Volksaufstand in Oaxaca/Mexiko – 13 Briefe

Claudio:

Volksaufstand in Oaxaca/Mexiko – 13 Briefe

21. 6. 2006, Hallo Erika, hallo Michael[25], hier in Oaxaca ist momentan ein regelrechter Volksaufstand im Gange.

Laßt mich die Ereignisse kurz beschreiben: am 22 Mai hat die Lehrergewerkschaft des Bundesstaates Oaxaca nach erfolglosen Verhandlungen mit der Staatsregierung, es ging um Verbesserungen der sozialen Verhältnisse in den zum größten Teil armseligen Schulen and um die armseligen Gehälter, die die Lehrer beziehen, also vollkommen legitime Forderungen, zum Streik aufgerufen. Die Regierung wollte die Lehrer mit einer lächerlichen Summe abspeisen. Und die Lehrer fingen an sich zu organisieren und sich zu wehren.

Am 22. Mai haben 40.000, ja vierzigtausend, Lehrer die ganze Innenstadt besetzt und haben Zeltlager aufgebaut, wo sie auch übernachtet haben, das Ganze war friedlich, bis in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni, als dieser faschistische Idiot von Gouverneur (Ullizez Ruiz) entschieden hat, seine Kettenhunde gegen die Lehrer zu schicken. Um 4.30 h ging der Angriff gegen die schlafenden Menschen los. 3500 „Ordnungskräfte“ mit Tränengas, Knüppeln, Pistolen, Sturmgewehren und Helikoptern fingen ein Massaker an. Ich muß dazu sagen: in den Zelten waren auch Kinder, Frauen und ältere Genossen. Mit brutaler Gewalt wurden all diese Menschen aus dem Schlaf gerissen und ohne Ausnahme wurden alle zusammengeprügelt.

Es schien so für etwa 3 Stunden, als wenn der Staatsterror wieder mal siegen würde, doch diesmal lief alles ganz anders als gedacht für die Staatsterroristen, gegen 8 h fingen die Lehrer mit der Hilfe von herbeigeeilten Studenten und anderen wie mich an, Widerstand zu organisieren. Wir haben alles, was wir zur Verteidigung benutzen konnten, aufgegriffen: Eisenstangen Holzknüppel, die ersten Mollis etc. und haben dann – zusammen Tausende von Genossen – regelrecht die Polizei nach 2 Stunden Straßenschlacht vertrieben. Wir haben die Schlacht gewonnen, unglaublich! Die Bullen fingen an, ihre Knüppel und Schilder wegzuwerfen und rannten um ihr Leben; die ersten Nachrichten gingen herum, daß es Hunderte von Verletzten und auch Tote auf unserer Seite gegen hat. Daraufhin wurden Polizisten auch als Gefangene genommen.

Seit diesem Tag ist Oaxaca in einem nicht mehr von der Regierung kontrollierbarem Volksaufstand. Am 16. Juni fand in dieser Stadt eine Demo mit 300.000 (dreihunderttausend!) Menschen statt, die alle Unisono Venceremos sangen und den Kopf dieses faschistischen Gouverneurs forderten. Es hat sich in der Universität eine Volksversammlung gebildet, an der alle möglichen sozialen Organisationen beteiligen sind. Der Unisono-Wunsch von allen ist, daß dieser Faschist Ullizez Ruiz verschwindet. In der ganzen Innenstadt gibt es keine Polizisten mehr, überall Rote Fahnen, Lautsprecher, Flugblätter, Parolen, überall wird diskutiert, es ist unglaublich: die Straßen gehören wieder dem Volke. Bitte versucht diese Nachrichten überall zu verbreiten! Über Indymedia Mexico, Oaxaca, gibt es auch schon die erste Filmclips im Internet. Oaxaca ist momentan die politische Hauptstadt Mexicos. Es ist wie ein Hurrikan über dem ganzen Lande. Und hier in Oaxaca ist das Auge dieses Hurrikans.

Viele rote Grüße aus dem Süden Mexicos,
21. 6. 2006,
Claudio

2. 7. 2006, Hallo Erika, vorab vielen Dank für Dein Interesse für das Geschehen in Oaxaca. Ich muß auch sagen, daß es mir schwer fäll, den Text ohne Emotionen zu schreiben, da ich in dieser Sache nicht nur Beobachter bin, sondern mitten im Geschehen mitwirke. So, nun möchte ich Dir schildern, was sich in den letzten Tagen hier ereignet hat. Es ist wie ein lang gehegter Traum, der sich realisiert. Das ganze Volk entwickelt Bewußtsein, mobilisiert sich und sprengt vereint die Ketten der Unterdrückung.

Die Lage in Oaxaca hat sich weiter verschärft, am 28. Juni haben die Lehrer eine weitere Mega-Demo mit wahrscheinlich 800.000 (achthunderttausend!) Menschen organisiert. Es war eine wahrhaft historische Demonstration des aufgewachten Volkes, die Demo hat alles, alle Er-wartungen gesprengt. Teilgenommen haben 350 soziale und zivile Organisationen, Arbeiter, Bauern, Hausfrauen, Kirchenleute, Zapatisten, Kommunisten, Anarchisten. Das mutige, würdevolle Volk Oaxacas hat sich entschieden: Kein Schritt zurück in diesem Kampf. Die Hauptforderung ist jetzt der Rücktritt dieses korrupten Faschisten (Ulises Ruiz Ortiz) und seiner Schergen.

Es hat sich eine Volksvollversammlung (APPO = Asamblea Popular del Pueblo de Oaxaca)

in der Jurafakultaet der hiesigen Universitaet formiert, die ein Ultimatum fuer Freitag, den 30. Juni, 24 Uhr, gestellt hat. Falls dieser Faschist, der Lehrer und Kinder ermordet hat, nicht zurücktritt, werden die Präsidentschaftswahlen, die am 2. Juli stattfinden, in Oaxaca boykottiert und der Volksaufstand wird auch in anderen Bundesstaaten Mexikos organisiert. Die Staatsgewalt in Oaxaca hat sich komplett aufgelöst und zurückgezogen, man sieht im größten Teil der Stadt keine Uniform mehr. Die gesamte Regierung hat sich seit Tagen nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken lassen. Die Stimmung unter dem rebellierenden Volk ist mittlerweile von Trauer wegen des Massakers am 14. Juni in Freude über unseren Sieg umgeschlagen. Keiner hat mehr Angst vor diesen Faschisten, denn wir haben gezeigt, daß – wenn wir organisiert uns wehren – die Verbrecher in der Pseudoregierung keine Chance haben. Dutzende von Rathäusern und Polizeistationen wurden gestürmt und sind von unseren Leuten besetzt. Ganze Polizeieinheiten sind desertiert. Es gibt genau genommen keine Regierung und Staatsgewalt mehr. Verteidigungsbrigaden haben die öffentliche Ordnung übernommen. Sowohl die EZLN in Chiapas als auch die andere Guerilla EPR in Guerrero und Oaxaca hat die höchste Alarmstufe Rot ausgerufen, das heißt, daß sie sich für bewaffnete Angriffe bereit halten, falls der Staatsterror wieder irgendwelche Aktivisten angreift.

