Die kommunistische Bewegung in Österreich

Kommunistische Initiative Österreich (KI):
Die kommunistische Bewegung in Österreich, die historische Bedeutung der Kommunistischen Internationale und die Bedeutung des proletarischen Inter-nationalismus in der Gegenwart

Beitrag der Kommunistischen Initiative Österreich zum Internationalen Kommunistischen Seminar, Brüssel, 5.-7. Mai 2006

1. Bedingungen der Gründung der Kommunistischen Partei in Österreich

Am 7. November 1917 siegte in Russland die sozialistische Oktoberrevolution. Fast genau ein Jahr danach, am 3. November 1918, wurde in Wien die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) gegründet. Nur wenige Tage später, am 12. November desselben Jahres, wurde die Republik Österreich auf bürgerlich-demokratischer Grundlage konstituiert.

Was waren die allgemeinen Rahmenbedingungen, die die Gründung einer kommunistischen Arbeiterorganisation in Österreich begleiteten und beeinflussten? Die österreichische Sozial-demokratie hatte unter ihrem Parteigründer und Vorsitzenden Victor Adler eine ehrenhafte und revolutionäre Geschichte, doch auch in Österreich ist diese spätestens 1914, mit der Unter-stützung der Sozialdemokratischen Partei für den imperialistischen Weltkrieg, eben Vergan-genheit. Wie eine logische Folgerichtigkeit und ein symbolisches Zeichen erscheint es, dass Victor Adler, der allerdings selbst die Wandlung vom revolutionären Internationalismus zum gegenrevolutionären Sozialchauvinismus durchgemacht hat, am Ende des Krieges – und bloß einen Tag vor der oben erwähnten Gründung der ersten österreichischen Republik – verstarb. So markiert der November 1918 einen Wendepunkt in der Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung. Diese Zeit offenbarte einerseits endgültig den gegenrevolutionären, revi-sionistischen und reformistischen Charakter der Sozialdemokratie, andererseits wurde dadurch die objektive Notwendigkeit der Gründung einer revolutionären und internationalistischen, einer wahrhaft marxistischen Kampfpartei der Arbeiterklasse offen-sichtlich.

Am Ende des Ersten Weltkrieges, in den Jahren 1917 und 1918, stand das österreichische Proletariat bereits mitten im revolutionären Kampf. Die unerträglichen Lebensbedingungen der Kriegsjahre, der sinnlose Krieg selbst, den die Völker Österreich-Ungarns für die österreichische Bourgeoisie führen mussten, und die Überzeugung, dass eine bessere Welt möglich sei, ini-tiierten auch in Österreich einen revolutionären Prozess. Die Frage war: Würde dieser Prozess in seiner bürgerlich-demokratischen Etappe verbleiben oder würde er konsequent fortgeführt werden zur sozialistischen Revolution? Es ist indessen keine Frage, was die Arbeiter wollten: Sie wollten ein sozialistisches Österreich, das – neben und mit einem sozialistischen Ungarn, einer sozialistischen Tschechoslowakei, einem sozialistischen Staat der Südslawen etc. – die Menschheit befreien würde. So zeigen die Jahre 1917 und 1918 einen revolutionären Aufschwung, der an verschiedenen Begebenheiten festzumachen ist, als Höhepunkte sind der große „Jännerstreik” im Januar 1918 und der Matrosenaufstand von Cattaro/Kotor im Februar 1918 zu nennen. In Wahrheit gab es aber bereits ab 1914 eine Kette von Kampfmaßnahmen, Unruhen und Protesten seitens österreichischer Arbeiter, die sich gegen den imperialistischen Krieg und die durch diesen gesteigerte kapitalistische Unterdrückung und Ausbeutung zur Wehr setzten. Doch geschah dies unkoordiniert, in einzelnen Betrieben, ohne dass es eine feste Organisation sozialistischer Kriegsgegner gegeben hätte, wie sie sich zur selben Zeit etwa in Deutschland um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg bildete. In Österreich-Ungarn gab es hierfür nur in Liberec in Böhmen reale Ansätze, die jedoch erfolglos blieben. In Wien agierte der Sohn des Führers der Sozialdemokratischen Partei, der Sohn Victor Adlers, Friedrich Adler, als Kriegsgegner und trat aus der Sozialdemokratischen Partei aus. Doch Friedrich Adler war eben kein konsequenter Revolutionär, der eine sozialistische Massenbewegung gegen den Krieg und für die soziale Revolution des Proletariats hätte führen können. Sein Protest manifestierte sich schließlich in einer Tat, die des anarchistischen Individualismus würdig gewesen wäre, Lenin nannte es die „Verzweiflungstat eines Kautskyaners”: Friedrich Adler erschoss am 21. Oktober 1916 den österreichischen Ministerpräsidenten Stürgkh. Eine sinnlose Tat – und Friedrich Adler sollte auch später, nach seiner Begnadigung und Entlassung aus dem Gefängnis, keine positive Rolle in der Arbeiterbewegung spielen.

