Übergangsperiode mit offenem Ausgang?

Hermann Jacobs:

Übergangsperiode mit offenem Ausgang?

Der eigentliche Anlass, der E. Rosznyai bewegt eine Änderung in die bisherige Form der Periodenbestimmung beim Aufbau der kommunistischen Gesellschaft einzuführen, ist wohl die, die Möglichkeit bzw. Wirklichkeit einer Konterrevolution mit in sie aufzunehmen. Angesichts der Realität einer solchen in die bürgerliche Gesellschaft zurückführenden Entwicklung des Sozialismus ist diese Überlegung wohl verständlich und ihre Erklärung unumgänglich.

Bisher war eine solche Überlegung nicht notwendig, weil es keine bürgerliche Restauration in einmal existierenden sozialistischen Gesellschaften gab. Restauration war höchstens eine Möglichkeit ganz am Anfang, im unmittelbaren Gefolge einer politischen sozialistischen Revolution. Und die Restauration war eine durch offen bürgerliche Kräfte herbeigeführte. Es waren einfach die soeben geschlagenen (oder eben nicht geschlagenen) bürgerlichen Klassen, die sich ihre Macht zurückerobern wollten oder zurückeroberten. Aber wir gingen ja von der immer größer werdenden Unmöglichkeit eines solchen Rückschlags aus in dem Maße, wie sich neue, sozialistisch-kommunistische gesellschaftliche Verhältnisse erfolgreich durchsetzten.

Jetzt aber stellt sich heraus, dass auch die neuen, ersten Verhältnisse des Sozialismus/Kommunismus offensichtlich mit einem Widerspruch behaftet sind solcher Art, dass es zu einer bürgerlichen Restauration kommen kann und dass sich Kräfte dafür finden, die nicht mehr in einem unmittelbaren Sinne aus dem Bürgertum, sondern aus der arbeitenden Bevölkerung selbst, also aus dem eigentlichen Träger der Revolution stammen.

Ist die arbeitende Klasse janusköpfig?

E. Rosznyai antwortet bejahend. Er meint, eine erste Periode (nicht identisch mit der bisher erste Periode des Kommunismus genannten) nach der politischen Form der Revolution erkennen zu können, er nennt sie “Übergangsperiode”, in der die weitere Entwicklung der Gesellschaft sich noch einmal als offen zeigt; sie ist nicht eindeutig nur auf den Sozialismus/Kommunismus gerichtet; also eine erste Periode gewissermaßen vor der ersten Periode (nach bisheriger Auffassung):

“Die Übergangsperiode kann sich gleichermaßen in Richtung des Sozialismus oder des Kapitalismus entwickeln. In welche Richtung sie sich entwickeln wird, das kann nichts anderes entscheiden als der Klassenkampf. … Ich denke, für unsere Theorie ist an dieser Stelle wichtig festzuhalten, dass die kleinbürgerlichen Tendenzen nicht einfach nur ‘Muttermale’, nicht bloße Überbleibsel der Vergangenheit oder Folgen der kapitalistischen Umgebung sind, sondern dass sie auch direkte Produkte der wirtschaftlichen Struktur der Übergangsperiode (Hervorhebung von mir, J.) sind. Denn diese Struktur erzeugt gleichzeitig (!, J.) sozialistische und kleinbürgerliche Tendenzen.”

Die Antwort ist also an die wirtschaftliche Struktur der Übergangsperiode delegiert. Was ist ihre Eigenart bzw. was macht nun deren Janusköpfigkeit oder doppeltgesellschaftliche Auslegbarkeit? Rosznyai antwortet (im wesentlichen), dass sie mit Formen, Verhältnissen, eben Strukturen der Warenökonomie durchsetzt ist.

“Das Wesentliche jenes Unterschieds, welcher die Übergangszeit zum Sozialismus vom Sozialismus selbst trennt, … ist, dass während des Überganges die Warenproduktion, der Markt, das Wertgesetz (fort)bestehen und sich ihr Wirkungsbereich in einem gewissen Sinne sogar erweitert”.