Das ist meine Beschreibung der Ereignisse am 1. Juli, ich halte dich weiter auf dem Laufenden. Bitte verbreite die Info. Tausend rote Grüße aus dem aufgewachten Süden Mexicos

2. 7. 2006,
Claudio

8. 7. 2006, Hallo, Ihr Lieben! Heute ist der 7. Juli, es sind mittlerweile 45 Tage seit der Ausrufung des Lehrerstreik und der Besetzung der Innenstadt durch die Lehrer und zahlreicher Sozialaktivisten vergangen. Seit dem 14. Juni, dem Tag, an dem die Ruiz-Regierung ihr wahres faschistisches Gesicht gezeigt hat, sind 23 Tage vergangen und der Volksaufstand hat enorm an Stärke gewonnen. Wir hatten seit Anfang Juni vier Riesendemos in Oaxaca, und bei jeder darauf folgenden Demo sind mehr Menschen mitmarschiert. Bei der letzten am 30. Juni waren 800.000 Menschen auf der Straße. Kurz vor dem 30. Juni hat sich eine Volksvollversammlung mit 350 sozialen Organisationen gebildet, die sich „Asamblea Popular del Pueblo de Oaxaca (APPO) nennt. Alle diese Menschen eint dasselbe: 1.) Sturz und juristische Bestrafung dieser faschistischen Pseudoregierung. 2.) Der Wille für tiefgreifende soziale Veränderungen. Man kann es momentan fühlen wie sich soziales und politisches Bewußtsein bildet. Lehrer, Studenten, Arbeiter, Bauern, Frauen etc., all die, die über Jahrhunderte unterdrückt und ausgebeutet waren, bilden eine gemeinsame linke Volksfront (Amblio Frente Popular), um den Tyrannen und mit ihm das gesamte verhaßte kapitalistische System zu stürzen!!

All diese Menschen eint derselbe Schmerz der sozialen Ungerechtigkeiten, der nun erstmals gemeinsam artikuliert wird. Und diese Unmengen von Schmerzen verwandeln sich in kollektive Wut. Es scheint, als wenn alle keine Angst mehr haben und die Angst dem Mut gewichen ist. In der Innenstadt von Oaxaca sieht man seit Wochen keine Uniformen mehr, sicherlich sind jede Menge Polizeispitzel in Zivil unterwegs, aber man erkennt die meisten von ihnen und es wurden schon einige von ihnen in Gewahrsam genommen, verhört und anschließend dem Roten Kreuz übergeben.

Keiner wurde geschlagen oder gefoltert, wie sie es normalerweise mit uns machen. Wir sind anders als sie!!

Die eigentliche Gefahr ist nun nicht mehr die Pseudoregierung in Oaxaca sondern interne Grabenkämpfe innerhalb der verschiedenen Flügel der APPO. Die Radikalsten wollen, daß der Regierungspalast gestürmt und besetzt wird, daß sich bewaffnete Milizen bilden sollen etc. Andere, Gemäßigtere sagen, daß es noch zu früh dafür ist, die Konditionen seien noch nicht so weit. Also, das Ganze ist eine echt spannende Sache, denn all das könnte auch auf ganz Mexico übergreifen, und dann hätten wir hier ein neues Venezuela, Bolivien oder Kuba. Das wäre die Erfüllung eines langgehegten Traumes. Verbreitet diese Nachrichten !!!

8. 7. 2006,
Claudio

10. 8. 2006, Hallo Ihr Lieben!! Nun wird die finale Phase des Volksaufstandes hier in Oaxaca eingeläutet. Der Bundesstaat Oaxaca wird immer mehr von der Volksvollversammlung kontrolliert… Die korrupten PRI-Bürgermeister (PRI ist die Partei, die 70 Jahre lang das Volk unterdrückt und ausgeplündert hat) werden aus den Rathäusern gezerrt, manche von ihnen wurden von Frauen nackt ausgezogen und quer durch die Gemeinden gejagt. Die Rathäuser werden vom Volk besetzt, das sich nun eigene Leute wählt, um die Städte zu verwalten… Die Staatsgewalt kann diesem revolutionärem Handeln nichts entgegen setzen, denn sobald auch nur einer vom Volk oder einer sozialen Organisation angegriffen wird, eilen Tausende von Genossen zur Hilfe.

Die Staatsgewalt erleidet eine Niederlage nach der anderen. Am 23. 7 z.B. wurden drei Campesinos (Bauern) von einer Polizeistreife festgenommen, nur weil sie ein Schild trugen, auf dem sie den Sturz dieser korrupten Regierung forderten. Sofort wußten wir über Radio Universidad bescheid, daß die Polizeistreife mit den drei Gefangenen auf dem Weg zur Polizeikaserne war. Spontan sind etwa 500 Genossen der APPO bewaffnet mit Macheten und Knüppeln zur Polizeikaserne marschiert… die Zellen wurden geöffnet und alle Gefangenen befreit.

