Fidel Castro: Politische Erklärung, 22. April 2002

Fidel Castro:
Politische Erklärung, 22. April 2002

Vorbemerkung der Redaktion: Das Gipfeltreffen in Monterrey/Mexiko (Internationale Konferenz der Vereinten Nationen über Entwicklungsfinanzierung) bereitete der mexikanischen Regierung nicht wenig Kopfzerbrechen, denn die Welt hat Herren und diese sitzen in den USA. Wenn die nicht mit Fidel Castro an einem Tisch sitzen wollen, versuchen ihre Marionetten (wie z.B. Herr Fox in Mexiko) selbstverständlich, dies zu deren Zufriedenheit zu organisieren – und zwar hinter den Kulissen. Dabei haben sie sich aber leider bei Fidel Castro in der Adresse geirrt, denn er legte den gesamten miesen Vorgang vor der Weltpresse offen – dass das Ganze bei uns annähernd totgeschwiegen wurde, verwundert nicht (nach unserer Information erschien der Abdruck des Telefonats zwischen Fox und Castro bisher nur im Rundbrief der Freundschaftsgesellschaft BRD-Cuba, Gruppe Essen; von dort haben wir dankenswerter Weise auch den Text zum Nachdruck bekommen). Wir bringen den Text aus Platzgründen gekürzt, das Telefongespräch natürlich aber komplett. Wer den Anfang des Textes nicht vollständig versteht, sei gebeten, weiter zu lesen – die Fragen beantworten sich im Laufe des Textes von selbst. Im Anschluss findet Ihr die Rede Fidel Castros bei besagter Konferenz in Monterrey. (D. Red.)

POLITISCHE ERKLÄRUNG DES VORSITZENDEN DES STAATSRATES DER REPUBLIK KUBA:

Meine Weigerung, die Beweise zu den Ereignissen in Monterrey beizubringen, die mich zwangen, mich noch am selben Tag meiner Rede auf dem Gipfeltreffen zurückzuziehen, war darauf zurückzuführen, daß Herr Castañeda in seinem dreisten Wagnis den Präsidenten Vicente Fox mit hineingezogen hatte. Ich konnte sie nicht vorbringen, ohne dabei den mexikanischen Staatschef mit darin zu verwickeln. (…)

Anfang dieses Jahres kommt es auf Initiative Mexikos unter dem Vorwand der Verbesserung der Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern zu einem Besuch einer hochrangigen Delegation in Kuba mit Fox an der Spitze. Man näherte sich der Konferenz in Monterrey. Wie bereits Reagan kurz vor dem im Oktober 1981 in Mexiko stattfindenden Nord-Süd-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs verfuhr, drohte auch Bush mit Abwesenheit für den Fall der Teilnahme Kubas. (…) Wir wußten recht wohl, daß eines der Ziele (des Besuches; d.Red.) darin bestand, uns darum zu bitten, von unserer Teilnahme Abstand zu nehmen. Sie wagten es nicht. (…)

Der Austausch mit Fox und anderen Mitgliedern der Delegation zu verschiedenen Aspekten verlief ernst und produktiv. (…) An jenem Nachmittag fand um 16.00 Uhr ein Gespräch zwischen unserem Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Herrn Castañeda statt. Jener wagte nicht einmal, mit Felipe das Vorfeld des Genfer Antikubaprojektes zu diskutieren. Das Gipfeltreffen von Monterrey erwähnt er nicht und verspricht, in Genf keinerlei Antrag gegen Kuba weder zu fördern, noch zu unterstützen.

Um 20.00 Uhr Staatsempfang im Palast der Revolution; 20.53 Uhr Privatgespräch mit Präsidenten Fox in meinem Amtsraum. Als wir nach mehreren anderen Bemerkungen das Thema Genf ansprachen, versicherte er mir wörtlich, Mexiko werde nie etwas tun, was Kuba zum Schaden gereichen könne, denn es bestünden langjährige Beziehungen, die man keinesfalls beeinträchtigen wolle. (…)

Doch dieser angenehme Eindruck hielt nicht lange an.

Castañeda gab sich rätselhaften und seltsamen Erklärungen hin: „Die Beziehungen Mexikos zur kubanischen Revolution gibt es nicht mehr; jetzt sind es die Beziehungen zur Republik Kuba…”; „die mexikanische Haltung von heute ist nicht die Haltung der Vergangenheit” usw. (…) In den Nachtstunden jenes Tages kommt es zu einem schweren Zwischenfall, der nur beigelegt werden konnte durch die von der mexikanischen Regierung erbetene ernste und effiziente Kooperation Kubas in den frühen Morgenstunden des 1. März, ohne den Eindringlingen (in die Botschaft) auch nur einen Kratzer zuzufügen. Lügen und plumpe Verleumdungen werden verbreitet. Es wird sogar behauptet, dies alles sei auf eine Provokation Kubas zurückzuführen gewesen. Der März hatte begonnen. Das Gipfeltreffen von Monterrey war in nächste Nähe gerückt.