Das zieht dann logischerweise ein Subjekt hinter sich her. D.h. weil noch immer Warenökonomie, deshalb auch ein soziales Interesse an der Gesellschaft der Warenökonomie, und deren letzte und höchste Stufe müßte die bürgerliche Restauration – oder eine subjektive Interessiertheit an dieser – selbst sein. Eine an sich bürgerliche Klasse müßte nicht vorausgesetzt sein, aber sie würde – so will ich mal folgern – automatisch in der herrschenden Klasse der Revolution, soweit sie mit den genannten Momenten verbunden ist, entstehen, und zwar aufgrund der Strukturen in einer ersten Periode nach der Revolution, soweit es sich noch um solche der Warenökonomie handelt.

Das Neue an Rosznyai ist, dass nicht privates Eigentum, also besonderes Eigentum (Muttermale des Kapitalismus) dem bürgerlichen Interesse vorausgesetzt sein muß, sondern einfach Warenform der Nutzung der Wirtschaft, also auch der Nutzung dieser Formen durch volkseigenes Eigentum.

Aber das wäre dann natürlich ein Klassenkampf in der Klasse, die Klasse der Arbeiter wäre sozial (!) gespalten bzw. spaltbar durch ökonomisches Verhalten. Nimmt sie Strukturen (Momente, Elemente) der Warenökonomie in dieser Periode wahr, entwickelte sie ein gesellschaftliches Interesse, das bis zur bürgerlichen Gesellschaft zurückführt, und nur soweit sie Strukturen der Planwirtschaft, also nicht der Warenökonomie wahrnehmen würde, würde sie die Revolution fortsetzen und würde die Übergangsperiode eindeutig in den Sozialismus/Kommunismus münden.

Etwas merkwürdig vielleicht: Während unter Bedingung des Kapitalismus eine arbeitende Klasse gegen die bürgerliche Produktionsweise entsteht, entsteht unter Bedingung der Übergangsperiode zum Sozialismus (also nach der Revolution) eine arbeitende Klasse für die bürgerliche Produktionsweise, oder jedenfalls teilweise eine solche Schicht in der Arbeiterklasse.

Und eine heikle Situation für die ökonomische Struktur in dieser Periode. Was ordnet man denn nun wem zu?

Ausweg kann logischerweise nur sein, das Volkseigentum von Elementen der Warenökonomie fernzuhalten und sie überhaupt, soweit sie in der Übergangsperiode noch existierten, zu überwinden (möglichst schnell), und zwar durch solche Elemente, die eindeutig kommunistisch, also planwirtschaftlich bestimmt sein würden.

Dass dies E. Rosznyai auch meint, wird klar bei seiner Definition einer solchen Entwicklung der Übergangsperiode, die dann den Sozialismus, die erste Phase des Kommunismus erreicht hat:

“Wenn wir all dies berücksichtigen, kann der Sozialismus (also die Periode nach der laut Rosznyai umstrittenen Übergangsperiode, J.) so definiert werden: eine über den Kapitalismus stehende, auf einer für vollen Überfluß allerdings noch nicht ausreichenden Produktivität beruhende, mit wissenschaftlicher Planung geleitete klassenlose Formation, in der die Produktion mit modernster Technik in einer von Waren- und Geldverhältnissen freien (!, J), einheitlichen, gesamtgesellschaftlichen Eigentumsform vor sich geht, der gesamte gesellschaftliche Lebensverlauf von den arbeitenden Massen kontrolliert wird und die Verteilung von der Leistung der Einzelnen bestimmt wird”.

Worauf Rosznyai orientiert, ist ganz klar ausgesprochen: In die Übergangsperiode vor dem Sozialismus, bis zum Sozialismus, fällt ein entschlossener Kampf gegen die Warenökonomie (und deren mögliche Protagonisten), und dass er bis zu einer Entscheidung auch zu führen wäre, kann man daran erkennen, dass die nachfolgende Periode, der Sozialismus, als eine Periode keiner Warenökonomie (“ohne Waren-“, “ohne Geldverhältnisse”) bestimmt ist.

