Hermann Jacobs
Über den Sozialismus und die DKP
Aus Anlaß des neuen Programmentwurfs der DKP
Inhalt
- Redaktionsnotiz
- Über den Sozialismus und die DKP
- Hermann Jacobs: Inhaltlichen und methodologischen Probleme im Sozialismusteil des Programmentwurfs der DKP
- Was wir befürchten
- Unsere Kritik: Auf den Punkt gebracht
- Hauptfehler: Hier der Zentralismus – dort das Volk
- Die DKP oder die Theorie vom inneren Bruch
- Russische Rückschrittlichkeit
- Was den Zentralismus wirklich begründet
- “Eigentlicher” und “nichteigentlicher” Sozialismus
- Die “Verschmelzung von Partei und Staat”
- Noch ein Bruch: Die Partei als “Stellvertreter”
- Der Weg der Partei, der Weg der Klasse
- Und nun: “Das Volk”
- Bewußtsein, Mehrheit-Minderheit, Klassenkampf
- Proletarischer Absolutismus
- “Entfremdung vom Eigentum”
- “Wirkliche Vergesellschaftung – bloße Verstaatlichung”
- Das leidige Thema Warenproduktion
- Der Genossenschafts-Sozialismus
- Historischer Diskurs bei der DKP und bei uns
- Unser Vorschlag an den 17. Parteitag der DKP
- Der Dissens über die Warenproduktion
Über den Sozialismus und die DKP
Hermann Jacobs: Inhaltliche und methodologische Probleme im Sozialismusteil des Programmentwurfs der DKP
Was wir befürchten
Es hat in der Vergangenheit, seit dem Erscheinen einer “Diskussionsgrundlage” zu einem neuen DKP-Parteiprogramm vor einem Jahr, verschiedene Male in “offensiv” Kritik an dieser Ausarbeitung gegeben, aber nie war eine Reaktion der DKP-Führung zu erkennen. Diese Kritiken waren aber prinzipieller Natur, sie betrafen die Positionen, die die DKP in ihren Programmentwürfen vorgegeben hatte – sollten also auch Teil dieser Diskussion in der DKP sein -, gingen inhaltlich aber auch weit über das hinaus, was die DKP-Verantwortlichen angeboten haben; eine kommunistische Partei sollte bzw. muß sogar auf andere kommunistische Positionen reagieren; das gehörte sich so. Es hat Diskussionen in der DKP/UZ zur “Grundlage” gegeben, meines Erachtens keine genügenden, und zum Sozialismusteil war sie sogar ausnehmend mangelhaft, da schien es um gar keine prinzipiellen Fragen zu gehen, d.h. man hatte sich auf eine bestimmte Formel: Zustimmung zu den sozialen, Kritik aber an den gesellschaftlichen Verhältnissen des Sozialismus, geeinigt, und darüber gab es überhaupt keine Diskussion. Alles in Ordnung in der DKP?
Nun gibt es den Antrag des Parteivorstandes an die kommende 2. Tagung des 17. Parteitages (veröffentlicht in der “UZ” vom 17. Februar): ein überarbeiteter Text der “Diskussionsgrundlage” ist zur Grundlage für die Annahme des neuen Programms der DKP gemacht worden, der Antrag könnte zum Programm erhoben werden, die DKP bezöge Stellung zu einem wahrhaft geschichtlichen Abschnitt der Menschheit. Endlich mal in Deutschland, könnte man auch sagen. Und die DKP ist diese Partei, die dieses Fazit zieht? Also: Alles gut?
Nichts ist gut. Was kritisiert wurde, auch von uns, “offensiv” (aber das tritt hinter die Sache natürlich zurück), ist unverändert im Text enthalten. D.h. die Kritik, ob als Programm nun angenommen oder nicht, wird/muß weitergehen, und wir wollen damit anfangen, dass wir sie noch einmal auf den Punkt bringen. Vielleicht lässt sich “in letzter Stunde” doch noch etwas ändern oder kann ein Einhalt geboten werden, bevor es zu einem Fehler auch in der deutschen kommunistischen Partei von historischer Dimension kommt, d.h. eine ganze Periode der Arbeiterbewegung in eine Art theoretischer Verwirrung gerät – auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite entsteht das Problem, dass die DKP kein Gegengewicht gegen die PDS und deren “Einschätzung” des realen Sozialismus entwickelt, d.h. der Punkt: “Kritik der PDS durch die DKP”, wird nicht hinreichend profiliert. Bedenken wir doch, dass die DKP die einzige Partei in Deutschland – darüberhinaus könnte auch stimmen – noch ist, die diese Arbeit zu leisten sich verpflichtet fühlt; bei den anderen erscheint nicht mal mehr dieses, man hat sich vom Thema verabschiedet, ist nur noch Ablehnung, eben “unwiderruflich Bruch”.
Gemeint ist der Teil des Antrages, der sich mit den Erfahrungen/Lehren des realen Sozialismus befaßt und für den die DKP neue Gedanken bzw. Korrekturen, die diese Lehren sein sollen, vorlegt.
Wer wird unzufrieden sein mit dem Text, mit der historischen Einschätzung? Natürlich der andere Teil der deutschen Arbeiterbewegung, den die DDR verkörperte, und der nun in keiner deutschen Partei mehr Aufnahme gefunden hat, und dessen historischer Weg nunmehr abgeschnitten scheint. Er war aber, wegen des Erreichens einer Praxis des Kommunismus[1], die höchste Errungenschaft der Arbeiterbewegung in Deutschland, d.h. er fällt unmittelbar mit dem allgemeinen Verhältnis der Partei zum Kommunismus zusammen, er ist eine Aussage für diese Praxis. Spricht man von Erbe, so tritt es die DKP, nachdem die SED verschwunden ist, nicht an; weder die PDS -, noch die DKP können als Fortsetzung des historischen Erbes der SED – in der Frage Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung des Sozialismus/Kommunismus – angesehen werden.
Die Annahme des eingereichten Programm-Entwurfs durch den 17. Parteitag der DKP würde die Bedeutung einer Zäsur haben.
In Parteien, darunter auch der DKP, erleben wir eine Anpassung an Klischees der Beurteilung des Aufbaues des Sozialismus bzw. Kommunismus in der DDR (aber auch in der Sowjetunion,), dass man a priori weiß, dass das Programm der DKP keine Debatte beendet, sondern eröffnet.
In dieser Debatte wird und muß es eine andere Art der historischen Einschätzung der ersten weltgeschichtlichen Praxis eines auf Produktion beruhenden Kommunismus geben (nachdem wir, in geschichtlicher Frühzeit, schon einen auf Verteilung beruhenden hatten). Es wird eine Variante sein, die den fortsetzenden Formen der Arbeiterbewegung größeren Mut macht, in der Zukunft der Geschichte dort, wo bereits Zukunft in der Vergangenheit war, anzuknüpfen. D.h. die eigentliche Programmatik wird eine der größeren Kontinuität sein, nicht aber eine, die einen Bruch im Kommunismus selbst postuliert, um sich letztlich einem “anderen Sozialismus” zuzuwenden – wie im Programmentwurf der DKP geschehen; nicht ganz in der klaren, konterrevolutionären Form der PDS, aber im wesentlichen doch in einer indirekt ähnlichen Form, wie wir sehen werden.
Und doch wollen wir uns im Wesentlichen nicht bei der Kritik des wahrscheinlich kommenden DKP-Programms aufhalten. Hier würde ja doch immer das Maß durch eine Kritik am Sozialismus vorgegeben, und wir bewegten uns in den Grenzen, die die DKP gesteckt. Sondern wir wollen einmal den Versuch machen, auf der Basis der Kritik an anderen Versuchen, Grundlagen zu formulieren, von denen wir meinen, dass sie die richtigen, notwendigen wären, worin also wahrhaft Traditionen, die bisher schon entwickelt worden sind, aufgenommen und an die Zukunft der Arbeiterbewegung weitergereicht werden. Sonst fängt die Zukunft damit an, dass mit den Illusionen aufgeräumt werden muß, die auf der Grundlage von Fehleinschätzungen des realen Sozialismus Aufnahme in die Bewegung gefunden haben.
Eine Zeit, die für sich selbst nicht unbedingt eine revolutionäre ist, die sich aber um die Reinheit und Wahrheit in der Theorie sorgt, ist dennoch eine revolutionäre. D.h. die theoretische Revolution kann immer sein, während die praktische Zeit einer Revolution nur bedingt eine revolutionäre sein würde, gäbe es nicht zuvor die theoretische Revolution. Revolutionen sind ja Ausnutzung besonderer historischer Situationen (in den herrschenden bürgerlichen Klassen). Sie haben nichts mit Klarheit über den Sinn der Revolution – Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung – selbst zu tun. Diese Klarheit muß es aber geben, sonst wird die revolutionäre Situation bzw. die Revolution, d.h. Übernahme der gesellschaftlichen Macht durch die Arbeiter vertan.
Und vielfältig erscheint es so, als gäbe es diese theoretische Revolution , insbesondere in den kritischen Positionen gegenüber dem realen Sozialismus, darauf deuten wenigstens die Einschätzungen so mancher Initiativen, die zur Zeit die Runde machen, hin. Wir wollen diesen Irrtum ausräumen.
Unsere Kritik: Auf den Punkt gebracht
Was kritisieren wir? (Wir meinen nur die wesentlichen Punkte):
1. Dass der DKP-Entwurf methodologisch von einem solchen inneren Historismus im realen Sozialismus ausgeht, der diesen in seiner End- oder letzten Form in einen Gegensatz zu seiner Ausgangs- oder ersten Form gebracht hat. D.h. der reale Sozialismus, besagt diese Position oder Methodologie, hat sich innerlich selbst verfälscht oder negiert. Die Distanzierung der heutigen Arbeiterbewegung von ihm erscheint so als eine historische Notwendigkeit.[2] – Diese Position, die mit einem Bruch, nicht der Parteien, des Subjekts des Kommunismus, sondern des Sozialismus selbst, also des Objekts arbeitet, ist falsch; sie ist das grundlegend Falsche in der Position des DKP-Programmentwurfs; er wiederholt oder nimmt auf nur die Position der PDS (und anderer Parteien dieser Auffassung) Bezug. Er ist eine Rechtfertigungsprogrammatik für einen Irrtum – bestenfalls, möglich ist auch Unwissen, einfaches Mithalten-Wollen mit den “Anderen”, weil man eben meint, die geschichtliche Initiative gehöre ihnen. Keineswegs handelt es sich um eine schöpferische, also marxistische Kritik (oder Selbstkritik), sondern um seine Negation. – Ja, es gibt einen historischen Verlauf des realen Sozialismus/Kommunismus, aber dieser ist ein innerer, folgerichtiger des Kommunismus selbst, sind seine notwendigen Phasen und Etappen, in denen der Kommunismus als Planwirtschaft aufgebaut worden ist (er muß nicht vollendet worden sein) – und diese Etappen sind als sein Historismus nachzuvollziehen, und sie sind im wesentlichen ohne jede Umkehrung in den Prinzipien des Kommunismus fortgesetzt worden, aber gerade diesen Historismus meint ja die DKP nicht.
2. Auf dem Boden dieser Bruch-Konzeption steht eine Neuentwicklung der Sozialismus-Vorstellung der DKP usw. auf der Tagesordnung, die neuen Gedanken, Anregungen usw. sind, so heißt es, nicht subjektiv, sondern durch den Sozialismus-Bezug objektiv begründet, sind Lehren aus einer – an die Stagnation/Deformation/Erstarrung geratenen – Praxis des realen Sozialismus. Eine Reform der Partei, Orientierung der Partei auf dieses neue Gedankengut ist unabwendbar und muß ein Konstituens der Partei und Parteimitglieder werden; d.h. die kommunistische Bewegung erfährt eine Neubegründung bzw. sogar Neugründung, deren Ausgangspunkt die “Lehren des Scheiterns” des an seine Negation geratenen realen Sozialismus sind. Die Begründung einer Neuformierung des Kommunismus, der Arbeiterbewegung (soweit sie revolutionär), hat direkt die Theorie vom inneren Bruch des Kommunismus zur Voraussetzung, sie ist ohne diese gar nicht denkbar; diese Position ist die besondere der DKP, dadurch unterscheidet sie sich von der PDS (denn diese bricht an sich). Sie aber bricht nur mit einem Sozialismus, der sich selber gebrochen; dies erlaubt ihr, am Sozialismus “festzuhalten”. Die DKP erklärt wenigstens noch, dass sie nicht mit “dem Sozialismus” bricht, sondern “nur” seiner Verkehrung in sein Gegenteil. Aber das ist nicht besser, sondern – schlechter. Sie nimmt nämlich dem Gegensatz zwischen der kommunistischen Form der Arbeiterbewegung und der sozialdemokratischen Form der Arbeiterbewegung das Recht der Existenz. Indem sie dem kommunistischen Teil die Praxis einer Gesellschaftsordnung nimmt – den entscheidenden Fortschritt der kommunistischen über die sozialdemokratische Form der Arbeiterbewegung hinaus und zugleich das Recht der Kommunisten, nicht Sozialdemokraten sein zu müssen (!) -, nimmt sie ihm das Recht der Existenz. Sie drückt den kommunistischen Teil auf das Niveau des sozialdemokratischen hinab, wirft sie historisch den kommunistischen Fortschritt auf die bürgerliche Anpassung zurück, d.h. gibt der Arbeiterbewegung insgesamt nur noch die Erscheinung einer innerbürgerlichen Kritik.[3] Die Arbeiterbewegung sozialdemokratisiert und unterscheidet sich voneinander nur noch in den Nuancen der Sozialdemokratie selbst. Dass das nicht offen, sondern verschämt gesagt ist – nämlich in der Form einer anderen Sozialismusauffassung, deren Wesen aber die Negation des realen Sozialismus ist -, ist das Markenzeichen nun der DKP. 3. Nicht das Verhältnis einer kommunistischen Partei zum heutigen Kapitalismus, sondern das Verhältnis zum bisherigen Sozialismus wird damit zum Prüfstein und Maß über den kommunistischen Charakter der Partei bzw. ihrer zukünftigen Bewegung. Es könnte ein Bruch eintreten zwischen dem Verhältnis einer solchen Partei zum Kapitalismus – dieses könnte das revolutionäre Erbe bewahren, und dem Verhältnis dieser Partei zum Sozialismus – dieses könnte in reformistisches Gedankengut übergehen. Dann hätten wir in einer solchen Partei einen inneren Gegensatz von einerseits Revolutionärem, das sich mit einem revolutionären Verhältnis zum Kapitalismus begnügt, und andererseits Gegenrevolutionärem in der Sozialismusauffassung der Partei, die jener Teil der Partei ergeben hinnimmt. “Man hat’s eben nicht besser, und wer weiß schon, ob nicht doch was dran ist”. Die Partei wäre in sich widersprüchlich, sie würde ihre Funktion gegenüber dem Kapitalismus und seinen Widersprüchen ausfüllen (im Prinzip und bestenfalls), gegenüber dem Sozialismus nicht, sie müßte erst unter Bedingungen ihrer eigenen Macht (was natürlich immer möglich ist) ihr revolutionäres Verständnis von der neuen Gesellschaftsordnung ausbilden, was in der Regel nur über eine Parteispaltung ginge (die dann also am Beginn des Sozialismus stünde).
3. Alle diese Scheingeschichtchen des Kommunismus kann man sich ersparen, indem man Klarheit in der Theorie über den realen Sozialismus für die gegenwärtige kommunistische Bewegung schafft. Nur über einen in den Folgen richtigen Schritt in der Theorie kann heute der kommunistische Charakter der Arbeiterbewegung bewahrt werden, ansonsten droht eher eine innere kommunistisch-sozialdemokratische Spaltung der revolutionären Parteien der Arbeiterbewegung, wobei das revolutionärste Element noch das Verhältnis zum Kapitalismus sein kann (und sich auch entwickeln kann – man muß auch den Reformismus historisieren!), das reformistischste aber das zum Sozialismus sein würde; der kapitalistischen Gegenwart kommunistisch, der sozialistischen Zukunft sozialdemokratisch zugewandt – diese Spaltung droht, sich der Arbeiterbewegung zu bemächtigen; sie könnte bis unmittelbar an den Sozialismus heranreichen und sich erst in diesem an seine Aufhebung machen.
Unter diesem Aspekt ist darum auch das neue DKP-Programm im Einzelnen zu beurteilen.
Hauptfehler: Hier der Zentralismus – dort das Volk
Was ist der wichtigste Gegenstand unserer Kritik am Programmentwurf der DKP? Was empfinden wir als das Hauptproblem? – Dass die DKP den Zentralismus des realen Sozialismus ablehnt unter dem Motto der ” erstarrten Initiative der Volksmassen”; also dieser Gegensatz von Zentralismus als dem gewählten Produktionsverhältnis und dem um seine “Eigeninitiative” gebrachten Volk, ist das eigentliche Problem, dass man den Sozialismus unter dem Gesichtspunkt seines Objekts ablehnt, und unter dem Gesichtspunkt seines Subjekts zustimmt. (Hier müßte eigentlich das berühmte Marx-Zitat, das einzige ständig noch zitierte, folgen, aber ich erspare es mir – wegen seines Bekanntheitsgrades.) Es ist nunmehr klar, dass nur ein Produktionsverhältnis noch möglich ist, in dem Ökonomie und Volk wieder vereinen; das wird zum Ziel erhoben, das wird zur eigentlichen Vision bzw. Gesellschaftsvorstellung der DKP. Das ist aber die Aufhebung des Gesellschaftsbegriffs des Kommunismus – wenn denn der Zentralismus mit dem Begriff der Gesellschaft des Kommunismus zusammenfällt (wovon wir aber ausgehen); dann gibt es zwar auch ein Subjekt, aber es ist ein Subjekt des Zentralismus, d.h. ein solches Subjekt, das seine Initiativen und Freiheiten im Rahmen des Zentralismus realisiert, und nirgendwo anders. D.h. subjektlos muß deshalb der Kommunismus, der mit dem ökonomischen Zentralismus zusammenfällt, nicht sein. Aber die DKP beschwört ja nun, ein solches anderes Subjekt gäbe es nicht, ein dem Zentralismus unmittelbar entsprechendes Volk könnte es nicht geben… Was heißt es dagegen, ein Subjekt zu definieren, das entsteht, indem man den Zentralismus ablehnt, ihn als erstarrten, erstarrenden Sozialismus diffamiert , also eine Freiheit und Initiative des Volkes an sich definiert (zunächst “nur” außerhalb des Zentralismus)? Es heißt, dass man schon das Subjekt definiert, aber noch nicht das ökonomische Objekt, das zu diesem Subjekt gehört. Das Volk existiert dann als subjektiver Gegensatz zum zentralen Sozialismus, als entfremdet vom Kommunismus. Den gesellschaftlichen Bezugspunkt des vom Kommunismus entfremdeten Volkes aber lässt man im Dunkeln.
Man sagt im Programmentwurf nicht, dieser Bezug ist der Kapitalismus, aber sagt es indirekt, in der Rede vom Volk, das vom Kommunismus entfremdet. sei. Man sagt es schon im Gegensatz zu einer Gesellschaft, was man für eine Gesellschaft will. Es ist eine – “andere”.
Oder gibt es den anderen, zweiten Kommunismus?
Aller Antikommunismus definiert ein Volk, das an sich frei und von Initiative sein will, dies im so genannten „Staatssozialismus“ aber nicht sein kann, und postuliert eine Sehnsucht nach einer anderen Form von Kommunismus, , dies aber nur sehr vage, damit die ökonomische Form des Kapitalismus, zu dem der Kommunismus zurückgeführt werden soll, nicht deutlich wird.[4] Denn es kann, vom Objektiven her, nur um Kapitalismus gehen. Die ganze bisherige Geschichte hat sich zugespitzt auf die Tatsache, dass heute nur noch zwei Gesellschaftsordnungen möglich sind. Und: Sie sind zur Zeit beide möglich, sowohl nach der einen, als auch nach der anderen Seite. Es kann Kapitalismus als auch Kommunismus sein, sonst nichts. Es kommt nichts anderes heraus, da kann man noch so viel über Reformen, Erneuerung, Glasnost, demokratischen Sozialismus usw. reden. Man muß sich den Realitäten stellen. Quo vadis, DKP?