Tatsache ist, dass sich die Krise in Österreich-Ungarn um die Jahreswende 1917/1918 bereits zu einer akut revolutionären Situation zuspitzte. Für die österreichische Arbeiterklasse handelte es sich, wie wir heute wissen, um eine historisch bislang einzigartige Situation, die überwiegend die Voraussetzungen für die sozialistische Revolution erfüllte. Allerdings sollte sich hier in tragischer Weise zeigen, welche zentrale Bedingung einer erfolgreichen sozialistischen Revo-lution in Österreich damals eben nicht gegeben war: nämlich die Existenz einer revolutionären marxistischen Kampfpartei der Arbeiterklasse, einer Partei vom Typ der russischen Bol-schewiki. In Österreich lag die faktische Macht im November 1918 bereits in den Händen der Arbeiterklasse, doch die eben gegründete KPÖ konnte sich noch nicht an die Spitze der revolutionären Bewegung setzen, die Sozialdemokratie wollte es nicht. Die Sozialdemokratische Partei erwies sich als gegenrevolutionär und beendete und vollendete im Dienste der öster-reichischen Bourgeoisie die bürgerlich-demokratische Revolution. Die österreichische Sozial-demokratie hat 1918 die österreichische Bourgeoisie vor der sozialistischen Revolution gerettet. Karl Renner führte als sozialdemokratischer Kanzler eine gegenrevolutionäre, aber immerhin – unter dem Druck der revolutionierten Massen – reformistische Regierung, Karl Seitz wurde pro-visorischer Staatspräsident, Otto Bauer unterlegte die sozialdemokratische Politik mit revisi-onistischen Auslegungen des Marxismus und Friedrich Adler setzte sich an die Spitze der österreichischen Rätebewegung, um sie zu hemmen und den Einfluss der Kommunisten zu reduzieren. In der österreichischen Volkswehr wurden die kommunistisch dominierten Kom-panien, insbesondere das gesamte Bataillon 41, die „Rote Garde”, durch die Sozialdemokratie isoliert und schließlich aufgelöst, obwohl – oder gerade weil – die KPÖ über 20 Prozent der Stimmen bei den Wahlen zu den Soldatenräten erreichte.

In der Folgezeit wurde die sozialdemokratisch geleitete österreichische Staatsmacht gar mit allen Gewaltmitteln gegen Demonstrationen von Arbeitern, Arbeitslosen und heimkehrenden Soldaten sozialistischer Gesinnung eingesetzt. Ihre blutigsten Verbrechen gegen die öster-reichische Arbeiterklasse beging die Sozialdemokratie am 17. April und am 15. Juni 1919 jeweils in Wien.

Im internationalen Rahmen ist die gegenrevolutionäre Ausrichtung der österreichischen Sozial-demokratie ebenfalls im Jahr 1919 von Bedeutung. Im April und Mai 1919 bestand die Mün-chener Räterepublik in Bayern, von März bis Anfang August 1919 die Räterepublik in Ungarn. Während die junge KPÖ eine Solidaritätskampagne einleitete und unter Führung Leo Roth-ziegels über eintausend Freiwillige zur Verteidigung der ungarischen Räterepublik schickte, zeichnete sich die in Wien an der Regierung befindliche Sozialdemokratie abermals durch konterrevolutionäres Handeln aus. Österreich wäre das Verbindungsglied zwischen München und Budapest gewesen und ein revolutionäres Bündnis in Mitteleuropa hätte dem revolutionären Prozess in Europa abermals zum weiteren Aufschwung und zur Vertiefung verholfen, nicht zu sprechen von den unmittelbaren Überlebenschancen der revolutionären Regierungen in Ungarn und Bayern. Doch die österreichische Sozialdemokratie verweigerte sich dem Hilferuf aus Ungarn und als Béla Kun im Sommer, nach der Niederschlagung der ungarischen Revolution, nach Österreich fliehen musste, wurde er vorsichtshalber inhaftiert. Hier sieht man in aller Deut-lichkeit die essenzielle Bedeutung des proletarischen Internationalismus, den die junge KPÖ in solidarischer Weise pflegte, wohingegen die Sozialdemokratie ihren Bündnispartner offenbar in der nationalen Bourgeoisie sah … – Alle diese Begebenheiten zeigen die absolute Notwendigkeit der Gründung der KPÖ.

2. Die Kommunistische Internationale und die Bolschewisierung der KPÖ

Als die KPÖ im November 1918 gegründet wurde, konnte noch nicht von einer Partei bolschewistischen Typs, also von einer leninistischen Partei gesprochen werden. Zweifellos nahmen sich die Menschen, die sich in der KPÖ sammelten, die russischen Revolutionäre und die Oktoberrevolution zum Vorbild, schließlich forderten die österreichischen Arbeiter auch, mit der eigenen Bourgeoisie endlich „russisch zu sprechen”. Fraglos war die Oktoberrevolution die Initialzündung für den Aufschwung des weltrevolutionären Prozesses und für den nötigen Differenzierungsprozess in der bisherigen Arbeiterbewegung – ein Differenzierungsprozess, der in der russischen Sozialdemokratie bereits 1903 vorweggenommen worden war. So war es auch keine Frage, dass die KPÖ beim ersten Kongress, also beim Gründungskongress der III., der Kommunistischen Internationale in Moskau mit zwei Delegierten, darunter Karl Steinhardt, vertreten war. – In inhaltlicher Hinsicht war die Ausrichtung der KPÖ jedoch noch nicht von vornherein einheitlich bolschewistisch, sondern pluralistisch, was den Parteiaufbau und die Parteiarbeit nicht nur hemmte, sondern zu andauernden Fraktionsauseinandersetzungen und mitunter fatalen Fehlpositionen führte (was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass es freilich auch sehr viel Richtiges gab). Unter diesen Voraussetzungen, ohne die richtige Ideologie, Strategie und Struktur, konnte die KPÖ damals nicht zur revolutionären Massenpartei werden. Die Masse der Arbeiter vertraute weiterhin der Sozialdemokratie, während in die KPÖ, ähnlich wie bei der USPD in Deutschland, auch einige rechtsopportunistische Sozialdemokraten ein-traten. Dennoch finden sich bereits 1919 Menschen in der KPÖ, die für deren weitere marxistisch-leninistische Entwicklung in den folgenden Jahrzehnten bedeutend waren, so zum Beispiel der damals erst siebzehnjährige Friedl Fürnberg, von 1926 bis 1932 zunächst Sekretär der Kommunistischen Jugendinternationale und 1932 bis 1971 ZK-Sekretär der KPÖ.