Meine Entscheidung, ob ich an Treffen dieser Art teilnehmen werde oder nicht, gebe ich niemals bekannt. Die Gründe liegen auf der Hand. Habe ich die Entscheidung getroffen, benachrichtige ich erst in letzter Minute die dafür zuständigen Personen. Es gibt sie sogar, die ohne jegliche Vorabinformation erscheinen und nie Schwierigkeiten mit den Gastgebern hatten. Dieses Mal, nachdem die Entscheidung annähernd drei Tage vorher getroffen worden war, informierte ich meine Ankunft 24 Stunden im voraus, am 19. März. (…)

Die Weltlage ist heute außerordentlich ernst und komplex. Die Konferenz befaßte sich mit einem Thema von lebenswichtiger Bedeutung für alle Länder der armen und ausgebeuteten Welt. Daran teilzunehmen war mein gutes Recht und ich entschied mich dazu. Ich wußte recht wohl, daß, sobald die Mitteilung über meine Teilnahme erfolgt war, es keine Minute dauern würde, bis der Präsident der Vereinigten Staaten informiert wäre und auf Mexiko unvermeidlichen Druck ausüben würde. Ich wollte ihnen dafür nicht allzu viel Zeit lassen. Ich verfaßte ein kurzes Schreiben und wies unseren Botschafter an, dieses im Amt des Präsidenten von Mexiko um 19.00 Uhr kubanischer Zeit, 18.00 Uhr mexikanischer Zeit, zu übergeben. (…) Der Inhalt meines Schreibens lautete wörtlich:

„Havanna, den 19. März 2002. Werter Herr Präsident!

Erneut las ich aufmerksam Ihr liebenswürdiges Schreiben vom 28. Januar dieses Jahres, in dem Sie mich zur Teilnahme an der Internationalen Konferenz der Vereinten Nationen über Entwicklungsfinanzierung einladen, die in Monterrey stattfinden wird. Bereits vorher hatte ich am 21. Dezember 2001 die Einladung der Botschafter Shamshad Ahmad und Ruth Jacoby, Kopräsidenten des Vorbereitungskomitees der Vereinten Nationen, erhalten.

Mein enormer Arbeitsumfang der letzten Wochen erlaubte mir nicht, die Sicherheit der Teilnahme an dieser Konferenz zu haben. Das bekümmerte mich stark Mexiko gegenüber, Durchführungsort dieses bedeutenden Treffens, sowie den Vereinten Nationen gegenüber, die diesem eine so hohe Bedeutung beimessen. Daher habe ich mich zu einer zusätzlichen Anstrengung und Teilnahme an dieser Konferenz entschlossen, sei es auch nur die minimal mögliche Zeit, was ich an erster Stelle Ihnen hiermit gern mitteile.

Ich hoffe, mit konstruktivem Geist zum Erfolg dieser Konferenz beitragen zu können, der Mexiko angestrengte Bemühungen angedeihen ließ. Werter Herr Präsident Fox, ich wünsche Ihnen Erfolg und versichere Sie meiner Freundschaft und persönlichen Achtung.

Fidel Castro Ruz”

Die Mitteilung über die Kürze meines Aufenthalts bedeutete ganz klar, daß ich mich ausschließlich auf die zwei Tage der Konferenz beschränken würde – diese war in der Tat meine Absicht – und kein weiteres zusätzliches Programm in Mexiko absolvieren würde. (…)

Um etwa 23.00 Uhr kubanischer Zeit wird in meinem Büro ein Anruf aus Mexiko erhalten mit der Benachrichtigung, daß Präsident Fox mich so dringend wie möglich zu sprechen wünscht. Da ich mich nicht in meinem Büro befand, wird darum gebeten, den Anruf etwas später zu wiederholen. Um 23.28 Uhr wird der Anruf aus Mexiko wiederholt. Zu diesem Zeitpunkt war ich mit mehreren Genossen in einem kleinen Salon unweit meines Büros versammelt. Der Anruf um diese Zeit machte mich mißtrauisch. Wie seltsam, wo sich doch der Präsident früh zur Ruhe begibt! Der Ton verriet Dringlichkeit. Ich hatte bereits keine Zweifel mehr. Ich erhob mich, begab mich in mein Büro und bat, mich mit dem Präsidenten Fox zu verbinden. Es kam zu einem ungewöhnlichen Dialog, den ich so wiedergebe, wie er aufgenommen wurde.

Fidel: Hallo, Herr Präsident, wie geht es Ihnen?

Fox: Fidel, wie geht es dir?

Fidel: Sehr gut, sehr gut, vielen Dank; und Ihnen?

Fox: Das hört man gern! Hör‘ mal, Fidel, ich ruf‘ dich an wegen der Überraschung, die es für mich war, als ich vor nur ein paar Stunden von deinem beabsichtigten Besuch hier in Mexiko erfuhr. Zuerst und vor allem anderen möchte ich dir sagen, daß dieses hier ein Privatgespräch zwischen dir und mir sein sollte. Bis du einverstanden?

Fidel: Ja, einverstanden. Sie haben mein Schreiben erhalten, nicht wahr? Ich sandte es ihnen …

Fox: Ja, ich habe dein Schreiben vor knapp zwei Stunden erhalten, und deshalb rufe ich jetzt an.

Fidel: Ach so; mir hatte man gesagt, Sie gingen früh schlafen, und so sandten wir das Schreiben zeitig.

Fox: Ja, ich gehe früh schlafen, doch das hat mich wach gehalten.

Fidel: Was Sie nicht sagen!

Fox: Nein, ich erhielt es… Hier ist es jetzt kurz vor 22.00 Uhr; ich erhielt es um 20.00 Uhr, während ich mit Kofi Annan zu Abend aß.

Fidel: Aha!

Fox: Doch schau her, Fidel, an erster Stelle spreche ich als Freund zu dir.

Fidel: Ja, Sie wenden sich zuerst als Freund an mich; ich hoffe, Sie sagen nicht, daß ich nicht kommen soll.

Fox: (lacht) Nun also, laß mich dir etwas sagen und dann sehen, was du dazu meinst.

Fidel: Ich höre, doch ich sage es Ihnen im voraus. Also gut.

Fox: Wie bitte?

Fidel: Ich höre, doch ich sage es im voraus.

Fox: Nun, hör‘ mich erst einmal an. Hör‘ mich erst einmal an.

Fidel: Ja.

Fox: Ja, als Freund. Mit dieser Überraschung in letzter Minute bereitest du mir tatsächlich eine ganze Anzahl von Problemen.

Fidel: Wieso?