Rosznyai sagt nicht mehr und nicht weniger, als dass es eine Periode sofort nach der Revolution geben muß, in der es (populär gesprochen) der Warenökonomie an den Kragen geht, und dass die Folge ist, dass eine Definition, die nach bisheriger Theorie erst für die zweite Phase des Kommunismus getroffen worden ist, deshalb schon in die erste Phase des Kommunismus, den Sozialismus vorzuverlegen ist. Nicht erst der Kommunismus, sondern schon der Sozialismus, muß Ökonomie ohne Warenform sein, mit anderen Worten: Der Sozialismus ist bereits der Kommunismus (in dieser Hinsicht keiner Warenformen mehr). Ein viel früher erfolgender Gegensatz zur Warenökonomie, eine viel früher erfolgende Definition einer kommunistischen Periode des Gegensatzes zur Warenökonomie, der Sozialismus als ebenfalls keine Warenökonomie mehr, ist das Neue bei Ervin Rosznyai. Er will, wie eingangs betont, eine konterrevolutionäre Entwicklung im Innern des Kommunismus (von Anfang an) verhindern – und den Gegensatz aus diesen Grunde, weil sie die Potenzen zu einer solchen Umwandlung der Revolution in Konterrevolution in sich erzeugt.

Die bisherige (offizielle, vom bisherigen Kommunismus geprägte) Theorie der Periodisierung des Kommunismus ging davon aus, dass die Warenökonomie eine Fortsetzung mindestens bis in die erste Periode des Kommunismus hinein erlebt, sie keinen Gegensatz erfahren darf (sondern Anerkennung als für den Kommunismus notwendig – aber das könnte ja nun schon Ausdruck des restaurativen Elements sein) und eine Negation oder Überwindung der Warenproduktion erst eine Fragestellung der ferneren Zukunft, im wesentlichen erst in einer zweiten Phase des Kommunismus zur Debatte steht.

Nach der Theorie von Rosznyai handelte es sich hier bereits um eine konterrevolutionäre Theorie.

Wie antwortet nun Kurt Gossweiler auf E. Rosznyai?

Im wesentlichen so, dass man das, was Rosznyai Übergangsperiode vor dem Sozialismus nennt, auch die Anfangsetappe des Sozialismus, den Auftakt der ersten Phase des Kommunismus nennen könnte bzw. diese Definition die richtigere wäre. Gossweiler sieht keinen Sinn darin, eine Periode “der Schwierigkeiten” von der Entwicklung, die dann bis an die Schwelle des Kommunismus heranführt, zu trennen. Es liegt ja auch bei Rosznyai eine Definition mit zwei Seiten vor, ergo kann auch eine Periode mit einem inneren Widerspruch eine Periode im Gesamten sein und müsse nicht in zwei Perioden geteilt werden. So verstehe ich ihn jedenfalls:

“Meine Einwände richten sich nur dagegen, … nicht den ganzen Abschnitt … bis zum voll entwickelten Sozialismus, also bis an die Schwelle des Übergangs zur zweiten Phase, als erste, sozialistische Phase zu betrachten. sondern nur den Abschnitt von … ja, von wann eigentlich, von der Verstaatlichung der entscheidenden Unternehmungen … und des Beginns der Kollektivierung … oder erst ab der völligen Liquidierung auch des kleinsten Einzelhandels- und Handwerksbetriebes und der Verwandlung auch des genossenschaftlichen Eigentums in gesamtgesellschaftliches Eigentum”.

Und was nun die von Rosznyai aufgeworfene Frage der Warenökonomie betrifft – darum ging es ja -, sagt Gossweiler folgendes (ausgehend von einer Einschätzung Stalins (1928), eine Periode der NÖP würden auch entwickeltere kapitalistische Staaten (als Rußland) durchmachen müssen):

“Für mich ist das sehr überzeugend. Das bedeutet, dass jedes Land nach der proletarischen Revolution mit den Problemen der Warenproduktion, des Marktes, des Geldes und des Wertes zu tun haben wird, und das alles, was sich daraus als Folgen entwickelt, auch die Reproduktion kapitalistischer Beziehungen, Folgen der Muttermale der alten Gesellschaft ist”.