Die DKP oder die Theorie vom inneren Bruch
Wir wollen als erstes den Nachweis führen, dass die DKP von einem Bruch in der inneren Geschichte des Sozialismus ausgeht, und weisen nach, wie sie diese Bruch-Theorie zunächst vorbereitet und dann “begründet”. Wir bringen zunächst den ganzen in Frage kommenden Text des Kapitels “Ursachen der Niederlage” in den Ausschnitten, gegen die wir polemisieren, um dann im Einzelnen auf sie zu erwidern:
“Trotz seiner wahrhaft historischen Leistungen hat der Sozialismus in Europa eine Niederlage erlitten. Dafür gibt es innere und äußere, ökonomische und politische, objektive (!, J.) und subjektive Ursachen.
Aus heutiger Sicht (!, endlich Klarheit, endlich Wahrheit?, J.) gehören dazu die äußerst schwierigen Ausgangsbedingungen unter denen die Revolution in Rußland stattfand. Eine schwach entwickelte Industrie und unterentwickelte Landwirtschaft, zum Teil noch verbreiteter Analphabetismus, fehlende bürgerlich-demokratische Traditionen, eine noch vorwiegend bäuerliche Bevölkerung und eine Arbeiterklasse, die sich unter diesen im Vergleich mit den entwickelten kapitalistischen Ländern rückständigen Bedingungen herausgebildet hatte, all das nahm in vielen Ländern, die einen sozialistischen Weg einschlugen, prägenden Einfluß auf die Entwicklung von Ökonomie und Politik.
Diese Situation sowie dauernde äußere Bedrohung durch die imperialistischen Mächte machten es in der Sowjetunion unerlässlich, in kurzer Frist durch die Zentralisierung (!, J.) aller Kräfte eine moderne Industrie aufzubauen (nanu, wir haben es schon mit einem anderen Rußland zu tun?, J.) und eine kulturelle Revolution in Angriff zu nehmen. Die führende Rolle der Arbeiterklasse wurde unter diesen Bedingungen zunächst weitgehend stellvertretend durch die führende Rolle der kommunistischen Partei ersetzt. (Die Partei hat die Arbeiterklasse stellvertretend ersetzt, obwohl dies gar nicht notwendig gewesen wäre? Die DKP ist doch auch für diesen Zentralismus?, J.)
Dies wurde allerdings auch dann noch beibehalten, als sich im Ergebnis der Industrialisierung und der Kulturrevolution die Bedingungen verändert hatten. (Welche denn? Das Resultat dieser beiden genannten Revolutionen war doch die Planwirtschaft, J.) Partei und Staat verschmolzen immer stärker zu einem administrativ-bürokratischen Apparat. An die Stelle wirklicher Vergesellschaftung trat so mehr und mehr die bloße Verstaatlichung. (Planwirtschaft gleich Verstaatlichung, mehr nicht?, J.) Die Folge war eine zunehmende Entfremdung vom sozialistischen Eigentum.
Durch die staatliche Durchdringung (!, J.) aller Bereiche der Gesellschaft wurde die Eigeninitiative gehemmt. Immer weniger fand eine streitbare gesellschaftliche Debatte um Perspektiven statt. (Auf die Idee, dass eine Debatte über andere „Perspektiven als die Planwirtschaft eine Debatte über die Wiedereinführung des Kapitalismus wäre – und deshalb weder geführt werden kann noch darf – kommt die DKP-Führung nicht, J.) In dieser Zeit verlor die Partei die Glaubwürdigkeit und damit letztlich die Hegemonie. Politische und organisatorische Grundsätze der KPdSU wurden zunehmend außer Kraft gesetzt; an die Stelle von innerparteilicher Demokratie, Kollektivität und Solidarität (!, J.) traten autoritäre Maßnahmen.
Die innere Hauptursache für die Niederlage des realen Sozialismus in Europa liegt darin, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse zunehmend erstarrten. Es gelang nicht, dem Sozialismus auf seiner eigenen Grundlage, entsprechend dem erreichten Entwicklungsstand, immer neue revolutionäre Entwicklungsschübe zu geben. (Und das heutige Rußland kann das? Denn siehe: Es gedeiht doch, J.)
Die Ursachen für die Niederlage aufzudecken und daraus Schlußfolgerungen für künftige sozialistische Entwicklungen zu ziehen, ist eine Aufgabe, der sich die DKP stellt”.
Russische Rückschrittlichkeit…
Erste Frage: Ist es denn wirklich so, dass die Rückständigkeit “prägenden Einfluß” auf die Entwicklung des Sozialismus nahm? Nie zuvor war das ein Problem für die Revolutionäre in aller Welt. Natürlich muß man Rückständigkeit und Kulturunterentwicklung überwinden und hat das Formen des Verhaltens, der Politik, der Wirtschaftspolitik usw., aber formt das den Sozialismus selbst, was doch die Frage ist? Worin erscheint denn das, wo bleibt der Nachweis? Das muß man doch beweisen, indem man “rückständige Ökonomie”, “rückständige Politik”, “rückständigen Sozialismus” nachweist, das muß doch ein Sozialismus bestimmter Eigenschaften sein, sonst stimmt das einfach nicht. Sonst gäbe es eine Politik bestimmter Eigenschaften – und die hat es gegeben, aber keinen Sozialismus bestimmter Eigenschaften. (Es kann ja umgekehrt sein, dass eine prinzipiell revolutionäre Partei gerade mit besonderer Konsequenz und Energie auf den revolutionären Gehalt eines Landes pocht, d.h. deren Sozialismus wird vorbildlich oder zumindest einer der Konsequenz.) So bleibt es nur eine Behauptung … die nun/nur den Übergang zu der eigentlichen Aussage, die man treffen will, vorbereitet.
Ich will hier nur noch einfügen, dass es in der Lehre nicht nur um Rußland, sondern auch um die DDR, die Tschechoslowakei usw. geht, keinesfalls Länder mit dem “rückständigen Odium Rußlands”.
Die Lehre, wenn es eine Lehre sein soll, darf sich gerade nicht ausschließlich auf Rußland beziehen, in der Frage der allgemeinen Theorie muß man sich vor einer Nationalisierung ihrer Aussagen hüten. Das Allgemeine ist verallgemeinerbar. Einer deutschen Partei stünde es gut zu Gesicht, wenn sie sich in ihrer Kritik am realen Sozialismus “ausschließlich” auf die DDR beziehen würde.[5] Warum? Weil das die allgemeine Theorie von dem, was in Rußland eben nicht allgemein, sondern Besonderheit war, trennen würde. Die russische Rückständigkeit, sowohl bei den Arbeitern als auch bei den Bauern, die äußere Bedrohung, das machte laut DKP-Entwurf die Zentralisierung “aller Kräfte” erforderlich? Das?
Was den Zentralismus wirklich begründet
Das auch, aber der eigentliche Grund der “Zentralisierung” – und hier müssen wir mal aufklären in einer Sache, der sich die DKP überhaupt nicht stellt- besteht in nichts als dem Aufbau des Sozialismus/Kommunismus; der eigentliche Zentralismus Rußlands ist eben nicht aus der Rückständigkeit, sondern aus dem Fortschritt Rußlands, der Revolution Rußlands (im politischen Subjekt), seinem Fortschreiten zum Kommunismus zu begründen – ja, nicht einmal Rußlands zu begründen, sondern einfach aus dem Fortschritt, den der Kapitalismus bedeutet und auf den jeglicher Sozialismus, egal welchen Standes das Land ist, in dem er beginnt, mit einem Verhältnis reagieren muß. Ein “sowjetisches/russisches Modell”? Das ist lachhaft, wenn man überhaupt begriffen hat, was Aufhebung des Eigentums bedeutet.
Man hebe das Privateigentum an den Produktionsmitteln auf – und man hat das einheitliche Eigentumsverhältnis des Kommunismus, von dem aus man nun die Arbeit/Wirtschaft organisiert, reguliert. D.h. hier, beim “Zentralismus” (übrigens nicht Leitung, ökonomische Regulierung “von oben”, und gegen “unten”, sondern von einem Zentrum aus), geht es überhaupt um die Konstituiertheit des Kommunismus; Aufhebung des Privateigentums und Zentralismus stehen zueinander wie Ursache und Folge. Wir werden 2. auch darauf noch zu sprechen kommen, wenn es darum geht, wie denn eine Bedarfswirtschaft organisiert, wie geleitet werden muß. Es geht nämlich bei der geschichtlich höheren, zweiten (!) Form des Kommunismus (nach dem Verteilungskommunismus) nicht wesentlich darum, dass der Moment der zentralen Aneignung und Verteilung existiert, sondern darum, dass ihr ein Moment der zentralen Bestimmung dessen, was produziert werden soll, voraufgeht.[6] Planung der Produktion also. Die Produktion ist schon bestimmt, bevor es an die Verteilung geht, die Verteilung ist nur ein Moment dieser, ist gegenüber dieser Voraufbestimmung über die Produktion sekundär und passiv (setzt sie um). Bewußtheit heißt, bewußt produzieren, was bewußt verteilt werden soll, und heißt nicht, bürgerlich produzieren und “bewußt” aneignen und verteilen. Also, die DKP behauptet, der Zentralismus, der in der Sowjetunion in “kurzer Frist” um sich griff, sei dem Rückstand Rußlands und der äußeren Bedrohung der Revolution zu schuldigen. Sie sagt damit indirekt, dass er nicht ein Konstituens des Kommunismus ist. Sie sagt damit aber auch, und auch indirekt, dass der Zentralismus sein Ende finden muß mit der Überwindung des russischen Rückstandes, mit der Überwindung einer äußeren Bedrohung. Statt am Zentralismus “hängen zu bleiben”, prophezeit sie der Sowjetunion eine Zukunft der Dezentralisierung – was soll denn sonst noch sein? -, der Aufhebung der Zentralisierung. Modern (wirklich modern) = Dezentralisierung? Jedenfalls nicht Zentralisierung. So ist der Affront genannt, die Lösung nicht.
“Eigentlicher” und “nichteigentlicher” Sozialismus
Der “eigentliche Sozialismus”, ist damit gesagt, ist dieser zentrale nicht, er ist eigentlich nur eine Notgeburt, er ist äußeren Umständen geschuldet, nicht inneren, sozialistischen selbst. (Er entspringt einer Entwicklung, aber eine Entwicklung nicht ihm.) Sobald die Frage steht, dass der Kommunismus sich mit seinem allgemeinen Verhältnis auf das allgemeine Verhältnis des Kapitalismus bezieht, kann die Antwort, was der Kommunismus qualitativ ist, nur gleich ausfallen – dies nur nebenbei[7].
Und nun zum Subjekt: Wenn wir umgekehrt sagen, dass der Zentralismus nichts als die Umsetzung der Aufhebung des Privateigentums oder einer Ökonomie ohne Privateigentum der Form (der Leitung) nach ist, dann gibt es ja nur die Möglichkeit eines doppelten Bruchs: Entweder bricht der Dezentralist mit dem Zentralisten, oder der Zentralist mit dem Dezentralisten. Also, ich bitte doch darum: Ein politischer Kampf zwischen beiden Auffassungen ist doch unvermeidlich. Da kann man doch nicht der einen und der anderen Meinung zur gleichen Zeit sein, das kann zwar über eine Mehrheitsabstimmung entschieden werden, aber das ist doch nicht ein und dieselbe Gesellschaft.
Zunächstgeschichtlich scheinen beide ja noch einer Meinung, die DKP konzediert uns das; d.h. der Zentralist und der Dezentralist sind für Zentralismus. Aber es naht der Zeitpunkt, wo sich das Zweckbündnis beendet. Es muß ab dem bestimmten Punkt, wo sich die Frage des Zentralismus oder Nichtzentralismus stellt – und sie stellt sich ab der Planwirtschaft der Realität nach, einen Kampf um die Macht im Sozialismus geben, eine Situation, wo es um Sein oder Nichtsein des Kommunismus, oder, bitte – ich konzediere auch -, dieses oder jenes Kommunismus geht, wo die Revolution in der Politik noch einmal in Frage gestellt wird durch die entwickelte Auffassung von der Ökonomie des Kommunismus. Nicht eine, in der es um Wirtschaftspolitik geht, die auch einer bloßen Form der politischen Macht der Revolution möglich ist, sondern eine, wo es um die Leitung der Ökonomie von einem Zentrum aus geht. Dann muß es auf der einen Seite einen exzessiven Kampf um die Entmachtung des Zentralismus – in allen (!) seinen Formen, auch in der Form seiner Personen (!) – geben und auf der anderen Seite einen ebenso exzessiven Kampf um die Erhaltung der Macht. Und der auch ein Kampf gegen Personen sein wird. Dann nimmt die Frage, ob die Macht zentral oder ob sie dezentral wird, die Form einer zweiten Revolution, oder einer Konterrevolution im Sozialismus/Kommunismus an, inmitten eines solchen Sozialismus, der seine Rückständigkeit überwunden hat resp. an die Möglichkeit seiner Überwindung geraten ist und der der äußeren bürgerlichen Bedrohung erfolgreich Paroli bieten kann.[8]
Man betrachte den Zeitpunkt: Die Dreißiger Jahre. Ich frage mal allen Ernstes: Wenn das so zu sehen ist, wie eben ausgeführt, was erklärt das nicht alles an der Politik der Sowjetunion! Vielleicht nicht alles, aber vieles prinzipiell.
Die “Verschmelzung von Partei und Staat”
Für jede, sozialistische Revolution, die die Macht erobert hat, stellt sich die Frage einer zweiten Revolution. In ihr geht es um die Übernahme der ökonomischen Macht durch die politische Macht. (Und die DKP spricht von Verschmelzung, erst hingenommener, dann verfemter! Sie sieht das Problem nur als Subjekt, als Verhalten der Partei zum Staat, sie sieht nichts von der inhaltlichen, d.h. ökonomischen Veränderung des Staatesselbst.)Diese zweite, die ökonomische Form der Macht, ist am Beginn der politischen Macht nicht möglich, aber sie wird wirklich, wenn die Organe der Planwirtschaft mit ihrer Arbeit beginnen können; dann müssen politische Macht und ökonomische Macht verschmelzen oder muß politische in ökonomische Macht übergehen. (Und: Beklagt die DKP nicht die Verschmelzung der Macht mit der Ökonomie? Aber warum denn, im Namen welchen Subjekts?) D.h. es stellt sich die Frage der Verschmelzung von Subjekt und Objekt, von Partei, also politischer Form der Macht, und zur Wirtschaft erweitertem “Staat”. (Während für die DKP der Staat bloßer Staat bleibt, die Vergesellschaftung “bloße Verstaatlichung” – was für eine Verkennung! Der Staat – ein abstrakter Gegner?) Denn der bürgerliche, rein politische Staat, wird im Kommunismus dadurch aufgehoben, dass er verwirtschaftlicht, d.h. über entsprechende Organe der Planung und Leitung das Kommando über die Wirtschaft übernimmt. (Während die DKP wohl meint, er müsse verschwinden – vollkommen verfangen in der bürgerlichen Auffassung des Staates. Aber es ist die Lehre aus der Realität, dass der Staat die Ökonomie übernimmt, und das ist sein “Verschwinden”.) Und was die Partei angeht, die mit diesem zur Wirtschaft mutierenden Staat verschmilzt, so hebt sie sich damit als rein politische Organisation auf! Sie wird Partei zur Konstruktion einer Gesellschaft, wird gesellschaftliche Partei.
Und das soll keine Objektivität sein? Wo es doch um Verschmelzung mit dem Objekt geht? Wenn der Zentralismus die Objektivität ist, gehört ihm die Macht; umgekehrt umgekehrt. Aber dass es umgekehrt gehen kann oder sein soll, muß doch erst bewiesen werden, nicht behauptet. Wenn am Beendigen des Zentralismus immer statt des wirklichen Sozialismus die Konterrevolution erscheint, dann ist es – nicht umgekehrt. Dann könnt Ihr den Beweis nicht antreten, und die Frage ist dann, ob Ihr es überhaupt noch wollt. Im Kapitalismus angekommen, erschlafft der ganze reformerische Eifer. (Was sich auf allen Gebieten zeigt, auch auf kulturellem; und was “erstarrt” denn nun?)
Welch völlig anderes geschichtliches Verhältnis zum realen Sozialismus sich hier doch auftut zwischen dem Standpunkt der DKP (den sie nun programmieren will für die Partei) und “unserer” Auffassung, die ja auch nicht “unsere” ist, sondern mindestens die den Sozialismus aufbauende Partei beflügelt hat. Das Wichtigste aus der höchsten Form der deutschen Arbeiterbewegung kann nicht übernommen werden, wenn es nicht einmal erkannt ist.
Noch ein Bruch: Die Partei als “Stellvertreter”
Freunde, was macht Ihr nur! Was für eine Rolle weist Ihr der Partei zu, was für eine selbstständige Rolle gegenüber der Klasse? In der Rückständigkeit nur wollt Ihr gefragt sein, also nur da führend? (Sonst werbend?) Die Billigung der führenden (verschmelzenden) Rolle der Partei mit dem Staat nur für den Zustand der ökonomischen und kulturellen Rückständigkeit eines Landes ist die Mißbilligung dieser Rolle der Partei für deren fortgeschrittenen Zustand, jedenfalls mit jedem Schritt voran um so mehr. Unsere Frage: Für welche Gesellschaft passt denn das? Indirekt sprecht Ihr doch damit ein Gesellschaftsverlangen aus, das sich mit dem Kommunismus, bleibt er “verschmolzen” in Partei und Staat, immer mehr überwirft. Und in der Tat: Das ist ein Verlangen auf eine andere Gesellschaft.
Welche Rolle der Partei ist das dann? Man vergegenwärtige sich den Kapitalismus, welche Rolle dort eine kommunistische Partei einnimmt, und man hat die Antwort. Eine nicht mit der Wirtschaft und dem Staat verschmolzene Rolle der Partei kennzeichnet den Kapitalismus (was nicht nur die DKP meint). Nun muß es nicht der Kapitalismus sein, der gemeint ist in Eurer Position, aber es ist eine Gesellschaft doch gemeint, in der es ähnlich zugeht.
Schon für die erste Phase des Kommunismus, der Phase der rein politisch eroberten Macht und in der die Partei nur über die Wirtschaftspolitik in die Wirtschaft eingreifen konnte (auch gegenüber ersten volkseigenen Betrieben), wird von der DKP eine Art Gegensatz bis Unterschied zwischen Partei und Volk/Arbeiterklasse formuliert, indem die Partei nur als Stellvertreter der Arbeiterklasse deklariert wird, aber nicht als die Arbeiterklasse selbst, als deren führender Teil. Was heißt denn das, Stellvertreter? Dass sich die Partei und die Arbeiterklasse dereinst, bei höherer Entwicklung der Gesellschaft, trennen werden, indem die Macht vom bloßen Stellvertreter (auch in der führenden Rolle, die hier zweimal definiert ist!) an den eigentlichen Demiurgen der Macht übergehen werde, der – allgemeinen Arbeiterklasse. Aber: Die Macht geht an die Arbeiterklasse im allgemeinen nur über, indem die Allgemeinheit der Besonderheit folgt, also die Arbeiter der Partei. Und nicht anders. In der Partei erkennen wir doch nicht die Anmaßung gegenüber der Allgemeinheit, sondern die Vorwegnahme der Allgemeinheit. Partei und Volk verschmelzen, indem das Volk zur Partei “verschmilzt”. Das Volk steigt auf (!), indem es zum “Stellvertreter” aufsteigt. Das bringt keine neue Qualität, sondern nur die Qualität (des Kommunismus) allgemein. Aber die Partei entledigt sich doch nicht “ihrer” führenden Rolle, indem sie neben die Arbeiter (und deren führende Rolle) tritt. Was soll dieser Unsinn, einen Unterschied bis Gegensatz zwischen Partei und Volk, oder allgemeiner Arbeiterklasse (und deren Führungsform) zu postulieren.
