20 Jahre und kein bisschen heiser!

Michael Opperskalski: 20 Jahre und kein bisschen heiser!

Michael Opperskalski lässt die Geschichte des Magazins „Geheim“ Revue passieren

20 Jahre ist es her, als im Frühsommer 1985 die 0-Nummer von GEHEIM das Licht der Welt erblickte – eine lange Zeit, mit vielen Höhen und Tiefen inzwischen. Und dennoch ist GEHEIM eigentlich noch älter, denn die Idee für ein geheimdienstkritisches Magazin in der BRD wurde Anfang der 80er Jahre im sandinistischen Nicaragua geboren.

Hintergrund für diese Gedankenspiele damals waren Entwicklungen in den USA, aber auch revolutionäre Herausforderungen in Iran, Afghanistan, Nicaragua, El Salvador oder Grenada, die das Imperium mit massivsten Destabilisierungen bis hin zum Aufbau von Contra-Armeen beantwortete.

GEHEIM-Gründer Michael Opperskalski fuhr auf Einladung der sandinistischen Befreiungsfront nach Managua. Im Gepäck: geheime CIA-Dokumente, die revolutionäre Studenten zuvor bei der Besetzung der US-Botschaft in Teheran erbeutet hatten. Das Ziel: diese Dokumente wie auch die Erfahrungen umfangreicher CIA-Operationen im Iran der FSLN in Nicaragua zur Verfügung zu stellen. Michael Opperskalski war einer der ersten gewesen, der im Iran Zugriff auf ungezählte, geheimste CIA-Papiere bekam und zugleich Augenzeuge der US-Destabilisierungen wurde, in deren Zentrum Operationen der CIA waren. 1982 veröffentliche er daher – gemeinsam mit Günter Neuberger, der später Co-Gründer von GEHEIM werden sollte – im Lamuv-Verlag das Buch „CIA im Iran“, in dem sich viele dieser CIA-Papiere wieder finden.

Vor diesem Hintergrund stieß Michael Opperskalski in Nicaragua auf nordamerikanische Kollegen, die in den 70er Jahren eine publizistische „Anti-CIA-Bewegung“ auf die Beine gestellt hatten. Zu dieser Bewegung gehörten auch ehemalige CIA-Agenten wie Philip Agee und John Stockwell, die mit der Agency gebrochen hatten, die ihnen während ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen schmutzigen Tricks enthüllten und ihre Erfahrungen Opfern von nord-amerikanischen Destabilisierungen zur Verfügung stellten. Im Zentrum dieser Aktivitäten standen zwei Magazine: „Covert Action Information Bulletin (später und heute noch: Covert Action Quarterly)“ und „The National Reporter“.

Beide Magazine hatten sich – ganz konsequent – im Rahmen ihrer Enthüllungsarbeit auch auf die Enttarnung von CIA-Agenten spezialisiert, die unter diplomatischer (oder anderer) Maske weltweit aktiv sind. Bekannt wurde dieser publizistische Aspekt der „Anti-CIA-Arbeit“ als „Naming Names“.

Reagans Schlag gegen diePressefreiheit

Kaum war Ronald Reagan zum US-Präsidenten gekürt worden, verschärfte die neue nordamerikanische Administration ihre weltweite Offensive gegen alle gesellschaftlichen Prozesse, die aus ihrer Sicht ihren Hegemonialinteressen im Wege standen. Moskau wurde zum „Reich des Bösen“, in Afghanistan liefen milliardenschwere CIA-Operationen an, um „die Sowjetunion am Hindukush ausbluten“ zu lassen, gegen das sandinistische Nicaragua wurde eine Contra-Armee mit allen Mitteln aufgebaut, die kleine Karibik-Insel Grenada militärisch überfallen – das Imperium schlug zurück. Im Schlepptau dieser Offensive verstärkte der nordamerikanische Geheimdienst CIA seine Aggressionen. Diese weiter abzusichern, diente die Verabschiedung des so genannten „Identities Protection Act“ 1980, das jeden US-Bürger mit horrenden Strafen bedroht, der Namen aktiver CIA-Agenten veröffentlicht oder in irgendeiner Form zu deren Veröffentlichungen beiträgt. Das bedeutete in Konsequenz, dass die Zeitschriften der „Anti-CIABewegung“ in den USA nicht nur ihr „Naming Names“ einstellen mussten, sondern auch bei jeder publizistischen Enthüllung der immer aggressiver werdenden „dirty tricks“ der CIA einen juristischen Seiltanz begannen. Nur logisch, dass sich die US-amerikanischen Kollegen fragen: „Wie weiter?“

