Die Kirche und der Krieg
Redaktion Offensiv: Vorbemerkung
Wir bringen im folgenden Auszüge aus der „Evangelischen Zeitung, Christliche Zeitung für Niedersachsen”, Lutherisches Verlagshaus, Knochenhauerstr. 38-40, Hannover, in denen es um die Militärseelsorge geht. Wir zitieren kommentarlos aus vier Artikeln, alle vier aus der Vorweihnachtszeit. Es sind die Artikel „Unser Einsatz hier ist sinnvoll”, „Netzwerk für die Familien”, „Manchmal fällt ein Schuss für den Frieden” und „150 Segenskerzen”.
Redaktion Offensiv, Hannover
Aus: „Unser Einsatz hier ist sinnvoll”
Mit einer kleinen Platzwunde war Militärbischof Peter Krug von seiner Reise nach Afghanistan zurückgekehrt. Am letzten Tag seines Aufenthaltes hatte er sich in einem gepanzerten Fahrzeug den Kopf gestoßen. Doch das schmälert nicht die starken, durchaus positiven Eindrücke von dem Besuch bei den deutschen Soldaten in Camp Warehouse in der Hauptstadt Kabul oder den Einheiten in Kundus im Norden des Landes. (…)
„Die Rechung scheint aufzugehen”, meint Krug, „das Militär wirkt beruhigend, so dass andere Hilfsaktivitäten ihre Wirkung entfalten können.” Gerade die deutschen Soldaten, so Krug, wirkten durch ihr freundliches Auftreten nicht als Besatzer, sondern als Stabilisatoren. Dennoch gebe es aber immer noch ethische Spannungen und Kriminalität. (…) Er habe jede Gelegenheit zu Gesprächen genutzt, von Offizieren bis zu einfachen Mannschafts-graden. Das überwiegende Fazit aller sei gewesen: „Unser Einsatz hier ist sinnvoll.” Natürlich habe es auch Berichte über Spannungen gegeben. Das könne gar nicht anders sein, wenn man erlebe, „wie zusammengepfercht die Truppen in Zelten und Feldhäusern leben.” Oft gebe es zudem Probleme mit den Angehörigen zu Hause. „Beziehungsfragen, Stimmungsschwankungen – da sind unsere Seelsorger besonders gefragt.” (…)
Der Gemeindebeirat der evangelischen Militärseelsorge Großenkneten, vertreten durch Stabsfeldwebel Reiner Natemeyer, lobte den Standortpfarrer Hans Jobst Schütte für die intensive Arbeit mit den Familien und sprach von einem Netzwerk mit den Kindern und Ehefrauen der Soldaten. „Der Soldat weiß um die Angst, die sich bei den daheim gebliebenen Familien während der Auslandseinsätze ihrer Ehemänner und Väter.”
Die Arbeit der Militärseelsorge wird in diesem Bereich sehr gut angenommen. Es wurden im laufenden Jahr (gemeint ist 2004; d.Red.) sieben Familienrüstzeiten angeboten. Die Gruppen bestanden oft aus mehr als 80 Personen, meist mehr Kinder als Erwachsene.” (…)
Aus: „Manchmal fällt ein Schuss für den Frieden”
Bergen/Lager Hörsten. „Peace Support Operation” (PSO, Frieden unterstützende Maßnahmen) so lautet das Programm des zweiwöchigen Trainingsseminars der Bundeswehr im Lager Hörsten. Alle evangelischen Pfarrer, die einen Auslandseinsatz begleiten wollen, müssen es durchlaufen. (…) Alltagsfähigkeiten sind das wirklich nicht, wenn ein Pastor übt, eine sorgsam im feinen Wegessand versteckte, handtellergroße Mine zu erkennen. Oder einen kurzen , prägnanten Funkspruch „abzusetzen”: „Flash, flash, flash (Hilfe)!” Nur schnelle Hilfe wird im künftigen Einsatzland wirkungsvoll sein. (…)
Doch das ist das notwendige Pflichtprogramm, mit dem die Bundeswehr alle Teilnehmer auf ihren sechsmonatigen Auslandseinsatz vorbereitet. (…) Eine Ausnahme gibt es freilich im Programm-Ablauf. Die neunte und zugleich letzte Station des Kurses, die Waffen- und Schießausbildung, entfällt für die Theologen. Auch im Einsatzland werden sie ohne Waffen ihren Dienst verrichten. Ob also im deutschen Feldlager, im Kosovo-Bergdorf oder in der Hauptstadt Kabul in Afghanistan – Pfarrer bleiben stets und überall unbewaffnet. Das heißt allerdings nicht, dass ein Pfarrer im Auslandseinsatz völlig ungeschützt ist. Meistens ist ein Soldat an seiner Seite, der eine Waffe mit sich führt. Und er darf sie zur Selbstverteidigung oder zur Nothilfe für seinen Schutzbefohlenen auch benutzen.