Gossweiler geht nicht ganz so weit wie Rosznyai, spricht aber auch davon, dass zu den Folgen (der Probleme, die eine Warenproduktion aufwerfen könnte), “die Reproduktion kapitalistischer Beziehungen” gehören kann (während Rosznyai ja von einer Ambivalenz dieser Übergangszeit in gesellschaftlicher Hinsicht – “sowohl Sozialismus als auch Kapitalismus sind möglich” – ausgeht.) Von einem direkten Kampf gegen die Warenökonomie (Markt, Geld, Wert) spricht Gossweiler nicht. So dass ich den Eindruck habe, ihr Unterschied ist weniger die Frage der Einordnung einer Übergangsperiode (entweder vor oder in den Sozialismus), sondern die Einstellung zur Warenökonomie am Beginn einer gesellschaftlichen Entwicklung zum Kommunismus insgesamt. Aufgeschreckt durch die bürgerliche Restauration reagiert und positioniert sich E. Rosznyai da doch beträchtlich heftiger. Er lehnt wirklich ab, er will einen wirklichen Gegensatz und sieht die erste Periode des Kommunismus, die unmittelbar auf seine Übergangsgesellschaft folgt, bereits frei von Ware, Wert, Markt und Geld. (Während bei Gossweiler eine Integrierung dieser Probleme in den Sozialismus herauskommt, d.h. die Probleme könnten bis an die Schwelle des Übergangs in die zweite Phase heran reichen).

Womit ich zu meinem Problem gegenüber E. Rosznyai kommen möchte. In beiden Positionen (ich betone: beiden) ist die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Es gibt weder von Rosznyai noch von Gossweiler eine Analyse der wirklichen “Ware-Geld-Beziehungen” im … und nun: Kommunismus, seiner ersten Phase. Wir haben ja in “offen-siv” nichts unversucht gelassen, die wirklichen “Ware-Geld-Beziehungen” des “real existierenden Sozialismus” (Egon Krenz äußerte kürzlich, dies wäre der von der DDR gebrauchte Begriff gewesen, nicht “realer Sozialismus”, nicht “Realsozialismus”) darzulegen, und wir sind dahin gekommen, dass es doch schon beträchtliche Abstriche von wirklichen (echten) Ware-Geld-Beziehungen gegeben hat. Wenn also Gegensatz, so hat er bereits stattgefunden. Und wäre Gegensatz eine Notwendigkeit des Sozialismus (gleich 1. Periode des Kommunismus), so ist dieser Gegensatz bereits erschienen, gesetzt gewesen. Und, was entscheidend ist, nicht indem Warenformen “abgeschafft” worden sind, sondern indem innerhalb dieser eine Form gefunden worden ist, die ihre Abschaffung bedeutet!  Dass es sich also um eine Realität des Gegensatzes zur Warenökonomie im real existierenden Sozialismus gehandelt hat, erkennt (oder sagt) weder Rosznyai noch Gossweiler. Die realen Beziehungen, die sich des Geldes, der Preise usw. bemächtigt hatten, sind keine Muttermale der alten Gesellschaft mehr, sondern sind Male der neuen!

Also, diese Auffassung vom Sozialismus, wie er bestanden hat, gibt es auch. Und dies wäre dann die dritte Meinung von der Periodisierung des Kommunismus. Handelte es sich um die real existierenden Formen von “Ware” und “Geld” usw. in dieser geschichtlichen Periode, dann könnte von ihnen kein restaurativer Einfluß auf den Sozialismus mehr ausgegangen sein, im Gegenteil, ihr Fortbestehen hätte zum Kommunismus übergeleitet; man hätte den gesellschaftlichen, kommunistischen Gegensatz zum Kapitalismus in ihnen erkennen können. Ich gehe wesentlich auch immer noch davon aus, dass die Theorie des Sozialismus nicht auf der Höhe der Praxis des Sozialismus/Kommunismus stand – und das ist der Grund, warum so wesentliche Teile der sozialistischen Intelligenz mehr zur Reform, als zur Revolution neigen, wir haben eine Schieflage im real existierenden Marxismus, die im wesentlichen auf einer doppelten Theorie für die eine Praxis des Kommunismus beruht.