Maßgeblich beteiligt an der Gründung der KPÖ waren 1918 die so genannten „Linksradikalen”, die sich zuvor um Friedrich Adler gruppiert und im Jännerstreik 1918 eine wichtige Rolle gespielt hatten, zu nennen wäre zum Beispiel Franz Koritschoner. Diese Bezeichnung, „Links-radikale”, war durchaus zutreffend, denn in der Tat stand gerade die junge KPÖ, eine der ersten damals neu gegründeten kommunistischen Parteien der Welt, für so manche Kinderkrankheiten des Kommunismus, für so manche Fehleinschätzung der Bedingungen und daraus resultierende falsche Strategien, seien sie nun „linksradikal” oder derart, was man heute als „trotzkistisch” be-zeichnet. So musste bereits im Jahr 1920 Lenin selbst die KPÖ davon überzeugen, an den Wahlen teilzunehmen. Lenin schrieb in diesem Jahr über die KPÖ: „In Österreich hat der Kommunismus eine sehr schwere Zeit durchgemacht, die anscheinend noch nicht ganz überwunden ist: Wachstumskrankheiten, die Illusion, dass eine Gruppe, die sich zum Kommu-nismus bekennt, ohne ernstlichen Kampf um den Einfluss unter den Massen zu einer Macht werden könnte, Fehlgriffe in der Wahl von Personen.” (LW 30, S. 350)

– In der Tat war die „schwere Zeit” noch nicht vorbei, bis 1924 wurde die KPÖ von heftigen Fraktionskämpfen geprägt, die erst 1927 endgültig überwunden wurden.

Bereits vor dem 3. Parteitag war das Jahr 1919 von Meinungsverschiedenheiten geprägt, im Mittelpunkt der Kritik stand Ernst Bettelheim, der ein vierköpfiges Parteileitungsgremium anführte. Mit Hilfe der Komintern und unter publizistischer Federführung Karl Radeks wurde bis Jahresende 1919 die KPÖ vorerst auf marxistische Positionen und Strategien geführt, damit wurde auch die finanzielle Hilfe aus Moskau für die kleine KPÖ wieder aufgenommen. Inner-halb der Komintern blieb die KPÖ jedoch tendenziell eher in der Nähe „linksradikaler“ Positi-onen, die „putschistische“ Offensivausrichtung gewann bis 1921 wieder die Oberhand. Die auf dem III. Weltkongress der Komintern beschlossene Analyse über die neue Etappe der revolu-tionären Entwicklung – Konsolidierung und Offensive des Kapitals, Defensive der Arbeiter-bewegung – wurde folgerichtig von der KPÖ-Führung nur teilweise mitgetragen. Nachdem 1923 die internen Fraktionskämpfe der KPÖ sogar auf einem erweiterten Plenum des Exekutiv-komitees der Komintern ausgetragen worden war, wurde – nach einer richtungweisenden Stellungnahme der Komintern und ihres Österreich-Beauftragten Neurath – die Parteileitung reorganisiert. Franz Koritschoner und Karl Tomann, die im März 1923 auf dem 6. Parteitag die Mehrheit hinter sich versammeln konnten und zu diesem Zeitpunkt auch die Unterstützung der Komintern hatten, wurden nach der Niederlage bei der Nationalratswahl abgelöst. Johann Koplenig, zuvor Landessekretär der KPÖ Steiermark, wurde vorerst Organisationssekretär, Gottlieb Fiala Reichssekretär. Als sich im darauf folgenden Jahr die verheerenden Fraktions-kämpfe auf dem 7. Parteitag jedoch fortsetzten, wurde einerseits Georgi Dimitroff EKKI-Berater für die KPÖ, andererseits wurde eine neue provisorische Parteileitung eingesetzt, deren Führung Koplenig übernahm. Das „Provisorium Koplenig“ blieb personell über 40 Jahre bestehen, am 19. Parteitag 1965 trat Koplenig als Vorsitzender der KPÖ zurück.

In den folgenden Jahren nach der Bestellung Koplenigs, bis 1927, wurde unter entscheidender Mithilfe der Komintern und insbesondere Dimitroffs die Linie der KPÖ so weit geklärt, dass man von einer einheitlichen marxistisch-leninistischen Partei sprechen konnte. Koplenig selbst war im Weltkrieg in russische Kriegsgefangenschaft geraten, hatte die Revolution erlebt und war der Partei der Bolschewiki beigetreten. Bis zu seiner Rückkehr nach Österreich im Jahr 1920 war er als Propagandist tätig. Wieder in Österreich trat er als überzeugter Bolschewik folgerichtig aus der Sozialdemokratischen Partei, deren Mitglied er seit 1909 gewesen war, aus und in die KPÖ ein. Vor diesem Hintergrund war Koplenig aus Sicht der Komintern ein logischer und verlässlicher Kandidat, wenn es um die Bolschewisierung der KPÖ ging. Die Bolschewisierung der Komintern-Parteien gab der internationalen kommunistischen Bewegung jene einheitliche marxistisch-leninistische Grundlage, die der gemeinsame Kampf der Kommu-nisten unbedingt benötigt. Es ist keine Frage, dass diese Bolschewisierung der kommunistischen und Arbeiterparteien der Welt nötig und Großteils erfolgreich war. (So war es – um ein weiteres Beispiel neben Österreich zu nennen – äußerst bedeutsam, dass mit 1925 die marxistisch-leninistische Linie der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) unter ihrem neuen Vor-sitzenden Ernst Thälmann, der bereits zuvor Mitglied des EKKI war, geklärt werden konnte. Schließlich war es vor allem der marxistisch-leninistische Charakter der KPD, der es ermöglichte, dass nach 1945 in der Sozialistischen Einheitspartei (SED) die proletarische Einheitsfront hergestellt und 1949 unter Führung Wilhelm Piecks, eines erfahrenen Mitstreiters Thälmanns, die Deutsche Demokratische Republik (DDR), der erste sozialistische Staat auf deutschem Boden, gegründet werden konnte.)

Die Bolschewisierung der KPÖ ermöglichte es ihr, für die kommenden antifaschistischen Kämpfe gerade rechtzeitig gewappnet zu sein. Die KPÖ sollte bis 1945 die Hauptlast des anti-faschistischen Widerstandes in Österreich tragen, sei es in der Illegalität oder später im Rahmen der österreichischen Freiheitsbataillone in der jugoslawischen Partisanenarmee, womit vor allem die Kommunisten jenen Anteil zur eigenen Befreiung Österreichs vom Faschismus leisteten, der in der Moskauer Deklaration der Anti-Hitler-Koalition festgehalten und gefordert war.