In dieser Situation und vor diesem Hintergrund entwickelten sich in Nicaragua die Diskussionen um die Möglichkeiten, in anderen Ländern, möglichst in Europa, das fortzusetzen, was in den USA verboten worden war. Zunächst in Form von Büchern: „CIA in Westeuropa“ und „CIA in Mittelamerika“ (beide im Lamuv-Verlag).

GEHEIM erblickt das Licht der Welt

1985 war es schließlich soweit: Aus einer Idee, geboren und gewälzt in vielen Diskussionen, wurde Realität. Die 0-Nummer von GEHEIM wurde veröffentlicht mit dem Ziel, zu „testen“, ob diese Art des Enthüllungsjournalismus auf Interesse stoßen würde. Es tat, gefördert sicherlich auch durch die prompte Reaktion der damaligen Bundesregierung, die in Person des CSU-Innenstaatssekretärs Spranger mit dem Verbot der Zeitschrift drohte. Das brachte Publizität, schuf Interesse, ließ auch Solidarität sich entwickeln. „Der Spiegel“ berichtete und charak-terisierte GEHEIM als „das Fachblatt aus Köln“.

Seither zieht sich eine „rote Linie“ durch alle Veröffentlichungen von GEHEIM, die am besten, wenn auch verkürzt als „Partei ergreifender Enthüllungsjournalismus“ umschrieben werden kann. Thematisch ist das journalistische Feld von GEHEIM seit der 0-Nummer sehr breit gefächert: es reicht über die Berichterstattung, aber auch die Analyse des Abbaus demokratischer Rechte und dem damit einhergehenden Ausbau des Repressions-instrumentariums in der BRD bis hin zu den Enthüllungen der „schmutzigen Tricks“ der CIA und mit ihr verbündeter Geheimdienste (z.B. Israels MOSSAD oder Großbritanniens MI6). Dazu gehört wie selbstverständlich jedoch auch das in den USA verbotene „Naming Names“ oder die Entlarvung geheimer strategischer Konzeptionen.

Parteiisch war und ist GEHEIM von Beginn an. Nicht nur, weil sich Redakteure und Autoren sehr bewusst als Teil einer demokratischen und progressiven „Gegenöffentlichkeit“ begreifen, sondern vor allem auch, weil die Veröffentlichungen von GEHEIM Partei ergreifen für die Opfer – seien es Berufsverbotsopfer in der Bundesrepublik oder von CIA-Destabilisierungen bedrohte gesellschaftliche Entwicklungen, seien es diversen Repressionsmaßnahmen Aus-gesetzte oder Befreiungsbewegungen (Stichworte: die namibianische SWAPO oder der südafrikanische ANC).

Damit wird verständlich, dass GEHEIM zum Beispiel auch von Beginn an den revolutionären Prozess auf Cuba publizistisch unterstützte und inzwischen über ungezählte nordamerikanische – aber auch europäische – Verschwörungen gegen die rote Insel in der Karibik berichtete.