Der Polizeikommandant und sein Unterkommandant wurden in Gewahrsam genommen und mitsamt den herausgerissenen Türen der Haftzellen durch die halbe Stadt geführt. Am Ende wurden sie in die besetzte Jurafakultät gebracht, wo sie verhört und anschließend unversehrt dem Roten Kreuz übergeben wurden. Jede dieser Aktionen bedeutet einen weiteren Sieg für uns und zerstört das letzte an Kampfmoral, was die Polizeikräfte noch haben. Die meisten Polizisten der unteren Dienstgrade haben keine Lust, für den miserablen Hungerlohn, den sie erhalten, ihren Kopf hinzuhalten… Sie begreifen, daß auch sie zum ausgebeuteten Teil des Volkes gehören und schmeißen ihre Waffen hin…

Jetzt das allerneueste: am 2. 8. haben 3.000 Frauen, bewaffnet mit Kochtöpfen und Pfannen, den offiziellen Staatsfernsehsender KANAL 9 eingenommen, der vorher nur Lügen über den Volksaufstand verbreitet hatte. Das ist natürlich ein Quantensprung für uns, was objektive Berichterstattung betrifft. Nun können unsere Nachrichten in den letzten abgelegenen Winkeln gesehen und gehört werden. Dadurch wird der Aufstand noch mehr an Stärke gewinnen. Die einzige Institution, die diesem revolutionärem Wirken etwas entgegen setzen könnte, wäre die mexikanische Armee. Doch falls sie in das Geschehen eingreifen sollte, wird der Volksaufstand auf andere Teile Mexikos überschwappen, und genau das weiß die rechte Fox-Regierung in Mexiko-City. Bis jetzt hat sie noch keine Soldaten hierher geschickt, die Konsequenz ist ihnen zu sehr bewußt, sie hat Angst vor diesem Schritt. Daher setzt sie auf Zeit, damit sich die Bewegung zermürbt oder untereinander zerstreitet. In Oaxaca wurde ein neuer Innenminister nominiert (Heladorio Escarga), der Erfahrung hat mit psychologischer Kriegsführung… Seine Methoden sind primitiv und durchsichtig: Zucker- und Peitschen-Politik…

Doch er wird mit diesen jämmerlichen Methoden keinen Erfolg haben, denn dies ist kein Aufstand von irgendwelchen „Führern“, dies ist ein Volksaufstand. Er kann nicht das ganze Volk kaufen oder einschüchtern… Auch er ist einer derer, die in die jetzt leeren Gefängniszellen umziehen wird. Bis vor kurzem waren diese Zellen für engagierte Sozialaktivisten und Hühnerdiebe reserviert, demnächst werden daraus Volksgefängnisse und die wahren Verbrecher eingesperrt; auf sie warten diese leeren Zellen zwecks gründlicher Resozialisierung…

Für eine bessere, gerechte Welt! Nieder mit allen Tyrannen die das Volk unterdrücken und ausbeuten! … Nieder mit allen menschenverachtenden Unrechtssystemen, die auf Ausbeutung und Unterdrückung aufgebaut sind, in denen Wenige fast alles besitzen und die große Mehrheit nichts als Hunger, Leid und Elend! Unsere Antwort auf  Ausbeutung und Unterdrückung heißt: sozialistische Revolution – hier in Oaxaca und überall!!

Viele Rote Grüße aus dem tiefroten Süden Mexikos.
10. 8. 2006,
Euer Claudio

10. 8. 2006. Hier in Oaxaca hat der Volksaufstand Dimensionen erreicht, die wir vor drei Monaten nicht mal erträumen konnten, als das Ganze mit dem Lehrerstreik anfing. Dem Streik der demokratischen Lehrergewerkschaft SNTE, Sektion 22 Oaxaca, haben sich immer mehr Menschen aus allen Bevölkerungsteilen angeschlossen. Mittlerweile sind in diesem Volksaufstand alle Regierungsgebäude, Radio und Fernsehsender in der Hand der Aufständigen. Täglich desertieren mehr und mehr Polizeikräfte der unteren Ränge. Im gesamten Bundesstaat Oaxacas sind Dutzende von Rathäusern von Aufständigen besetzt und täglich kommen neue dazu. Innerhalb der gesamten Bevölkerung findet dadurch ein Riesen-Prozeß von sozialer Bewußtseinformung statt.

Die faschistoide Pseudoregierung Ruiz kann diese Bewegung nicht mehr frontal angreifen und ist daher zu Taktiken des “schmutzigen Krieges” übergeschwenkt. Gestern Nacht wurde unser Genosse Marcos Garcia Tapia kaltblütig von einem Killerkommando dieser verbrecherischen Pseudoregierung in seinem Auto hingerichtet.

Teil dieser Gegeninsurgenz sind Brandanschläge auf Häuser von Gewerkschaftsführern, Brandanschläge auf öffentliche Autobusse, Verhaftungen von Genossen, ohne daß wir wissen, wohin sie verschleppt werden, Attentate gegen die einzige Zeitung in Oaxaca, die die Wahrheit berichtet; “LAS NOICIAS DE OAXACA”, bewaffnete Angriffe auf dem Unicampus, wo sich unsere Radiostation ” RADIO UNIVERSIDAD” befindet usw. All dies zeigt uns, wie verzweifelt diese Politgangster in der Pseudoregierung sind. Doch gerade deshalb sind viele von uns in akuter Gefahr, Opfer dieser faschistoiden Kriminellen zu werden.

Daher dieser dringende AUFRUF: Bildet Solidaritätskomitees, um öffentliche Aufmerksamkeit über die Ereignisse in Oaxaca zu erzeugen. Wir brauchen KEINE materielle Hilfe, die beschaffen wir uns selbst.

Wir brauchen Öffentlichkeitsarbeit; in Spanien, Frankreich, USA und anderen Ländern haben sich schon Soli-Komitees gebildet. Versucht Solidaritätsbekundungen von Lehrern oder Gewerkschaftern in Deutschland zu organisieren, oder vielleicht auch eine Demo vor dem Mexikanischen Konsulat in Frankfurt.

Das, was hier in Oaxaca geschieht ist eine soziale Revolution, die sich noch in der Anfangsphase befindet. Ziel ist ein anderes, gerechteres soziales System, dasselbe, was schon in Kuba, Venezuela und Bolivien realisiert wurde, die objektiven Konditionen sind dafür auch hier in Mexiko vorhanden. Bildet Soli-Komitees ganz im Sinne des organisierten Widerstandes gegen Kapitalismus, Imperialismus und Ausbeutung hier in Oaxaca und überall.

ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT

Viele Rote Grüße aus dem tiefroten Süden Mexikos.
10. 8. 2006,
Claudio

11. 8. 2006. Genossinnen, Genossen! Sicherlich haben manche von euch schon Nachrichten über den Volksaustand im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca in Zeitungen oder im Internet gelesen oder von Freunden und Bekannten gehört.

Hier noch mal eine kurze Schilderung der Ereignisse, die zu diesem Volksaufstand fuehrten: Oaxaca ist einer der südlichen Bundesstaaten Mexicos, weiter im Süden grenzt Chiapas an, das vielen von euch durch die Zapatistische Bewegung EZLN und den Subcommandanten Marcos ein Begriff sein dürfte.