Der Weg der Partei, der Weg der Klasse
Freunde der DKP, Ihr beginnt eine neue Parteitheorie – oder greift eine alte auf, worin die Partei in der Tat die Arbeiterklasse vertritt – nämlich in den bürgerlichen Parlamenten, und dies bestenfalls. Die Partei ist nur unter falschen gesellschaftlichen Bedingungen, also nicht den eigenen gesellschaftlichen Bedingungen, Stellvertreter der Arbeiterklasse, wenn diese selbst keine Freiheit hat, nicht an die Macht gelangt. Dann muß ein kleiner Teil, dem dies dennoch gelingt, den Stellvertreter für die Klasse machen – bestenfalls, und wenn er das dann noch will (in der Regel will er das dann aber nicht, so dass “die Klasse” sich selbst überlassen bleibt und in der allgemeinen Suppe des Kapitalismus hilflos herumtreibt).
Ihr müßt Eure ganze Parteitheorie noch einmal überdenken.
Denn Ihr habt gar keine objektive, aus der Gesellschaft in der ihr lebt, abgeleitete, sondern eine subjektive. Die Arbeiterklasse geht doch historisch den Weg von einer abhängigen ökonomischen Klasse zu einer herrschenden ökonomischen Klasse, sie wendet im Kontext des Fortschreitens der Revolution ihr Verhältnis zur Arbeit. Und Parteitheorie kann doch nur sein, dieser Wende im Verhältnis zu entsprechen, ihr aktiv vorauszugehen.
Besonderheit und Allgemeinheit, Partei und Klasse verändern in diesem Prozess unentwegt auch ihr subjektives Verhältnis zueinander, mal geht der besondere, mal der allgemeine Faktor federführend in die Geschichte ein, aber immer ist das Anliegen das gleiche, nie gibt es im Besonderen einen Umstand, der es daran hindert, nicht das allgemeine Anliegen zu formulieren. Nie ist in der Form Partei die Form Klasse negiert, nie geht es in der Partei um etwas, was nicht Klasse ist. Ihr postuliert a priori den Fatalismus einer sozialistischen kommunistischen Revolution. Nach Eurer Vorstellung wird sie enden. Ihr sagt: Revolution bis hier – ja! Aber wenn Ihr, die Revolutionäre, weitermacht und die Wirtschaft zentral planen wollt,, werdet Ihr “konterrevolutionär”.
Man sollte hier nicht herumreden: Ein Sozialismus, der den Sozialismusbegriff pervertiert, ist – konterrevolutionär, der revolutionäre, so es ihn gibt, ist dann ein anderer. Die DKP-Verantwortlichen müßten eigentlich gegen die SED/DDR sein – aber “für den Sozialismus”. Denn die SED hatte natürlich den anderen Werg eingeschlagen, ihr Höchstes war, dass sie ökonomisch wurde.
Nur wenn man von der Partei als etwas ausgeht, was das ökonomische Verhältnis der Klasse nicht teilen kann, also Partei überhaupt kein ökonomisches Verhältnis ist, muß es zu dieser zukünftigen (oder “heutigen”) geschichtlichen Trennung von Partei und Arbeiter kommen. (Aber wer und was ist dann ökonomisches Verhältnis – wenn die Partei nicht? Die Arbeiter? Welche Arbeiter? Was ist Arbeiter? – Ihr braucht für Eure Sozialismusvorstellungen auch eine neue Klassentheorie.) Im anderen Falle kann es nur um Verschmelzung gehen, d.h. die führende Rolle der Partei im besonderen kann nur eine Vorwegnahme der führenden Rolle der Arbeiter/Arbeitenden im allgemeinen sein. (Die DKP-Führung sagt, dass die Arbeiter dereinst ökonomisch werden, aber – ohne Partei. Toll.)
Während bei der DKP ein Unterschied zwischen diesem und jenem Sozialismus herauskommt, kommt bei uns nur ein Verschmelzen des einen und des anderen Kommunismus heraus, d.h. es ist der selbe Kommunismus und das Verschmelzen ist nichts als ein subjektiver Prozess, ein Anschluß der Arbeiter an die Partei. Der ist allerdings historisch bedingt, d.h. durch innere (bruchlose) Entwicklung des Sozialismus/Kommunismus bedingt. Ich will durchaus konzedieren, dass Kommunisten, die richtig in die Form der Macht über die Ökonomie übergingen, dies auch nicht objektiv begriffen haben, d.h. sich in ihr benommen haben wie der Holzhacker im Walde. Aber – benehmen sich Warenproduzenten, Kapitalisten nicht auch so? Das Wertgesetz als solches schützt doch auch nicht vor Idioten. Insofern ist schon ein demokratischer Zentralismus besser, was auch erst zu lernen ist, aber nur lernbar ist im Zentralismus, und nicht im Gegensatz zu ihm.
Und nun: “Das Volk”
Historisch gesehen beginnt die Arbeiterklasse bürgerlich. Dass sie vom Objektiven her nichtbürgerlich ist, also ganz andere Klasse im Verhältnis zur Arbeit sein kann, kann der Arbeiterschaft nicht am Anfang des Kapitalismus, sondern erst im Verlauf des Kapitalismus klar werden. Das Klassenbewußtsein, in der höchsten Form gleichzusetzen einem eigenen Gesellschaftsbewußtsein, kann innerhalb des Kapitalismus erst entstehen im Verhältnis einer Unfähigkeit der kapitalistischen Klasse, den entstehenden ökonomischen Reichtum allgemein zu verteilen, d.h. in dem selben Maße, wie die kapitalistische Gesellschaft den Reichtum der Arbeit gesellschaftlich einseitig, bei einer Klasse von Besitzenden häuft[9] (im selben Verhältnis muß sie ja eine andere Klasse verarmen), wird – hoffentlich – der Klasse der Besitzlosen klar, dass es um eine Gesellschaft ohne den sozialen Gegensatz gehen muß – sonst droht in der Tat die Barbarei.
Aber nicht genug: Man gelangt durch günstigen historischen Umstand an die eigene Macht als die vorausgesetzte Form einer eigenen Gesellschaft. Dieser Umstand entsteht weniger im Bewußtsein, dass man doch die Mehrheit der Gesellschaft verkörpert (dies reduziert natürlich “den besonderen Umstand” auf eine Wahl als Form Interessen durchzusetzen – auch damit geht das DKP-Programm schwanger), sondern durch einen Verlust an Macht bei der herrschenden Klasse.
Die Macht ist gut, ist Voraussetzung, aber Macht ist nicht gleich Gesellschaft. Das wirkliche gesellschaftliche Bewußtsein der Arbeiterklasse kann erst im selben Maße entstehen, wie die eigene Gesellschaft, also der Sozialismus/Kommunismus entsteht. Die Klasse, also das Allgemeine im Subjekt des Kommunismus, kann nicht vor dem Kommunismus wissen, was dieser ist. Es kann einzelnes Bewußtsein geben, und dieses gab es bei Marx, aber dieses Bewußtsein gibt es damit noch nicht allgemein. Man kann sich auf Marx wie auf allgemeines Bewußtsein oder verallgemeinerbares Bewußtsein berufen – es ist zur Genüge getan worden (so dass es Massen von “Kommunisten” schon vor dem Kommunismus gab), und trotzdem zeigt dann jeder erste und jeder weitere Schritt bei einem realen Aufbau dieser Gesellschaft, dass auch das Bewußtsein ihrer Wissenschaftler nicht hinreichend ist, den Kommunismus zu verstehen und die Klasse mit fortschreitendem allgemeinen Bewußtsein zu erfüllen. Das kann nur das Resultat beharrlich verfolgter Praxis sein, die nicht beliebig wieder weggeworfen werden darf.
Bewußtsein, Mehrheit-Minderheit, Klassenkampf
Wir haben uns ja nie mit der Frage beschäftigt, wie und wann das Bewußtsein von einer Gesellschaft entsteht, worin es besteht, wieweit das Bewußtsein überhaupt eine Bedingung für die Entstehung und Existenz einer Gesellschaft ist; in der Regel doch gar nicht. Wir können es also nicht einmal zur Bedingung für die Existenz einer Gesellschaft machen, auch nicht beim Kommunismus. Aber es spielt natürlich bei einer Gesellschaft, die eine Kritik einer bestehenden Gesellschaft sein soll, eine größere Rolle als je zuvor in der Geschichte. Man wird sich beim Kommunismus auf Bewußtsein wie auf Existenz einer Gesellschaft berufen. Und wird sich ebenso oft irren wie bestätigt sehen. Wodurch? Durch Dauer der Existenz, durch Veränderbarkeit der Gesellschaft, d.h. derjenigen Gesellschaft also, die man kritisiert. Man wird sich immer öfter bestätigt sehen, aber es gibt natürlich Punkte, die an sich Voraussetzungen sind; um sie wird ein besonderer Kampf im Kommunismus ausbrechen. Welcher? Klassenkampf in der Arbeiterklasse selbst, denn um diese geht es allein noch. Man darf im Kommunismus den Klassenkampf in der Arbeiterklasse nicht fürchten, denn er ist eine Bedingung der Klärung der Gesellschaftsfrage der Arbeiter. Ginge es um weniger Klassenkampf – um so besser. Geht es um viel – ist das Ausdruck eines ideellen Zustandes auch der Arbeiter und ihres führenden Subjekts: es führt schlecht, kaum, fragwürdig usw.
Ein Klassenkampf in der Arbeiterklasse selbst kann im selben Range stehen wie ein Klassenkampf gegen eine gegensätzliche Klasse, d.h. der Klassenkampf um den Kommunismus kann (!), muß aber nicht, erbitterter ausgetragen werden als der Kampf im Kapitalismus und gegen die kapitalistischer Klasse; besonders, wenn er “im kleinen Kreis” ausgetragen werden muß, wenn es in der Tat einzelne Personen nur sind, die mit gegensätzlichen Projekten schwanger gehen. Und die allgemeine Klasse sich an diesem Kampf … absolut nicht beteiligt, weil sie ihn “nicht versteht”.
Und sich da auf die allgemeine Demokratie berufen? Auf das an sich zur Freiheit – wovon? – bestimmte Volk zu berufen? Was soll das? Die Nichtmacht, den Unverstand, die Gleichgültigkeit bemächten? Irgendwann wird die Masse in den Kampf einbezogen, hineingezogen, aber nicht “zu früh”. Die wirkliche Überzeugung eine Gesellschaft zu wollen, setzt erst ein, wenn der Wunsch, in die Gesellschaft, die verlassen worden, zurückzukehren, aufhört noch Früchte zu treiben. Die Vergangenheit hört erst auf, wenn sie vergessen ist.[10]
Proletarischer Absolutismus
“Autoritäre Maßnahmen”: Angesichts der neuen Pflichten, Erscheinungen etc. der neuen Gesellschaft kann es sogar dazu kommen, dass das Bewußtsein vom Kommunismus abnimmt, ja, sich auch (den Kommunismus auch) in Frage stellt. Dann kann es zu einer Konzentration des an sich gesellschaftlichen Bewußtseins – in Bezug auf eine konkrete, sogar ausgewählt konkrete Form -, zu einer Verringerung des allgemeinen (!) weil objektiven Bewußtseins kommen (alles Bewußtsein von Produktionsverhältnissen im Kommunismus ist a priori ein objektives Bewußtsein, was real gemacht werden soll, ist an sich objektiv), ja, der Konzentration des Bewußtseins wie der Macht (!) auf eine einzige Person kommen. Das ist dann kein Personenkult, sondern ist das richtiges Bewußtsein – das erst eine Person hat. Ist ein solcher Zustand eingetreten, ist es richtiger, die eine Person als den Kommunismus zu verteidigen als das ganze übrige, “allgemeine” zur Ökonomie, zur Macht, zur Gesellschaft berechtigte Subjekt. (Man kann doch die Frage von Mehrheit und Minderheit, Person und Klasse, nicht aufwerfen ohne das Problem zu nennen, angesichts dessen sich die Frage stellt: Der Aufhebung der einen und der Errichtung einer anderen Gesellschaft.) Zum Beispiel in der Frage, ob ein allgemeines gesellschaftliches Recht bei einem Zentrum liegt oder nicht. Dann verteidigt man den Kommunismus, die Klasse, indem man diese Person verteidigt, und nicht die “Gesellschaft”, die “Klasse”. Dann ist die Person der Kommunismus, und nicht die Gesellschaft, dann ist die Minderheit – bis zur Alleinherrschaft – der Kommunismus und nicht Die Mehrheit. Dann gehört der Minderheit das Primat, und nicht der Mehrheit, weil … die Minderheit die Demokratie ist, und nicht die Mehrheit.[11]
War es in der Frage des Zentralismus so? Ja.
Und ist es noch heute so?
Es geht von der Sache her um ein gesellschaftliches Problem, und nicht um ein persönliches, auf eine Person bezogenes. Indem man dann aber die Person angreift im Namen der allgemeinen Person, indem man überhaupt das Problem ein Personen-Kult-Problem nennt, nicht aber ein Sachproblem, indem man hinter dem Kampf gegen die Person und um die Masse/Mehrheit/Klasse gar das Sachproblem versteckt, unsichtbar macht, ist man da Kommunist? Dann müßte es beim Kommunismus nicht an sich um eine Gesellschaft gehen, sondern um ein rein subjektives Problem, nämlich darum, ob ein Kommunismus eine Mehrheit oder nur eine Minderheit in der Klasse findet. Dann haben wir “Kommunismus”, wenn eine Mehrheit ihm zustimmt, und haben ihn nicht, wenn eine Minderheit nur zu ihm Zugang findet. Dann haben wir überhaupt keinen objektiven Kommunismus mehr, den man zum Maß für Menschen erheben kann, dann ärgert oder beschäftigt die Menschen keine soziale Frage, sondern dann haben wir einen Abklatsch vielleicht der Debatten, die die griechisch-römischen Volksversammlungen beherrschten und wo der Demagoge das große Wort führte (und die Partei ist dann das, was die Schulung der Demagogie zu bewältigen hat).
“Entfremdung vom Eigentum”
“Das (also das Ersetzen der Klasse durch die Partei oder das Verschmelzen nur (!) von Partei und Staat, nicht Arbeiter und Staat?, J.) wurde auch dann noch beibehalten, als sich … die Bedingungen verändert hatten” (also Rußland nicht mehr rückständig war, J.).
Verdammt. Wir sagen doch, dass der der Überwindung der Rückständigkeit gewidmete Zentralismus nur ein der Politik geschuldeter Zentralismus war. Der eigentliche Zentralismus, der mit der ökonomischen Entwicklung der Planwirtschaft entsteht, kommt doch erst jetzt, wo Ihr ihn gehen lassen wollt, aus der Geschichte verabschieden wollt. Welch ein Unterschied im historischen Verständnis des Kommunismus!
Die DKP erhebt zum Problem, ja, zum Fehler, worauf wir stolz sind.
Ein letzter Punkt (von den wichtigen): Entfremdung vom Eigentum. Aus welchem Grund? Aus dem Grund der fortgesetzten Zentralisierung und nun erst einsetzenden Verschmelzung von Partei und Staat. (“wurde auch dann noch beibehalten, als es …”).
Um es noch einmal zu sagen: Kommunismus ist’s. Wenn schon Entfremdung, dann muß es richtig heißen: “Entfremdung von der Aufhebung des Eigentums”. Nur von dem, was ist, kann man sich lösen, und die Lösung beginnen mit der Entfremdung, dem Fremdverhalten zu dem, was ist. Und im übrigen ist das auch historisch richtig, denn die Restauration kehrt ja zum Eigentum zurück, und zwar – sicher nun zum Ärger der Vielen – so, wie man zum Eigentum überhaupt nur zurückkehren kann: In der Mehrheit nicht zu ihm, in der Minderheit ja.
Die Rückkehr des entfremdeten Volkes zur Vergesellschaftung ist ja nur eine Behauptung – eine Vermutung, eine Hoffnung – der DKP. In der bisherigen Realität kennen wir die Entfremdung im Kommunismus nur als Rückkehr zum Eigentum, und zwar Rückkehr zum Kapitalismus. Rein real hat sich nur die Alternative Kommunismus oder Kapitalismus aufgetan. Dass es eine dritte Variante geben könnte, den anderen, “initiativreichen Sozialismus des Volkes”, ist nur eine Idee (der DKP und anderer). So lange dieser Sozialismus nicht bewiesen ist (wobei ein theoretisch geführter Beweis auch ein Beweis wäre – siehe Marx usw.), erfüllt er nur die Alibi-Funktion für ein Recht auf Kritik am realen Sozialismus. Sagt, was Ihr unter “wirklicher Vergesellschaftung” versteht, dann kann der Begriff aufhören, eine reine Fata morgana an die Adresse der Arbeiter zu sein.
Wenn die Aufhebung der Entfremdung gegenüber dem Kommunismus zu einer geteilten Gesellschaft führt, zu einer geteilten, also Doppelform der Aufhebung, d.h. wieder zu den zwei Klassen des Kapitalismus, wo ist dann der gemeinsame Sinn der Aufhebung der Entfremdung gegenüber dem Kommunismus? Wenn einer nur der Kapitalist wird, alle anderen nicht, wo ist da der gemeinsame Sinn des künftigen Lohnarbeiters und des künftigen Kapitalisten. Da der Kommunismus kein Eigentum ist, man sich also auf ihn nur wie auf eine Allgemeinheit berufen kann (jeder hat das selbe Recht, auch ökonomisch gesehen), nicht wie auf ein Eigentum, kann die Aufhebung der Entfremdung nur zum Eigentum zurückführen, was nun allerdings auch zur Besonderheit zurückführt.
“Wirkliche Vergesellschaftung – bloße Verstaatlichung”
Die Lieblingsthese der DKP. Darin erscheint sie. Also: “Zu wenig … Volk. weil zuviel … Partei/Staat”? Zu wenig Vergesellschaftung = Volk, weil zuviel Verstaatlichung = Staat? Vor dem die Partei gerettet werden soll, diese Chance ist ihr noch gegeben, d.h. gebraucht wird eine Partei, die sich “zum Volk” bekennt, nicht zum Staat. Der Staat ist – verteufelt. Aber kann das auch diesem sozialistischen Staat gelten? Das ist doch die Frage.
Man kann das Verständnis der sozialistischen Geschichte nicht am Subjekt aufbauen; und wie es reagiert, das ist Sozialismus. Stimmt denn das aber, muß nicht auch das Subjekt erst den Sozialismus, oder Kommunismus, lernen? Wir müssen doch vom Objekt her das Subjekt (des Kommunismus) bestimmen.
Ein Exkurs in Vergesellschaftung:
Wir haben doch nicht erst durch den Sozialismus, sondern schon durch den Kapitalismus das Existieren und Operieren einer Wirtschaft im gesellschaftlichen Zusammenhang; das Einzelne (Betrieb, Unternehmen, Produktion und Produktionszweig im besonderen, gesellschaftliche Konsumtion und individuelle Konsumtion) ist Glied eines Ganzen und operiert als Teil eines Prozesses im Gesamten. Da ist Arbeitsteilung doch keine einfache Arbeitsteilung mehr, bei der “von den einzelnen Produzenten” jeweils “verschiedene Waren produziert werden” oder Vergesellschaftung nichts als Überschüsse vergesellschaftet, die “über den Markt vermittelt werden”, wobei jeder Vermittlung vorausgesetzt ist die “Inbesitznahme des eigenen Wertes”, sondern Vergesellschaftung der Arbeit zur Gesamtarbeit hat doch als die neue ökonomische Gewalt stattgefunden, ohne dass die ursprüngliche Eigentumsform, von der einst ausgegangen worden, noch zu beachten und zu betrachten wäre. D.h. der materielle Prozess, der den Kommunismus erforderlich macht, findet an sich statt, auch unabhängig von der gesellschaftlichen Ordnung und vor jeder sich höher entwickelnden, und Verhältnisse müssen sich, ob sie es wollen oder nicht, anpassen.