Doch Gott sei Dank kommt es dazu meist nicht. Denn die Bundeswehr genießt in allen gegenwärtigen Einsatzgebieten einen guten Ruf in der Bevölkerung. (…) Selten kommt es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung. Deshalb steht auch die „PSO”-Grundlagenausbildung ganz im Zeichen der Friedenssicherung. An einem Trainingstag wird zum Beispiel geübt, eine aufgebrachte Menschenmenge zu beruhigen. Schritt für Schritt wird eine Deeskalation versucht. Kann man verhandeln, ein Angebot unterbreiten? Erst wenn die Gesprächsversuche scheitern, wird es ernst: Die Soldaten lernen, eine stabile „Postenkette” zu bilden. Damit werden Gebäude oder einzelne gefährdete Personen geschützt. (…) Geht die Bedrohung allerdings immer mehr von der aufgebrachten Menschenmenge aus, fällt von ihrer Seite ein Schuss auf die Soldaten oder zieht ein einzelner Aufrührer seine Waffe und richtet sie gegen die Schützenden, dann dauert es nur wenige Sekunden, und ein Warnschuss fegt über die Köpfe. Auch der gezielte Schuss eines Soldaten auf den Angreifer wird jetzt vom Einsatzführer freigegeben. (…)
Die Soldaten und Seelsorger lernen im Camp, dass es bei ihrer Friedensmission um Formen der Selbstverteidigung geht. Der Schuss aus der Waffe kann immer nur das letzte Glied einer Eskalation sein. Und immer nur dann, wenn es sonst kein Entrinnen mehr geben würde. Erst wenn vorher alle Maßnahmen ausgeschöpft wurden, darf ein Schuss fallen.
Ob er jeweils auch mit dem persönlichen Gewissen zu vereinbaren ist, bleibt dem Einzelnen überlassen. (…) Der Soldat wird immer wieder selber eine Antwort finden müssen. (…) Manchmal kann das Gespräch mit dem Seelsorger helfen, sich darüber klar zu werden, seine Gedanken zu sortieren, wieder „Ruhe für die Seele” zu gewinnen.
Das wird nicht leicht sein, nicht für jeden. Einer der Ausbildungsfeldwebel brachte es denn auch auf den Punkt. „das Leben ist kein Picknick”, sagte er. Und damit gab er den Teilnehmern einen Trost mit auf den Weg. Sie sollen sich auf wirklich schwierige Situationen einstellen. Und sich damit abfinden, dass es nicht auf alles eine einfache Lösung im Leben geben kann.
150 Kerzen hatte Militärpfarrer Hartmut Weinbrenner zum „Advents-Workshop” zur Rüstzeit in Hülsa mitgebracht. Mit Flüssigwachs konnten die Teilnehmer der Rüstzeit Segenssprüche auf die Kerzen schreiben, die bei einem Gottesdienst für Soldaten und ihre Angehörigen verteilt werden sollen. Die Panzergrenadierbrigade 1 in Hildesheim beginnt im Januar ihren Einsatz in Afghanistan. „Was können wir den Soldaten von der Rüstzeit Schöneres mitgeben als diese Segensworte?”, fragte Pfarrer Weinbrenner. Die Familien begannen zu schreiben: „Ich bin bei Euch alle Tage”, „Du bist mein Fels und meine Burg” und andere Segenssprüche aus der Bibel. Beim Gottesdienst in der Hildesheimer St.-Elisabeth-Kirche fanden die Kerzen interessierte Abnehmer. Wahrscheinlich werden einige dieser Kerzen bald in Kabul oder Kundus leuchten.