Einige wenige konkrete Beispiele

1986: GEHEIM berichtet über einen CIA-Mordversuch gegen den sandinistischen Außenminister Nicaraguas, und Manfred Bissinger beleuchtet die Gründe, warum so viele bundesdeutsche Journalisten für Geheimdienste arbeiten

1987: GEHEIM enthüllt wesentliche Teile und Strukturen des CIA-Geheimdienstnetzes in der Bundesrepublik, die Bespitzelung der „Grün-Alternativen Liste“ in Berlin, BND-Strategien in Afghanistan sowie CIA-Putsch und Mordpläne gegen Libyen, deren Fäden bis in die Bundesrepublik reichen

1988: erneut beleuchtet GEHEIM BND-Aktivitäten in Afghanistan, aber auch das, was im Zuge der „Iran-Gate-Veröffentlichungen“ nicht an die Öffentlichkeit kommen sollte, sowie die Drogengeschäfte der CIA

1989: GEHEIM macht Schlagzeilen: Wir veröffentlichten aus den Panzerschränken des so genannten Verfassungs“ schutzes“ „Verkartungspläne“, die Aufschluss über die Strukturen des Bespitzelungen durch den bundesdeutschen Inlandsgeheimdienstes geben. Auf den Philippinen berichteten fast alle Tageszeitungen über GEHEIM-Enthüllungen über getarnt arbeitende CIA-Agenten, die tief verstrickt waren in die Aufstandsbekämpfung des reaktionären Regimes in Manila. Auch der Artikel „Gestärkte Achse Washington-Pretoria“ (Nr. 2-3/1989) machte Furore als Beispiel für das aktive Engagement des Magazins an der Seite der Befreiungsbewegungen des südlichen Afrikas, ANC und SWAPO. GEHEIM zerrte nicht nur Einzelheiten des schmutzigen Krieges der Apartheid-Geheimdienste an die Öffentlichkeit, sondern auch deren strategische Allianz mit der CIA

1991: GEHEIM enttarnt eine Außenstation des BND in Hamburg

1992: „,Mountaineer’ antwortet nicht mehr“ lautet der Titel eines GEHEIM-Artikel, der von der Hauptstadt Ghanas, Accra, bis hin nach Johannesburg und Washington für Schlagzeilen sorgt. Der Artikel beschreibt nicht nur bis in alle Einzelheiten einen CIA-Putschversuch in dem westafrikanischen Staat, sondern auch ein gelungene Operation des südafrikanischen (Apartheid-)Militärgeheimdienstes DMI zur Unterwanderung des ANC

1993: GEHEIM veröffentlicht Verfassungs“schutz“-Aktionen gegen den GEHEIM-Autor Thilo Weichert und behält seine prominente Rolle in Südafrika durch weitere Enthüllungen

1995: Einzelheiten des BND-Plutoniumschmuggelskandals finden sich in GEHEIM wieder

1996: GEHEIM berichtet über „verdachtlose Telefonüberwachung durch den BND“ sowie über einen gescheiterten Putschversuch der CIA gegen Saddam Hussein

2000: Eine GEHEIM-Serie über „geheime Aktionen gegen die DDR“ sorgt für Diskussionen

2001: GEHEIM greift in die Debatte über die Vergangenheit Bundesaußenministers Joseph Fischer ein. Bohrende Fragen zu möglichen Geheimdienstverstrickungen Fischers (CIA?) werden gestellt, Indizien zusammengetragen, Konsequenzen aufgezeigt. GEHEIM gehört zu den Ersten, die Zweifel an der offiziellen Version(en) der Hintergründe der Terroranschläge vom 11. September äußert und auch nachweist

2002: „Osama bin Laden, der Mann mit den vielen Gesichtern“, lautet eine Coverstory von GEHEIM, die die CIAHintergründe des angeblichen Al-Qaida-Chefs aufzeigt. Gleichzeit entlarvt GEHEIM die US-Kriegsvorbereitungen gegen den Irak und die diese absichernden, geheimdienstlich gesteuerten Desinformationskampagnen

2003: GEHEIM berichtet detailliert über die Maßnahmen der USA unter dem Deckmäntelchen der Demokratie gegen Venezuela

2004: GEHEIM veröffentlicht unbekannte Dokumente des irakischen Widerstandes, aber zugleich auch Einzelheiten der US-Destabilisierungspläne gegen Venezuela und Cuba

2005: GEHEIM beschreibt en Detail die Kriegspläne der USA gegen Iran

Besonderes Gewicht bekamen viele GEHEIM-Stories durch die Existenz des englischsprachigen Schwestermagazins von GEHEIM, Top Secret, das zwischen 1988 und 1993 erschien und sich in wesentlichen Teilen auf GEHEIM stütze, dessen Artikel in Englisch nachdruckte oder zusammengefasst wiedergab.