Es ist also methodologisch schon völlig falsch, von einer Vergesellschaftung zu sprechen, die sich in Verstaatlichung umwandeln könnte; sie muß natürlich unabhängig von dieser existieren, die Vergesellschaftung erzeugt Verhältnisse/Verhalten, darunter das verstaatlichte Verhältnis (zur Arbeit), aber sie ist nicht an sich durch Verhältnisse bedingt. Vergesellschaftung ist ein Status der Arbeit, sie ist Sein.
Kapitalismus, der sich an die Vergesellschaftung in der Arbeit anpasst, heißt nun nichts, als dass sich das Wertverhältnis, welches den einfachen Warenproduzenten kennzeichnet (wo alles noch stimmt mit der “Produktionsgrundlage als einzelne”), kapitalisiert. D.h. das Wertverhältnis bekommt ein Akkumulationsverhältnis auferlegt. Aber: Dieses Akkumulationsverhältnis (ein Teil des Wertes wird Mehrwert/Profit) muß doppelt dem Wert, oder Geld, auferlegt werden, denn niemand akkumuliert im selben Verhältnis wie er Wert schöpft. Die gesellschaftlich notwendige Akkumulation funktioniert nur, wenn vom Äquivalenzprinzip zum Proportionalitätsprinzip übergeleitet wird. Akkumulation muß entlang der Linie der Proportionalität, des Bedarfs in naturaler bzw. konkreter ökonomischer Hinsicht realisiert werden, also ungleich, proportional. Ungleichheit, Proportionalität, ist ein Bewegungsprinzip in der Ökonomie! Ist eine solche Kraft (oder ein solches Gesetz), die sich auch in einer Ökonomie, deren Verhältnis die Äquivalenz verlangt, durchsetzt – wenn denn die Ökonomie bereits gesellschaftlich, d.h. in einem Gesamtzusammenhang produziert. Das ist natürlich eine Reaktion der Wertverhältnisse auf den vergesellschaftenden Charakter der Arbeit, noch nicht auf den Kommunismus, der sich andeutet – in kapitalistischer Form.
Ihr wollt immer Eure Dialektik, hier habt Ihr unsere.
Und was ist der Sozialismus, die Planwirtschaft, das verteufelte “administrativ-zentralistische Sozialismus-Modell”? Der Kommunismus hebt den Kompromiß zwischen Eigentum und Vergesellschaftung der Arbeit, das der Kapitalismus notwendigerweise eingehen muß, weil er aus dem Privateigentum hervorgeht, auf. Der Zentralismus, der nichts ist als die Bewegungsform der Einheit, ist ein Konstituens des Sozialismus/Kommunismus. Ihn aufzugeben, ist Rückkehr zur Utopie vom Kommunismus, bestenfalls.
Ihr aber, liebe Freunde von der DKP (oder ihrer Diskussionsgrundlage) wollt immer eine Eigentumsbestimmung treffen, ohne sie für die Form zu treffen, in der sie erfolgen muß: Für die eigentumslose Form. Ihr wollt das Abstrakte (die Idee vom Kommunismus), aber der reale Sozialismus mußte das Konkrete wollen. Seid Ihr Euch denn des Kommunismus überhaupt bewußt, wenn Ihr so diskutiert und kritisiert wie Ihr diskutiert und kritisiert? Kommunistische Parteien, die bisher nur im Kapitalismus lebten, halten sich entweder aus der Diskussion, insbesondere programmatischen, heraus – oder sie lernen, in die Position real den Sozialismus verwaltender kommunistischer Parteien hinüber zu wechseln. Heute Programme über den Sozialismus von morgen zu schreiben, heißt, es mit dem Bewußtsein über den Sozialismus von gestern zu tun. Eines anderen Wissens braucht es nicht.
Die Idee vom “positiven Sozialismusbezug” (Heinz Stehr in der UZ vom 13. Januar 06) ist gut, bloß, die Idee selbst ist er noch nicht.
Die DKP kann kein Programm ohne einen den Sozialismus betreffenden Teil beschließen. Da der gegebene es aber noch nicht ist (es sei, er soll ein versteckt reformistisches Programm einleiten), kann die DKP kein neues Programm beschließen. Ihr begnügt Euch entweder mit dem bisherigen Stand der Diskussion (den Sozialismusteil betreffend), und dann beschließt Ihr ein falsches Programm – das vor der Geschichte keinen Bestand haben wird, oder Ihr beschließt, kein Programm zu haben, und erst eine Diskussion, und dann habt ihr ein Programm; eine wirklich positive Diskussion ist in jedem Fall ein Programm, denn eine wirkliche Diskussion zöge sowohl den Sozialismus als auch die DKP aus dem – modernen – Reformismus heraus.
Das leidige Thema Warenproduktion
Die DKP muß in ihren Aussagen ja nunmehr irgendwie zum Kern vordringen – ihrer eigenen, nach den Erfahrungen des realen Sozialismus geläuterten Vorstellung vom Sozialismus; alles andere war ja bisher Kritik. Aber wem dient sie denn? Antwort: Der “eigenen”, “neuen” Sozialismusauffassung der DKP.
Wir „haben noch Warenproduktion im Sozialismus“, heißt der Einwand. Nicht irgendetwas Utopisches, nein, nur die richtige Warenproduktion sollten wir machen – das ist die Alternative oder ist der alternative Sozialismus. Im Programm der DKP heißt es folgerichtig, “die Warenform der Produkte” würde erst im Kommunismus, der Phase nach der “sozialistischen Gesellschaftsordnung” (!, Original DKP, J.), “aufgehoben”. Also in der ersten Phase nicht. Diese ist – Warenproduktion; sie ist es bisher, sie wird es morgen sein. Das Thema scheint gar nicht originell, jedenfalls nicht in Bezug auf den originären Stand der sozialistischen ökonomischen Wissenschaft. Nur richtig und gut machen muß man sie, war und ist Credo der Kritik. (Wie jüngst im “RotFuchs” wieder.)
Aber Warenproduktion ist Eigentumsproduktion! Die Ware ist eine Eigentumsform, und der Kommunismus keine. Eine allgemeine Eigentumsform hebt das Eigentum dem Begriff nach auf, es ist ja nur noch an die Arbeit, an die Kräfte der Arbeit im Ganzen zu binden. Eigentum aber unterstellt die Bindung des ökonomischen Verhältnisses an lediglich besondere Arbeit. Man kann die besondere Arbeit in einer gesellschaftlichen Form aneignen (der Wertform) – das ist Warenproduktion, als spezifische gesellschaftliche Form des Privateigentums.
(Dass man immer wieder diese Selbstverständlichkeit des Marxismus wiederkäuen muß, ist schon ein Harm. Aber das hat mit der kommunistischen Illusion zu tun, Kommunismus sei lediglich Befreiung von der Ausbeutung, also von der kapitalistischen Klasse, und diese Befreiung stellt man sich als Rückkehr in die Vergangenheit vor).
Es ist klar, dass die Neutralität der Frage der Warenproduktion im Sozialismus aufhört, wenn sie dem “administrativ-zentralistischen System” der Planwirtschaft entgegengestellt ist. Ob ich die Frage an sich diskutiere, oder in Ablehnung eines anderen ökonomischen Systems, das muß schon ein Unterschied sein. Das eine ist eine Überlegung, das andere ein Affront. Da gehört es sich schon, dies auch klarzumachen.
Wir möchten die Frage der Warenproduktion im Sozialismus hier nur prinzipiell beantworten.[12] In einem weiteren Artikel in diesem Sonderheft gehen wir auf den geschichtlichen Verlauf der Debatte um die Warenproduktion in der sowjetischen ökonomischen Wissenschaft ein. Also:
Es gibt nach dem Kapitalismus der Warenproduktion keine Entwicklung des Eigentums mehr – außer seiner Aufhebung; das kapitalistische Eigentum, mit seinem Gegensatz von Kapitalist und Arbeiter (wobei der Kapitalist noch der Eigentümer ist, der Arbeiter aber nicht mehr), “ist die letzte Entwicklung des auf dem Wert beruhenden Produktionsverhältnisses”, sagt Marx. Was zum Gegensatz von Eigentum und Nichteigentum (oder Eigentumslosigkeit) entwickelt ist, kann nur noch diesen Gegensatz auskämpfen, sonst nichts. Das kapitalistische Produktionsverhältnis enthält nur diesen Gegensatz, und sonst keinen anderen; es kann nur diesen Gegensatz einer Lösung zuführen (denn es sind nur die Klassen dieses Gegensatzes historisch präsent), und sonst keinen anderen.
Das ist zwar der Gegensatz, an den die Warenökonomie gerät, aber sie selbst kann ihn nicht – im Rahmen des Wertverhältnisses – lösen, oder lösen nur in der Form des Auseinanderfallens der warenökonomischen Gesellschaft in den Gegensatz von Proletarier und Kapitalist.
Gerade in der bürgerlichen Gesellschaft kann der Proletarier seinen ökonomischen Gegensatz, aus der Aneignung des Wertes ausgeschlossen zu sein, nicht lösen, sondern nur in einer Gesellschaft nicht des Wertverhältnisses; direkt aus dem Gegensatz zum Wertverhältnis resultiert der eigene Gesellschaftsanspruch des Arbeiters, der Kommunismus. Daher ist das Verständnis der Frage von Warenproduktion und Kommunismus wesentlich für den Kommunismus; ohne hier von Verständnis zu sein, ist kein Verständnis des Kommunismus möglich. Unkenntnis kann hier tödlich wirken.
Es wird immer nicht begriffen, warum der Kommunismus eine Eigentumsfrage hat, bzw. die Frage der Aufhebung des Eigentums zu seinem Wesen macht. Ja, warum denn? Doch nur, weil er die Frage nach dem Eigentum für Eigentumslose zu beantworten hat. Um dies zu begreifen, dazu muß der Proletarier erst einmal selbstständig in der Geschichte in Erscheinung treten (der Marxist, ausgerechnet dieser, sollte den einsichtigen Warenproduzenten nicht nachträglich in die Geschichte einführen).
Geht es um den Gegensatz des Kapitalverhältnisses, siegen entweder die Kapitalisten über die Arbeiter, oder die Arbeiter über die Kapitalisten. Der eine Sieg ist der Kapitalismus, der andere der Kommunismus. Dass die Kapitalisten siegen, heißt, dass die Gesellschaft (oder Warenproduktion als die vorausgesetzte Ökonomie) kapitalistisch wird – und dies ist die erste Variante der möglichen Historie, und dass die Arbeiter siegen, heißt, dass die Gesellschaft (oder die Warenproduktion, oder der aus dieser entstandene Kapitalismus) kommunistisch würde – und das ist die zweite Variante der Historie.
Aufhebung der Klassen heißt Aufhebung des Eigentums. Wird nicht das Eigentum aufgehoben, dann nicht die Klassen – sonst lösten wir die Gesellschaftsprognostik in Wahrsagerei auf. Eine Weiterentwicklung des Eigentums nach der Aufhebung des Privateigentums ist nichts als die Rückkehr zum Privateigentum. Daher führt die Idee (der DKP) von den neuen/weiteren Formen des Volkseigentums neben der Form des so genannten Staatseigentums oder des Volkseigentums, wie wir es in den sozialistischen Ländern kennengelernt haben, in die Irre (sie führt übrigens automatisch zur Ware als dem Verkehrsverhältnis zurück, d.h. in den vielen/mehreren Eigentumsformen steckt der Pferdefuß drin, das A, die Warenproduktion, dem nur noch das B, der Kapitalismus, folgen kann), sie verkennt das Verhältnis einer kommunistischen Partei zur Eigentumsproblematik, zur Stellung einer solchen Partei zum Eigentum.
Das Privateigentum ist Einzeleigentum, es ist nicht aufgehoben, wenn der/ein einzelner Eigentümer aufgehoben ist, sondern nur, wenn alle Eigentümer, die ganze kapitalistische Klasse, der Gesamtkapitalist aufgehoben ist. (Sonst bleibt auch das Volkseigentum nur Teileigentum und muß sich zu anderem “Volkseigentum”, das dann auch nur Teileigentum sein kann, wie zu Eigentum verhalten; d.h. seinen Besitzstand, den es als Teil der besonderen Arbeit verkörpert, im Austausch, im Ablassen seiner Produkte an andere Produzenten oder Konsumenten, über eine besondere Besitzform, eben dem Wert, wahren/geltend machen.)
Das Problem der dem Kommunismus vorausgehenden Ökonomie des Privateigentums ist, dass das, was Arbeitsteilung ist, in Einzeleigentum zerhackt ist. Privateigentum oder Privatarbeit kann sich daher nicht unmittelbar zu sich als konkrete Arbeit oder wie konkrete Arbeit verhalten. Besonderes Eigentum muß daher Warenproduktion sein, weil seine Arbeit unvermeidlich Privatarbeit ist.
Der Genossenschafts-Sozialismus
Hinter diesen Theorien (über viele/mehrere Formen gesellschaftlichen Eigentums oder Nicht-Privateigentums) stehen Illusionen über eine Demokratisierbarkeit der Warenproduktion, nachdem sie kapitalistisch geworden ist, stehen Illusionen über das Verhältnis von Warenproduktion und Kapitalismus, stehen Illusionen über das Verhältnis der Arbeiter des Kapitalismus zur Warenproduktion, bzw. steht die Illusion, man könne die kapitalistische Form der Warenproduktion – den vom Wertverhältnis enteigneten Arbeiter – durch eine genossenschaftliche Form der Warenproduktion austauschen, den Kapitalisten demnach ersetzen durch ein Kollektiv von Genossenschaftern. Also mithin: Kollektiver Kapitalismus. Anderer historischer Weg der Warenproduktion als über den Weg ihres Kapitalistischwerdens? Daran wagt sich die DKP?
Überall, wo diese These/Theorie vom genossenschaftlichen Sozialismus die Theorie vom geplanten Sozialismus ersetzt, ist vorab, als Voraussetzung für diese Revision des Kommunismus die Aufhebung der Warenform der Arbeitskraft an die Stelle der Aufhebung der Ware oder Warenproduktion im allgemeinen getreten. Nicht mehr der Produzent, aber sein Produkt soll weiterhin Ware sein. Die Warenproduktion soll nicht ihre Voraussetzung aufgeben – die private Arbeit und das private Eigentum, sie soll aber ihre Entwicklung aufgeben – die Aufhebung des Arbeiters als Eigentümer und Erhebung seiner sachlichen Produktionsmittel zum Mehrwert heckenden Wert.
Aber ein genossenschaftlicher Kapitalist an Stelle des einzelnen Kapitalisten ist nichts als ein Austausch des Subjekts, das ist keine Kritik mehr am Produktionsverhältnis, und auch kein Verständnis mehr seines Widerspruchs bzw. Gegensatzes. Hinter dieser Form des Kapitalismus (!) verbirgt sich die These, dass die Produktivkräfte in der Genossenschaft die selbe Entwicklung wie die beim Kapitalismus einschlagen, also auch zur Erweiterung der Produktionsorganisation führen (Betriebe, Großtechnologien), aber der individuelle Warenproduzent nicht aufgehoben wird zum individuellen Kapitalisten einerseits und Lohnarbeiter andererseits, sondern dieser einzelne Warenproduzent sich zu einem Kollektiv von Warenproduzenten zusammenschließt. Warum der Waren produzierende Eigentümer zwanghaft proletarisieren muß, hat Marx zwar gesagt, aber der “Marxist” nicht begriffen. (Man kann moderne Produktivkräfte nicht entwickeln, ohne dass der lebendige Arbeiter von der Arbeit freigesetzt wird.)
Vom einzelnen zum genossenschaftlichen Warenproduzenten – so kommt es, denkt man sich in der DKP (oder denkt man auch nicht, aber sagen tut man es – indirekt), nicht zur Spaltung der Gesellschaft in einen Klassengegensatz, sondern zu einer Höherentwicklung immer nur der selben Produktionsweise – der Warenproduktion. Diese wird damit ewige Produktionsform, die sich durch den Ausbau ihrer Dimension sowie der Entwicklung der Kollektivität ihres Subjekts zur Gesellschaftsordnung erhebt.
Und was ist falsch daran? – Dass hier die Aufhebung des Eigentums als Erhebung des Eigentums gedacht wird: es soll nach dem privaten noch eine Eigentumsform entstehen – die genossenschaftliche. Aber wie ist denn der Verkehr der Genossenschaften untereinander? Entweder existiert ein Generaleigentum, zu dem jedes Individuum gehört, und dann wird es auch aus dem gesellschaftlichen Topf mit zu verbrauchenden Gütern bedacht – wobei durchaus ein Prinzip, das vom Individuum zu setzen, zu seinem Recht kommen kann (sagen wir die geleistete Arbeitszeit) -, oder es existiert dieses allgemeine Eigentum nicht, sondern an seiner Stelle ein privates, einzelnes Eigentum. Der Sozialismus doch Warenproduktion? Die Kritik doch berechtigt? Der Sozialismus einerseits anders, andererseits das gleiche: Warenproduktion. (Wegen des Leistungsprinzips?, übrigens jugoslawische Argumentation.) Das sozialistische und das kapitalistische Prinzip der Aneignung nach der eigenen Arbeitsleistung als das selbe Prinzip? Nein, der Unterschied liegt hier darin, dass das Verhältnis der Zeit zur Menge (an Gütern) einmal gesellschaftlich angewandt wird, das andere Mal individuell. Was wiederum besagt, dass es bei einer gesellschaftlichen Verbindung von Zeit und Gegenständlichkeit der Arbeit zuvor keine individuelle Aneignung der Gegenständlichkeit der Arbeit geben kann. Und das ist eben die Aufhebung der Privatarbeit und des privaten Eigentums. Das sozialistische Leistungsprinzip wirkt, indem die Zeit getrennt bestimmt wird von einem Verhältnis zur gegenständlichen Arbeit, und bei der Warenproduktion wird sie eben in Einheit mit der gegenständlichen Form der Arbeit bestimmt. Und so besitzt die Arbeitszeit im Sozialismus einen gesellschaftlichen, allgemeinen gegenständlichen Bezug, und in der Warenproduktion den individuellen gegenständlichen Bezug. Die Zeit ist im Sozialismus bestimmt “für den einzelnen (jeweiligen) Fall”, für die Warenproduktion “nur im Durchschnitt” Marx, Gothaer Programmkritik. Bitte lesen.
Der Verweis im Programm auf die zweite Phase, dass in dieser die Warenform der Produkte aufgehoben würde, deutet indirekt darauf hin, dass sich die DKP noch den Spielraum freihält, sie in der ersten Phase zu bewahren. Ist das programmatisch eine Lehre aus dem realen Sozialismus? Es könnte so scheinen. Es handelt sich um das Problem des realen Sozialismus, seiner Theoretiker und Praktiker selbst. D.h. die DKP kehrt indirekt zur alten These von der besonderen Warenproduktion im Sozialismus zurück bzw. hält an dieser weiterhin fest. Sie setzt die SED fort – deren unklaren theoretischen Teil.
Aber: das ist keine Lehre aus der Vergangenheit.
Macht es Sinn für eine Partei, sich über den Kommunismus auszulassen, wenn der Kapitalismus aufgehoben werden muß? Man muß sich doch zuerst über den Kapitalismus auslassen. Was ist denn Aufhebung des Kapitalismus? Gesellschaftlich ist neu, was an seine Stelle treten muß. Alles, was den Kapitalismus aufhebt, worin er abgeschafft wird, das ist neue Gesellschaft, in diesem Sinne Kommunismus. Um die Illusionen über die Einführung, den Erhalt der Warenproduktion, zu überwinden, muß gesagt sein, worin Widersprüche und Antagonismen des Kapitals – die abgeschafft werden müssen – auf die Anwendung der Wertformen zurückführen. Um so besser von der Ware als einem Antagonismus die Rede ist, desto weniger kann vom Sozialismus als Warenproduktionsweise die Rede noch sein.