Ein weiteres bedeutsames Resultat der endgültigen Festigung der KPÖ als bolschewistische, leninistische Partei, wozu auch die Gründung der theoretischen Organe „Der Kommunist” unter Leitung Arnold Reisbergs 1932 und „Weg und Ziel” 1935 beitrug, war die theoretische Klärung der nationalen Frage in Österreich durch die KPÖ. Alfred Klahr, ein Mitglied des Zentralkomitees, legte 1937 den Grundstein für die Theorie der österreichischen Nation, die sich unab-hängig von der deutschen Nation entwickelt hat, wobei Klahr unmittelbar an die bolsche-wistische Position zur nationalen Frage anknüpfen konnte, deren umfassende Darstellung Josef Stalin 1913 ausgerechnet in Wien erarbeitet und in seinem Werk „Marxismus und nationale Frage” schriftlich festgehalten hatte. Die Einschätzung der KPÖ zur nationalen Frage in Österreich war eine bedeutende Grundlage für den antifaschistischen Kampf gegen die deutsche Okkupation und Annexion Österreichs 1938, sie ist Grundlage für die Wiedererstehung eines unabhängigen österreichischen Staates 1945. Dass sich in der kommunistischen Weltbewegung diese von Klahr erarbeitete Ansicht über das Verhältnis Österreichs zu Deutschland durchsetzte, ist einerseits der Tatsache zu verdanken, dass die KPD sich deutlich hinter den Standpunkt der KPÖ stellte, andererseits abermals der Tätigkeit Georgi Dimitroffs in der Komintern, der sämtliche österreichische Problemstellungen ausgezeichnet kannte. Allerdings dauerte es bis 1941, bis auch die KPdSU explizit die Einschätzung der KPÖ unterstützte. Äußerst bedeutsam war die Klärung der nationalen Frage bezüglich Österreichs durch die KPÖ und die Komintern darüber hinaus auch deshalb, weil die österreichische Sozialdemokratie, die die Existenz der österreichischen Nation leugnete und in deren „Linzer Programm” von 1926 nochmals die Anschlussforderung an Deutschland beschlossen wurde, erst 1945 und eher widerwillig ihre Vorstellung über die Österreicher als Teil der deutschen Nation aufgab.

Im Allgemeinen war die Komintern also von immenser Bedeutung für die Herstellung einer einheitlichen marxistisch-leninistischen Kampffront der kommunistischen und Arbeiterparteien der Welt. Und gerade für die KPÖ war das Eingreifen Dimitroffs wohl ein Akt, der die Partei vor der völligen selbst verschuldeten Bedeutungslosigkeit oder eventuell der Selbstauflösung bewahrte. Daneben hauchte die Komintern nach dem Bankrott der II. Internationale dem proletarischen Internationalismus neues Leben ein. Manche Menschen könnten meinen, dass die Auflösung der Komintern im Jahr 1943 hierzu im Widerspruch steht, womöglich gar eine Abkehr vom Internationalismus gewesen sei. Dem war selbstverständlich nicht so. Mit der Auflösung der Komintern wurde seitens der internationalen kommunistischen Bewegung natür-lich nicht der Internationalismus abgeschafft, sondern gemäß neuer Bedingungen seine Form verändert. Die Komintern hat ihre wichtigen Aufgaben von 1919 bis 1943 erfüllt, ab 1945 konn-ten die Beziehungen der kommunistischen Parteien andere zweckmäßige Formen annehmen.

3. Die kommunistische Bewegung und der Kampf gegen den Faschismus

Als der IV. Weltkongress der Komintern 1922 vor der Gefahr des Faschismus warnte, schloss sich die KPÖ bereits dieser Sichtweise bezüglich der österreichischen Republik an. Die KPÖ definierte 1923 die Gefahr des Faschismus als Hauptproblem und unterbreitete der Sozial-demokratie wiederholt das Angebot der proletarischen Einheitsfront im Widerstand gegen Reaktion und kapitalistische Offensive, was damals noch auf Kritik „linksradikaler” und sektiererischer Gruppen in der KPÖ stieß. Mit der Bolschewisierung der KPÖ unter Johann Koplenig übernahm diese bezüglich der Einschätzung des Faschismus freilich Analyse und Strategie der Komintern. In den folgenden Jahren wurde der Kampf gegen den Faschismus tatsächlich zur Hauptaufgabe der KPÖ, sie mag hierbei den einen oder anderen Fehler begangen haben, seitens der Arbeiterparteien war es jedoch ohne Zweifel die Sozialdemokratie, die den Faschisierungsprozess und die Errichtung der faschistischen Diktatur in Österreich begünstigt hat. Die falsche „radikalreformistische” Strategie und Taktik der österreichischen Sozial-demokratie konnte nicht nur zwingend niemals zur sozialistischen Revolution führen, sie musste vielmehr beinahe zwingend in den Sieg des Faschismus münden. In der Praxis zeigte sich die fatale Rolle der Sozialdemokratie schon im Zuge der Junirevolte 1927, in deren Gefolge die KPÖ und insbesondere ihr Vorsitzender Koplenig durch klare und mutige Positionen an Ansehen unter den sozialdemokratischen Arbeitern gewannen. Als die österreichische Großbourgeoisie und der Großgrundbesitz schließlich zur Errichtung der direkten faschistischen Diktatur schritten, bäumten sich revolutionäre Teile der Basis des sozialdemokratischen Schutzbundes in den Februarkämpfen 1934 nochmals auf. Dieser heroische Kampf fand natürlich die ungeteilte und aktive Unterstützung durch die KPÖ, während die Führung der Sozial-demokratischen Partei abermals versagte und die kämpfenden Arbeiter im Stich ließ. Schuld an der Niederlage der Arbeiter in den Februarkämpfen waren freilich die falsche Organisationsstruktur sowie die falsche Strategie und Taktik des Schutzbundes, die nicht umgesetzte Bewaffnung der Arbeiterschaft und die vorauszusehende Handlungsunfähigkeit der sozial-demokratischen Führung – lauter Dinge, vor denen die Kommunisten schon zuvor aus guten Gründen gewarnt hatten. Ein Ergebnis der Februarkämpfe war vor diesem Hintergrund auch, dass sehr viele sozialdemokratische Arbeiter nun begriffen, dass die Politik der Sozialdemokratie ihre Klasseninteressen nicht verteidigen kann, weshalb sie in die KPÖ eintraten. Ausgerechnet unter den schwierigen Bedingungen der Illegalität, in der sich die KPÖ bereits seit dem 26. Mai 1933 befand, wurde die KPÖ auf diese Weise erstmals zu einer Partei mit Masseneinfluss.