Der Bundesstaat Oaxaca zeichnet sich unter anderem durch einen hohen Anteil indigener Bevölkerung aus, die in beschämender Armut leben. Eine kleine Gruppe von skrupellosen ausbeuterischen Familien, meist europäischer Herkunft, kontrollieren fast die gesamte Wirtschaft und damit auch die korrupte Politik dieses Staates. Die sozialen Gegensätze sind riesig, auf der einen Seite Alt- und Neureiche, die in Saus und Braus und in Prachtpalästen leben und auf der anderen Seite barfüßige, hungernde Kinder ohne jegliche Zukunftsperspektiven – außer Elend und Marginalisierung.

Wegen dieser krassen sozialen Gegensätze hatten sich die Lehrer zu einem Streik entschlossen, der am 22. Mai in friedlicher und demokratischer Art und Weise organisiert wurde. Die Antwort der Herrschenden ließ nicht lange auf sich warten. Am 14. Juni entfesselten die Herrschenden ihren gesamten Staatsterrorapparat, um die Lehrer und ihre berechtigten sozialen Forderungen zu unterdrücken. Doch die Herrschenden erlitten an diesem historischen 14. Juni eine empfindliche Niederlage. Tausende von organisierten Lehren, Studenten und Sozialaktivisten besiegten gemeinsam den Staatsterror. Seit diesem Tage haben sich viele Ereignisse ereignet, die soziales und politisches Bewußtsein in den unterdrückten Volkmassen erzeugt haben. Endlich haben sich alle möglichen soziale Organisationen zu einem starken Bündnis zusammengefunden, um gegen diese sozialen Ungerechtigkeiten zu kämpfen. Dieses Bündnis hat sich, mit 350 sozialen Organisationen, am 22. Juni in der Jurafakultät der Beniti-Juarez-Universitaet formiert und heißt  „Asamblea Popular del Pueblo de Oaxaca“ (APPO), auf Deutsch: Volksversammlung des Volkes von Oaxaca. Dieser Dachverband aller progressiven sozialen Organisationen ist das oberste Gremium, das Entscheidungen beschließt über die Strategie und Geschwindigkeit der sozialen Umwälzungen in Oaxaca.

Die erste Forderung war nach dem fehlgeschlagenen Angriff auf die Lehrer am 14. Juni der Sturz dieser ausbeuterischen und repressiven Pseudoregierung Ruiz.

Anfangs wurde nur der sogenannte legalistische Weg eingeschlagen; Unterschriftensammlungen und Petitionen an den Staatspräsidenten Fox, um den Rücktritt der Ruiz-Regierung zu erzwingen. Doch da diese Wege zu nichts führten, die Fox-Regierung in Mexiko-Stadt ist genauso korrupt und repräsentiert natürlich auch nur die Interessen der herrschenden Klasse, entschloß sich die APPO, die politische Gangart zum Sturz dieser faschistoiden Ruiz-Regierung zu verschärfen. Es wurde von der APPO beschlossen, Regierungs- und Verwaltungsgebäude zu besetzen, damit der Tyrann endlich gestürzt wird. Die Antwort der vom Volk nicht mehr anerkannten Ruiz-Regierung sind repressive Taktiken des sogenannten “schmutzigen Krieges” oder auch bekannte Taktiken der Gegeninsurgenz; gezielte Angriffe auf exponierte Mitglieder der APPO. Zuerst waren es Brandanschläge auf Häuser der Genossen, jetzt seit Dienstag, dem 8. August, gezielte Morde. Am Abend des 8. 8. um 22.30 Uhr wurde ein Professor der Universität, der auch Mitglied der APPO ist, von einem Killerkommando hingerichtet.

Am 9. 8. wurden in der Stadt Putla de Guerrero Mitglieder der APPO: Andres Cruz, 33 Jahre, Pedro Martinez, 24 Jahre und Augustin Martinez, 68 Jahre, auf offener Strasse am hellichten Tage von einem Killerkommando hingerichtet. Am selben Tage um 13 Uhr wurde Gewerkschaftsführer und Gründungsmitglied der APPO, Professor German Nubes, von seinem Haus entführt. Prof. German Nubes sitzt seit 11 Jahren im Rollstuhl aufgrund eines Attentates, das gegen ihn verübt wurde. Zeugen der Entführung haben beschrieben, wie er aus seinem Rollstuhl gezerrt, geschlagen und in einem Fahrzeug von einer maskierten Sondereinheit der Staatsgewalt verschleppt wurde. Wir sind in höchstem Maße besorgt; auf Grund seiner angeschlagenen Gesundheit fürchten wir um sein Leben.

Am 10. 8., gestern, haben wir eine Demonstration organisiert, um die Freilassung von Prof. German Nubes zu fordern. An dieser Demo nahmen etwa 20.000 Menschen teil. Kurz vor Abschluß  des Demozuges um 19 Uhr wurde aus einem Haus von Zivilpolizisten auf die friedlichen Demonstranten geschossen und wieder haben diese Staatsterroristen einen unserer Genossen getötet. Das Opfer dieser Politgangster ist Jose Jiminez Colmenares, 50 Jahre alt und Ehemann der Lehrerin Florina Jiminez.

Der Staatsterror dieser Politgangster hat ein Ausmaß angenommen, daß nun jeder von uns akut bedroht ist. Alle Menschenrechte sind außer Kraft gesetzt. Die Herrschenden zeigen unverblümt ihre faschistoide Fratze.

DAHER DIESER DRINGENDE AUFRUF AN ALLE GENOSSINNEN UND GENOSSEN, AN ALLE MENSCHENRECHTSORGANISATIONEN:

LASST NICHT ZU, DASS DIE LEGITIMEN SOZIALEN FORDERUNGEN DES AUSGEBEUTETEN UND UNTERDRUECKTEN VOLKES VON OAXACA DURCH DIESEN STAATSTERROR DER HERRSCHENDEN NIEDERGETRAMPELT WIRD. MACHT OEFFENTLICHKEITSARBEIT; UM AUF DIESE REPRESSION AUFMERKSAM ZU MACHEN. FORDERT PETITIONEN DER PARLAMENTARISCHEN MENSCHEN-RECHTSAUSSCHUESSE. FORDERT ERKLAERUNGEN UND STELLUNGNAHMEN DER LEHRER- UND ANDERER GEWERKSCHAFTEN. ORGANISIERT DEMOS VOR DEN MEXIKANISCHEN KONSULATEN; UM DIE MENSCHENRECHTE EINZUFORDERN.