Warum ist die Frage Warenproduktion und Sozialismus so bedeutend? Weil sie im Kapitalismus wie ein formelles Geflecht nur noch vorhanden scheint, es dreht sich eh alles um den Profit. (Der “absolute Wert interessiert den Kapitalisten nicht, aber der relative”, d.h. Mehrwert, Marx). Man kann den Kapitalisten in einem Übermaß bekämpfen – um die Warenproduktion nicht zu bekämpfen. Die Warenproduktion scheint so harmlos, wenn der Kapitalist so gefährlich – ein Irrtum, auf dem sich Illusionen aufbauen und die man teuer bezahlen muß. Ist also der Beginn des Kommunismus prädestiniert zu Irrwegen? Ja. Das Problem ist doch, dass man den Kapitalismus aufheben, und die Warenproduktion einführen kann. Man kann den Kommunismus nicht in deren Voraussetzung, die einfache Warenproduktion zurückführen, aber in eine “entwickelte” Form, eine solche Form, in der die Belegschaften das Kapital (den Betrieb) übernehmen ohne den Kapitalisten zu übernehmen; das scheint auch eine Abschaffung des Kapitalismus zu sein, eine subjektive, – und ist damit keine. Das Objekt des Kapitals aber bleibt, das Kapital als Verhältnis, und mit dem müssen die “Belegschaften” nun fertig werden – gegen sich selber. An die Stelle der erzwungenen Anwendung der Gesetze des Kapitals tritt nur die freiwillige.
Prinzipiell gilt: Man führe die modernen Produktivkräfte ein, und man hat die zum Kapitalismus mutierte Warenproduktion, oder man hebe das Wertverhältnis auf, und hat die in eine Bedarfsökonomie umwandelnde gesellschaftliche Arbeit. Es gibt nur entweder eine Ökonomie der Arbeit, die vom Wert als geronnener Arbeitszeit ausgeht, und die zum Gegenstand der Aneignung erhoben wird – dann ist die abstrakte Seite der Arbeit der Bezugspunkt der gesellschaftlichen Verhältnisse, oder wir haben die andere Ökonomie, die vom Gebrauchswert der Arbeit ausgeht und den sie zum Gegenstand der Aneignung erhebt – dann ist die konkrete Seite der Arbeit der Bezugspunkt des gesellschaftlichen Lebens. Der Kommunismus ist gar nicht so schwer zu erkennen und zu erklären: Kommunismus ist nichts als die Ökonomie der konkreten Arbeit. D.h. es werden Produktionslinien festgelegt, wobei man von Haupt- oder Endprodukten ausgeht, und daraus abgeleitet ergeben sich die Quantitäten der Aneignung der Vorprodukte oder Zwischenstufen der Produktion. Hier sind Fortschreiten, Stillstand und Einschränkung von Produktionen gleichberechtigte Formen der ökonomischen Bewegung, weil bei konkreter Produktion diese ja nur im Zusammenhang bestimmt werden kann. Und da ist die Bewegung des Einen der Stillstand des Anderen. Sie bedarf also ebenso des subjektiven wie des einheitlich subjektiven (!) Regulators. Wozu der Mensch natürlich als Einheit auftreten muß; dass diese demokratisch, also möglichst allseitig bestimmt werden muß, hebt die Einheit nicht auf! Was den Wert betrifft, so verschwindet er in der Produktion, ein Maß/Recht für Aneignung ist er nicht (mehr). D.h. als dieses Recht verschwindet der Wert absolut. Was zunächst bedeutet, dass der Preis, das Geld seinen Inhalt verliert, den, Erscheinung des Wertes zu sein.
Historischer Diskurs bei der DKP und bei uns
Die DKP betrachtet, wie das Kapitel “Ursachen der Niederlage” verrät, den realen Sozialismus als eine Abirrung vom wirklichen Sozialismus. Die Ursachen sind so gewählt, dass ihr eine Fortsetzung des Weges, auf dem der bisherige Sozialismus geschritten, nicht mehr möglich ist. Ihre Kritik am realen Sozialismus hat eine historische Seite, eine parteiliche Seite, eine staatliche, Eigentums- und bewegungsökonomische Seite. Es ist in der Kritik der DKP alles vorhanden, was eine Gesellschaftsordnung ausmacht. Die Kritik am realen Sozialismus mag vollkommener sein als das Angebot auf einen anderen Sozialismus schon gediehen ist; aber da nimmt sich die DKP in Acht:
“Wie der künftige Sozialismus im Einzelnen aussehen wird, kann heute nicht vorhergesagt werden. Vieles hängt von den jeweiligen Ausgangsbedingungen, vom weiteren geschichtlichen Verlauf, von den sich ständig wandelnden ökonomischen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen ab sowie vom Wollen und Handeln derjenigen, die den Durchbruch zur neuen Gesellschaft erkämpfen werden”.
Der vergangene, reale Sozialismus, hing nur von der Rückschrittlichkeit Rußlands ab, auf die … zu lange reagiert worden ist: mit einem nicht endenwollenden Zentralismus. So war er zunächst ganz gut, wurde aber mehr und mehr “pervertiert”. Der zukünftige Sozialismus – der DKP – hängt von Vielem mehr ab, er kann sowohl noch schlechter sein – was machen, wenn der Kapitalismus barbarisch würde? -, als auch “viel besser” sein, vorausgesetzt, er nimmt von vornherein die antizentralistische Lehre, also “unsere” Lehre (der DKP) an. Also, etwas bleibt doch der Vergangenheit verhaftet. Der Sozialismus bleibt konstituiert: In “unserer” Kritik.
In den Lehren der DKP ist alles vorhanden, was man so Revisionismus nennt, modernen, auf den Sozialismus/Kommunismus bezogenen. Es erscheint der reale Sozialismus nicht als ökonomischer Sozialismus, es erscheint nicht, welche Organe er ausbilden muß, um die Wirtschaft planmäßig zu leiten, dass diese Organe nicht im üblichen Sinne Staat sind, sondern den Staat aufheben, und erscheint nicht, dass für das Subjekt einer solchen Gesellschaft, also ihr Volk, unbedingt notwendig ist, dass es mit diesem Staat “verschmilzt”, was für die ganze Struktur des Subjekts gilt, die Partei inbegriffen. Die DKP trennt diese Einheit auf, indem sie zunächst den ökonomischen Inhalt der Vereinigung nicht einmal erwähnt, so dass sie einseitig als eine rein politische Aktion nun des auf Staat und Partei reduzierten “Volkes” erscheint, dem nun das Volk ohne Staat und Partei gegenübergestellt wird. Seine Ökonomie muß es erst noch suchen; der Weg für die Wiederherstellung der bürgerlichen Ordnung in der Form einer “entwickelten” Warenproduktion ist geebnet, ist gesichert in diesem rein auf Politik und besonderes Subjekt reduzierten Sozialismus, und der so als Anmaßung, als Erhebung über die Ökonomie erscheint, die eigene, wohlgemerkt. Der Kommunismus, ist damit gesagt, ist Politik (Partei), nicht Ökonomie.
Und nun ein historischer Diskurs bei uns:
Heute wissen wir – und das ist Erfahrung, und wir denken: wirkliche Lehre aus dem realen Sozialismus/Kommunismus -, dass es mindestens drei Perioden gibt, über die die bürgerliche Geschichte oder Geschichte des Privateigentums durch eine Geschichte des Kommunismus abgelöst wird: bei vorausgesetztem revolutionären Weg, also einem tatsächlichen Aufstand der Arbeiter und der Aneignung der Macht durch sie, haben wir es zunächst als kommunistisch mit dieser Macht zu tun. Und maximal über eine Wirtschaftspolitik mischt sich diese Macht in die Produktionsverhältnisse ein oder macht sie sich als kommunistische Macht geltend. Diese ersten Produktionsverhältnisse sind zunächst nichts als private Verhältnisse. Selbst dort, wo schon volkseigene Betriebe entstanden sind, bewegen sie sich nach den Gesetzen der Ökonomie des Privateigentums, d.h. wertökonomisch. Sie verhalten sich also ökonomisch gesehen entgegen ihrem neuen, eigentlichen Eigentumstitel. Eine Wende in dieser Frage kann erst erfolgen, wenn gesellschaftlich die Bedingungen einer Planwirtschaft geschaffen werden, auch institutionell, und wenn von diesen Institutionen der Planung die Ausübung der ökonomischen Macht über die Arbeit erfolgt. Dann erst beginnen Produktionsverhältnisse des Kommunismus zu wirken und steht ein – dann vollendeter – Charakter des Volkseigentums in Harmonie mit seinen Arbeitern und seinem ökonomischen Prinzip. Jedoch ist dies erst die zweite, noch nicht die volle/vollendete Periode des Kommunismus, denn noch gilt in der Arbeit die Arbeitszeit als Maß für die Aneignung. Jedoch gilt dies nur für die Form der individuellen Konsumtion, nicht mehr für die ökonomische, also Aneignung durch die Produktion; diese wird schon mit der zweiten Periode direkt und unmittelbar völlig kommunistisch, d.h. wird eine Aneignung nach dem Bedarf der Produktion. Es tut sich ein anderes, auch anderes dialektisches Verständnis der Periodisierung des Kommunismus auf; das verbietet, von der ersten Periode des Kommunismus, auch Sozialismus genannt, als einer eigenen Gesellschaftsformation oder -ordnung, verschieden vom Kommunismus, zu sprechen. Elemente des Kommunismus beginnen früher, wie Elemente der bürgerlichen Ökonomie auch früher enden. Kommunistische Produktionsverhältnisse dürfen nicht einseitig an der Methode der Verteilung nach dem Bedarf in der individuellen Konsumtion bestimmt werden, sie bedeuten vielmehr eine gesellschaftliche Veränderung mit vielen Seiten. Die dritte Periode beginnt historisch gesehen in Elementen bereits in der zweiten Periode des Kommunismus und setzt auf dem Gebiet der individuellen Konsumtion zuletzt, mit ihrem letzten Element ein, wenn auch dort nach Kriterien des Bedarfs verteilt werden kann. Hier kann es, da es sich in der Voraussetzung um Produktionsfortschritt, um ökonomisches Wachstum handelt, auch Rückschläge, sich in die Länge ziehende oder sich verkürzende Phasen geben, aber vom Prinzip geht es immer und nur um diesen Übergang. Ein solcher Wechsel vom Maß der Zeit zum Maß des Bedarfs gilt aber, wie schon gesagt, nur für die individuelle Konsumtion. Für die gesellschaftliche Konsumtion dagegen, also die Aneignung durch die Betriebe und den Staatsverbrauch, beginnt die Aneignung nach dem Bedarf schon in der Periode der reinen Macht, also unmittelbar nach der Übernahme der Staatsgewalt durch die Arbeiter, d.h. ebenfalls früher als erst in der zweiten Periode. Ökonomisch, für die Betriebe relevant, wird Aneignung nach dem Bedarf ab der Periode der Planwirtschaft. Warenproduktion (Wertökonomie), also bürgerliche Form der Produktionsweise als Prinzip der Aneignung (!), kommt in keiner der drei genannten Perioden, auch in der ersten nicht, im vollen Sinne des Wortes vor, mit der Abkehr von der bloßen Macht und dem Übergang zu Machtformen der Planwirtschaft quasi gar nicht mehr. Als letztes bürgerliches Medium bleibt das Geld, das in der individuellen Konsumtion bis in den Kommunismus hinein aufrechterhalten werden muß. Was das Geld aber nicht mehr, in keinem Falle mehr – außer der ersten Periode und hier aus Gründen der noch nicht entwickelten ökonomischen Verhältnisse – darstellt, ist ein Wertverhältnis der Arbeit. Es liegt kein Interesse beim Kommunismus vor, ein auf dem Wert begründetes Eigentum ökonomisch, d.h. eben per Geld, anzuerkennen. In der Ökonomie unterliegt das Geld dem selben Prinzip der Verteilung wie der Gebrauchswert, d.h. es führt keine von diesem unabhängige Bewegung aus. Das Geld wird von der Gesellschaft (ihren Institutionen) verteilt wie die Gesellschaft Rechte auf Gebrauchsgüter – die ja immer einen konkreten Verbraucher haben – verteilt bzw. zuordnet. Damit hört es auf, ein besonderes Eigentum (oder Interesse) zu sein oder hört das Eigentum auf, überhaupt die Form Privateigentum zu haben. Das Geld, welches Rechte auf die Konsumtion vermittelt, unterscheidet sich von einem Geld, das Rechte auf die Produktion vermittelt, wie der Kommunismus vom Kapitalismus. Es gehörte zum Grundirrtum der kommunistischen Wissenschaft, den Wechsel im Charakter des Geldes im Sozialismus, seiner ersten Phase, nicht zu erkennen und es zu einem Neutrum der Geschichte zu machen – mit allerdings immer dem gleichen Charakter: Wertmaß zu sein. So konnte im Bewußtsein der Menschen, insbesondere der kommunistischen Wissenschaftler, nicht die bürgerliche Produktionsweise, die Warenproduktion verschwinden und der Charakter des Kommunismus nicht als der eingetretene gesellschaftliche Wandel hervortreten. Die Gesellschaft … stagniert: im Bewußtsein. Die Kommunismus war weiter gediehen als seine Menschen. Nicht der Kommunismus hat den Menschen, die Menschen haben dem Kommunismus ein Bein gestellt.
Fazit: Eine Verwerfung des realen Sozialismus ist in keiner der genannten drei historischen Perioden, in der der Kommunismus bisher praktisch existierte, notwendig und gerechtfertigt. Wir müssen von einer negativen bis negierenden zu einer positiven bis positiveren Auffassung vom realen Sozialismus zurück (oder voran) kehren.
Unser Vorschlag an den 17. Parteitag der DKP
Der Abschnitt “Ursachen der Niederlage” im Programm der DKP (Antrag an den 17. Parteitag) ist ersatzlos zu streichen. Das Programm, sein Teil “Die Ursachen der Niederlage”, sind nicht auf dem Boden der Tradition der DKP im Verhältnis zum realen Sozialismus entstanden, sie entsprechen keiner früheren Einschätzung der DKP. Sie sind entnommen aus unmittelbar im Zusammenhang mit dem Ende des realen Sozialismus geäußerten Überlegungen einer schnellen, auch voreiligen Kritik am Sozialismus, wobei unterschiedliche politische Kräfte Pate bei ihrer Entstehung spielen. Ihre Übernahme durch die DKP betrachten wir als Fehler. Es ist nicht unsere Aufgabe, die nachträgliche Begründung für diese Einschätzungen zu liefern oder einfach in der Begrifflichkeit zu übernehmen, in der sie bisher dargeboten werden. Unsererseits werden wir uns um eine tiefergehende Einschätzung des realen Sozialismus bemühen, zu der wir Mitglieder und Sympathisanten der DKP auffordern.
Was geschähe, wenn die DKP ihrem Programm den Abschnitt “Ursachen der Niederlage” nicht entzöge? Nichts, was nicht schon geschehen. Sie entzöge sich nur dem Mainstream. Sie machte nur etwas für sich. Nicht einen Schritt daneben, sondern einen voran sollte sie tun. Das wär’s dann.
Hermann Jacobs. Berlin
Der Dissens über die Warenproduktion |
Hermann Jacobs: Zum historisch erreichten Stand der sowjetischen Wissenschaft / Überblick und Wertung
Bis zu welcher geschichtlichen Höhe ist die sowjetische ökonomische Schule des Sozialismus resp. Kommunismus vorgedrungen?
Mit dem Wichtigsten möchte ich beginnen: Die sowjetische ökonomische Schule des Kommunismus hat ihre maßgebliche Aufgabe, wie die Ökonomie der kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Praxis auszusehen habe, in einer hinreichenden Weise gelöst. Mit anderen Worten: die 70 Jahre russischer sozialistischer Revolution haben ausgereicht, die Ökonomie des Kommunismus zu bestimmen, wir brauchen nicht mehr Suchende zu sein, sondern können Lernende werden. Diese Auffassung sei hier unbeschadet des so genannten Endes (oder auch Aufgabe) des Kommunismus in der Sowjetunion in gesellschaftlicher Hinsicht vertreten.[13] Der Kommunismus ist also ökonomisch erkannt. Das geht weit über Marx und Engels hinaus, das ist auch mehr, als Lenin schon für die sozialistisch-kommunistische Praxis formulieren konnte, denn die entscheidende Arbeit wurde erst nach seinem Tode geleistet – als nämlich die Planwirtschaft begann. Das heißt, in der Frage des kommunistischen gesellschaftlichen Anspruchs ist der Schritt von einer theoretischen Vision (wenn auch wissenschaftlich begründeten Vision) zur praktischen Realität getan worden, der wissenschaftliche Kommunismus ist heute Theorie einer Praxis, also auch in einem wahren Sinne erst wissenschaftlich. Die Zeit des Denkens, auch Ausdenkens (anhand der Widersprüche des Kapitalismus), was denn ein Kommunismus sei oder zu sein habe, ist vorbei. Es ist das größte Lob, das der sowjetischen Schule des Kommunismus ausgesprochen werden kann. Man muß hier allerdings hinzufügen, dass sich diese gute Meinung von der Sowjetunion, ihrer ökonomischen Wissenschaft oder ihren ökonomischen Wissenschaftlern, nicht vertreten lässt, ohne dass wir uns in einen Widerstreit zur sowjetischen ökonomischen Wissenschaft begeben, d.h. wir haben eine höhere Meinung von ihr als die sowjetische Wissenschaft von sich selbst.
Sie ist nämlich keineswegs der Meinung, dass sie Hinreichendes zur Ökonomie des Kommunismus gesagt hat. Wenn sie auch eine eigene ökonomische Praxis hatte, war sie nie, zu keiner Zeit, der Meinung, dass diese schon die richtige sei. Die Theorie vom Kommunismus hat nie die Praxis des Kommunismus in der selben Einheit, mit dem selben Respekt begleitet, in der diese vorging. Wobei es zwei Perioden gibt, hier den Dissens von Theorie und Praxis zu bestimmen. Nach der Revolution, aber noch vor dem Beginn der Planwirtschaft, ging die „Theorie“ vom Kommunismus der Praxis des Kommunismus voran, trieb die Theorie die Praxis vorwärts oder war die Praxis der Zweifel an der Theorie[14] (d.h. mußte die Theorie sich aus sich heraus bestätigen); nach dem Beginn der Planwirtschaft aber drehte sich das Verhältnis, ging die revolutionäre Praxis der Theorie voran und hemmte (!) die Theorie die Praxis, formulierte die Theorie eine „Praxis“, die nicht die der Praxis war, nicht deren direkte, also auf die eigene Praxis bezogene Fortsetzung war. D.h. die Theorie vom Sozialismus wird minder aussagekräftig für den Sozialismus als die Praxis des Sozialismus.[15] Es ist also noch immer so, dass der sowjetischen Praxis die Theorie nachgeliefert werden muß. Das jetzt erst die Theorie des Kommunismus kommt, ist … normal.
Das ist gewiss ein merkwürdiger Gegensatz, der den realen Sozialismus (in der Sowjetunion) da ergriff. Die Praxis war „schlicht“ (gerade, einfach) – und historisch weitergehend gereift, die Theorie etwas „üppiger“ – und zugleich auch „rückständiger“ geraten, d.h. ging auch mit einigen Prämissen – und auch Projekten – schwanger, die, realisiert, eine Korrektur der „einfachen“ Praxis bedeutet hätten, und zwar ziemlich grundsätzlicher Art.[16] Der sowjetischen ökonomischen Wissenschaft haftet etwas Janusköpfiges an; sie trifft richtige Aussagen, denen in anderen Aussagen der Boden entzogen ist. Um das doppelte Gesicht der sowjetischen ökonomischen Theorie – einerseits der Praxis zu entsprechen, andererseits diese zu diffamieren – endlich zu überwinden, muß man die sowjetische Wissenschaft wohl spalten, d.h. auseinanderlegen in den Teil, der bewahrt werden muß, und den Teil, den man getrost in den Orkus der Geschichte werfen kann.