Im Gefolge des Sieges des Faschismus in Deutschland und Österreich musste sich der VII. Weltkongress der Komintern 1935 eingehend mit der Analyse des Faschismus einerseits sowie mit der Erarbeitung einer aussichtsreichen antifaschistischen Strategie andererseits beschäftigen. Beides, marxistisch-leninistische Faschismusanalyse und antifaschistische Strategie, legte Georgi Dimitroff in seinem Hauptreferat dar. Im Namen der österreichischen Delegation stimmte Koplenig in seiner Rede auf dem Weltkongress dem Referat Dimitroffs voll und ganz zu und hob nochmals dessen Bedeutung für den Klassenkampf und den antifaschistischen Kampf hervor. Gemäß den Beschlüssen des VII. Weltkongresses bemühte sich die KPÖ in Österreich weiterhin um die Schaffung einer Einheitsfront mit den Revolutionären Sozialisten, die aus der Sozialdemokratischen Partei hervorgegangen waren, wodurch die Basis für eine breite antifaschistische Volksfront geschaffen werden sollte. Schließlich konnte dieser Versuch nur Teilerfolge zu Tage bringen und scheiterte im Wesentlichen am sozialdemokratischen Unwillen. Dadurch lag die Hauptlast des antifaschistischen Kampfes, zumal die Revolutionären Sozialisten nach der deutschen Annexion Österreichs aufgelöst wurden, auch nach der Ersetzung des einen, autochthonen faschistischen Regimes durch ein anderes faschistisches Regime, jenes der deutschen Fremdherrschaft, weiterhin bei den Kommunisten.

Als die Komintern 1936 zum Kampf für die Verteidigung der spanischen Republik aufrief, folgten 1.700 Österreicher diesem Aufruf und beteiligen sich im Rahmen der Internationalen Brigaden am antifaschistischen Freiheitskampf der spanischen Volksfront. Die Aufstellung der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, die sich heuer, im Jahr 2006, zum 70. Mal jährt, ist wohl eines der lebhaftesten Beispiele eines proletarischen Internationalismus der Tat. Unter den österreichischen Kämpfern fanden sich Kommunisten wie auch Sozialdemokraten, einige ehemalige Schutzbund-Kämpfer kamen aus dem sowjetischen Exil nach Spanien. In der österreichischen Arbeiterbewegung agitierte vor allem die KPÖ für die spanische Volksfront, während die Revolutionären Sozialisten und die Exil-Sozialdemokratie vorrangig mit sich selbst beschäftigt blieben. Auch auf zwischenstaatlicher Ebene zeugt der Spanische Bürgerkrieg von gelebter internationaler Solidarität, denn gerade die Hilfe der Sowjetunion für die spanische Volksfront ist keineswegs gering zu schätzen, auch wenn Antikommunisten unterschiedlicher Schattierungen aufgrund unlauterer Motive dies in Abrede stellen wollen.

In Österreich formulierte die KPÖ nun eine neue Hauptaufgabe. Unter den schwierigen Bedingungen des österreichischen Faschismus mussten nun alle Kräfte gegen den drohenden neuen Weltkrieg im Allgemeinen und gegen die Okkupation Österreichs durch das faschistische Deutschland im Speziellen gesammelt werden. In Übereinstimmung mit den Thesen der Komintern zur Volksfrontpolitik und unter Anwendung der Arbeiten Alfred Klahrs zur nationalen Frage in Österreich definierte die KPÖ den Kampf gegen den Nationalsozialismus als nationalen Freiheitskampf des österreichischen Volkes. Da jedoch sowohl die an der Macht befindlichen Austrofaschisten als auch die österreichischen Sozialdemokraten die österreichische Nation ablehnten und grundsätzlich eine deutschnationale Ideologie vertraten, stand die KPÖ mit ihrem unerschütterlichen Willen, die Unabhängigkeit Österreichs zu verteidigen, weit gehend alleine da. – Nicht unerwähnt soll jedoch bleiben, dass es auch in Teilen des konservativen Lagers um Ernst Karl Winter Überlegungen gab, die denen von Alfred Klahr ähnlich waren, und dass es auch aus den Kreisen der Monarchisten eine Österreich-patriotische Grundhaltung gab.) – Als es im März 1938 zur Annexion Österreichs durch Deutschland kam, fanden sich sodann folge-richtig prominente Sozialdemokraten wie Karl Renner und Otto Bauer, die diesen Schritt als historischen Fortschritt bewerteten, die Revolutionären Sozialisten befanden gar, es handle sich bei der deutsch-faschistischen Eroberungspolitik um eine grundsätzlich positiv zu bewertende „europäische Integration“. Anders die Kommunisten, das Zentralkomitee der KPÖ richtete im März 1938 einen als historisch anzusehenden Aufruf an das österreichische Volk, in dem es zum Widerstand und nationalen Freiheitskampf aufgefordert wurde. Auch hierbei ereilte die KPÖ wieder internationale Hilfe und Solidarität, das Zentralkomitee der KPD verurteilte die Annexion Österreichs sofort, auch die Sowjetunion protestierte gegen die deutsche Aggression. Seitens der kapitalistischen Staaten verurteilte jedoch ausschließlich Mexiko diesen verbrecherischen Akt des deutschen Imperialismus faschistischer Prägung.