Es gibt in Wahrheit eine eindeutige Bestimmung für eine echte, wirkliche Warenökonomie (worin denn auch eine Problematik für den Sozialismus gesetzt ist, die über die bloße Eigentumsfrage hinausgeht – an der ja in der Regel der Gegensatz festgemacht ist): Warenökonomie im Sozialismus ist dann gegeben, wenn die Eigenerwirtschaftung der betrieblichen Finanzen – für die einfache und die erweiterte Reproduktion – gegeben ist resp. für die sozialistischen Betriebe (dem Eigentumstitel nach sozialistischen) eingeführt oder wieder eingeführt wird. Dann nämlich ist dieser Gegensatz, von dem Rosznyai spricht, gegeben: Einerseits Kommunismus dem Eigentum nach, andererseits ökonomische Bewegung dem bürgerlichen Prinzip nach – und dann können die Gegensätze im Subjekt kommen … und kamen sie. (Die Theorien sind ja nur den Praktiken vorausgeschickt worden.) Damit wird dann auch klar, warum diese Debatte aus den Resten des Privateigentums in das Volkseigentum herüberschwappen konnte; Eigenerwirtschaftung wurde ja für das Volkseigentum aufgeworfen, beim (kleinen, auch selbstarbeitenden) Privateigentum ist das von jeher klar. Und aufgeworfen wurde sie, nachdem die Planwirtschaft begonnen hatte, sie fällt also in einen bereits entwickelten Sozialismus, sie ist damit keine Frage einer Übergangsperiode, eines erst politisch entwickelten Kommunismus. Wir werden unbedingt mit der Frage einer bürgerlichen Restauration konfrontiert erst ab einer höheren Entwicklung des Kommunismus – wenn wir in der Theorie nicht aufpassen. Und deshalb staunen wir.

Eine Bestimmung der einfachen und erweiterten Reproduktion ist keine Warenproduktion – selbst wenn sie über die Preis- und Geldform erfolgt[48] -, wenn sie eine Bestimmung durch den Plan, die Planung der Produktion ist; dann nämlich ist sie nicht “selbstständig”, sondern eine Bestimmung des gesellschaftlichen Zusammenhangs aller Produzenten/Betriebe der Gesellschaft. Einzelreproduktion ist dann eine Erscheinung, ein Verhältnis der Gesamtreproduktion. Mit der Bestimmung der Reproduktion durch den gesellschaftlichen Plan entsteht ein unmittelbares Recht, aber das ist ein unterschiedliches Recht auf Aneignung, kein allgemeines gleiches! (Allgemeines gleiches Recht brauchen nur die gesellschaftlich arbeitenden Warenproduzenten oder privaten Produzenten, die sozialistischen brauchen ein unmittelbar gesellschaftliches, ein optisch “ungleiches” Recht, denn sie reproduzieren unterschiedlich, d.h. proportional.) Wollte man an die Stelle der Planung die Eigenerwirtschaftung setzen, so braucht man dieses Recht als allgemeines Recht, und das bedarf eines anderen Preissystems als eines Festpreissystems, wie es der real existierende Sozialismus aufwies (und noch einige Bestimmungen dazu, die ich hier nicht nenne). D.h. er brauchte ein Wertpreissystem. (Die Forderung der Reformer nach wertbestimmten Preisen schien dem planwirtschaftlichen Sozialismus zu dienen, ging in Wahrheit aber immer dem Ruf nach Eigenerwirtschaftung der Geldmittel der Betriebe voraus.)