Es ist der merkwürdige Umstand eingetreten, dass das Ende des Sozialismus auch das Ende derjenigen unter den sowjetischen Wissenschaftlern bedeutet, die den Kommunismus als hinreichend erkannt/praktiziert betrachteten. Es ist Tatsache, dass sie mit dem Ende der Sowjetunion verschwunden sind; ich weiß von keinem sozialistischen (namhaften) Ökonomen noch, der den Sozialismus, soweit er „offiziell“ bestimmt worden, verteidigt. Sie sind entweder verstummt oder zum Lager ihrer früheren Gegenspieler „übergelaufen“. Umgekehrt besetzen die damaligen Gegner des offiziellen Kommunismus sowohl die Rede- als auch Schreibebühne. Ihre frühere Kritik am realen Sozialismus scheint durch eben das Ende einer Gesellschaft bestätigt, der Kommunismus, so wie er realisiert worden, nicht lebensfähig zu sein. Früher, d.h. noch innerhalb des realen Sozialismus, erschien das in ihrer Kritik an seiner Realität, heute einfach darin, dass wir es wieder nur mit der kapitalistischen Gesellschaft zu tun haben. (Man muß allerdings beim russischen heutigen Kapitalismus von einem besonderen Kapitalismus ausgehen; er ist viel stärker durch den Staat geprägt, als jeder andere Kapitalismus in der entwickelten kapitalistischen Welt, und auch als jener Kapitalismus, der für die restaurative Phase Rußlands wohl “geplant” war. Die Praxis der Restauration in Rußland unterschreitet die Theorie der Restauration in Rußland).
Ich schlage vor, dieser Konsequenz – die Kommunisten zwingt, die Revolution (nach der Revolution) zu verwerfen und den Reformismus anzunehmen, also sie von vornherein dazu verpflichtet, eine politische Revolution nur für den ökonomischen Reformismus zu machen – die Gefolgschaft zu verweigern, trotz des beschämenden Endes des Sozialismus, trotz des Verstummens seiner Ökonomen, der ganzen Geschichte zum Trotz. Wir nehmen das Ende des Sozialismus nicht an, basta.
Dann müssen wir allerdings theoretisch dominieren. Als erstes bemühen wir uns um eine klare Sprache, und als zweites um das richtige historische Verständnis von Etappen, Übergang, Phasen des Übergangs usw., also um die Periodisierung des Kommunismus.
Wir wollen uns also mit diesem merkwürdigen Widerspruch auch der sowjetischen ökonomischen Wissenschaft beschäftigen, von geregelter Praxis – die übrigens im Prinzip, auch in der Form, bis 1990 ungebrochen galt – und ungeregelter Theorie gewesen zu sein – und wohl noch immer zu sein.
Für kommunistische Parteien heute und morgen ergibt sich die Frage, wie sie sich orientieren sollen. Noch immer auf die so genannten orthodoxen, oder auf deren viele Kritiker in allen möglichen „Ecken“ der sozialistischen Gesellschaft? Die einen waren zwar praktisch – und an der Macht, d.h. waren die real Gestaltenden des Sozialismus, sind letztlich aber „durch die Geschichte“ nicht bestätigt worden – wenn wir die Jahre ab 1989 eben so, d.h. als Ende des Sozialismus, werten wollen -, die anderen „ohnmächtig“, aber letztlich „bestätigt“ – wenn auch nicht praktisch, d.h. die innere Kritik am Sozialismus führt zu keinem anderen praktischen Sozialismus; die Reformer sind, trotz der „Bestätigung“ durch die Geschichte, immer noch nur theoretische Projektanten und die Reform immer nur noch angedachtes Projekt. Es gibt einfach den Sozialismus der Reform nicht.
Soll man an die Frage eines wiederholten Sozialismus so herangehen, dass man zu dem zurückkehrt, was schon praktisch war, oder soll man zu dem übergehen, was die Reformer/Kritiker des realen Sozialismus wollten? Soll man – so kann man auch sagen – sofort wieder auf Revolution setzen, oder soll man a priori auf Reform/Reformismus setzen. Wir bedenken: Die Revolution (die Staatsnahme), der „harte Weg“, führt zur ökonomischen Revolution (simpel gesagt auch zu Stalin zurück), der „weiche“ Weg, der Reformismus, könnte die Sache des Sozialismus in einer schier ewigen Debatte versanden lassen, ohne praktisch werden zu können. Reformismus geht ständig mit Restauration schwanger. Einmal in das Denken und Handeln zurückgekehrt, sucht der Reformismus ständig nach dem gemäßen politischen Überbau seiner ökonomischen Reform.[17] Die Realität des Reformismus bestand nur darin, dass sie unter Bedingung einer realen Revolution formuliert wurde, außerhalb dieser realen sozialistischen Macht, also ab heute, unter kapitalistischer Bedingung, bleibt die Reform, der reformierte Sozialismus, nur ein propagandistisches Projekt: ein Knochen, auf dem wir ewig herum kauen werden.
„Reale“ reformerische ökonomische Projekte setzen den des Staates mächtigen Kommunismus voraus, also in jedem Fall den revolutionären, antikapitalistischen Flügel der Arbeiterbewegung an der Macht im Staat. Aber es fragt sich natürlich, ob dann, wenn Macht zurückerobert ist, sich die Revolution die „Schwäche“ erlauben soll, reformistisch weiter zu marschieren, d.h. das, was sie vor der Revolution verwarf, nach der Revolution überzustreifen (das, was sie politisch verwarf, ökonomisch überzustreifen)? Aber das soll ja „Lehre aus dem realen Ende des Sozialismus“ sein. Nicht irgendeiner, sondern ausgerechnet revolutionärer Sozialismus soll ja nicht lebensfähig sein. Stimmt das?
Der Sozialismus ist Planwirtschaft, aber ist er – “ergänzend”, “darüber hinaus”, von „innen her“ – auch Warenproduktion? Das etwa war wohl die Frage. Sie spaltete das, was Einheit schien, in einen Gegensatz, der sich aber für Einheit ausgab, d.h. in beiden Erscheinungen dem Gleichen, dem Sozialismus, dienen wollte. Der Sozialismus war einerseits Praxis, und hier der Planwirtschaft, aber andererseits auch Absicht diese zu reformieren, und hierdurch Warenökonomie. Die Lage in der sowjetischen ökonomischen Wissenschaft war die, dass sie eine Gegenwart hatte, aber auch sofort einer Zukunft verpflichtet zu sein schien, die über die Gegenwart hinaus wies; und diese war durch die warenökonomische Reform belegt! Durchaus nicht nur von den warenökonomischen Reformern belegt, der Zweifel, wohin geschichtlich zu gehen war, hatte ja gerade die planwirtschaftlichen Ökonomen ergriffen, was viel wesentlicher war, die Reform hatte ja gar keinen Gegner, bis heute übrigens. Uns tritt überall der warengläubige Kommunismus als der Kommunist/Marxist entgegen, der Zweifel, dass das falsch ist, hat den Kommunismus/Marxismus noch nicht ergriffen. Die höhere Entwicklung der Planwirtschaft schien die Warenproduktion zu sein. Und das sollte kein Im-Kreise-Laufen sein. Die Planwirtschaft, so wie sie realisiert, schien keine Praxis (oder Gesellschaft) von langer Dauer zu sein. Das war resp. ist noch immer ein doch recht merkwürdiger Widerspruch: In der Gegenwart die Vergangenheit als Zukunft zu entdecken.
Der Widerspruch in der theoretischen Erscheinung der sowjetischen ökonomischen Schule mußte einfach jedem vom Kommunismus Überzeugten die Verve nehmen.
An und für sich war die sowjetische „Debatte“ eine „ewige“, d.h. sie begann als die Sowjetunion begann; sie ist eine Geburtsdebatte des Sozialismus. Und doch konzentrierte sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt auf J. W. Stalin. Warum diese plötzliche Personifizierung der Debatte – und warum diese politische Ebene; zuvor hatte sie doch nur die Wissenschaftler berührt? Ganz einfach: Weil sie eine Frage der Politik, der politischen Form der Revolution wurde! Ab der gekonnten Planwirtschaft war die Alternative zu einer vor sich hinschwärenden Theorie da. Das Problem war, dass Stalin „plötzlich“ auf einer Kontinuität bestand, die als solche nicht vorausgesetzt schien. Sie besteht einfach in der Definition des Volkseigentums als Gegensatz, in dem es zum bürgerlichen Eigentum oder bürgerlichen Produktionsverhältnis steht. Planwirtschaft ist ein Produktionsverhältnis! In den 20er Jahren konnte man sich sowohl diese, als auch jene Meinung bilden; mal war es Ware oder ging es um Warenproduktion, mal keine Ware und ging es um diese nicht. Aber Stalins Forderung, Volkseigentum sei keine Warenwirtschaft – denn für das Volkseigentum, seine Produktionsmittel, hob er dies hervor -, brachte plötzlich auch Kontinuität in die Vergangenheit hinein, und zwar zur kommunistischen Politik hinein, diese war jetzt erst eindeutig definiert. Erst in der ökonomischen Form kann eine Politik eindeutig definiert werden, d.h. erst in der “zweiten” Phase des Aufbaus des Kommunismus kann die erste “Phase” des Kommunismus – die der “bloßen” kommunistischen Macht – eindeutig definiert werden.
Plötzlich war klar – und dafür sprach auch die Autorität, die Stalin besaß (die Autorität des Sozialismus hatte Farbe bekannt!) -, dass es eigentlich immer schon um „Nichtwarenökonomie“ gegangen war – sofern es um Volkseigentum gegangen war.[18] Plötzlich ging es um Einheit, man hatte „einer Meinung“ zu sein. (Ich meine das hier im objektiven, sachlichen Sinne, wie Marx das einmal formuliert hatte: „Das begreifende Denken kann nur dasselbe sein“.) Stalin hieß, sich endlich von einer an sich überflüssigen Debatte, sich von ihrem an sich überflüssigen Gegenstand zu lösen, hieß mindestens, ihn jetzt für gegenstandslos zu erklären (in dieser gegenübergestellten Art) und sich dem neuen Gegenstand, eigentlichen Sozialismus, zuzuwenden. D.h. die Revolution war immer Trennung von der bürgerlichen Produktionsweise. Dies also der Sinn der Stalinschen Aussage, jetzt wird das klarer denn je. Er hatte keineswegs eine ausformulierte Theorie vorgelegt, aber diese Theorie wäre jetzt zu schaffen gewesen. Die ökonomische Lehre hatte/hätte sich jetzt (endlich) ausnahmslos auf den Boden der Planwirtschaft zu stellen gehabt, sie hätte die jeweiligen Etappen, Formen, „Gesetze“, herauszuarbeiten gehabt, in denen sich der „Nichtwarencharakter“[19] des Volkseigentums in der Sowjetunion durchgesetzt hatte; was die erste Etappe, was die zweite war, in welcher stand man jetzt? Allen Lesern der Hinweis, dass es um diese Kontinuität auch zu gehen hat – wenn man an der anderen Gesellschaftsordnung interessiert ist. Aber mir scheint, um einen solchen Kommunisten mit einer solchen Kontinuität muß man noch werben.
Die sowjetische ökonomische Schule befand sich 1952 (es hätte auch schon 1939-40, ab der zweiten Hälfte der Dreißiger Jahre sein können) an der Schwelle ihres Übergangs zum bewußten (bewußteren) Kommunismus. Stalins Definition war der Anfang dieses Bewußtseins.[20] Noch historischer: Sie knüpfte an das Gedankengut von Marx und Engels an. Die “bloße” Theorie war bestätigt! Genauer: Nicht Stalin an sich war der Wendepunkt, sondern das Volkseigentum, das an seine Planwirtschaft geraten war. Es war das Volkseigentum aktiver Planwirtschaft, die Aussage zum Volkseigentum bzw. zur Beziehung des Volkseigentums zur Warenproduktion hatte plötzlich nicht mehr nur den theoretischen Wert, wie er beispielsweise den Aussagen von Marx 70 Jahre zuvor zu diesem Thema zukam, sondern sie hatte unmittelbar praktische Auswirkung. Sie forderte auch andere (!) „Ware-Geld-Beziehungen“ (andere Entwicklungen in diesen) ein als jene noch, die in den 20er Jahren, vor dem Beginn der Planwirtschaft in der Sowjetunion, galten. Es ging also auch nicht um andere Ware-Geld-Beziehungen im Sozialismus als im Kapitalismus, sondern um andere als in der ersten Periode der Sowjetunion! Es rieben sich einfach zwei Epochen des Sozialismus einander; eine neue, und in diesem Sinne eigentliche des Volkseigentums, des Sozialismus in seiner reinen Form, hatte begonnen. Man mußte sie wollen – oder nicht wollen. Wer nicht wollte, begriff plötzlich, dass es um einen, um seinen Bestand ging. Das ist nun politisch zu verstehen. Es war ja eine gesellschaftliche Frage; es ging um diesen oder jenen weiteren Weg der Sowjetunion.
Was dann aber, nach 1952, in der Sowjetunion auf dem Gebiete der Theorie begann, ist schwer zu begreifen. Aus irgendeinem Grunde – nicht Stalins Grund – hatte sich die sowjetische Wissenschaft in die Warenproduktion verliebt. Sie „entdeckte“ plötzlich (es war eine Entdeckung aus dem Geist heraus, nichts an der Praxis hatte sich geändert), dass es im Sozialismus, der ersten Phase des Kommunismus, noch um „wirkliche Warenproduktion“ gehe, ihre Notwendigkeit entstehe aus dem Innern des Volkseigentums, des Sozialismus. Plötzlich war Warenproduktion kein bürgerliches Relikt mehr, aber auch kein durch Staat und Plan zu beherrschender Gegenstand mehr, sondern ein … freizusetzender! Der Gegensatz beider Aussagen konnte nicht größer sein und nur so entschieden werden, dass eine von beiden weichen mußte. Da dies nicht der Sozialismus als solcher sein konnte – dafür war die Gesellschaft doch zu stark -, so doch Stalin, so doch die – neue oder nicht neue? – Theorie Stalins; man kann die Sache drehen und wenden wie man will, aber mit Stalin fiel der Sozialismus als Subjekt. Der Sturz Stalins – in seiner theoretischen Aussage für die Warenökonomie im Sozialismus oder richtig: für das Volkseigentum und sein Verhältnis zur Warenproduktion – hatte die Bedeutung des Sturzes des Sozialismus, d.h. in seinem, Stalins Sturz, war dessen Sturz angekündigt.
Stalin hatte eigentlich nur die bestimmende Aussage für den Sozialismus, oder das Volkseigentum, getroffen, Gegensatz zur bürgerlichen ökonomischen Gesellschaft zu sein. Das war keineswegs eine Sensation, sondern das war eine natürliche Aussage für den Sozialismus; eine andere als eine Warenökonomie aufzubauen, ist die natürliche Aussage für die Arbeiterbewegung insgesamt (entweder eigene Gesellschaftsordnung – oder es sind Kommunisten nicht notwendig). Bezieht man die Aussage Stalins auf Marx, kann nur von Kontinuität die Rede sein, keinem Bruch. Neu im Unterschied zum Theoretiker kann nur ein Praktiker des Sozialismus sein, aber das ist eine Entwicklung, kein Bruch.
Es schien jedoch ein Bruch der Praxis zur Theorie gegeben – am Beginn der Sowjetunion, aber Stalins Definition, die für die Eigentumsform getroffen, hat mit diesem Schein aufgeräumt. Aber die Frage ist ja, ob man auch in Bezug auf den historischen Anfang der Sowjetunion – in Bezug auf Stalins Definition des Volkseigentums, die er erst 1952 getroffen hat – von Kontinuität sprechen muß. Wir werden uns hier vor der logischen Definition Stalins ihrer historischen Bedeutung bewußt, die über den Zeitraum, für den sie als logische getroffen ist, hinaus reicht. Genau genommen hätte es die erste Periode der Sowjetunion, ihre 20er Jahre nicht geben dürfen, um von Stalin nur als einer Kontinuität der kommunistischen Bewegung zu sprechen, denn Stalin – oder dann die zweite Periode der Sowjetunion -, knüpft nahtlos an Marx, an den Marxismus an.
Um von Bruch, von Stalin (im Eigentlichen der Planwirtschaft) als Bruch, zu reden, muß man schon die „erste Periode“ des „Sozialismus“ als Maß heranziehen. Dieser gegenüber entsteht der „Bruch“, allerdings, muß man hier hinzufügen: Nur der Schein des Bruchs. Die 20er Jahre müssen ebenfalls richtig gedeutet werden.[21]
Der Widerspruch der sowjetischen Ökonomie ist Betrachtern nicht verborgen geblieben, international weitgehend sogar reflektiert worden – und auch geteilt worden, d.h. es wurde ein Widerspruch des Kommunismus insgesamt von im Grunde existentieller Bedeutung -, und fragt man nach dem, was von der sowjetischen ökonomischen Schule auf unsere Zeit, auf heutige kommunistische Parteien überkommen ist, muß man nüchtern sagen: die Theorie, einige ökonomische Projekte die diskutiert worden sind, mehr als die damalige Praxis. Heutige Kommunisten wissen weniger von der Planwirtschaft in ihrer Realität als von den Projekten der ökonomischen Reform in ihrer Vision, sprich der Warenproduktion im Sozialismus. Das besondere Thema der sowjetischen Wissenschaft fand – und findet – mehr Aufmerksamkeit als das allgemeine Thema, Momente des Erhalts der alten, marktwirtschaftlichen Ökonomie mehr als die Momente der neuen, planwirtschaftlichen. Wir wollen hier unter dem Gesichtspunkt ihres inneren Widerspruchs, des Themas, über das sich die sowjetische Ökonomie nie einig geworden ist und über das sie sich letztlich in zwei gegensätzliche Lager gespalten hat, einen kleinen Überblick geben, wobei es im wesentlichen darum geht, die Gegenmeinungen selbst wiederzugeben, damit Marxisten eine Orientierung möglich ist. Sich orientiert zu zeigen, ist ja aus mindestens zwei Gründen schier unmöglich: 1. kennt niemand die Debatten im einzelnen, kaum jemand verfügt über die einschlägige Literatur, ganz zu schweigen von deren Vielfalt und, vor allem anderen, deren Prozesscharakter, 2. wird unter dem Eindruck dessen, was den Sozialismus überlebt hat, was im Geist hängen geblieben ist, geurteilt, und das sind die Reformen; das ist aber nur der eine Teil der sowjetischen ökonomischen Schule; er war, wie schon gesagt, nicht der praktisch herrschende Teil, seine „Herrschaft“ von heute, die allerdings schon ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre einsetzte, ist ausschließlich theoretischer Natur. Und diese wollen wir brechen. (Was meine Person betrifft, betreibe ich die Enteignung der Gegenseite schon seit fast 4 Jahrzehnten, und wenn gefragt wird: Warum mit so geringem Erfolg?, dann die Antwort: Wegen der Herrschaftsverhältnisse in der Theorie, die andere waren als die in der Praxis (das ist eben der Widerspruch der beiden Schulen; er ist einer von praktischer Herrschaft der „Orthodoxen“ – oder auch Anhänger Stalins – und theoretischer Herrschaft der Unorthodoxen, der Stalin-Kritiker oder eben Reformer) – die Herrschaft der Unorthodoxen in der Theorie (übrigens bis heute[22]) verhinderte, dass die Kritik die Theorie ergreifen konnte; der Kommunismus war theoretisch blockiert – durch die Reformen/Reformer. Es ist also manches anders als man denkt).
Wir behandeln im weiteren das historische und das logische Problem der sowjetischen ökonomischen Wissenschaft. Historischer Natur ist das Nacheinander, in dem in der sowjetischen Geschichte das ökonomische System der Planwirtschaft entsteht, wird, in der Logik geht es um die Erfassung ihrer Verhältnisse im Zusammenhang, geht es um die Einheit des vorrevolutionären mit dem revolutionären Marxismus. Zunächst aber ein sachlicher Hinweis.