Fox: Probleme der Sicherheit, Probleme der Betreuung.

Fidel: Also das ist für mich nicht von Bedeutung. Das beunruhigt mich nicht, Herr Präsident. Es scheint, Sie kennen mich nicht.

Fox: Das beunruhigt dich nicht?

Fidel: Nein, nicht im geringsten. Ich habe keine 800 Mann Begleitung wie Herr Bush.

Fox: Doch es ist nicht unbedingt eine Haltung unter Freunden, in letzter Minute zu avisieren, daß du hier erscheinen wirst.

Fidel: Ja, aber ich gehe auch wie kein anderer viele Risiken ein, und das wissen Sie recht gut.

Fox: Nun, du hättest je einem Freund vertrauen und mich etwas früher wissen lassen können, daß du vorhattest zu kommen. Das, so glaube ich, wäre für beide viel besser gewesen. Doch schau, ich weiß voll und ganz, daß du nicht nur das Recht dazu hast, sondern, wenn es dir nicht möglich ist, mir als Freund in diesem Sinne zu helfen und es für dich unerläßlich ist…

Fidel: Ja, sagen Sie mir, in welchem Punkt ich Ihnen helfen kann, nur in diesem nicht.

Fox: Gut. Dieser Punkt ausgenommen, wobei kannst du mir helfen?

Fidel: Sagen Sie mir, wie? Was soll ich tun? Die Risiken gehe ich mit aller Ruhe ein. (Die Sache wurde nun schon ernster: weder der Nachbar des Nordens noch das Gastgeberland waren an meiner Anwesenheit interessiert.)

Fox: Also, laß mich einmal…

Fidel: Aber Sie werden verstehen, daß es einem weltweiten Skandal Raum geben würde, wenn mir tatsächlich jetzt gesagt wird, daß ich nicht kommen soll.

Fox: Aber weshalb mußt du denn einen weltweiten Skandal auslösen, wenn ich mich als Freund an dich wende?

Fidel: Hören Sie, Sie sind der Präsident des Landes; und wenn Sie als Gastgeber es mir verbieten, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als meine Rede morgen zu veröffentlichen.

Fox: So ist es, so ist es. Nein, du hast ein volles Recht darauf. Mal sehen, laß mich dir einen Vorschlag machen.

Fidel: Ja.

Fox: Ja?

Fidel: Sagen Sie.

Fox: Ich weiß nicht, wann du zu kommen die Absicht hast, denn das hast du mir nicht mitgeteilt. Mein Vorschlag wäre nun, du kämest am Donnerstag.

Fidel: Nun, sagen Sie, sagen Sie es genau. Ich bin bereit, ein Übereinkommen hierzu zu hören. Gut. Welcher Tag ist heute? Dienstag. Um welche Zeit wünschen Sie meine Anreise am Donnerstag?

Fox: Denn du hast… das heißt Kuba hat seine Rede vor dem Plenum am Donnerstag.

Fidel: Ja, ja, die genaue Uhrzeit dort, dort waren… Am Donnerstag sollte es um…

Fox: Gegen 13.00 Uhr.

Fidel: Nein, am Donnerstag muß ich an einem Podiumsgespräch teilnehmen und am Vormittag die Rede vorbereiten.

Fox: Denn deine Rede sollst du gegen 13.00 Uhr halten.

Fidel: So ungefähr. Ich helfe Ihnen in allem, störe Sie mitnichten, gehe nicht zu den Essen, nicht einmal zu der Zusammenkunft… Nun, diese Zusammenkunft, darüber müßten wir noch diskutieren…

Fox: So ist es, jawohl, laß mich zu Ende reden.

Fidel: Ja.

Fox: Du kannst am Donnerstag kommen, an der Tagung teilnehmen und deine Rede in der für Kuba reservierten Zeit um 13.00 Uhr halten. Danach haben wir ein Mittagessen, das der Gouverneur des Staates für die Staatsoberhäupter gibt. Ich biete dir sogar an und lade dich ein zu diesem Mittagessen, ja sogar, daß du neben mir Platz nimmst; daß du aber dann nach Abschluß der Tagung und der Teilnahme, also sagen wir, zurückkehrst und so…

Fidel: Auf die Insel Kuba?

Fox: Nein, also, vielleicht suchst du dir…

Fidel: Wohin? Ins Hotel? Sagen Sie.

Fox: Auf die Insel Kuba oder wohin du möchtest.

Fidel: Gut

Fox: Und du läßt mir dann – das ist meine Bitte an dich – den Freitag frei, damit du mir den Freitag nicht schwierig machst.

Fidel: Sie möchten nicht, daß ich Ihnen den Freitag kompliziert mache. Nun gut, es sieht ganz so aus, als haben Sie eine Zeile meines Schreibens überlesen, auf der ich Ihnen sage, daß ich mit konstruktivem Geist kommen werden, um für einen Erfolg der Konferenz zu kooperieren.

Fox: Ja doch, ich habe diese Zeilen gelesen.

Fidel: Wenn meine Worte nicht die Wirkung hatten… Ich verstehe die anderen Dinge, von denen wir nicht reden wollen, und das, was geschehen kann. Ich habe fast vorhergesehen, daß Sie mich anrufen würden, um mir so etwas Ähnliches zu sagen. Nun, sehr gut, ich sage Ihnen mit aller Offenheit: Ich bin bereit, mit Ihnen zu kooperieren. Ich bin bereit mit Ihnen zu kooperieren und zu tun, worum Sie mich ersuchen.

Fox: Wir können so verfahren.

Fidel: Ja, wiederholen Sie es mir bitte.

Fox: Also, Ankunft am Donnerstagmorgen; die Uhrzeit bestimmst du selbst.

Fidel: Ja, am Donnerstagmorgen; dann die Rede.