GEGEN KAPITALISMUS, IMPERIALISMUS UND AUSBEUTUNG HIER IN OAXACA UND UEBERALL!! ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITAET!!!

Brüderliche, rote Grüße aus dem Süden Mexikos.
11. 8. 2006,
Claudio Coladangelo

Oaxaca 26.8. 2006, Genossinnen, Genossen! Aufgrund massiver Mobilisierung der ausgebeuteten und unterdrückten Bevölkerung Oaxacas, denen die wahren Gründe ihrer Marginalisierung durch die Herrschenden bewußt wird, haben die Herrschenden, nun ihre letzten und gefährlichsten Repressionsreserven, TODESSCHWADRONEN, gegen das sich emanzipierende Volk aufgefahren. Die Herrschenden sind verzweifelt von der Wucht der aufgebrachten Volksmassen, die ihre legitimen Rechte einfordern und deren Zulauf täglich wächst. Deshalb sind die Ausbeuter in barbarische Methoden, die an Militärdiktaturen der 70er Jahre in Lateinamerika erinnern, zurückverfallen. Am 22. August, gegen Mitternacht, tauchten auf einmal etwa 30 Fahrzeuge mit maskierten, zivilgekleideten und schwerbewaffneten Paramilitärs in der Kolonia Reforma auf, deren Aufgabe objektiv die Hinrichtung von Menschen war, um Terror und Angst unter den Genossen zu verbreiten, die unsere Radiostation, Radio APPO, betreiben. Bei diesem Angriff wurde der Genosse Lorenzo Sam Pablo durch eine Schußwunde in den Lungenbereich getötet. Es wurden mehrere andere auch durch Schußwunden schwer verletzt. Der Radiosprecher konnte einen Hilferuf verbreiten, in dem er die Bevölkerung in allen Stadtteilen aufrief, Barrikaden zum Selbstschutz aufzubauen und zum Schutz der Radiostation herbeizueilen. Das heroische Volk Oaxacs hat den Aufruf sofort befolgt.

Kirchenglocken läuteten im ganzen Stadtgebiet, Feuerwerkskörper wurden abgefeuert, um die Menschen zu mobilisieren. Zehntausende sind in die dunklen Straßen geströmt, um Barrikaden gegen den Todeskonvoi der Staatsterroristen zu errichten. Die Todeskarawane wurde von zwei notorisch bekannten korrupten Polizeichefs, Manuel Morene Rivas und Aristeo Lopez Martinez, kommandiert. Ihre Befehle kamen direkt von der “Justizministerin” Lisbeth Cana Cadeza. Zusammengesetzt waren diese Einheiten aus verschiedenen Polizeieinheiten und Kriminellen, die aus den Gefängnissen rekrutiert werden, um die “Drecksarbeit” zu leisten. Die geistigen Urheber dieser kriminellen Handlungen sind reiche Unternehmer, die um ihre Privilegien fürchten. Das heldenhafte, organisierte Volk hat diesen Staatsterror wieder besiegt! Die Justizministerin hat am nächsten Tag öffentlich behauptet, daß es in Oaxaca bewaffnete Guerillagruppen gibt, die gewalttätig sind. Dies ist eine komplette Umkehrung der Tatsachen. Die Staatsterroristen hatten Schußwaffen, mit denen sie töteten. Die Verteidigungsbrigaden hatten nur Knüppel und Steine, um sich vor dem Angriff der Todesschwadronen zu schützen.

Seit diesem Tage befindet sich Oaxaca in einer neuen Phase dieser sozialen Revolution. Jede Nacht verbringen nun Zehntausende von tapferen Genossen hinter Hunderten von Barrikaden aus Holz, Metall, Steinen, Autoreifen und was sonst noch vorhanden ist, um diese wunderbaren Schutzwände gegen die Todesschwadronen aufzubauen, die jede Nacht von neuem Terror unter dem Volk säen. Unsere Parole ist: keinen Millimeter befreites Stadtgebiet aufgeben, im Gegenteil, auch die restlichen Stadtgebiete befreien und verteidigen. Außerhalb der Stadt gibt es Truppenbewegungen. Das 36. Infanterie-Bataillon hat außerhalb der Stadt Stellung bezogen. Wozu, wissen wir nicht, es könnte eine Form der Einschüchterung sein oder vielleicht das Vorspiel einer direkten Militärintervention. Gut ist, daß nun die ersten Resonanzen von Men-schenrechtsorganisationen eintreffen. Gestern hat sich Amnesty International eingeschaltet, es ist schon eine Delegation des Internationalen Roten Kreuzes in Oaxaca eingetroffen und Tobias Pflüger von der Linkspartei hat sich im EU-Parlament dazu geäußert. Die soziale Bewegung in Oaxaca hat nun auch ein klares politisches Ziel. Am 16./17. August fand ein nationales Forum für Demokratie und Regierbarkeit in Oaxaca statt. In der Abschlußresolution wurde die Notwendigkeit für eine komplett neue Verfassung und neue Formen der Regierung bekundet. Die neue Verfassung soll vom Volk für das Volk gemacht werden. Der Text kann unter www.oaxacalibre.org heruntergeladen werden. Ziel ist nun nicht mehr nur die Befreiung Oaxacas vom Neoliberalismus/Kapitalismus, sondern eine große nationale Volksversammlung, denn die sozialen Ungerechtigkeiten bestehen natürlich in ganz Mexiko.

ALLE MACHT DEM VOLK! GEGEN AUSBEUTUNG UND UNTERDRÜCKUNG IN OAXACA UND ÜBERALL! ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITAET! BRÜDERLICHE ROTE GRÜSSE  VON DEN BARRIKADEN OAXACAS

26. 8. 2006,
Claudio

Oaxaca, 13. 9. 2006, Genossinnen, Genossen!! ZAPATA VIVE/ LA LUCHA SIQUE – ZAPATA LEBT / DER KAMPF GEHT WEITER!!! Politische Analyse der sozialen Bewegung in Oaxaca und Mexiko. Der Wahlbetrug und damit die Usurpation ihres Kandidaten, Felipe Calderon (Fecal), orchestriert durch die Ultrarechte, die die Interessen der herrschenden Klasse vertritt, wurde vollzogen. Der Wille des mexikanischen Volkes wurde wieder in klassischer, verlogener und autoritärer Manier mißachtet.