Wir sind leider nicht über den gesamten Verlauf der systematischen sowjetischen ökonomischen Debatte informiert, die noch vor dem 2. Weltkrieg in der Sowjetunion begann, ab 1951/52 wieder aufgegriffen wurde und 1954 im ersten Lehrbuch auch ihre erste allgemein gebilligte Lehrform erreichte. D.h. unser Wissen reduziert sich auf die Debatte, soweit sie im Lehrbuch widergespiegelt worden ist, resp. reduziert sich auf Stalins Bemerkungen dazu, die zum Stein des Anstoßes gerieten; oder mit anderen Worten: Es gibt kein Protokoll dieser Debatte selbst. Noch weniger – d.h. in der Regel nur reflektierend in historischen Abrissen[23] – wissen wir von den Debatten sofort nach der Oktoberrevolution, in den 20er Jahren; uns fehlen die Einblicke in die Originale; wenn noch erhalten, so sind sie kaum in andere Sprachen übersetzt. Allerdings unterscheidet sich die Diskussion zur Ökonomie des Sozialismus ab 1941 von den bisherigen Debatten insofern, als sie erst in diesen die geschichtliche Dimension erfährt, die sie verdient: Sie baut endlich auf einer realen Planwirtschaft auch auf. D.h. die Planwirtschaft, die Praxis als solche, gibt der Ökonomie ihren Gegenstand vor. Damit wird nicht der Wert der Debatten, die schon ab Beginn der Revolution resp. ab Beginn der 20er Jahre in der Sowjetunion geführt wurden bzw. wird auch nicht deren Beitrag zur Systematik der Theorie geleugnet, aber ab den 30er Jahren beginnt eben die Planwirtschaft der Realität nach, und in der Debatte ab 1941 ging es um die Verarbeitung dieser Realität. Man muß das schon so sagen, wenn es auch schwerfällt: Nicht in seinem ganzen politischen Kampf, im Angesicht der Millionen von Opfern, wird der Kommunismus und Kommunist bestätigt, sondern erst mit dessen Resultat. Man muß wirklich bis zur eigenen Gesellschaftsordnung vorstoßen ehe man sagen kann, dass die kommunistische Politik geschichtlich ist.
Man muß diese Umkehrung im Verhältnis von Subjekt und Objekt, oder Kommunist und Kommunismus, beachten, die mit dem Beginn der geplanten Wirtschaft begann. Sie ist ein Maß damit für die nachfolgenden Debatten, für die darin geäußerten Theorien und Auffassungen. Sie können dem Objekt entsprechen oder widersprechen, das heißt: Es ist nicht mehr Alles und Jedes an Meinung erlaubt, aber wenn sich jemand Alles und Jedes in der Theorie erlaubt, ist das bereits ein Verstoß gegen die Objektivität. Es tut mir leid, das so zu sagen, aber mit dem Beginn der Planwirtschaft, gleichzusetzen mit dem Beginn der neuen, kommunistischen Gesellschaft, endet die „Pluralität“ der unmittelbaren nachrevolutionären Periode, aber ist es ein Verstoß gegen die Logik der Geschichte, jetzt zu glauben, sie, die Pluralität, beginne erst oder leite gar in eine höhere Form über. Nein, es beginnt die Ein-Förmigkeit einer Gesellschaft, die eben nur noch kommunistisch sein kann (oder sie ist nicht kommunistisch und wird es nie).
Das historische Problem – schon volkseigene Betriebe, aber noch Privateigentum (umfassender Art) – bedeutet für die sowjetische oder sozialistische Ökonomie im allgemeinen, dass dem warenökonomischen Teil der sowjetischen Ökonomie (oder Ökonomen) optisch in die Hände gearbeitet wird. Bevor wir es mit Planwirtschaft zu tun haben, haben wir es mit Warenökonomie (noch mit alter Ökonomie, mit bürgerlichem Verhalten in der Ökonomie) zu tun – dem scheinbar ersten ökonomischen Projekt – oder Verhältnis – des Sozialismus. Wenn wir alles, was nach der Revolution beginnt, als Sozialismus bewerten, steht die Warenökonomie durch Sozialismus optisch vor der Planwirtschaft des Sozialismus. Warenökonomie im „Sozialismus“ scheint älter, ursprünglicher als Planwirtschaft des Sozialismus.
Wir definieren zwar die sozialistische Ökonomie als die Ökonomie der Planwirtschaft; Planwirtschaft muß vorausgesetzt sein, damit von einer Ökonomie des Sozialismus der Realität nach die Rede sein kann.[24] Aber das Problem der Entstehungsgeschichte des Sozialismus besteht darin, dass er aus einer Vorstufe vor der 1. Phase des Kommunismus (gemeinhin als Sozialismus bezeichnet) in diese „Phase“ eintreten muß. Auch in dieser Vorstufe, Vorstufe damit vor der Planwirtschaft, werden Verhältnisse resp. scheinen Verhältnisse schon auf proletarische (sozialistische) Weise bestimmt zu werden, aber oft auf eigenartige Art und in Verbindung mit noch anderen Verhältnissen, z.B. noch durch Privateigentum geprägte. Diese Vorstufe vor der eigentlichen Aktion ist eine Zeit vieler Kompromisse. Bevor es eigentlich um die erste Phase des Kommunismus gehen kann, damit um das freigesetzte revolutionäre Verhältnis, geht es schon um Sozialismuspolitik. Manche nehmen sie für konsistent und von langer Dauer. China z.B. kostet diese Vorstufe vor der ersten Phase des Kommunismus regelrecht aus und scheint erst die Theorie – weil die wirkliche, in die Länge sich ziehende Praxis – für diese Zeit zu liefern. In der Sowjetunion währte sie aber nur kurz, in der DDR (Osteuropa) auch.
Richtig aber ist – und das ist das Kompromiß -, dass man in dieser historischen Zeit vom Volkseigentum (existiert es bereits in ersten Quantitäten) solange als Eigentum sprechen muß, solange es noch Privateigentum nach der sozialistischen Revolution gibt; Volkseigentum muß unter dieser Bedingung von Eigentumspluralität etwas Ungemäßes tun: Es muß sich abgrenzen. Es muß soviel in Geld sein, als es in Arbeit ist. Dass das nach außen, zu noch bestehenden kapitalistischen (oder warenökonomischen) Ländern gilt, ist allgemein anerkannt; dass dies aber auch nach innen gilt, muß erst erkannt werden. Es gibt dann also eine bürgerliche Form der Bestimmung des Volkseigentums – als „Ware“ und die Ware als Wertform, Wertgröße. Hier ist das Verhältnis so, dass das Volkseigentum noch nicht herrscht, indem es in seinen Verhältnissen herrscht, sondern die gesellschaftliche Verkehrsformnoch von den anderen Eigentumsformen vorgegeben ist und das Volkseigentum nur bestimmbar ist, wenn es diese Formen annimmt; es kann also nur bestimmend sein, wenn dies in der bürgerliche Form geschieht; Volkseigentum muß die beste, die maßgebende Wertform (Warenproduktion) sein.[25] Dieser merkwürdige Widerspruch ist prägend für die Vorstufe des Sozialismus vor dem Sozialismus. Er bedingt ja eine erste Sicht auf das Volkseigentum – und das Ergebnis ist ein waren- oder wertökonomisches Verhalten des Volkseigentums. Es verhält sich logisch nicht als ganzes Volkseigentum, sondern in seinen Teilen als dieses, d.h. die Betriebe des Volkseigentums im einzelnen treten ökonomisch – als zu bestimmende Größen – hervor. Alles nachlesbar bei Lenin und gültig bis etwa 1928/29.
Alle Theorien über die Warenproduktion im Sozialismus, in denen von deren innerer Notwendigkeit gesprochen wird, haben in diesem besonderen („pluralen“) Historismus – nicht der 1. Phase des Kommunismus, sondern einer Vorstufe zu dieser – ihren Ursprung. Diese Übergangsphase vor der ersten Phase ist die schwächste des Kommunismus in ökonomischer Hinsicht, aber die stärkste in ökonomischer Hinsicht für eine Warenökonomie im Sozialismus (oder in seinem weiteren Verlauf).[26]
Kein Wunder, dass man in der Theorie der Reform an dieser „Periode“ festhält und keine weitere, die darüber hinaus geht und etwas anderes bedeuten könnte, als historisch anerkennt. Der eigentliche, begründete Historismus der Sowjetunion endete demnach mit der NÖP; danach habe der Subjektivismus begonnen. Man mache die Probe auf’s Exempel! (Ich wüßte nicht, dass nach einer historischen Begründung der stalinschen Argumentation gefragt würde; Stalin bleibt nur Auffassung, erst gebilligte, dann verworfene, aber würde man ihn in seiner Ansicht historisch erklären – und dann durch was?, es gibt ja nur das Hervortreten des Volkseigentum bzw. der Planwirtschaft -, so muß man das Verhältnis Sozialismus und Warenproduktion anders bestimmen als in der Periode zuvor, d.h. man muß in der Kontinuität des Verhältnisses zu einer neuen Qualität übergehen). Dass sich der Pluralismus des „Leninismus“ oder die Freiheit der 20er Jahre auf die Einheit des „Stalinismus“ oder Ein-Tönigkeit der 30er Jahre verengt, ist – normal. Zuguterletzt hatte sich die Vielfalt auf die letzte ihrer Möglichkeiten, zwei Formen, Volkseigentum und Genossenschaft, verkürzt. Die Frage war nur noch in dieser einfachen Gegenüberstellung zu stellen. Was im übrigen Stalin tat. Die Zeit der Vorstufe wird abgelöst; dass sie endet, heißt, dass das Verhältnis der Vorstufe endet. Ende heißt, dass das Privateigentum aufgelöst wird, entweder real verschwindet, also der Enteignung anheim fällt, oder in die genossenschaftliche Position überwechselt. Dann stellt sich ein neuer Verbund zwischen Volkseigentum und nunmehr Genossenschaft ein und erfährt – das ist der Sinn des nun erfolgenden Stalinschen Durchbruchs in der Theorie – das Volkseigentum seine offene, freie Erscheinung! Es kann endlich in seinen Formen von sich sagen, was es ist. Es ist nicht Warenökonomie. Das sagt ja Stalin. Das muß er jetzt praktisch sagen, vorher konnte er oder konnte die sowjetische Wissenschaft es nur theoretisch sagen. Für manche beginnt das Volkseigentum jetzt erst. Das wäre aber falsch. In dieser Aussage Stalins – von der volkseigenen Wirtschaft (real schon ihren Produktionsmitteln) als keiner Warenwirtschaft – ist das Volkseigentum konstitutiv, als die wirklich eigene, andere Gesellschaftsformation als die bürgerliche erkannt – Volkseigentum ist immer nicht Warenproduktion. Die Frage, was das mit der Warenproduktion und Volkseigentum auf sich hat, ist also von sehr weitreichender Bedeutung für den wissenschaftlichen Charakter einer Lehre vom Kommunismus/Sozialismus, für die Frage seiner Periodisierung. Periodisierung wird ja zur Frage von spezifischer Politik.
Aber Stalin bot eine Definition der höheren Phase, der 1. Phase des Kommunismus an – sie erscheint in der Definition des Volkseigentums (als keiner Warenproduktion), aber er bot die separat, nur für das Volkseigentum zu treffende Aussage in einer Mischform an, er wählte eine Doppelform der Aussage, er band die für das Volkseigentum notwendige Bestimmung an eine für die Genossenschaft zu findende Bestimmung[27]. Er fand die richtige (!) Definition für das Volkseigentum – vorher war das historisch nicht möglich, mußte sich das Volkseigentum als vom Wesen her Nichtwarenökonomie unter der Wertform verstecken.[28] Sein Problem ist nicht, ob die Genossenschaft schon Volkseigentum (allgemeines Eigentum) ist, sondern ob sie noch Privateigentum ist. Stalin bejahte die Genossenschaft als Eigentum in dem Sinne, dass er von ihr sagte, sie tausche ihre Produkte noch als Waren mit der gesellschaftlichen Industrie. („Eine andere Form sei ihr nicht möglich“). Er setzte also in Bezug auf die Genossenschaft fort, was er oder die Vorstufe vor dem Sozialismus dem Privateigentum schon konzedierte: Ihre Produkte nur als Waren abgeben zu können. (D.h. sie müssen die Wertform besitzen, den Gesetzen der Wertgrößen-Bestimmung unterliegen; in Wertgrößen bestimmen sich ökonomische Kreisläufe, auf sie ist die gesellschaftliche Bewegung fokussiert, diese muß durch den Wert (der Ware) hindurch, Werte sind ein Panzer.)
Stalin setzte also den Status des Privateigentums und der Genossenschaft gleich, sah hier keinen Fortschritt dem ökonomischen Verhältnis nach, sah andererseits aber den Fortschritt der Industrie, sprach hier von einem neuen Verhältnis (das keines der Waren- resp. Wertform von Produktionsgütern sei), sah aber dieses nicht übergeführt, übertragen auf die Genossenschaft. So kam er zu dem merkwürdigen Konstrukt von „im Wesen keine Ware“, aber mit der „Hülle einer Ware“ versehen.[29]
Die erste Kritik an Stalin war logisch die keiner Einheit seiner Theorie (sie wurde meines Wissens erstmalig öffentlich geäußert in den beiden Artikeln von W. Batyrjow und J. Slawny im „Kommunist“ Heft 1/1954; eine Rezension des Buches „Geld und Kreditwesen in der UdSSR“, ein Autorenkollektiv, Leiter W. W. Ikonnikow).[30] Die Gesellschaft/Wirtschaft war ja – ab der Planwirtschaft – eine praktische Einheit, auch die Genossenschaft unterlag ihr ja nun; die Theorie hatte dieser praktischen Einheit zu entsprechen. Eine Kritik an Stalin war also möglich, allerdings von zwei Seiten aus; entweder, konnte man sagen, lag eine ungenügende Erfassung des kommunistischen, oder eine ungenügende Erfassung des waren- und wertökonomischen Moments der sowjetischen sozialistischen Produktionsweise vor.
Die Kritik begann damit, dass sie die Einheit der Wirtschaft formulierte. Die Kritik hatte die Chance, die Einheit, die in der stalinschen Definition theoretisch nicht gegeben schien, auf zwei Wegen einzufordern (die Stalinsche Definition bot den Ansatz zweier Wege): 1. Auf der Basis des Volkseigentums – als keiner Ware; dem sich die Genossenschaft anschloß, 2. auf der Basis des Verhältnisses des Volkseigentums zur Genossenschaft – als einer Warenproduktion, der sich das Volkseigentum „anschloß“. Entweder bezog das Volkseigentum die Genossenschaft in sich ein, oder umgekehrt die Genossenschaft das Volkseigentum in sich ein. In der einen Beziehung Erweiterung der Nichtwarenproduktion, in der anderen Erweiterung der Warenproduktion. In der einen Erweiterung des Begriffs Volkseigentums bezogen auf die Genossenschaft, in der anderen Erweiterung des Begriffs Genossenschaft bezogen auf das Volkseigentum. Also entweder Verallgemeinerung (Einheit) des Volkseigentums-Charakters, oder Verallgemeinerung des Genossenschafts-Charakters. Das letztere geht nicht, ohne die Ökonomie als praktische Einheit, als einheitlich zu behandelnde Ökonomie aufzulösen.[31]
Die in den Vordergrund tretende, überwiegende, immer mehr das Maß setzende Kritik wählte den zweiten Weg. Sie löste sich von der Stalinschen „ersten wissenschaftlichen Hypothese“ (I.I. Kusminow, „Abriß der politischen Ökonomie des Sozialismus/Methodologie“, S. 190), wonach das volkseigen produzierte Produkt „keine Ware mehr im Sinne der politischen Ökonomie“ sei (Lenin, und nun auch Stalin, Stalin mehr: „Nicht wesentlich Ware, aber mit Warenhülle“) und konzedierte auch dem volkseigenen Produkt den (echten, wirklichen) Warencharakter. Wir verfolgen resp. weisen die Trennung von Stalin nach an den Relativierungen, die die Bestimmung des Volkseigentums erfährt. Parallel dazu erfährt auch die zweite allgemeine Bestimmung im Rahmen der Produktionsverhältnisse im Ganzen, der Charakter der Arbeit, eine Relativierung: er wird zwar nicht mehr nicht als unmittelbar gesellschaftliche Arbeit definiert – das geschieht immer dann, wenn es um die Ableitung aus der Planung der Arbeit geht (dann ist sie unmittelbar gesellschaftlich bestimmt), aber es treten nun, plötzlich, zusätzliche Bestimmungen auf, die zu einer anderen Definition des Charakters der Arbeit überleiten, wie sie sich aus der Warenökonomie ergibt; also nur mittelbar gesellschaftlicher Arbeit, Arbeit, die erst einer gesellschaftlichen Vermittlung bedarf, also der Wertform bedarf. Es ist ganz unvermeidlich, dass alle Überlegungen in Richtung Wertform der Waren mit einer Spaltung der einheitlichen Lohnform im Sozialismus, einer Doppelbegründung der Lohnform, schwanger gehen.
Es gehört zu den Widersprüchen der Stalinschen These vom doppelten gesellschaftlichen Charakter der Produktionsverhältnisse im Sozialismus, dass die Relativierungen, die die Definition des gesellschaftlichen Charakters der Arbeit erfährt, noch zu seinen Lebzeiten auftreten, also von ihm auch in dem Sinne als gebilligt angesehen werden müssen, als er sie nicht kritisiert, d.h. er übergeht sie (wo sie nicht übergangen werden durften).[32] Das ist aber das Problem, dass wir von dem Augenblick an beginnen müssen anders zu denken, da die Planwirtschaft beginnt. Dann haben wir es, trotz des Erhalts der Geldform, mit einem unmittelbar gesellschaftlichen Charakter der Arbeit zu tun, d.h. mit dem diametral der Waren- oder bürgerlichen Ökonomie entgegengesetzten Charakter der Arbeit; sie bedarf der Wertform der Arbeit nicht mehr – formell geschieht das dadurch, dass die Wertform der Waren, beginnend mit ihrer ersten Erscheinung, dem Preis, stillgelegt wird; Preise werden feste, konstante Preise. Dass die Geldform ab der Planwirtschaft nicht mehr als Wertform darzulegen ist, heißt, dass Geld nicht mehr als der Tauschwert (der Wert, zu dem ausgetauscht wird) des Wertes (der Ware) bestimmt werden kann. Es beginnt inhaltlich anderes Geld, also nicht noch eine Wertform, die nun der Planwirtschaft dient, sondern Geld der Planwirtschaft, das dem Gegenstand der Planwirtschaft dient, dem Gebrauchswert[33] (Ich sagte schon, dass dieser Wechsel vom Wert als Gegenstand zum Gebrauchswert als Gegenstand, soll er in einer zweiten Form („Geld“) ausgedrückt werden, nur über ein festes Gebrauchswert-Preis-Verhältnis möglich ist, also der Unmöglichkeit das Verhältnis von Gebrauchswertmenge und Geldmenge zu relativieren – außer eben durch die Gebrauchswertmenge selbst[34]).
Wir können ihn besser begreifen, wenn wir die real erste Periode des Sozialismus nach der Revolution verstehen – die Periode des Übergangs von der bloßen Machtnahme der Arbeiter und ihrer Partei zur wirklichen Ergreifung der Gesellschaft. In dieser beginnt die Vergesellschaftung der Arbeit, teilt sich die reale Verfügung über die Arbeit aber noch mit den Resten der bürgerlichen Klasse und den nicht vergesellschaftenden kleinbürgerlichen Schichten. Hier ist also Produktion noch als Warenproduktion notwendig. D.h. hier bewegt sich die Wirtschaft auch noch relativ frei von der staatlichen Politik. Wir haben in dieser Phase zwei Dinge einzuschätzen: 1. die (schon) staatliche Politik, 2. die (noch) „freie“ (vom Staat „freie”) ökonomische Bewegung.
Aus dieser Praxis kommt die Planwirtschaft daher, wenn sie mit ihrer eigenen Produktionsweise beginnt. Sie beginnt mit ihrem eigenen Leben, indem sie die Lebendigkeit der Formen der Warenproduktion totlegt. Sie legt also das Wesen der Warenproduktion lahm, nutzt aber die Hülle, d.h. die Geldform, aber jetzt nicht, um noch immer „das Wesen des Geldes“ auszudrücken – der Tauschwert für den Wert zu sein -, sondern um die Geldform wie eine Hülle zu benutzen, um ihren Gegenstand der Ökonomie zur Erscheinung zu bringen.
