präsident und auch als Oppositionsführer. In seiner Person vereinigt sich viel aus der kämpferischen und schwierigen Geschichte der FSLN. Er hat die FSLN durch die schweren Zeiten nach der Wahlniederlage 1990 geführt.
Viertens haben sich die äußeren Bedingungen für die FSLN verbessert. Die Existenz des sozialistischen Kuba, die Bolivarianische Revolution in Venezuela, die Wahlergebnisse in anderen lateinamerikanischen Ländern, zeigen auch auf Nicaragua Wirkung. Vor einiger Zeit schloß die FSLN mit der Bolivarianischen Regierung ein Abkommen ab, wonach 53 der von ihr regierten Regionen mit Erdöl aus Venezuela zu Vorzugspreisen beliefert werden.
In den Glückwünschen der fortschrittlichen Präsidenten Lateinamerikas kam die Freude über den Erfolg Ortegas zum Ausdruck. Fídel Castro gratulierte Daniel Ortega vom Krankenbett aus zum „grandiosen Sieg“. Hugo Chávez lud ihn ein, sich Venezuela beim „Aufbau der zukünftigen sozialistischen Bruderschaft des 21. Jahrhunderts“ anzuschließen. Das Weiße Haus hat offensichtlich eine abwartende Haltung eingenommen. Man gab bekannt, mit Ortega zusammenzuarbeiten, wenn dieser sein Versprechen, sich für eine “demokratische Zukunft” Nicaraguas einzusetzen, hält. In den USA sprach man bereits von einem „Linksruck in Lateinamerika“, mit dem „besonnen“ umzugehen sei. Gegenüber Nicaragua müsse „Reife“ gezeigt werden, damit das Land nicht in den „venezolanischen Orbit“ eintrete.
Unida Nicaragua Triunfa
Die FSLN führte das Wahlbündnis Unida Nicaragua Triunfa (das vereinte Nicaragua siegt) zum Wahlerfolg. Dieses legte ein Regierungsprogramm mit acht Verpflichtungen vor. Es geht um Arbeit für das ganze Volk. Auf dem Lande soll sofort der Wandel der Monokulturen in Multikulturen veranlaßt werden. Man will die landwirtschaftlichen und industriellen Quellen des Exports erweitern. Im Gesundheitswesen sind mehr Krankenhäuser und Gesundheitszentren, bessere Apotheken und mehr Medikamente vorgesehen. Der Bedarf soll langfristig aus dem Gewinn des günstigen Erdölkaufs aus Venezuela finanziert werden. Die Alphabetisierungskampagne wird im ganzen Land fortgesetzt. Für die Universitäten sind sechs Prozent des Budgets vorgesehen. Jede Gemeinde soll frei vom Analphabetismus werden. Nicaragua will sich an der von der UNESCO initiierten Wissensära des 21. Jahrhundert beteiligen. Es soll ein langfristiger Prozeß der Gleichstellung der Infrastruktur der Autonomen Atlantikregionen mit der des Pazifik beginnen. Zehn Prozent des Budgets sind zukünftig für die Gemeinden gedacht. Man will den Verbrauch an Naturreichtümern einschränken. Produzenten, die aus CAFTA austreten wollen, werden Möglichkeiten des Zutritte zu ALBA, dem alternativen Markt der Länder Südamerikas und der Karibik, angeboten.
Die unterlegenen Kandidaten der liberalen Parteien gratulierten Daniel Ortega zum Wahlsieg. Dieser nannte den Auftritt Montealegres “würdevoll und tapfer”. Ortega wies darauf hin, daß seine Politik auf Versöhnung und Frieden orientiere. Er sagte: „Wir haben noch einmal die Chance, Nicaragua zu regieren, dieses Mal in Frieden und Ruhe. Wir glauben, daß die Bedingungen in Nicaragua günstig sind, um eine neue politische Kultur zu praktizieren. Wir alle müssen zusammenarbeiten für unser einiges Nicaragua. Unsere große Aufgabe wird sein, unser Volk aus der Armut zu befreien.“ Die FSLN und ihre Bündnispartner haben keinen einfachen Weg vor sich. Zunächst muß es gelingen, die Mehrheit in der Nationalversammlung zu finden. Dazu benötigen sie 56 Stimmen. Sie haben aber nur 37 Sitze (vorher 38). Die MRS, die mit 6 Abgeordneten vertreten sein wird, hat bereits jegliche Zusammenarbeit ausgeschlossen. Von der ALN, die 27 Sitze besetzt, wird man wenig erwarten können. Bleibt die PLC, die der größte Verlierer der Wahlen war und nur noch 22 Abgeordnete statt vorher 53 hat. Der „berüchtigte Pakt“ zwischen Ortega und Alemán, der in Wirklichkeit ein Vertrag zwischen FSLN und PLC ist, kann neue Bedeutung erlangen. Und es wird die Zeit kommen, in der nicht mehr vom „Pakt“, sondern von einem vernünftigen Vertrag gesprochen werden wird.
Die innere Reaktion und vor allem die USA-Administration werden dem neuen Präsidenten und seiner Regierung das Leben schwer machen. Die Sandinisten beschreiten mit dem Projekt Unida Nicaragua Triunfa Neuland. Sie können sich der Solidarität des revolutionären Lateinamerika sicher sein, das wiederum einen erfahrenen Partner zurückbekommen hat.Wir schließen uns der Solidarität an: Salud Comandante, saludos!
Wolfgang Herrmann,
Dreesch