Dass im Frühjahr 1945 schließlich der deutsche Faschismus in ganz Europa besiegt werden konnte und auch Österreich befreit wurde, war im internationalen Maßstab wesentlich das Verdienst der Roten Armee der Sowjetunion. Ihr ist es unter großen Opfern nicht nur gelungen, die faschistische Vernichtungsmaschinerie im eigenen Land aufzuhalten, sondern zurück-zuschlagen und schließlich zu besiegen. Als im April 1945 die Rote Armee in Wien ein-marschierte, bestand die Hoffnung, man würde nun in Österreich nicht nur die faschistische Form, sondern den imperialistischen Kapitalismus insgesamt überwinden können. Zwei Dinge standen dem im Wege: Einerseits war die wieder gegründete österreichische Sozialdemokratie (SPÖ) nicht über Nacht zur revolutionären Partei geworden – im Gegenteil, nach 1945 wurde seitens der SPÖ jede sozialistische Perspektive endgültig über Bord geworfen; andererseits eröffnete der imperialistische Westblock sofort die Front gegen den Sozialismus und die volksdemokratischen Bewegungen in Osteuropa. Das Hauptanliegen der ehemaligen Verbündeten der Sowjetunion in der Anti-Hitler-Koalition wurde nun schlagartig wieder der Antikommunismus. In Österreich führte die antikommunistische sozialdemokratisch-bürgerliche Front dazu, dass die KPÖ recht bald aus der Regierung ausschied und den Hetz- und Lügenkampagnen der bürgerlichen und sozialdemokratischen Regierungen wenig entgegenzusetzen hatte.

Die defensive Seite des Antikommunismus ist diejenige, dass konsequenter Antifaschismus zu Tage gebracht hätte, dass nur der herrschende Monopolkapitalismus die Grundlage, ja der Grund für den Faschismus ist. Somit bedeutet konsequenter Antifaschismus unweigerlich Antiimperialismus, Antimonopolismus und Antikapitalismus – das war den imperialistischen Sieger-mächten durchaus bewusst und deshalb wich der Antifaschismus bald wieder dem Antikommunismus. Die offensive Zielsetzung des Antikommunismus war diejenige, die 1989/90 schließlich erreicht wurde: Durch die Bündelung aller politischen, ökonomischen, ideologischen und militärischen Potenzen des Imperialismus in der NATO und durch die EG wurde ein antisozialistischer Block geschaffen, dessen Hauptaufgabe die Zerstörung des Sozialismus in Europa und die kapitalistische Restaurierung und Reintegration der ehemals sozialistischen Länder war. Dass die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten Europas dem Druck von außen nicht Stand halten konnten, war einer inneren Schwäche geschuldet. Diese inhaltliche Schwäche basierte vor allem und in letzter Instanz unweigerlich auf der Preisgabe des Marxismus-Leninismus durch die Parteiführungen, d.h. auf dem Revisionismus in Teilen der kommu-nistischen Bewegung.

So ist aus der vorläufigen Niederlage des Sozialismus von 1989/90 vor allem eines zu lernen: Ohne feste ideologische Grundlage auf Basis des Marxismus-Leninismus gibt es auch kein erfolgreiches revolutionäres Handeln. Das gilt für die organisierte revolutionäre Arbeiterklasse an der Macht wie für die kommunistische Bewegung auf dem Weg zur Revolution. „Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben”, schrieb Lenin. Die heutigen Kommunisten mögen sich diesen Satz gut merken – und die implizite Aufforderung auch umsetzen.

4. Gegenwärtige Probleme und Perspektiven der österreichischen und internationalen kommunistischen Bewegung

In ideologischer Hinsicht besteht die zentrale Aufgabe der heutigen Kommunisten also darin, den Marxismus-Leninismus gegen Entstellungen und revisionistische Einflüsse zu verteidigen. Dies erfolgreich zu tun, bedeutet dreierlei:

1. Die Kommunisten müssen ihre Theorie und Programmatik auf den Grundpositionen des Marxismus-Leninismus aufbauen, das heißt insbesondere auf der marxistischen Staatstheorie, auf Lenins Imperialismustheorie, auf einem leninistischen Parteiverständnis, auf dem solida-rischen und antiimperialistischen Internationalismus der Werktätigen und in der Verteidigung des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen.

2. Die Kommunisten müssen sich das Bewusstsein um die historische Rolle und Bedeutung der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten Europas erhalten und diese verteidigen.

3. Die Kommunisten müssen den unerbittlichen ideologischen Kampf gegen den Revisionismus führen.

Auf dieser ideologischen Basis und unter diesen Voraussetzungen ist eine erfolgreiche Neuformierung der revolutionären Kräfte möglich. Dieser Prozess wird ein längerfristig anzu-setzender und ein äußerst beschwerlicher sein, doch er ist unvermeidlich, wenn angesichts der Alternativen Sozialismus oder Barbarei die erstere Möglichkeit zur Umsetzung kommen soll. Gelingt eine derartige revolutionäre kommunistische Organisierung der Werktätigen, so wird am Ende dieses Prozesses eine kampfbereite und vor allem kampffähige marxistische Partei der Arbeiterklasse stehen. Gelingt eine derartige Organisierung nicht, so wären alle Voraus-setzungen gegeben, dass das imperialistische Räubersystem nicht nur einfach weiterhin besteht, sondern der Imperialismus würde der Menschheit hinkünftig unweigerlich im neuen Ausmaß verheerende Kriege bescheren, die die Existenz der Menschheit als Spezies auf diesem Planeten infrage zu stellen vermögen.

Die Kommunistische Initiative in Österreich möchte daher einen Beitrag zum Aufbau einer revo-lutionären marxistischen Partei der Arbeiterklasse leisten. Die Kommunistische Initiative ist der Ansicht, dass die KPÖ diesem Anspruch nicht mehr gerecht wird, zumal sie sich diesen Anspruch selbst gar nicht mehr gibt. Gewiss steht es der Kommunistischen Initiative nicht zu, im internationalen Rahmen über die KPÖ zu Gericht zu sitzen – das Urteil über die KPÖ wie über alle anderen linken Parteien wird die zukünftige gesellschaftliche Praxis der Arbeiterklasse sprechen. Nichtsdestotrotz erachtet es die Kommunistische Initiative als ihre solidarische Pflicht den in der KPÖ organisierten Kommunisten gegenüber, Fehler und Fehlentwicklungen in der KPÖ aufzuzeigen.