Fox: Ja, die Rede im Plenum; Teilnahme am Mittagessen der Staatschefs, zu dem ich dich sogar einlade, neben mir zu sitzen.

Fidel: Sehr gut, vielen Dank.

Fox: Am Nachmittag dann also deine Abreise zu einer dir genehmen Zeit.

Fidel: Ja, in Ordnung. Wie sieht es mit der Uhrzeit aus? Es gibt einen Zeitunterschied von einer Stunde, die Stunde, in der ich mich bewegen muß.

Fox: Wir haben eine Stunde Zeitunterschied.

Fidel: Sollte ich eventuell etwas früher ankommen müssen, sagen wir, da ich weiß, wo ich den größten Schaden anrichte (lacht), könnte ich vielleicht im Morgengrauen eintreffen.

Fox: Am Donnerstag?

Fidel: Denn meine Rede ist für 13.00 Uhr vorgesehen und man ist dabei, dort die Reihenfolge zu verhandeln; vielleicht spreche ich schon vorher; vielleicht, doch vorbereitet bin ich für etwa diese Uhrzeit, denn es gibt 30 Redner. Ich bin benachteiligt, denn es war im letzten Augenblick, und ich gestehe Ihnen, daß ich den Entschluß im letzten Augenblick gefaßt habe. Sie werfen mir vor, ein Freund sollte seine Teilnahme zu- oder absagen. An erster Stelle liegen hier zwei Dinge vor: Für mich bestehen Risiken und außerdem hatte ich es noch nicht entschieden. Das ist die Wahrheit.

Fox: Ja, ja; ich verstehe, ich verstehe.

Fidel: Doch zum gegebenen Zeitpunkt entschied ich, daß es erforderlich ist, wie ich Ihnen in meinem Schreiben erkläre. Ich bitte Sie, dieses, wenn es Ihnen möglich ist, noch einmal zu lesen.

Fox: Es liegt hier vor mir.

Fidel: Und der Generalsekretär ist in Ihrer Nähe? Sie speisen mit ihm zu Abend?

Fox: Vor 15 Minuten ist er gegangen. Er begab sich in sein Hotel und morgen wird er nach Monterrey reisen.

Fidel: Wie schade, daß ich nicht zuhören kann, wenn er spricht! Denn ich glaube, er spricht gleich zu Anfang.

Fox: Nun, Fidel, du… du… Ja, ich weiß, daß…

Fidel: Also, wenn Sie zuwege bringen könnten, daß ich beispielsweise als zehnter Redner an die Reihe komme, wenn Sie in der Reihenfolge für mich einen Platz besorgen…

Fox: Laß mich sehen, einen Augenblick.

Fidel: Ja.

Fox: Ich selbst werde am Donnerstag sprechen; die Eröffnungszeremonie beginnt um 9.00 Uhr.

Fidel: Um 9.00 Uhr, sehr gut.

Fox: Um diese Zeit wird, wie ich annehme, der Generalsekretär sprechen, und ich werde sprechen.

Fidel: Ja, ihm wollte ich zuhören, denn er war es ja, der mich eingeladen hat.

Fox: Deine Anwesenheit dabei ist kein Problem.

Fidel: Sie sind der Präsident des Gastgeberlandes; nicht die Vereinigten Staaten sind es, es ist Mexiko.

Fox: Für deine Anwesenheit besteht kein Problem. Du kommst zeitig und nimmst an der Eröffnung teil, beginnend um 9.00 Uhr, bei der er sprechen wird, und ich werde sprechen und, in der Tat, du bist als etwa der zehnte Redner an der Reihe.

Fidel: Nein, ich habe die Nummer 30; doch wenn Sie mir die Nummer 10 besorgen können, das heißt, nachdem die Hauptredner und noch ein paar andere dort gesprochen haben – ich glaube, Chávez macht den Anfang in seiner Eigenschaft als Präsident der Gruppe der 77 – und Sie für mich Nummer 10 oder 12 in der Reihenfolge besorgen…

Fox: Du möchtest also einen Wechsel, sagen wir, von 13.00 Uhr auf etwas früher?

Fidel: Sprechen Sie mit Kofi, sprechen Sie mit Kofi und erläutern Sie ihm Ihr Problem. Er wird verstehen, daß die Welt Herren hat und daß das sehr ernst ist.

Fox: Ich kann mit Kofi Annan sprechen. (lacht)

Fidel: Sprechen Sie mit Kofi (Lachen), verstehen Sie?

Fox: Ja, ja; ich kann mit ihm sprechen, warum nicht.

Fidel: Somit komme ich Ihnen noch viel mehr entgegen. Ich erscheine dort und halte meine Rede. Es wäre fast besser, ich käme so um Mitternacht, schliefe etwas und ginge dann dorthin.

Fox: Du brauchst mich nur benachrichtigen, wie spät du… Du teilst mir die Stunde mit; ich habe für dich eine Residenz, einen Ort, an dem du dich aufhalten kannst, falls du sehr früh kommst.

Fidel: Gut, ich hatte dort ein kleines Hotel, einige Zimmer, denn meine Teilnahme stand ja nicht fest.

Fox: Ja, es gibt nämlich keine Zimmer; darin liegt das Problem, es gibt keine Zimmer.

Fidel: Nein, doch für unsere Delegation sind dort 20 Zimmer reserviert; und einige können wir woanders unterbringen, in einem Gästehaus.

Fox: Ja, wir richten uns schon ein. Du hast Freunde in Monterrey, die dich im Nu unterbringen können. Das ist kein Problem. Du mußt in den frühen Morgenstunden eintreffen…

Fidel: Sehen Sie, ich kann Ihnen noch viel weiter entgegenkommen. Muß ich unbedingt in den frühen Morgenstunden eintreffen?