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo sich die entgegengesetzten Interessen von Proletariat und Oligarchie kristallisieren und polarisieren werden. Die herrschende Klasse spricht nun doppelzüngig von “Versöhnung und Dialog”, doch in Wahrheit hat die Aktivierung und Militarisierung der Staatsterrorapparate im ganzen Land begonnen. Beispiele: Das Abgeordnetenhaus (San Lazaro) in Mexiko-Stadt ist von Hunderten von Soldaten mit Panzern umzingelt, angeblich um die Abgeordneten zu “schützen”. Die Stadt Oaxaca wird mit dem inszenierten Vorwand von “Guerillagruppen” zunehmend von Militäreinheiten belagert. Truppen wurde im Norden nach Guelatao de Jiminez, im Westen nach San Gaspar Yalagaxi und nach Ixtlan de Juarez, im Sueden nach Mihuatlan und im Osten nach Rincon de la Sierra verlegt. All diese Zeichen können nur im Rahmen eines großangelegten Repressionsplans seitens der Herrschenden gesehen werden. Wir rechnen täglich mit einem Angriff. Die Bourgeoisie und ihre politischen Handlanger wissen, daß die ausgebeuteten Volksmassen nicht mehr bereit sind, diesen jämmerlichen Wahlbetrug  und damit die Mißachtung des Volkswillen hinzunehmen. Früher konnten sie ungestraft ihr Wahltheater inszenieren, bei dem der Sieger schon vor der Wahl feststand, nun haben sich die Zeiten geändert.

Hier in Oaxaca hat sich eindeutig gezeigt, daß wir ohne die besetzten Radiostationen niemals das Bewußtsein der ausgebeuteten Massen hätten formen können, und genau dort haben die Herrschenden uns mehrmals angegriffen. Wir wissen, wie wichtig diese befreiten Sender für uns sind, deshalb sind sowohl die Sender als auch die dazu gehörenden Antennen die bestgeschützten Punkte unserer Bewegung, Tag und Nacht sind Hunderte von Genossen hinter den besten Barrikaden mit dem Schutz der Anlagen betraut. Ohne diese Sender hätten wir niemals die Bevölkerung aus ihrem Tiefschlaf geholt und es wäre niemals zu diesen Massenmobilisierungen gekommen. Den ganzen Tag werden revolutionäre Lieder aus Chile, Kuba und Venezuela abgespielt, ständig gibt es exzellente politische Analysen, die im ganzen Staat gehört werden können. Die Hörer haben auch die Möglichkeit, direkt anzurufen und ihre selbsterfahrenen Ungerechtigkeiten dem ganzen Volk mitzuteilen. Dadurch findet ein Dialog statt, durch den dann die nötigen Maßnahmen ergriffen werden können, um eigene APPO-Komitees zu gründen, damit die politischen Transformationen realisiert werden, wie z.B. sich neue nicht korrupte Buergermeister wählen. All dies stößt natürlich bei den Herrschenden auf wenig Sympathie, denn wenn wir es in Oaxaca schaffen, den Tyrannen und sein korruptes System zu stürzen, könnte das Ganze wie die Theorie der Dominosteine auf das ganze Land und sogar auf “Fecal”, dem neuem Usurpator in Mexiko-Stadt,  übergreifen.

Nun gibt es eigentlich nur zwei Szenarien für diese soziale Bewegung:

1. Eine radikale soziale Umwälzung, die natürlich sozialistisch sein muß, d. h. wo alle Produktionsmittel den Arbeitern und Bauern in Selbstverwaltung übergeben werden müssen, wo Privateigentum abgeschafft wird, wo der ganze bürgerliche Staatsapparat vom Volk eingenommen wird und wo natürlich Milizen aufgebaut werden, die die Revolution beschützen.

2. Die andere Möglichkeit ist eine recht düstere. Breitangelegte Repression mit vielen Toten, Zerstörung der Bewegung, danach würden Jahrzehnte verstreichen, bis sich wieder so eine gewaltige Bewegung aufbauen kann – siehe Chile nach 1973.

ALLE MACHT DEM VOLK!! ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT!

13. 9. 2006,
Claudio

1. 10. 06, Hallo Erika, der Artikel ist super!!. Das ist genau das, was wir brauchen, Oeffentlichkeitsarbeit. Genossin Erika, Gestern wurde von der APPO die hoechste Alarmstufe ausgerufen. Der Grund ist das eintreffen von 3.000 Marineinfanteristen in Oaxaca, gestern nachmittag gegen 16 Uhr ueberflogen zwei Marinehubschrauber das Innenstadtgebiet. Wir rechnen jeden Moment mit einem Angriff der Herrschenden gegen uns. Das Ganze wird in einem Blutbad enden, weil die Bevoelkerung sich natuerlich wehren wird. Bitte versucht in Deutschland oder wo auch immer Oeffentlichkeitsarbeit zu machen. No Passaran! Der Faschismus darf nicht siegen!!

ALLE MACHT DEM VOLK!!! GEGEN AUSBEUTUNG UND UNTERDRUECKUNG HIER IN OAXACA UND UEBERALL! ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITAET!!!

BRUEDERLICHE KAMPFESGRUESSE AUS DEN BARIKADEN OAXACAS

1. 10. 2006,
Claudio

6. 10. 2006, Hallo Erika, danke für die Sorgen um uns !! Ich weiß nicht, was mit dem Internet los ist .

Ich bekomme auch ständig zerhackte mails. Ich verbringe die Nächte mit Genossen hinter Barrikaden. Gestern Nacht wurden mehrere Barrikaden von Paramilitärs angegriffen; es gab Tote und Verletzte. Die Situation ist sehr angespannt. Rund um die Stadt sind überall Militäreinheiten, wir rechnen jeden Moment mit einem Angriff. Teil der Strategie der Herrschenden ist, daß sie uns in einem endlosen Nervenkrieg halten, mit dem sie uns zermürben wollen.

Doch jeder Tag, an dem die Sonne wieder aufgeht, ist ein weiterer Sieg für uns!! Die Herrschenden zittern, und wir werden unseren gerechten Kampf nicht aufgeben!! Entweder jetzt oder es werden noch hundert Jahre Sklaverei sein. Das Volk sagt BASTA. es reicht und ist zu allem entschlossen. Daher, Genossin Erika, behalten wir unser Ziel im Auge, eine neue gerechte Gesellschaft wie Kuba, Venezuela und Bolivien zu schaffen!!! Nochmals Danke für Deine und Eure Bemühungen, um unseren Kampf zu unterstützen.