Doch nicht nur in der KPÖ, sondern seitens vieler kommunistischer oder vormals kommu-nistischer Parteien ist es nach der vorläufigen Niederlage des Sozialismus in Europa nicht geglückt, mit der neuen Situation richtig umzugehen. Die Neuformierung und Neuorientierung bezog sich allzu oft auf eine offen revisionistische Wende in der Programmatik, eines der markantesten Beispiele hierfür ist wohl jenes der deutschen Linkspartei/PDS. Die heutige KPÖ ihrerseits will explizit keine leninistische Partei mehr sein, sie definiert sich neuerdings als pluralistische Partei, womit sie wieder genau jenen ideologischen Verwirrungen Tür und Tor öffnet, die Johann Koplenig von 1924 bis 1927 mühevoll und mit Hilfe der Komintern über-winden konnte. Grundsätzlich, vor 1924 wie heute, ist der Pluralismus freilich das Einfallstor für bürgerliche Ideologien in kommunistische Organisationen, darüber hinaus entpuppt sich der heutige Pluralismus in der KPÖ mehr und mehr als ein Mittel, die Partei nicht nur vom Marxismus, sondern auch von den Marxisten zu „befreien”. Was das Eindringen bürgerlicher, unmarxistischer und antimarxistischer Ideologien betrifft, so ist bezüglich Österreich und Deutschland gegenwärtig nicht zuletzt die offen pro-imperialistische „antinationale” Ideologie zu nennen, die selbst imperialistische Angriffskriege rechtfertigt und offen fordert. Ebenso wird teilweise der proletarische Internationalismus durch bürgerlich-kosmopolitische Illusionen ersetzt, der Höhepunkt dieser Entwicklung ist die strukturelle Anerkennung und Verteidigung der Europäischen Union seitens kommunistischer Funktionäre, also die positive Besetzung und Rechtfertigung eines imperialistischen Bündnisses. So wird der in Wahrheit zutiefst antide-mokratische, weil eben imperialistische europäische Integrationsprozess zur historischen Not-wendig- und Gesetzmäßigkeit, die angeblich klassenindifferent zu verstehen sei. Der kapitalistische Integrationsprozess in Europa sei die Überwindung des bürgerlichen Nationalstaates unter bürgerlichen Verhältnissen. Gerade in Österreich erinnert Derartiges geradezu fatal an jene Phrasen Otto Bauers und anderer Sozialdemokraten über den angeblichen „historischen Fortschritt” der deutschen Annexion Österreichs 1938. – In Wahrheit ist der kapitalistische Integrationsprozess – vor dem Hintergrund des fortlaufenden Internatio-nalisierungsprozesses des Kapitalismus und der ungehemmten Neuentfaltung des aggressiven und repressiven Wesens des Imperialismus – ein Prozess der allseitigen Durchdringung und Unterordnung sämtlicher Lebensbereiche und Nationen durch das Monopolkapital. Diese neue Offensive des Kapitalismus in politischer, ökonomischer und vermehrt militärischer Hinsicht bedrückt nicht nur die Lage der arbeitenden Menschen in Stadt und Land, sondern aller nichtmonopolistischen Schichten der Bevölkerung. Daher kann angesichts dieser Offensive die kommunistische Bewegung nur mit antiimperialistischen und antimonopolistischen Strategien erfolgreich sein, an deren Ende eine nachhaltige Neuordnung der gesellschaftlichen Kräfte-verhältnisse zu Ungunsten des Monopolkapitals und zu Gunsten der Werktätigen Erfolg ver-sprechende Ausgangsbedingungen für die sozialistische Revolution schafft.

Doch die Antwort einer Reihe sozialistischer und kommunistischer Parteien, insbesondere jener, die sich in der EU-„Linkspartei“ vereinigen, ist die Neuentdeckung des sozialdemokratischen Reformismus, ist die Neuerfindung eines angeblichen dritten Weges zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Diese Parteien propagieren die bürgerliche Demokratie mit Wahlrecht und Parlamentarismus als jene politische Form, die zum Sozialismus führen soll, womit der proletarische Klassenkampf abermals preisgegeben wird. Auch diese Wendung erinnert fatal an die falschen Konzepte der österreichischen Sozialdemokratie der Zwischenkriegszeit. Es war Karl Liebknecht, der kurz vor seiner Ermordung drauf hingewiesen hat, dass der Weg zum Sozialismus nicht über die so genannte „Demokratie“, sondern vielmehr der Weg zur tat-sächlichen Demokratie bloß über den Sozialismus führt. Und tatsächlich führte der „demo-kratische Weg“ der deutschen und österreichischen Sozialdemokratie bloß geradewegs in den Faschismus.

Auch in der Praxis nehmen die Wendungen dieser in der EU-„Linkspartei“ versammelten Parteien mitunter erstaunliche Qualitäten an. Erst kürzlich haben bis auf zwei Ausnahmen die Abgeordneten der deutschen Linkspartei/PDS im EU-Parlament für eine antisozialistische Resolution gegenüber Kuba gestimmt. Die KPÖ hat zwar keine Abgeordneten im EU-Par-lament, setzt aber dennoch bemerkenswerte Akzente. Als im November vergangenen Jahres auf Einladung der griechischen KKE in Athen eine internationale Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien stattfand, verweigerte die KPÖ ihr Zustimmung zu den Solidaritätserklärungen für Kuba und Venezuela, ja selbst die Protestnote gegen die antikommunistische Initiative des Europarats schien der KPÖ nicht unterstützenswert. Tatsache ist, dass hiermit der proletarische solidarische Internationalismus, den sogar die vorbolschewistische KPÖ bereits pflegte und der das wohl höchste Gut der internationalen kommunistischen Bewegung darstellt, offenbar ent-sorgt wird. Am politischen Stellenwert des proletarischen Internationalismus und der anti-imperialistischen Solidarität kann der Charakter einer Partei sehr gut erkannt werden, im Falle der KPÖ wirft der nicht mehr vorhandene proletarische Internationalismus kein allzu gutes Licht auf die Partei.