Fox: Ja. Doch was nennst du frühe Morgenstunden, 5.00 Uhr oder 6.00 Uhr?

Fidel: Nein, ich ziehe eine bestimmte Uhrzeit um ungefähr 22.00 Uhr vor.

Fox: Ach so! Ankunft am Mittwochabend.

Fidel: Ja, ja; ohne daß ich gesehen werde. Wir sehen uns dann am Vormittag dort. Man kann mich dann am Vormittag dort antreffen.

Fox: Versuche, in der Nacht zu kommen, wir werden uns schon einrichten; das heißt, mehr auf Mitternacht zu oder im Morgengrauen.

Fidel: Gut.

Fox: Du kommst, installierst dich und nimmst ab 9.00 Uhr teil.

Fidel: Ich installiere mich und bin dort um 8.30 Uhr: Merken Sie wohl.

Fox: Ja, in Ordnung, in Ordnung.

Fidel: Also, Sie garantieren mir das mit Kofi Annan und erklären ihm die Probleme; falls nicht, dann müßte ich mit ihm sprechen und es ihm erklären, denn eingeladen wurde ich von den Vereinten Nationen.

Fox: Darin besteht kein Problem. Ich…

Fidel: Es war sehr liebenswürdig von Ihnen als Gastgeber, mir eine Einladung zu schicken; doch es sind die Vereinten Nationen, die mich einladen. Ich sagte es Ihnen hier. Zu Beginn unserer Gespräche war dies, daß mir die Einladung zugegangen war, das Erste, was ich ansprach.

Fox: Gut; deshalb. Wir werden also weiterhin in dieser Richtung denken. Dann kommen wir zum Schluß…

Fidel: In Ordnung. So komme ich Ihnen entgegen und reise früher ab. Ohnehin ist mein stärkster Wunsch, hier zu sein. Ich habe viel Arbeit, und es gibt vieles, für das ich begeistert bin.

Fox: Fidel, darf ich dich um noch etwas bitten?

Fidel: Ja, bitte.

Fox: Wenn du da bist, wäre es für mich sehr gut, wenn es nicht zu Erklärungen zum Thema der Botschaft, den Beziehungen zwischen Mexiko und Kuba oder zu den Ereignissen käme, die wir in den vergangenen Tagen erlebten.

Fidel: Für mich besteht keinerlei Bedürfnis, dort Erklärungen abzugeben.

Fox: Wie gut!

Fidel: Sagen Sie, was kann ich noch für Sie tun?

Fox: Also in der Hauptsache nicht die Vereinigten Staaten oder Präsidenten Bush angreifen, sondern uns beschränken auf…

Fidel: Hören Sie, Herr Präsident, ich bin ein Mensch, der sich seit etwa 43 Jahren mit Politik befaßt; und ich weiß, was ich tue und zu tun habe. Sie brauchen nicht die geringsten Bedenken zu hegen, daß ich die Wahrheit mit Anstand und der erforderlichen Eleganz vorzubringen weiß. Sie brauchen nicht die geringste Befürchtung zu haben, daß ich dort eine Bombe loslassen werde; obwohl ich in der Tat mit dem vorgeschlagenen Konsens nicht einverstanden bin. Nein, ich werde mich darauf beschränken, meine Grund- und Hauptideen darzulegen, und das mit allem Respekt der Welt. Ich werde jenes nicht als eine Tribüne benutzen. Um zu agitieren; keinesfalls. Ich werde meine Wahrheit sagen. Ich kann auch fernbleiben und sage sie dann von hier aus. Ich sage sie dann morgen früh. Also für mich ist es nicht…

Fox: Eben das ist es, was du mir in deinem Schreiben anbietest: konstruktive Partizipation, damit es ein echter Beitrag zur Diskussion, zur Debatte und zur Lösungsfindung auf die Probleme wird, die wir alle auf der Welt haben.

Fidel: Ja, Herr Präsident. Auch sollten Sie in Betracht ziehen, daß eine Reise dieser Art für mich ein ziemliches Risiko beinhaltet.

Fox: Ja, das verstehe ich.

Fidel: Sie sollten es wissen. Ich tue es nicht – daß ich fernbliebe – denn ich würde mich schämen, da ich nun einmal beschlossen habe teilzunehmen. Vielen Treffen bin ich ferngeblieben. Ich war nicht auf dem Gipfeltreffen in Peru; doch für mich ist diese Konferenz von viel höherem Stellenwert, ist Mexiko von viel höherem Stellenwert. Mir schien sogar, ich würde damit Sie und die Mexikaner verletzen. Ich gehe dorthin, nicht um zu agitieren noch Kundgebungen zu organisieren, nichts dergleichen. Ich bedenke, daß Sie der Präsident jenes Landes sind und daß ein Wunsch Ihrerseits, und seien es noch so viele Rechte, von mir zu berücksichtigen ist. Es freut mich daher, daß Sie an eine anständige Lösung gedacht haben; daß ich zur genannten Stunde dort bin und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zuhöre. Wenn Sie nun mit Unterstützung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen mir garantieren könnten – wir wollen doch dort nicht so lange bleiben; je mehr Zeit verstreicht, desto mehr… – daß ich auf der Ihrer Rede folgenden Rednerliste einen Platz zwischen den Nummern 10 und 15 bekomme; also darüber haben wir mit einem Genossen gesprochen, der dort ist. Wir werden ihm Anweisungen geben – er hat heute von mir bereits Anweisungen erhalten, sich um einen früheren Zeitpunkt für meine Rede zu kümmern – und dann wäre ich frei, um Ihnen so wenig Unannehmlichkeiten wie möglich zu bereiten.

Fox: Ja. Höre, Fidel, auf jeden Fall bleibt die Einladung zu dem Mittagessen, zu dem du mich begleiten sollst. Das wäre so gegen 13.00 Uhr oder 13.30 Uhr, und nach dem Essen kannst du dann zurückkehren.