ZAPATA VIVE, LA LUCHA SIQUE!!! HASTA LA VICTORIA SIEMPRE!!! ALLE MACHT DEM VOLK!!! GEGEN AUSBEUTUNG UND UNTERDRUECKUNG IN OAXACA UND WELTWEIT!! ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITAET!!

Brüderliche rote Kampfesgrüße aus den Barrikaden Oaxacas.
6. 10. 2006,
Claudio

Oaxaca, 30.10.2006, Genossinnen und Genossen in aller Welt!! Die Herrschenden haben ihren gesamten Staatsterrorapparat gegen die friedliche und um ihre legitimen Rechte kämpfende Bevölkerung Oaxacas aufgefahren. Gestern sind über 4.000 bis auf die Zähne bewaffnete Sondereinheiten der Mexikanischen Armee und Marine mit Helikoptern, Panzern, Wasserwerfern, Maschinengewehren und Tränengas in die Stadt einmarschiert. Es hat erbitterte Kämpfe gegeben, bei denen es wieder zu Toten auf unserer Seite gekommen ist. Unter den Toten ein 14-jaehriger Schüler und mehrere Lehrer, es gibt sehr viele Verletzte und viele “Verschleppte”.

Die Staatsterroreinheiten sind in Hunderte von Häusern gestürmt, wo Lehrer wohnen, viele von ihnen sind ohne jegliche Haftbefehle in Militärkasernen verschleppt worden. Das Mexikanische Rote Kreuz hat sich geweigert, unsere Verletzten zu versorgen, ein Verstoß gegen internationale Menschenrechte. Der ultrarechte Präsident Fox, der das Blutbad angeordnet hat, spricht in allen Mainstream-Medien von einer “friedlichen Einnahme Oaxacas”. Seine zynischen Kommentare spiegeln das glatte Gegenteil der Wahrheit wieder. Die Bevölkerung Oaxacas wird sich niemals diesem Faschismus beugen. Ab jetzt wird eine andere Form des Wiederstandes organisiert.

Im ganzen Land finden zur selben Zeit, zu der ich diese Zeilen schreibe, Soli-Aktionen statt. Aus Mexiko-Stadt erwarten wir eine Karawane von 2o.ooo Sympathisanten, um Oaxaca von diesen widerlichen Militäreinheiten zu befreien. Ab morgen werden etwa 400.000 Lehrer landesweit in einen Solistreik übergehen. Unsere jetzige Taktik ist, die Militäreinheiten in Oaxaca-Stadt zu umzingeln, da wir numerisch natürlich viel mehr sind als diese 4.ooo Staatsterroristen, und sie dann auszuhungern, indem wir ihre Logistik von außen kappen.

Noch Freitagnacht hat der Mexikanische Innenminister, Abascal, Sicherheitsgarantien abgegeben, in denen er beteuerte, es würde nicht zu einer gewaltsamen Einnahme der Stadt kommen. Zur selben Zeit, zu der er diese Erklärung abgab, hat er auch den Einsatzbefehl an seine Bluthunde erteilt.

Dieser doppelzüngige Heuchler hat wieder mal bestätigt, daß es niemals zu einem ernst gemeinten Dialog zwischen Unterdrückern und Unterdrückten kommen kann. Die Interessen der Herrschenden sind diametral entgegengesetzt zu den Interessen der Ausgebeuteten. Es wird nun landesweit eine passende Antwort organisiert auf diese neue Repression gegen das heroische Volk Oaxacas!!!

ZAPATA VIVE- LA LUCHA SIQUE – ZAPATA LEBT- DER KAMPF GEHT WEITER!!!! AVANZAR POR UN GOBIERNO OBRERO, CAMPESINO Y POPULAR!!! VORWAERTS FUER EINE ARBEITER-, BAUERN- UND VOLKSREGIERUNG

Genossinnen und Genossen, organisiert Soli-Kundgebungen! Schreibt Euren Unmut an die Mexikanische Botschaft, organisiert Soli-Manifeste von progressiven Gewerkschaften. Unser Kampf ist auch Euer Kampf für eine gerechte Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung hier in Oaxaca und überall!!!

ALLE MACHT DEM VOLK!! DER FASCHISMUS DARF NICHT SIEGEN!!! ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITAET!!!

Rote Grüße aus dem sich wehrenden Oaxaca.
30. 10. 2006,
Claudio

Oaxaca, 2.11.2006, Genossinnen, Genossen !!! EL PUEBLO UNIDO JAMAS SERA VENCIDO!!

Wir haben heute eine gewaltige Schlacht gegen die Staatsterroristen gewonnen.

Kurze Zusammenfassung: Gegen 7 Uhr 3o heute morgen ging ein Aufruf über Radio Universidad an die gesamte Bevölkerung, daß die Universität und der Radiosender von etwa 3.000 PFP-Einheiten (Bundesgrenzschutz) angegriffen wird, die mit Wasserwerfern und Herkuleshubschraubern anrückten. Gegen 8 Uhr 15 habe ich mich auf den Weg zum Unicampus begeben, um dort die Stellung zu halten. Um diese Zeit waren relativ wenige Genossen, vielleicht 300 auf dem Campus.

Die Lage sah sehr brenzlig aus, es schien wie eine sichere Niederlage auf unserer Seite. Doch nach und nach strömten immer mehr Genossen Richtung Campus, sie kamen aus allen Stadtteilen um die Uni-Souveränität zu verteidigen. Der erste große Zusammenstoß ereignete sich etwa gegen 9 Uhr 30 am Südtor der Uni, wo die PFP-Einheiten mit Wasserwerfern und Tränengasbeschuß aus diesen Herkuleshelikoptern uns angriffen. Doch die heroischen Verteidigungsbrigaden haben – nur mit Steinen und wenigen Molotows ausgerüstet – diesen Angriff in unglaublich tapferer Weise abgewehrt. Danach fingen die PFP-Terroristen mit ihren Helikoptern an, das Uni-Gelände im Tiefflug zu überfliegen und warfen dabei Hunderte von Tränengasgranaten auf uns ab. Dies war der schwierigste Moment, denn wir hatten nichts, was wir den Helikoptern entgegensetzen konnten. Wir zogen uns einige hundert Meter zurück, um uns neu zu formieren und dem Tränengasbeschuß zu entgehen. Gleichzeitig strömten Tausende von Genossen Richtung Uni, die unmittelbar durch unser Radio über die Ereignisse informiert wurden. Aus allen Straßen kamen die Menschenmassen, und gegen etwa 10 Uhr 30 waren so viele auf den Strassen, daß wir in organisierter Form die PFP-Einheiten frontal mit einem Steinhagel aus allen Richtungen um einige Straßenzüge zurückwerfen konnten. Um diese Zeit konnten wir sie nie ganz vertreiben, da sie ständig Tränengas und Pfeffergas einsetzten und aus den Wasserwerfern und Hubschrauben uns beschossen. Man konnte auch sehen, daß die mittleren Reihen der PFP mit scharfen M-15 Gewehren ausgerüstet waren.