Einen Fehler von Rosznyai sehe ich darin, dass er von der Warenökonomie (oder der “Ware und dem Geld”) im Sozialismus ausgeht wie von der originären Ware, dem originären Geld. Als hätte der Sozialismus noch nichts geändert. Aber er hat. Die Bedingung Rosznyais, Gegensatz (Entfernung, Trennung) von der Warenökonomie zu sein und sich schon inmitten einer ersten Periode des diesen Gegensatz brauchenden Kommunismus zu befinden, war erfüllt. So ist die inhaltliche, die qualitative Forderung von Rosznyai zwar richtig, aber seine historische Position, dass er die Überwindung immer noch – und nun verstärkt – einfordert, hinkt der Realität hinterher. Insofern, als die Planwirtschaft bereits als ein Gegensatz zur Warenökonomie bestimmt war (und zwar in Formen, die der Warenökonomie scheinbar entsprachen), bringt es keinen Gewinn, nun eine Periode zu definieren, die den Kampf gegen die Warenökonomie erst aufzunehmen habe. Bleiben wir also bei der Position von Gossweiler – einer Periode des Sozialismus – und orientieren in ihr auf den wirklichen Charakter ihrer “Ware-Geld-Beziehungen”, was uns wiederum Rosznyai nähern dürfte.

D.h. ich möchte mich Rosznyai in dem Sinne anschließen, als er an sich den Gegensatz zur Warenökonomie betont, und hier (gehen wir von ihrem Briefwechsel aus) stärker als Gossweiler. Dass er ihn überhaupt herauskehrt ist wichtig und stärkt das kommunistische Bewußtsein. Ich möchte aber hinzufügen, dass das Problem der Warenökonomie in einer sozialistischen Realität nicht an sich mit den Geldverhältnissen gegeben ist (obwohl das Geld natürlich auch Probleme enthält – abstrakte Form des Reichtums), sondern erst mit einer Überführung der Betriebe auf Eigenerwirtschaftung aller Mittel entsteht. Das ist das bürgerliche Eigentumsprinzip, und das würde Individuen in seinen Bann, auch ideologischen und moralischen, ziehen.

Aber wenn wir gerecht sind, war dies bei weiten nicht der Grund der Restauration eines sich bürgerlich gebenden Staatskapitalismus, denn diese kam, ohne dass die Betriebe (in der Sowjetunion, DDR) entsprechend den Forderungen der “Reformsozialisten” auf Eigenerwirtschaftung umgestellt worden waren; wenn also, dann hat sich hier eine politische Absicht über eine ökonomische Absicht gestellt. Oder die politische wurde mit der ökonomischen Absicht verschleiert. (Man glaubte also, sich dem wahren Sozialismus zu nähern.) Nach allem was wir wissen, muß eine auf Eigenerwirtschaftung der geldlichen Mittel beruhende Ökonomie der Betriebe nicht unbedingt eine Konterrevolution sein oder in eine solche münden, sie kann auch eine im politischen Sinne (lange währende) kommunistische Macht ohne Planwirtschaft sein, also in der Tat eine erste Periode nach einer Revolution sein, die sich selbst genügt und Übergang zu nichts ist, jedenfalls zu nichts Höherem, Kommunistischen. Sie stagnierte nur im gesellschaftlichen Sinne (und mit einer Fortsetzung der alten sozialen Kämpfe, siehe China). Sie markiert dann nur einen in die Länge gezogenen Status quo zwischen Kapitalismus und Kommunismus, quasi einen Sozialdemokratismus nach einem solchen Kommunismus, der über seine politische Revolution nicht hinauszugehen entschlossen ist. Ein solcher Kommunismus muß unvermeidlich in den Reformismus … im “Kommunismus” – zurückfallen. Die Konterrevolution ist da, aber sie ist sozialdemokratischer Natur. Aber das hat auch einmal ein Ende. Denn der allgemeine Arbeiter ist ja in ihr nicht besser gestellt.

