Vor zehn Jahren: Marxismus-Tagung in Hannover

Klaus Herrmann:
Reprint: Vor zehn Jahren: Marxismus-Tagung in Hannover, 14.-16.3.1997 Ein NichtBericht

Vorbemerkung der Redaktion: Um die Kontinuität der Sache oder soll man sagen des Stillstands? –  deutlich zu machen, drucken wir hier den Artikel von Klaus Herrmann zur ersten Marxismus-Konferenz aus „offen-siv“Ausgabe Mai 1997 nach. (Red. Offensiv)

Den Bericht über den Kongreß in Hannover, um den ich gebeten worden bin, werde ich doch nicht schreiben. Ich müsste mit Anlage und Ablauf der Veranstaltung scharf ins Gericht gehen, ohne daß die Maßstäbe meiner Kritik z. Zt. Vermittelbar wären.

Mit meiner Kritik am akademischen Charakter der Sache ein Kongreß über Marxismus, aber keine Arbeitstagung ergebnisorientierter Marxisten würde ich vor allem die DKP treffen, die das meiste zur Ausrichtung beigetragen hat. Daran, daß der Marxismus zum Gegenstand folgenlosen Palaverns geworden ist, trägt sie aber am wenigsten Schuld.

Die marxistische Linke humpelt der rapide sich beschleunigenden gesellschaftlichen Dynamik wie ein doppelt beinamputierter Krüppel hinterher. Bis in die DKP hinein wird Keynesianismus als Rückzugslinie akzeptiert. Jörg Huffschmid von der Memorandum-Gruppe alternativer Wirtschaftspolitik hat in Hannover von der geringer gewordenen sozialen Beißhemmung des Kapitalismus gesprochen, die es wieder zu vergrößern gelte. Als ob man dadurch, daß man der Fata Morgana eines re-regulierten Kapitalismus nachjagt, nicht immer noch mehr Boden preisgibt! Prompt wurde Oskar Negt auf einer der Podiumssitzungen für seine Feststellung widersprochen, daß das Kapital erstmals ungehemmt nach Marxscher Kapitallogik funktioniert. Ein Ausspruch, den ich, selbst überrascht, mitnotiert habe.

Das war das Radikalste, was es an diesen Tagen zu hören gab.

Die PDS war auf dem Kongreß durch einige ihrer marxistischen Arbeitsgruppen und auf dem Podium des Plenums durch einige ihrer reformerischen Flügelmänner vertreten. Die Absenz von Vorstandsprominenz sollte wohl die Distanz ausdrücken, die man zur DKP hält.

Das Aha-Erlebnis des Kongresses war, daß man über alte Gräben und Meinungsdifferenzen hinweg wieder miteinander redet; fast euphorisch Robert Steigerwald in einer Wortmeldung: von den Trotzkisten bis hin zu ihm, zu seinesgleichen. Womit ausgerückt wurde, dass Akzeptanz noch immer ein Problem der DKP ist, was ja leider den Tatsachen entspricht.

Die DKP ringt um Akzeptanz, die Kommunistische Plattform der PDS ist auf das peinlichste darum bemüht, auch nicht den geringsten Schatten auf ihre unbedingte Parteiloyalität fallen zu lassen wie sollte unter solchen Vorzeichen eine Konferenz der Selbstverständigung unter Marxisten möglich sein?

Demgegenüber stellt die Form der wissenschaftlichen Tagung eine ideale Kompromissbildung dar: man trifft sich auf „neutralem Boden“ und wahrt den Schein des Tuns, ohne etwas zu tun.

Klaus Herrmann,
Suhlendorf