Hans Schröter: Lieber Frank!
Nun die versprochene Meinung zur Parteien-Broschüre. Zwei Dinge voraus: es ist verdienstvoll, eine derartige Charakteristik und Einordnung vorzunehmen. Die Unterscheidung zwischen Charakteristik und Einordnung ist nicht willkürlich gewählt, sondern offenbart Zusammenhänge, die in ihrer Einheit erst einen objektiven Sachverhalt deutlich, verständlich machen und die der politischen sowie ideologischen Auseinandersetzung Gewicht verleihen, ansonsten kann die Gefahr einer “Erzähle” kaum vermieden werden. Womit ich mit “Erzähle” kein Gequatsche meine, zumal das der Ernsthaftigkeit und dem Niveau Eures Angebotes überhaupt nicht gerecht würde.
Die größten Schwierigkeiten habe ich, mich den Ausführungen zur KPF und KPD anzuschließen, bzw. sie zu akzeptieren. Ich meine hier nicht einige Textstellen, sondern die Anlagen dieser Abschnitte und in ihnen enthaltene generalisierende Aussagen insgesamt. Meine Schwierigkeiten ergeben sich wohl daraus, daß ich nicht verkennen kann, daß die Beschreibung der KPF und auch der KPD völlig abgehoben wurde von jenen objektiven Zusammenhängen, in die sie nun einmal gestellt sind und die ihre Organisation und Funktion bestimmen und wie das auch in den grundlegenden Beschlüssen der KPD zum Ausdruck kommt. Und das unabhängig davon, in welchem Grade diese Bestimmung bereits verwirklicht wird bzw. werden kann. Mit anderen Worten: weder die KPF noch die KPD kann, wie geschehen, subjektivistisch bewertet oder gar an sich selbst bewertet werden. Mir scheint aber, daß dies im vorliegendem Falle geschehen ist.
Der objektive Maßbezug, zu dem die Parteien bzw. die Plattform in Beziehung zu setzen sind, besteht doch wohl darin, daß sie Klassenorganisationen sind, die in der Übergangsperiode vom imperialistischen Kapitalismus zum Sozialismus auch Klassenfunktionen zu erfüllen haben und dafür der Marxismus-Leninismus als ideologisches und theoretisches Fundament zur Verfügung steht. Fast 154 Jahren nach dem Erscheinen des Kommunistischen Manifestes, fast 70 bzw. 40 Jahre nach seiner weitgehenden praktischen Verwirklichung in der Sowjetunion, der DDR und anderen Ländern und angesichts des gegenwärtigen Kampfes in China, Nordkorea, Kuba, Vietnam sich dazu ignorant zu verhalten, wie es die Führung der KPF praktiziert, ist nicht nur verwerflich, sondern verräterisch. Unabhängig von unserer zeitweiligen Niederlage hat sich der Charakter der Epoche, die Epoche des revolutionären Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus zu sein, nicht im Geringsten geändert, wenn auch der Klassenkampf gegenwärtig komplizierter und schwieriger denn je geworden ist.
Die KPF ist deshalb nicht schlechthin ein weiteres Glied in der Kette der Abweichungen und Verwerfungen in der Geschichte der Arbeiterbewegung, sondern ein bisher erfolgreiches Unternehmen, Kommunisten von kommunistischer Politik abzuhalten. Anstelle in den konterrevolutionären Zeiten für die Wiederherstellung der Partei neuen Typus durch Überwindung vielfältiger Abweichungen und Entstellungen, wie sie z.B. in der SED in den letzten zwei Jahrzehnten passierten, zu kämpfen und den revolutionären Widerstand gegen die konterrevolutionären Prozesse zu organisieren, waren spätere führende Mitglieder der KPF an der Zerschlagung der Reste der SED führend und fördernd beteiligt. Daran ändert auch eine gelegentliche verbale Polemik gegen die Vorstandspolitik der Revisionisten in der PDS nichts.
Nicht zu akzeptieren ist auch der Abschnitt über die KPD. Man hat den Eindruck, daß die Verfasser weder das Programm der KPD noch nachfolgende Beschlüsse gründlich zur Kenntnis genommen haben. Anders ist die schreiende Oberflächlichkeit, mit der die KPD behandelt wird, nicht zu erklären. Jedenfalls kann der KPD nicht abgesprochen werden, daß sie ein marxistisch-leninistisches Programm besitzt, auf dieser Grundlage strategische und taktische Entscheidungen trifft. Das sind doch wohl auch Gründe, weswegen die KPD sich immer regeren Zuspruchs und Mitgliederzuwachses erfreuen kann. In der BRD gibt es keine andere, mit der KPD vergleichbare Partei.
Indes, trotz Antikommunismus und Prokapitalismus der Massenmedien wachsen Unzufriedenheit und oppositionelle Stimmungen und Haltungen und vereinzelt auch schon Aktionsansätze. Vielfach bleiben sie noch immer auf der Ebene des Trade-Unionismus und isoliert voneinander. Sicherlich deshalb, weil der revolutionäre politische Einfluß nicht ausreichend ist dafür, im Alltagsbewußtsein wachsen zu lassen, daß nur eine gründliche Veränderung des politischen und ökonomischen Systems den grundlegenden Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privatkapitalistischer Aneignung überwinden, die Schere zwischen Arm und Reich sich schließen läßt. Einen derartigen Einfluß zu erzielen kann nicht allein der Spontaneität, der Erfahrung überlassen werden, wie die Geschichte der BRD hinreichend belegt. Allumfassender Parteieinfluß ist immer mehr nötig.
Es ist deshalb überhaupt nicht zu verstehen, daß noch im Fettdruck auf Seite 77 des Parteienheftes unruhig werdende, in Bewegung geratende Kommunisten aufgefordert werden: “bleibt, wo Ihr seid” anstatt die Forderung zu erheben: Kommunisten und revolutionäre Sozialisten aller Bundesländer vereinigt Euch ! Die Zeit ist überreif!!!
Natürlich wäre es illusionistisch zu glauben, mir nichts, dir nichts eine neue Partei neuen Typus aus den Hut zaubern zu können. Aber mit einer einheitlichen Bewegung Einzelner und Organisationen läßt es sich wohl anfangen, um dann an Hand von Erfahrungen Schritt für Schritt eine führende Kraft entstehen zu lassen. Hans Schröter, Kelbra