Von Anfang an im Visier der Dienste

Mit dem Erscheinen der Nullnummer von GEHEIM 1985 entstand auch das gespannte Verhältnis zwischen den Machern der Zeitschrift und dem bundesdeutschen Inlandsgeheimdienst namens „Bundesamt für Verfassungsschutz“ (BfV) und seinen politischen Agentenführern. Kurz nach dem bekannt Werden der Existenz von GEHEIM drohte der christdemokratische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Spranger mit dem Verbot der kritischen Zeitschrift. Das führte zu einer ersten Anfrage der Fraktion „Die GRÜNEN“ im Bundestag. Diese wollte wissen: „Wie ist die Ankündigung der Bundesregierung … die Publikationstätigkeit der nachrichtendienstkritischen Zeitschrift GEHEIM müsse weiter beobachtet werden vor einer etwaigen Verbotsentscheidung, seither durch welche Dienststelle und in welcher Weise umgesetzt worden?“ 1989 beantwortete die schwarzgelbe Regierung per Drucksache 11/4294 eine Anfrage der GRÜNEN-Politikerin Schilling: „Wie in der Antwort auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Krey im Deutschen Bundestag am 28. Februar 1985 dargelegt wurde, sind die verantwortlichen Redakteure des Magazins ‚GEHEIM’ in der Vergangenheit als Mitarbeiter kommunistisch orientierter Publikationen bekannt geworden. Für die Beobachtung entsprechender linksextremistischer Bestrebungen ist das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig; es hat diese gesetzliche Aufgabe auch weiterhin zu erfüllen.“ Des weiteren stellt die Bundesregierung fest: „Soweit Fragen darauf zielen, ob und ggf. welche operative Maßnahmen des Verfassungsschutzes durchgeführt worden sind, muss eine Beantwortung aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben.“

Hinter diesen vorgeblichen Gründen der Geheimhaltung verstecken sich seitdem das BfV und die entsprechenden Landesämter, wenn es ihnen darum geht, ihre „operativen Maßnahmen“, also die Bespitzelung der Redakteure und ihres Umfeldes durch menschliche Quellen und technische Mittel, geheim zu halten. Der Auslandsgeheimdienst BND (Bundesnach-richtendienst) darf an dieser Stelle auch genannt werden.

Wegen der internationalen Kontakte des GEHEIM-Gründers Michael Opperskalski und des englischsprachigen Schwestermagazins „Top Secret“ überwachten auch die Pullacher Schlapphüte die Aktivitäten des Kölner Journalisten und seiner Kollegen. Solange die Archive der Dienste verschlossen bleiben und es keinen „Bundesbeauftragten für die BfV-, MAD-, BND-Akten“ gibt, der Interessierten ihre Akten zugänglich macht, ist es nicht möglich, konkrete Angaben über das Ausmaß geheimdienstlicher Überwachung zu machen. Die folgende Aufzählung kann lediglich einen groben Rahmen abstecken.

Eine nicht ganz vollständige Aufzählung

1988, 1990 und 1991 entging Michael Opperskalski nur knapp Anschlägen, die mit der CIA kooperierende Dienste und Gruppen auf den Philippinnen, in Namibia und Zimbabwe gegen ihn verübt beziehungsweise geplant hatten. Auf den Philippinen war das ausführende Organ eine marodierende „Vigilante“-Gruppe, in Namibia und Zimbabwe der südafrikanische militärische Aparteid-Geheimdienst DMI.