Die Schlacht verbreitete sich in einer Zone von mehreren Quadratkilometern, und an einigen Punkten landeten diese verdammten Hubschrauber, um Genossen von uns festzunehmen und zu entführen.

Doch je härter die Angriffe der Staatsterroristen wurden, desto wütender wurde die aufgebrachte Menschenmasse, und es kamen ständig mehr Genossen zur Unterstützung.

Viele von uns wurden verletzt, aber auch auf der Seite der PFP gab es viele Verletzte. Das ganze war dann ein Vor- und Zurückrücken auf beiden Seiten bis etwa 16 Uhr.

Danach fingen die Staatsterroristen ihren Rückzug an und rannten um ihr Leben. Die Wasserwerfer wurden zurückgezogen, da sie kein Wasser mehr hatten und wir konnten zwei davon sogar verbrennen. Die schlimmste Waffe, die sie hatten, waren zu diesem Zeitpunkt die Helikopter. Doch als sie merkten, daß wir entschlossen waren, an diesem Tag alles zu geben, um die ungleiche Schlacht zu gewinnen, zogen sich auch die Helikopter gegen 16 Uhr 30 zurück. Wir haben diese Schlacht gewonnen und haben damit wieder Geschichte geschrieben.

EL FASCISMO NO PASSARA EN OAXACA!!! EL PUEBLO UNIDO HAMAS SARA VENCIDO!! ALLE MACHT DEM VOLK!!! TOD DEM TYRANNEN!! NIEDER MIT DIESEN KLEPTO-PLUTO-TERRORKRATEN!!!

Heute ist ein schöner Tag in Oaxaca, viele kämpferische Grüße aus den Barrikaden.

2. 11. 2006,
Claudio

Oaxaca, 8.11.06, Genossinnen und Genossen!! ZAPATA VIVE- LA LUCHA SIQUE.

Die Menschenrechtsverletzungen nehmen in Oaxaca dramatische Formen an. RODH – ein Kollektiv von Menschenrechtsorganisationen in Oaxaca – berichtet von grausame Ereignisse vor und nach den Kämpfen zur Verteidigung der Universität am 2. November. Insgesamt wurden 87 Genossen auf offener Straße entführt, in Helikopter verfrachtet und in eine Art Internierungslager auf dem Flughafengelände eingesperrt. Aufgrund der Bemühungen der RODH konnten 34 Genossen unter Zahlung von Kautionen befreit werden.

Die Augenzeugenberichte der Freigelassenen erschüttern und zeigen die ganzen Ausmaße der Staatsterrorgewalt. Freigelassene berichten, daß sie zusammengeprügelt, schwer verletzt, mit den Gesichtern nach unten in dem Frachtraum der Helikopter übereinander gestapelt wurden. Als der Helikopter Richtung Internierungslager flog, wurden mehrere Genossen zur geöffneten Tür gezerrt und es wurde ihnen angedroht, daß alle aus dem Helikopter geworfen werden. Danach verbrachten sie drei Tage ohne Ernährung und Kommunikationsmöglichkeiten mit Familienangehörigen oder Anwälten.

Weiterhin befinden sich 54 Genossen in den Staatskerkern. Doch das allerschlimmste sind 45 als vermißt Gemeldete, die wir noch in keinem Gefängnis lokalisieren konnten.

Gestern Abend, am 7. Nov., habe ich einen Augenzeugenbericht von einer Ärztin, die im IMSS-Krankenhaus arbeitet, entgegengenommen, in dem sie, die Ärztin, aussagt, daß sie am 2.11, am Tag der Schlacht um die UNI, über 20 Tote gesehen hat, die in das Krankenhaus eingeliefert wurden, anschließend wurden die Toten in einem Massengrab verscharrt. Mir zittert die Hand, während ich diese Zeilen schreibe. Wir sind heute mit Anwälten unterwegs, um diese Information zu bestätigen.

Weiterhin werden Menschen entführt, allein gestern haben wir wieder 22 Vermißte oder Entführte zu verzeichnen. Die Situation ist dramatisch, ich sehe jeden Tag mehr Menschen mit schwerem Trauma, die geistesabwesend oder weinend durch die Stadt irren.

Gestern abend zog eine friedliche Frauendemo durch die Stadt, die von Staatsterroristen mit Wasserwerfern und Knüppeln angegriffen wurde. Ich habe Frauen gesehen mit blutüberströmten Gesichtern.

Das ist der Frieden, den uns Präsident Fox mit seinem Militärterror beschert hat. Das ist die Normalisierung der Lage, die Fox großmäulig und verlogen über alle Medien verbreitet und gleichzeitig, um von seinem Staatsterror abzulenken, Bombenattentate in Mexiko-Stadt fabrizieren läßt. Die Täter machen sich zu Opfern und die Opfer werden zu Tätern gemacht. Altes Spiel!!

Genossinnen und Genossen, vielleicht nerve ich Euch schon mit meinen Aufrufen, doch mein Gewissen läßt das Schweigen angesichts dieser Staatsverbrechen gegen ein friedliches Volk nicht zu! Daher nochmals: organisiert, wo auch immer und wie auch immer, Solikomitees, schreibt an die Mexikanischen Botschaften und Konsulate, macht Druck auf die Abgeordneten der Linkspartei.

Organisiert Spendensammlungen, uns fehlt es mittlerweile an allem, z.B. Nahrung, Medizin etc.

ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITAET!!! ALLE MACHT DEM VOLK!!! NIEDER MIT ALLEN KLEPTO-PLUTOTERRORKRATEN WELTWEIT!!!

Rote Grüße aus dem leidenden und sich wehrenden Oaxaca.
8. 11 2006,
Claudio

  • Gemeint sind Erika und Michael Belz von der DKP Gießen. Wir danken der DKP Gießen und Heinz W. Hammer für die freundliche Überlassung der Texte; d. Red.