Das ist der Sinn der Bemerkung, in den W-G-Beziehungen würde nicht mehr die Ware das Wesen der Produktionsweise des Sozialismus ausmachen, sondern der Inhalt ein anderer sein, sozialistischer nämlich, und würde dazu die Hülle der Ware, also die Geldform (als die äußere Form der Ware) genutzt werden.
Die warenökonomische Schule entwickelt ihre Fragwürdigkeit, wenn sie die Preise, die die Planwirtschaft erfordert, „im Namen des Sozialismus, 1. Periode“, verhindern und an den „ersten“ Preisen festhalten will. Damit bildet sie eine Bremse, ein Hemmnis der weiteren Entwicklung und orientiert rückwärts auf ein festhalten kapitalistischer Elemente anstatt auf ein Fortschreiten hin zu einer sich selbst tragenden neuen Ökonomie der Planwirtschaft.
Hermann Jacobs, Berlin
- Wir verwenden den Begriff „Kommunismus“ für alle Phasen der neuen Gesellschaft, also sowohl für die unmittelbar nachrevolutionäre Zeit als auch für die Zeit des Aufbaus der Planwirtschaft, im allgemeinen Aufbau des Sozialismus genannt, und natürlich für unser Ziel, die klassenlose Gesellschaft. Diese Wortwahl bevorzugen wir, weil darin die Kontinuität der kommunistischen Entwicklung besser ausgedrückt ist als in der begrifflichen Gegenüberstellung von Sozialismus und Kommunismus.
- Man kann also noch so viel von Konterrevolution reden – eine Position der Ablehnung des realen Sozialismus, liefe sie neben der konterrevolutionären her, könnte sich letztlich noch bei der Konterrevolution bedanken, dass sie dieses Hindernis auf dem Wege zum “richtigen Sozialismus” beiseite geräumt habe.
- Wobei diese für sich gesehen nicht falsch sein muß, sondern durchaus auch fruchtbar sein kann. Gegen demokratischen Kapitalismus haben wir nichts. Die geschichtliche Halbheit der sozialdemokratischen “Kritik” am Kapitalismus (es ist ja mehr ein direkter Dienst am Kapital) erscheint erst, wenn die eigene sozialistische Gesellschaftsordnung als Maß an die Sozialdemokratie angelegt wird. Ohne dieses Maß kann der Kommunismus nicht erscheinen, d.h. erreichte die Sozialdemokratie ein Monopol und könnte ein geschichtlicher Unterschied erst entstehen, indem ein sozialdemokratischer Unterschied entstünde.
- Da es neubegründeter Kapitalismus ist, Kapitalismus aus dem Nichts (des Kommunismus) heraus, ist er durchaus in der Lage, ein Volk zu erregen und zu begeistern. Ein Teil der Arbeitenden wird ja immer kapitalistisch, erlebt also einen neuen Frühling. Beim Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus war es übrigens genauso; begeistert war jetzt aber der andere Teil der Arbeiter.
- Ich wüßte auch nicht, dass die selbe Frage je für den Kapitalismus so gestellt wurde, nehmen wir doch nur einmal das Verhältnis Deutschlands zu England. Deutschland war rückständig zu England – welchen Kapitalismus hat es aufgebaut? Ist er je als aufzuhebender Kapitalismus notiert worden?
- Weshalb Planung nicht nur heißt, dass es “planvoll” zugeht (siehe DKP-Programm-Entwurf), sondern wenn die Planung direkt die Produktion bestimmt. Planung muß doch Bedürfnisse zum Maß des Bedarfs – der Arbeit – machen, dann ist sie Planwirtschaft.
- Dieser Punkt dürfte die Philosophen der DKP interessieren. Wie bestimmt man denn das Wesen einer Gesellschaftsordnung? Keinesfalls ausgehend von besonderen Merkmalen, die für die Gesellschaft selbst wieder nur historisch, also auch in ihr vergänglich sind. Also das Unvergängliche, der gesellschaftliche Widerspruch – wenn dieser gegeben -, das grundsätzliche Produktionsverhältnis machen die Qualität aus, und daran knüpft die Qualität der folgenden Gesellschaft an; so erscheint in der Geschichte der Menschheit eine Höherentwicklung. Und so zeigen sich die Zufälligkeiten in jeder Geschichte als beherrschbar.
- Soweit auch zur “Doppelform” Stalins, dem man ja zunächst eine demokratische Phase zubilligt – die Zwanziger Jahre -, die danach in eine absolutistische Phase hinüber gleitet. Man kann das ja sagen, aber man muß es auch erklären können.
- (Diese Fußnote ist leider verloren gegangen.)
- Man sollte nicht denken, dass die Aussicht, in den Reichtum des Kapitalismus (in die Reichen des Kapitalismus) zurückzukehren, nicht auch eine Verlockung ist. Man organisiere nur entsprechende Armut zuvor im Kommunismus, und man hat – nicht die Masse, aber: – Massen auf seiner Seite. Und so kann Konterrevolution im Kommunismus als … Revolution (“Aufstand”) der Arbeiter erscheinen.
- Im übrigen leben uns das alle Ausbeutergesellschaften vor, sie regieren a priori mit dem Absolutismus, sie kennen gar nicht erst die Möglichkeit der Mehrheit. Wo der Absolutismus perfekt betrieben, ist die Mehrheit eine Gefolgschaft.
- Und haben allen Grund dazu. Der jüngste “RotFuchs” (März 2006) bringt den Beitrag von Fred Matho (einst Akademie der Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, namhafter Autor und Protagonist des Neuen (Waren)Ökonomischen Systems der DDR): “Gilt das Wertgesetz auch im Sozialismus?” Fred Matho bejaht natürlich (“wichtige Errungenschaft”).
- Dieses Ende kann ja auch einen ganz anderen Grund haben – und hat ihn, wenn es den so genannten Zusammenbruch des Sozialismus gar nicht gegeben hat, sehr wohl aber eine Politik, die ihn herbeigeführt hat. Dann gibt es diese ganz bestimmte Absicht, und dann auch die Politik des Zusammenbruchs, aber nicht diesen selbst.
- Wesentlich Lenin (der revolutionäre Teil der Bolschewiki), d.h. die Theorie, “trieb” Rußland “vorwärts”, der Glaube an die Fähigkeit Rußlands war wesentlich ein theoretischer, aber die Praxis, das “wirkliche Rußland”, hielt Rußland fest und erschöpfte sich wesentlich in der Frage, ob denn Rußland überhaupt zu einer Revolution, noch dazu kommunistischen, also über den Kapitalismus hinaus führenden, fähig sei. Aber nicht die Theorie, sondern nur die Praxis konnte der endgültige Beweis dafür sein, was nun richtig: ¨Lenin” und die Theorie, oder … da sind viele Namen (und es werden mehr) und die Praxis. Als der Beweis vorlag – wurde er entweder nicht erkannt oder niedergeredet.
- Siehe Hermann Jacobs: „Die Desavouierung J. W. Stalins“, in: „offen-siv“ Juli/August 2003. Aber auch Harpal Brar: „Perestroika“, der in seiner Kritik an der sowjetischen ökonomischen Schule von gleichem Ansatz ist: In der sowjetischen Praxis vom Volkseigentum oder der Planwirtschaft als keiner Warenproduktion, und in der sowjetischen Theorie von einer Doppelförmigkeit von Waren- und Nichtwarenproduktion auszugehen, so dass von einem Gegensatz von sowjetischer Praxis und Theorie gesprochen werden muß, den wir nun marxistisch zu verarbeiten haben.
- Wir gehen an diesem Punkt davon aus, dass die Ereignisse ab 1989/90, also die „Russische Wende“, auch nichts mit den so genannten Reformen des Sozialismus zu tun gehabt haben können, d.h. dass andere Gründe für die Wende maßgebend waren; aber die Reformen haben psychologisch natürlich der Wende in die Hände gearbeitet: Sie raubten denen, die den Sozialismus in der Form, wie er real existierte, bejahten, den Nerv, ihn bedingungslos, d.h. in dieser Form auch zu verteidigen. Am Glauben, dass es der Reform entgegenginge, war nicht zu erkennen, dass es in Wahrheit dem Kapitalismus entgegenging. Dazu hätte es schon übergeordneten theoretischen Wissens bedurft.
- Die reale Wende (in Osteuropa, aber auch in der Sowjetunion) zeigt sogar, dass sie auf die anscheinend logische Reihenfolge – erst ökonomische Reform,. dann politische Reform – verzichten konnte. In der Tat: Ist die revolutionäre Ökonomie einmal krankgeredet, ist sie auch politisch nicht mehr verteidigt, und man kann – oder konnte – sofort zur politischen restaurativen Reform, zu dieser als dem ersten Schritt, übergehen. Das machte, dass die „ökonomische Reform“ zwar ihre funktionale (aufweichende) Rolle spielte, aber eben nicht praktisch zu werden brauchte; nur noch Illusionisten der Reform vertreten sie wie eine andere Praxis für den realen Sozialismus. Wir stellen hiermit klar, wie die wahre Sachlage ist. Die Protagonisten der ökonomischen Reform des Sozialismus sichern sich durch eine solche politische Reform ab, dass sie gar nicht erst in die Lage kommen können, eine ökonomische Reform auf den Weg zu bringen; d.h. sie sichern sich durch „politischen Pluralismus“ vor einer solchen Form der Macht ab, in der sie politisch selbstständig in Erscheinung treten müßten.
- Man erkennt an dieser Stelle, wie wichtig es in der Kontertheorie war, genau für das Volkseigentum den warenökonomischen Charakter zu verlangen. Ökonomen (wie Politiker) des Kommunismus sollten sich im Nachhinein überprüfen, ab wann sie zu der “Überzeugung” gelangten, dass “gerade das Volkseigentum” die Ökonomie der Ware erfordere. Man mußte ja in das neue Heiligtum eindringen (worein denn sonst?), sonst hätte die Konterrevolution sich automatisch dem Kommunismus entgegenstellt, wäre als äußere Theorie erkannt. So war sie Theorie des Kommunismus.
- Nichtwarencharakter ist natürlich auch mit einem positiven Begriff, also planeigenen Begriff zu belegen.
- Stalin („Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR“) hatte damit nichts formuliert, was er nicht auch schon zu Beginn der 30er Jahre hätte formulieren können.
- Wir sollten uns vielleicht dazu entschließen, von einer ersten Periode eines sozialistischen Landes, in der es noch nicht um Planwirtschaft gehen kann, diese noch kein Produktionsverhältnis ist, als überhaupt keiner einer gesellschaftlichen Ordnung resp. Produktionsweise zuzuordnenden Periode, Phase oder ähnliches zu sprechen. Was sozialistisch ist, ist eine Macht, also ein Subjekt, das mit einer Gesellschaft gebrochen hat, aber noch mit keiner neuen begonnen hat. Man kann also nur die Menschen entweder dieser oder jener Ordnung zuordnen – wie eine Absicht. Die erste Gesellschaft des Kommunismus spaltet in Politik, in politischer Hinsicht.
- Die Herrschaft der Nichtorthodoxen sehe ich allerdings darin, dass sie sich einfach nicht der Debatte stellen. Sie wollen gar nicht mehr über die “Orthodoxie” reden, sie dünken sie geschichtlich erledigt. In der Tat: Im Schweigen der anderen besteht ihre Macht, nicht in ihrem praktischen Recht; Praxis haben sie gerade nicht.
- Verweise hier u.a. auf das Buch „Geschichte der politischen Ökonomie des Sozialismus/Grundrisse“, eine Übersicht eines Autorenkollektivs der A. A. Shdanow-Universität Leningrad, Leiter des Kollektivs D.K. Trifonow/I.D. Schirokorad; Russisch 1972, ins Deutsche übersetzt Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1973. Das Buch enthält viele Hinweise auf die Peripetien der sowjetischen Wissenschaft, die nie an die internationale Öffentlichkeit weitergegeben wurden.
- Das ist ein grundsätzlich anderer Eingang in das Verständnis der sowjetischen ökonomischen Schule, weil die Gegenmeinung die Kontinuität anders setzt: Sie beginnt – weil sie warenökonomisch bedingt ist – „mit Lenin“, d.h. mit Vorliebe mit der NÖP Lenins – weil sie warenökonomisch beginnen will und damit sich, die Warenökonomie, in der sowjetischen Kontinuität sieht. Wir aber beginnen mit der Planwirtschaft. D.h. wir beginnen proletarisch. Und damit müssen wir immer, auch in der Vorperiode, nicht mit dem Proletariat beginnen, sondern mit deren Kompromiß/Kompromissen, zu dem/denen sie am Beginn des Sozialistischen gezwungen ist, darunter dem warenökonomischen Kompromiß – aber immer danach fragen, wieweit das Proletariat (oder proletarische Interesse) in ihnen schon erscheint. Wir sind zunächst tatsächlich auf politischen Kommunismus reduziert.
- Wenn das Argument, Volkseigentum gebäre auch die Warenproduktion, praktisch belegbar ist, dann nur in dieser allerersten Phase des Kommunismus; das Argument vom warenökonomischen Volkseigentum scheint hier zu stimmen, und Fehler nur zu sein, es für die zweite Phase zu übernehmen.
- Wir finden das wiedergegeben in solchen Formulierungen wie: „Lenin hat…“, „Lenin erkannte…“, „Lenin bewies…“ usw. (während Stalin immer brach). Besonders in Hochzeiten der Reform nahm die Berufung auf Lenin – oder diese Periode der Sowjetunion – zu. Von Stalin sich abwenden hieß zunächst sich Lenin zuwenden – bis dann klar war, dass “Lenin” nur ein Pseudonym für Kapitalismus war.
- Und hier lässt sich die Anleihe an die für die Vorstufe zu findende Bestimmung des Verhältnisses des Volkseigentums, sofern schon vorhanden, nicht leugnen.
- In diesem Umstand, dass Volkseigentum, welches unmittelbar auf die politische Revolution hin entsteht, außerstande ist, offen ökonomisch, d.h. in seinen Verhältnissen aufzutreten, sondern – um sich gegen das bestehende, noch nicht enteignete Privateigentum zu behaupten – gezwungen ist, die Wertform für ihre Produkte anzunehmen, sehe ich das eigentliche Problem für eine einwandfreie Definition für das Volkseigentum – und alle Übergänge zu ihm – als Nichtwarenökonomie resp. die Definition des Volkseigentums bei Übergang zum Sozialismus. Man kann, von dieser Besonderheit ausgehend, leicht zu der Meinung gelangen, es müsse nun ewig so weitergehen. Dieser Schein – von tatsächlich einer Doppelform, der sich das Volkseigentum (!) beugen müsse – macht das Janusköpfige des Sozialismus oder wird zum Janusköpfigen der sozialistischen Phase des Kommunismus gemacht. Dieses Janusköpfige ist aber nur ein Schein, er zerfällt bei richtiger, d.h. vollständiger Definition der Planwirtschaft.
- Für eine echte Waren-Definition muß das dürftig, ja unbeholfen/hilflos (unkundig) klingen, aber ich nehme hier ein „Geheimnis“ vorweg: Sie ist richtig, wenn mit „Hülle“ der Lohn gemeint ist. Löhne, die von Geldform sind, werden in den Preis hereingenommen, die Preisform aber ist vom Wesen her keine Wertform mehr, wenn ein Festpreis, ein auf den Wert nicht mehr reagierender Preis gemeint ist. Durch die Hereinnahme des Lohnes in den Preis entsteht ein „inneres“ Wertproblem für den Festpreis, der Preis gerät in die Kritik der „steigenden“ Kosten. Hätte man den Lohn aus dem Preis herausgenommen, kann diese Kritik der Preise durch ihre Kosten nicht entstehen! So weit, die Lohnfonds neben den Preisfonds zu verteilen, war die sowjetische Ökonomie nicht fortgeschritten und konnte diese Entwicklung nicht Gegenstand der Theorie Stalins sein.
- Sie muß intern aber schon direkt im Anschluß an die Veröffentlichung der Auffassung J.W. Stalins zur Ökonomie des Sozialismus im Umlauf gewesen sein. Ich halte es für ausgeschlossen, dass eine so fundierte Kritik nur wenige Monate nach dem Tode Stalins wie aus dem Hut gezaubert gebildet werden und erscheinen konnte.
- Es gibt hier ein Problem: Die Genossenschaften waren selbstwirtschaftende Einheiten, ihre Ausgaben resultierten aus ihren Einnahmen, das war für die sozialistischen Betriebe nicht der Fall. Sie waren im gesamtgesellschaftlichen Sinne vergesellschaftet, die Genossenschaften erst im genossenschaftlichen Sinne vergesellschaftet. Es schienen zwei Vergesellschaftungsgrade zu sein. Das führte z.B. dazu, dass eine gesellschaftliche Bestimmung der Löhne in den Genossenschaften den Rahmen der Genossenschaften nicht übersteigen konnte. Dieser Umstand rief Debatten um die Modifikation des Wertes hervor – um übereinstimmende Löhne garantieren zu können!; in den bäuerlichen Genossenschaften sollte er durch die niederste Produktivkraft bestimmt sein, also der individuell höchste Wert sollte den Wert in der „genossenschaftlichen Warenproduktion“ bestimmen. So wurde über die Genossenschaften etwas zementiert, was durch eine andere Definition der Genossenschaft leicht aus dem Wege geräumt werden konnte. D.h. man hätte mit einer gesellschaftlichen Bestimmung der Löhne auch in den Genossenschaften – mit Beginn der Genossenschaft – beginnen müssen.
- Die erste mir bekannte „Definition“ dieser Art, sofern sie in die Zeit der Planwirtschaft fällt (und daher als Gegensatz zum Sozialismus behandelt werden muß), stammt von N. Wossnesenski: „Solange wie Unterschiede in der Arbeit, in den staatlichen Betrieben und Kollektivwirtschaften, zwischen komplizierter und einfacher Arbeit sowie geistiger und körperlicher Arbeit existieren, solange die Produkte nach Quantität und Qualität der geleisteten Arbeit verteilt werden, ist es notwendig, die verschiedenen Arten der Arbeit in einem einheitlichen Maßstab auszudrücken – dem Wert, der bestimmt wird durch die gesellschaftlich notwendige Arbeit“ (in: „Die Kriegswirtschaft der UdSSR in der Periode des Vaterländischen Krieges“, Moskau 1947, Seite 145/146). Hätte er nicht Wert, sondern Lohn geschrieben, wäre alles richtig gewesen.
- Kein geringerer als Fritz Behrens erkennt diesen möglichen Wandel des Geldes: „Unabhängig hiervon (d.h. einer historischen Entwicklung, in der der Wert ‚wertlos‘ wird, wie Behrens sagt, J.) kann und muß man untersuchen, inwieweit und inwiefern Warenproduktion und Wertkategorien ihren Charakter verändern … inwieweit das Geld seine Funktion als Maß der Werte und Maßstab der Preise verliert und zu einer bloßen Recheneinheit wird, die nur noch eine Anweisung auf gesellschaftliche Fonds darstellt“. In: „Abschied von der sozialen Utopie“, Akademie Verlag, Berlin 1992, Seite 138. Alles sehr gut und schön, nur: Bereits ab dem Lohn fungiert das Geld als bloße Anweisung auf gesellschaftliche Güterfonds. Wer keine Waren zu verkaufen hat, kann keine Wertverhältnisse realisieren müssen. Kommt er dennoch in den Besitz von Geld, kann es zuvor als Wertform bestimmt werden, aber nicht durch ihn. Sofern es also nur noch um Kauf geht, geht es beim Geld auch nur noch um Anweisung auf Güterfonds. Die Zeit, von der Fritz Behrens spricht, ist längst in die Warenproduktion hereingebrochen.
- Hier ist nichts ausgedacht, sondern das alles sind die Definitionen des Systems fester Preise, das den Sozialismus praktisch kennzeichnete.