1992 beschäftigte sich die United States Information Agency (USIA) sehr intensiv mit dem Journalisten. Im Internet definiert sie sich jetzt als „eine unabhängige, außenpolitische Agentur, die die US-Außenpolitik und nationale Interessen unterstützt.“ Der Rückblick auf ihr Bestehen 1953-1999 im Dienste des US-Außenministeriums trägt den signifikanten Untertitel: „Telling America’s Story to The World“. Tatsache ist jedoch, dass die USIA immer wieder von Geheim-diensten instrumentalisiert wurden und werden, insbesondere hinsichtlich der Verbreitung organisierter Desinformationskampagnen. Im Juni 1992 verfasste diese US-Regierungsbehörde einen Bericht für das Repräsentantenhaus, der sich mit den „Soviet Active Measures in the ‚Post-Cold-War’ Era 1988-1991“ befasste. Namentlich aufgeführt und mit einem eigenen Kapitel versehen (!) sind GEHEIM, „Top Secret“ und ihr Gründer Opperskalski. Angaben über weitere Redaktionsmitglieder und Autoren fehlen. Den anonymen Verfassern der offiziellen US-Publikation ist es besonders wichtig, die Bedeutung des Naming Names, also das Entlarven von Agenten der CIA und andere US-Dienste, sowie dessen Aussagekraft zu relativieren. Als Kronzeugen führen sie einen Überläufer des tschechoslowakischen Dienstes an, der 1980 in einer Anhörung vor dem US-Kongress behauptete, beim Naming Names handele es sich um eine sowjetische „Desinformationstechnik“.

Ein weiterer Punkt, der den US-Amerikanern besonders schmerzte, waren die Veröffentlichungen in „Top Secret“ über die Experimente mit dem AIDS-Virus in US-Militärlabors.

Im Mai 2003 behauptet ein gewisser Herbert Romerstein in einem längeren Artikel unter der Titelzeile „Cuba gehört zur Achse des Bösen“, GEHEIM sei Teil eines internationalen Netzwerkes, dessen Existenz belege, dass Cuba in den so genannten „internationalen Terrorismus“ verwickelt sei und eben deshalb zur „Achse des Bösen“ gezählt werden müsse. Und er nennt explizit GEHEIM, das seit Beginn der 90er Jahre einen „deutlichen cubanischen Geschmack“ habe. Als Beispiele für die angebliche „propagandistische Unterstützung für Terroristen“ durch GEHEIM führt er Artikel zur Verteidigung der 5 widerrechtlich in den USA eingesperrten cubanischen Patrioten oder zur Verteidigung des irakischen Volkes sowie eine nicht existente publizistische „Verteidigung der Abteilung von Al-Quaida auf den Philippinen, Abu Sayaf“ an. Der Mann ist nicht irgendein durchgeknallter Wirrkopf, sondern zählt zu den geheimdienstlich angebundenen, prominenteren Propagandisten der Neokonservativen in den USA, war jahrelang als Berater oder Gutachter für diverse Senats- und Kongressausschüsse sowie die staatliche Agentur USIA tätig. Er unterstreicht die Forderung geheimdienstlich angebundener neokonservativer Kreise in den USA nach verstärkten Destabilisie-rungskampagnen gegen Cuba sowie die Verfolgung kritischer Personen wie der GEHEIM-Redakteure als „Terroristen“ – Guantánamo lässt grüßen …

Auch im Fadenkreuz bundesdeutscher Dienste

Zeitlich parallel zu den Publikationen in den USA gingen in Deutschland diverse Aktivitäten gegen GEHEIM-Autoren von der Bühne.