Fidel: Unter der Bedingung, daß du mir nicht Pfefferfleisch und Pute und sonst noch viele Speisen vorsetzt, denn der Flug nach hier mit sehr vollem Magen…

Fox: Nein, es gibt Lamm , das ist sehr lecker.

Fidel: Es gibt Lamm?

Fox: Jawohl, mein Herr, exzellent.

Fidel: Gut, sehr gut.

Fox: Dann können wir also bei dieser Übereinkunft bleiben, Fidel?

Fidel: Wir können bei dieser Übereinkunft bleiben und bleiben Freunde, Freunde und Gentlemen.

Fox: Ja, ich danke dir sehr dafür. Du teilst mir nur noch die Uhrzeit deiner Ankunft mit, um dich zu empfangen und zu beherbergen.

Fidel: Ich werde Ihnen die Uhrzeit meiner Ankunft mitteilen. Nun, wenn Sie wollen, komme ich sogar noch früher, und damit gehen wir vielem aus dem Wege. Wie spät wirst du morgen schlafen gehen?

Fox: Morgen?

Fidel: Ja.

Fox: Welcher Tag ist morgen, Mittwoch? Als guter Mann vom Lande werde ich morgen früh schlafen gehen.

Fidel: Als guter Mann vom Lande. Bei mir ist es gerade umgekehrt. Ich bin gewöhnlich ein guter Nachtmensch. Sagen Sie, welche Uhrzeit paßt Ihnen am besten?

Fox: Schau, so wie du sagtest: 22.00, 23.00, 24.00 Uhr, damit du dich installieren und ausruhen und am anderen Morgen anwesend sein kannst.

Fidel: Sehr gut, einverstanden.

Fox: Also erwarte ich nur noch von der Botschaft deine genaue Ankunftszeit, um dich dort zu empfangen, wie es sich gehört.

Fidel: Ja, morgen bekommen Sie die genaue Uhrzeit mitgeteilt.

Fox: Wir sprachen darüber mit der Botschaft.

Fidel: Ja, und wie stets danke ich dir für dieses Entgegenkommen, diese Ehre, wenn du dorthin kommst. Ich glaube, das würde sehr helfen…

Fox: Du begleitest mich zum Essen und von dort kehrst du zurück.

Fidel: Ab da erfülle ich Ihre Befehle: ich kehre zurück.

Fox: Fidel, ich danke dir vielmals.

Fidel: Gut, Präsident.

Fox: So werden unsere Sachen gelingen.

Fidel: Ich denke schon, und ich bedanke mich bei Ihnen…

Fox: Gut, ich ebenfalls und gute Nacht.

Fidel: …für Ihr Entgegenkommen und Ihre Suche nach einer ehrenvollen und akzeptablen Lösung.

Fox: Ja, ich glaube, man kann sie als solche betrachten und ich danke dir dafür.

Fidel: Sehr gut, sehr gut; ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

Fox: Gute Nacht.

Fidel: Gute Nacht.

Der Herr Präsident von Mexiko hatte das letzte Wort gesprochen. Es war mein unbestreitbares Recht, an dieser nicht von Herrn Bush, sondern von den Vereinten Nationen einberufenen Konferenz teilzunehmen. Doch gegen den ausdrücklichen Willen des Präsidenten des Gastgeberlandes konnte ich doch nicht nach Monterrey reisen; ich mußte mich damit abfinden, die mir zustehenden sechs Minuten zu benutzen und nach dem Mittagessen oder früher wieder abreisen, wenn es mir gelang, die Nummer 30 in der Rednerliste gegen eine niedrigere auszutauschen. Sie war mir durch Auslosung zugefallen, denn neben anderen Gründen hatte ich meine Anwesenheit nicht im voraus gewährleisten können, um eine sofortige Mobilmachung der Horde der bereits erwähnten Terroristen und Killer zu vermeiden, die von US-amerikanischem Territoriums aus organisiert und bezahlt werden, um mich, immer wenn ich zu einem internationalen Treffen reise, physisch zu eliminieren.

Ich muß hinzufügen, daß bei meiner Ankunft in Monterrey kein Herr Fox auf dem Flughafen erschien, wie er, ohne daß ich ihn darum gebeten hätte, versprochen hatte. Nicht einmal per Telefon gab es eine Anstandsbegrüßung. Das bekümmerte mich nicht im geringsten. Ich hänge absolut nicht an Etikette und Höflichkeitsformeln.

Dagegen genoß ich einen ganz besonderen Trost. Zur gleichen Zeit, da man mir befahl, unmittelbar nach dem Mittagessen abzureisen, wurde mir zweimal mitgeteilt, daß ich die immense Ehre haben werde, während des irdischen Genusses eines leckeren Lamms an seiner Seite zu sitzen.

Nun konnte ich mich von dem Gipfeltreffen jedoch nicht ohne eine mindeste Erklärung zurückziehen. Ich habe so etwas bei noch keinem Treffen getan. Der Herr Präsident der Vereinigten Staaten könnte meinen, Kuba habe Angst davor, mit erhobenem Haupt vor seiner mächtigen und erhabenen Erscheinung zu sitzen. Auf dem Gipfeltreffen 1992 in Rio de Janeiro zeigte sein Vater die löbliche – weil ungewöhnliche – Geste, den Saal mit Vorbedacht einige Minuten vor meiner Rede zu betreten, meinen Worten ruhig zuzuhören und am Schluß zu applaudieren, sowohl er als auch seine Delegation. Ein altes Sprichwort besagt, daß Höflichkeit eine Zier ist. Niemand in unserem Land, in Mexiko oder anderswo hätte ein so seltsames Verlassen des Treffens verstanden. Zur Erklärung sagte ich lediglich drei Zeilen:

„Ich bitte alle, mich zu entschuldigen dafür, daß ich sie nicht weiter begleiten kann aufgrund einer besonderen Situation, die durch meine Teilnahme an diesem Gipfeltreffen entstanden ist, und ich mich gezwungen sehe, unmittelbar in mein Land zurückzukehren.” (…) Ich hatte keine unlösbare Komplikation zurückgelassen. Meine letzten Worte nach der Erklärung waren:

„An der Spitze der Delegation Kubas bleibt Genosse Ricardo Alarcón de Quesada, Präsident der Nationalversammlung der Volksmacht und unermüdlicher Kämpfer der Verteidigung der Rechte der Dritten Welt. Auf ihn übertrage ich die mir bei diesem Treffen als Staatschef zustehenden Vorrechte. Ich erwarte, daß ihm zu keiner der offiziellen Aktivitäten, auf deren Teilnahme er als Leiter der kubanischen Delegation und Präsident des obersten Organs der Staatsmacht Kubas ein Recht hat, der Zutritt verwehrt wird.”

Damit wurde den Gastgebern eine recht einfache Lösung in die Hand gegeben. Ein Akzeptieren der Präsenz von Ricardo Alarcón, Leiter der Delegation bei den offiziellen Beratungen des Gipfeltreffens, und man hätte nicht mehr von dem Zwischenfall gesprochen. Nur ein Minimum an Vision und gesundem Menschenverstand war vonnöten. Nun weiß ich nicht, war es Hochmut, Arroganz und Abenteuergeist des Hofberaters des Präsidenten Fox oder war es die Präpotenz von Bush, was diesen anständigen Ausweg nicht zustande kommen ließ. (…) Einige Minuten vor Beginn wurde Genossen Alarcón mitgeteilt, er habe keinerlei Zutritt. So wie beschlossen, erklärte der Leiter unserer Delegation auf zahlreichen Pressekonferenzen die wahre Ursache meiner Abwesenheit. Unter anderem führte er aus:

„In seinem Pressegespräch äußerte Kanzler Castañeda gestern mehrfach, es habe keinerlei Bemühungen seitens irgendeines berechtigten Beamten gegeben, um der Teilnahme Kubas Vorbehalte entgegenzusetzen und legte mehrmals nahe, Kuba selbst sollte die Vorkommnisse erklären, da ihm die Gründe unbekannt seien. (…) Für das Podiumsgespräch des kubanischen Fernsehens am Nachmittag des 22. März äußerte unser Außenminister in seiner telefonischen Ansprache:

„Kuba wußte von dem vor der Konferenz durch Präsident Bush auf die mexikanische Regierung ausgeübten Druck. Präsident Bush drohte mit Nichterscheinen zum Gipfeltreffen, falls Genosse Fidel anwesend wäre. Das durch Resolution der UN-Vollversammlung gegründete Vorbereitungskomitee hatte die Einladung ergehen lassen – das Schreiben der beiden Botschafter, das eben bekannt gegeben wurde – und danach erfolgte die offizielle Einladung durch Präsidenten Fox. Danach wurde Genosse Fidel ersucht, nicht am Gipfel teilzunehmen, wie es doch sein Recht als Staatsoberhaupt eines Mitgliedslandes der Vereinten Nationen war und ihm bereits die Einladung des Vorbereitungskomitees der Vereinten Nationen zur Teilnahme an einer Konferenz zugegangen war, an deren Einberufung Kuba eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Das ist die historische Wahrheit. Er wurde ersucht, nicht teilzunehmen, und die Bitte wurde – wie wir bereits sagten – von einer in der Regierung Mexikos sehr ermächtigten Person an ihn gerichtet, was sich aus ihrer Größenordnung ergibt. Er wurde gebeten, nicht zu kommen; und angesichts der unerschütterlichen Haltung Fidels, der das Recht Kubas auf souveräne Präsenz auf diesem Treffen verteidigte, wurde er gebeten, lediglich am Donnerstagvormittag zu erscheinen und sich unmittelbar nach dem vom Gouverneur des Staates gegebenen Mittagessen zurückzuziehen. Genosse Fidel hatte das Bedürfnis und die Pflicht, den Konferenzteilnehmern den eigentlichen Grund zu erklären, warum er dort nicht bleiben durfte – und er tat dies sorgfältig und taktvoll. Hierbei stellte er einen Antrag, dem entsprochen werden konnte und der logisch war, nämlich daß Genosse Alarcón, Präsident unserer Nationalversammlung, an den weiteren Aktivitäten der Konferenz teilnehmen sollte. Es hat in der Tat einen Mangel an Verständnis für diese Argumentation gegeben und einen Mangel an Akzeptanz für diese angemessene Beantragung.”

Castañeda seinerseits dementierte frenetisch die Worte von Alarcón und Felipe.