Ersetzt wird der proletarische Internationalismus seitens der angesprochenen Parteien durch eine den Gesetzen des EU-Imperialismus entsprechende Struktur, durch die so genannten „Euro-päische Linkspartei“, in der wichtige und erfolgreiche kommunistische Parteien Europas wohl aus besten Gründen nicht teilnehmen.

Und an dieser Stelle sei ebenfalls darauf hingewiesen, dass diese durch und durch fehlerhaften Positionen und Orientierungen auch in der KPÖ nicht unumstritten sind. Tatsache ist, dass die einzige bei Wahlen erfolgreiche Landesorganisation der KPÖ, nämlich jene der KPÖ Steier-mark, diese Positionen ablehnt: Die KPÖ Steiermark, von der mit Recht behauptet werden kann, dass sie den marxistischen und konsequent antirevisionistischen Teil der KPÖ repräsentiert, bleibt bei ihrer Ablehnung der EU und lehnt auch die Mitgliedschaft der KPÖ in der EU-„Linkspartei” ab. Allerdings ist die KPÖ Steiermark nicht im Bundesvorstand der KPÖ vertreten und erkennt den letzten Bundesparteitag der KPÖ nicht an. Die Kommunistische Initiative ist der Überzeugung, dass es kein Zufall ist, dass ausgerechnet die KPÖ Steiermark, die sich das Werkzeug des Marxismus erhalten hat, genau jener und der einzige Teil der KPÖ ist, der in einem Landesparlament vertreten ist und bei den Wahlen in der steirischen Hauptstadt Graz sogar über 20% der Wählerstimmen erreicht hat, während es für den Rest der KPÖ schon ein Erfolg ist, die 1%-Marke zu überspringen. Offensichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen marxistischen und antiimperialistischen Positionen und erfolgreicher politischer Arbeit unter und mit den Werktätigen. – Die Kommunistische Initiative teilt und unterstützt diese richtigen und wichtigen Positionen der KPÖ Steiermark, nämlich die Ablehnung der EU als imperia-listisches Bündnis und die Ablehnung der EU-„Linkspartei”.

Nach Ansicht der Kommunistischen Initiative besteht die Aufgabe der antirevisionistischen und marxistisch-leninistischen Parteien und Organisationen in Europa und darüber hinaus darin, dem den sozialistischen Zielen zuwiderlaufenden Formierungsversuch einer reformistisch-revisio-nistischen und zum Teil offen antimarxistischen EU-„Linkspartei“ eine klassenbewusste, internationalistische, antiimperialistische und solidarische Kooperation der internationalen kommunistischen Bewegung entgegenzustellen, die in den besten Traditionen der Inter-nationalen Arbeiterassoziation (IAA), der frühen II. Internationale und der Komintern agiert.

Voraussetzung einer schlagkräftigen internationalen kommunistischen Bewegung ist die weltweite Schaffung revolutionärer Arbeiterparteien, die auf dem Boden des Marxismus-Leninismus agieren. In Österreich hat sich die Kommunistische Initiative das Ziel gesetzt, für die Schaffung einer solchen Partei zu arbeiten. Die Kommunistische Initiative wirkt in dieser Hinsicht in Solidarität mit und in Kooperationsbereitschaft gegenüber Marxisten, Kommunisten und revolutionären Sozialisten, die Mitglieder anderer Organisationen oder derzeit unorganisiert sind und die unsere Zielsetzung teilen. Vor allem aber wird es in Österreich darum gehen, die Masse der momentan tendenziell indifferenten, weil von der Sozialdemokratie enttäuschten Arbeiter zu gewinnen. – Eine solche Mobilisierung und Organisierung eines großen Teils der österreichischen Arbeiterklasse ist eine schwierige Aufgabe, an der die kommunistische Bewegung in Österreich seit bald 90 Jahren arbeitet und dabei Erfolge und Misserfolge vor-weisen kann. Die Kommunistische Initiative versteht sich in der besten Tradition der revo-lutionären österreichischen Arbeiterbewegung, der kommunistischen Bewegung, und sie ist bemüht, den Kampf um die Massen und um die kulturelle Hegemonie in der Gesellschaft mit einer klaren marxistisch-leninistischen Ideologie zu verknüpfen. Die marxistisch-leninistische Ideologie ist in der kommunistischen Bewegung während jeder Etappe ihrer Entwicklung unverzichtbar. Die Kommunistische Initiative hält es in dieser Hinsicht mit Johann Koplenig, der einer der besten Söhne und Führer der österreichischen Arbeiterklasse war – am 14. Parteitag der KPÖ im Jahr 1948 fand Koplenig Worte, die für die Kommunistische Initiative auch heute eine Anleitung zum Handeln sind: „In jedem entscheidenden Moment der Entwicklung Österreichs war es unsere Partei, und nur unsere Partei, die den richtigen Weg gewiesen hat, weil sie allein den unentbehrlichen Kompass der Arbeiterbewegung, den Marxismus-Leninismus, besitzt. (…) Die ideologische Stärkung ist … untrennbar verbunden mit dem Kampf zur Gewinnung der Massen und heute, angesichts der Perspektiven verschärfter Klassen-gegensätze, darf man weniger denn je die ideologische Arbeit vergessen, gilt es erst recht, größte Aufmerksamkeit der politischen Erziehungsarbeit zuzuwenden, wachsam darauf zu achten, dass die Ideologie des Klassenfeindes nicht in unsere Reihen dringe. Unsere Ideologie, unsere Theorie des Marxismus-Leninismus ist die beste Waffe der Arbeiterklasse im Kampf für ihre Befreiung. Diese Theorie ist unbesiegbar, denn sie ist die Wahrheit.”…

Brüssel, Mai 2006,
für die Kommunistische Initiative (KI) Österreich, Tibor Zenker