In der Marxschen Diktion existiert eine erste Phase des Kommunismus nur für den Übergang in der individuellen Aneignung vom Leistungsprinzip zum Bedarfsprinzip, mit dem der Kommunismus völlig hergestellt ist. Dieser Unterschied allein macht bei ihm eine erste und eine zweite Phase des Kommunismus aus. Das Aneignungsprinzip der Produktion/Betriebe selbst behandelt Marx hier gar nicht. Er sagt nur (Gothaer Programmkritik), dass “innerhalb der auf Gemeingut … gegründeten Gesellschaft die Produzenten ihre Produkte nicht aus(tauschen); ebensowenig erscheint hier die auf Produkte verwandte Arbeit als Wert dieser Produkte, als eine von ihnen besessene sachliche Eigenschaft …”. Das ist aber gleichbedeutend mit “keine Warenproduktion”.

Wir sehen Marx insoweit bestätigt, als das Geld, die Preise zwar fortbestehen, aber in solchen Formen, dass sie unmöglich Werte/Wertgrößen widerspiegeln können; Festpreise können das nicht! Sie verändern nicht, wenn die Werte verändern, folglich stehen sie außerhalb dieses Inhalts. Die Form ist etwas anders als die Voraussage von Marx, dem inhaltlichen Gegensatz aber ist entsprochen. Wir definieren die erste Periode, mit der der Kommunismus beginnt, deshalb in dieser Frage überhaupt nicht als erste Periode, sondern als Gesellschaftsordnung des Kommunismus. Die so genannte dritte Variante der Periodisierung des Kommunismus definiert den Kommunismus so wie die Entscheidungen fallen. Sie orientiert auf die ersten Elemente, und erhebt nicht erst das letzte Element zum Maß aller anderen.

Eben um die bürgerliche Form der Produktion zu erhalten, auch unter Bedingung keines Privateigentums mehr, ist doch der wirkliche Kommunismus (begrifflich) immer mehr und mehr in die weite Ferne gerückt worden und sind alle die Vor- und Übergangsperioden (vor dem Kommunismus, der dann … auch noch nicht der richtige war) erfunden worden und werden sie weiterhin erfunden werden. Wir müssen kämpfen und klarstellen, was wir erkämpft haben – und dürfen keine doppelten Kämpfe führen wollen. Wir dürfen zum Beispiel nicht das, was sich bereits als Form der Negation der Warenökonomie herausstellt, weiterhin bekämpfen bis … ja, bis wohin? Bis zur “völligen Abschaffung von Ware und Geld”, usw. Dann  schaffen wir ab, was Abschaffung ist, dann bekämpfen wir, was wir erkämpft haben. (So wie Rosznyai den Sozialismus, den “es noch nirgendwo gab”, fordert als Ordnung ohne Geld usw. … aber mit Leistungsprinzip. Wie macht man Leistungsprinzip – ohne Geld?) D.h. es kann das Problem eines Übermaßes im Kampf gegen die Warenökonomie sein, dass die Verhältnisse, die bereits die Form des Kampfes gegen sie sind, bekämpft werden – und dann landen wir statt bei einer Kritik gesellschaftlicher Art an der Warenökonomie bei einem linken Radikalismus, der Formen an sich bekämpft, darunter bei sich (so wie man in Kampuchea “bürgerliche Elemente” meinte zu bekämpfen, indem man Brillenträger bekämpfte.)

Eigenartigerweise wußten die Wert- und Warenreformer im real existierenden Sozialismus immer sehr genau, dass mit den real existierenden Ware-Geld-Beziehungen kein Blumentopf zu holen war, weshalb sie auf Reform, sprich Restauration des Ursprungs drängten. (Theoretisch noch immer, oder: jetzt erst recht.)

Warum wissen sie genau, warum nicht wir auch?

Hermann Jacobs,
Berlin

  • Sie ist dann nämlich keine Frage der Preise der Betriebe, sondern der den Betrieben zugewiesenen Geldfonds; sie sind zweckgebunden, nicht offen – wie sie aber bei wertbestimmten Preisen wären.