Auf einer Pressekonferenz am 21. März gab Castañeda auf die Frage eines Journalisten, (…) folgende Antwort: „Kein ermächtigter Beamter der Regierung Mexikos hat jemals weder dieses noch ein Anliegen anderer Art, das diesem ähnlich sein könnte, vor der Regierung Kubas, den kubanischen Behörden vorgetragen.” (…) Im Fernsehprogramm „Zona abierta” wiederholte Castañeda: „Kein mexikanischer Beamter hat jemals auf Fidel Castro Druck ausgeübt, früher als vorgesehen wieder abzureisen.” Hinsichtlich des Druckes zum Ausschluß von Castro erklärte Herr Fox auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bush am 22. März: „Es hat keinen Druck gegeben. Herr Fidel Castro hat Mexiko, hat die UN-Konferenz besucht; er war hier, hat teilgenommen und ist nach Kuba zurückgekehrt. Weiter gab es nichts. So einfach war es.” Bei einem Joaquín López Dóriga gewährten und in der Zeitung „La Jornada” veröffentlichten Interview antwortete Fox u.a. (…): „Castro war hier in Monterrey, hat am Kongreß, an der Tagung der Konferenz der Vereinten Nationen teilgenommen und dann entschieden abzureisen. Niemand hat ihn dazu gezwungen.” In Erklärungen im mexikanischen Fernsehen antwortete er am 24. März : „Er (Fidel Castro; d.Red.) war schlicht und einfach gekommen, hat seine Rede gehalten, war auf dem Flughafen mit aller Zuvorkommenheit empfangen worden, wie alle anderen auch habe ich ihn bei seiner Ankunft begrüßt, ich habe mich von ihm verabschiedet, und er ist abgereist. Ganz einfach. Was gibt es? Was verbirgt sich dahinter? Ich verstehe es nicht.” Bush seinerseits behauptete scheinheilig, es habe seitens der Vereinigten Staaten keinerlei Druck auf Mexiko gegeben.

Alle lügten wie gedruckt.

Die Glaubwürdigkeit unseres Landes war in Zweifel gezogen worden. Einer Umfrage zufolge waren fast die Hälfte der Mexikaner dazu gebracht worden, der Wahrheitsliebe Kubas zu mißtrauen. Im Leitartikel von Granma am 26. März heißt es: „Kuba besitzt unwiderlegbare Beweise des gesamten Geschehens, die jeden Zweifel vom Tisch fegen würden. Kuba hat vorgezogen, keinen Gebrauch davon zu machen, denn es möchte Mexiko nicht schaden, möchte dessen Prestige nicht verletzen, und nicht im geringsten möchte es eine politische Destabilisierung in diesem Bruderland. (…) Der Ehre Mexikos halber ist diesen Beleidigungen und Aggressionen des kubanischen Volkes in irgendeiner Weise ein Ende zu setzen. Man zwinge Kuba nicht, seine Beweise vorzulegen.” Der Leitartikel schließt mit der Behauptung: „Wir erbitten nichts anderes, als daß die gegen Kuba geschleuderten Provokationen, Beleidigungen, Lügen und makabren Pläne des Herrn Castañeda aufhören. Andernfalls bliebe uns keine andere Alternative als das zu verbreiten, was wir nicht verbreiten wollten, und seine falschen und zynischen Äußerungen zu Staub zu machen; koste es, was es wolle. Niemand zweifle daran!” (…). Wir bewahrten Schweigen bis zu einem über Ethik und Wahrheit fast hinausgehenden Punkt. Doch der Tropfen, der das Glas zum Überlaufen brachte, der fehlte noch.

Am Mittwoch, den 10. April präsentierte der übernächtigte und verworfene Uruguay präsidierende Judas in der unrühmlichen Handlangerrolle, die bislang die Tschechische Republik übernommen hatte, vor der Kommission für Menschenrechte das Machwerk gegen Kuba, konzipiert und geschmiedet von Kanzler Castañeda mit Washington. Noch etwas nebenbei bemerkt. Man drohte uns sogar mit dem Bruch der diplomatischen Beziehungen; eine Regierung, in der ein Mörderminister für Gesundheitswesen den Tod von Kindern zuließ, um ganz einfach keinen Impfstoff aus Kuba zu beziehen, dem einzigen Land, das ihn mit den adäquaten Merkmalen produzierte, wie das französische Pasteur-Institut auf eine Anfrage Uruguays hin informierte. Nun stehen wir vor diesen Drohungen und brauchen nur noch zu fragen, worauf sie warten, um diese wahr zu machen.(…) Am 15. April veröffentlicht das Amt des Präsidenten von Mexiko ein Offizielles Kommuniqué mit der Information, daß Mexiko für das von Uruguay präsentierte Projekt stimmen wird. Uns war diese Entscheidung einige Tage im voraus bekannt. Sie entsprach einer Übereinkunft mit den Vereinigten Staaten.

Das Groteskeste war, daß man uns sogar bestechen und unser Schweigen zu den Vorkommnissen in Monterrey erkaufen wollte. Während der dramatischen Ereignisse in Venezuela, als das Leben von Hugo Chávez in Gefahr war und alles erledigt schien, übermittelte der Botschafter Mexikos in Kuba, dem ich keine Schuld zuschreibe, am 13. April – ungefähr 38 Stunden vor dem offiziellen Kommuniqué des 15. April – eine Botschaft der mexikanischen Regierung mit dem Versprechen, Petróleos Mexicanos könne die ausbleibenden venezolanischen Lieferungen von PDVSA übernehmen. Wir waren angewidert von dieser schamlosen Machenschaft des Betruges, mit der man unseren Protest gegen die für Genf geplante Ruchlosigkeit abschwächen wollte. Die Regierung Mexikos ist stets dagegen gewesen, daß Kuba aus Beschlüssen wie denen von San José und anderen irgend einen Nutzen hat. Wir haben uns lediglich kalt bedankt und nicht das geringste Interesse an diesem heuchlerischen Angebot gezeigt.

Das sowohl von Castañeda als auch von Präsident Fox während ihres Kubabesuches gegebene Versprechen, keine Schirmherrschaft, noch Förderung oder Unterstützung einer Resolution gegen Kuba zu übernehmen, war schändlich verraten worden. (…)

Die Völker sind keine nicht ernst zu nehmenden Massen, die ohne jegliche Ethik, Ehrbarkeit und Respekt betrogen und regiert werden können. Es kann wegen der Äußerung dieser Wahrheiten zum Bruch der diplomatischen Beziehungen kommen, doch die brüderlichen und historischen Bande zwischen den Völkern Mexikos und Kubas werden ewig bestehen.

Fidel Castro Ruz, Havanna, 22. April 2002