Im Oktober 1991 hatte der BfV-Präsident Eckart Werthebach im Zuge einer operativen Maßnahme behauptet, in der Zeitschrift würden „zahlreiche ‚Linksextremisten’“ mitarbeiten. Die Maßnahme richtete sich damals gegen Dr. Thilo Weichert. Der Jurist kandidierte für das Amt des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Brandenburg. Später stellte ein Gericht fest, dass das BfV rechtswidrig ein Dossier über Weichert weitergegeben hatte. Die Bundesregierung wollte 1992 nicht darauf antworten, worauf ihre Erkenntnisse über die „zahlreichen ‚Links-extremisten’“ in GEHEIM herrührten. Diesmal zog sie nicht „Geheimhaltungsgründe“ für ihre unzureichende Antwort heran, sondern zur Abwechslung „Rechtsgründe“.

1993 starben unter zweifelhaften Umständen der RAF-Aktivist Wolfgang Grams und der GSG9- Beamte Newrzella bei einer BKA-Operation in Bad Kleinen. Ende 1993 reagierte GEHEIM mit einer Sonderausgabe auf die Ereignisse. Zu den Autoren zählte auch der Polizist und grüne Bundestagsabgeordnete Manfred Such.

Die Retourkutsche kam im nächsten Jahr – direkt mehrmals. Am Dienstag, den 8. November 1994, um 07:00 Uhr, drang ein BKA-Kommando in Michael Opperskalskis Wohnung und Büroräume ein. Der Grund für die Untersuchung lautete: „Stasi-Verdacht“. Die Bundes-anwaltschaft verdächtigte den Journalisten, in den 80er Jahren für das Ministerium für Staats-sicherheit (MfS) sowie den kubanischen Geheimdienst gearbeitet zu haben. Während die Durch-suchung andauerte, brachten BKA-Beamte den GEHEIM-Redakteur in die Außenstelle nach Meckenheim. Opperskalski berichtete am 23. November 1994 im Interview mit der belgischen Wochenzeitung „Solidaire“ von dem Verhör: „So sagte man mir, ein mir niemals namentlich genannter ehemaliger Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) hätte ausgesagt, dass ich als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das MfS gearbeitet hätte, und zwar aufgrund meiner hervorragenden Kontakte in Afrika und Lateinamerika als Perspektivagent. Zudem sei ich im Auftrag des MfS verantwortlich für ‚Desinformation’ gewesen, um westlichen Geheimdiensten und Interessen zu schaden. Diese ‚Desinformation’ hätte ich über die Magazine GEHEIM und Top Secret sowie andere Medien lanciert. Für all diese Tätigkeit hätte ich vom MfS dann die stolze Summe von DM 2000 alle drei Monate bekommen. Ich hätte mich regelmäßig in der Hauptstadt der DDR, Berlin, mit ‚meinem Führungsoffizier’ getroffen und sei im MfS unter dem Code-Namen ‚ABRAHAM’ gelaufen. Allerdings, so gab es selbst der Denunziant beim BKA in seinem offiziellen Verhör zu, hätte ich niemals irgendetwas unterschrieben, das meine angebliche Agententätigkeit ‚beweisen’ könnte. Mir wurden auch keinerlei Dokumente oder andere ‚Beweise’ für die aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen vorgelegt, die einzig und allein auf den denunziatorischen und konstruierten Aussagen eines angeblich existierenden ehemaligen Offiziers des MfS basieren!“ Beim BKA setzte man daher auf psychischen Druck, um den Journalisten zu entsprechenden Aussagen zu verleiten. Opperskalski erinnert sich: „Zunächst sagte man mir, man hätte nur einige Fragen und ich könne nach deren Beantwortung nach Hause gehen. Am Abend wurde ich jedoch vorläufig festgenommen und in das Polizeigefängnis nach Bonn gesperrt, da ich nicht die Aussagen gemacht hatte, die der Staatsanwalt und die verhörenden Beamte des BKA wohl hören wollten.“ Währenddessen ging die Durchsuchungsaktion weiter. „Die haben ziemlich viel Material mitgenommen, bezeichnenderweise kaum Material, das man in Beziehung mit den Tatvorwurf bringen könnte, hauptsächlich jedoch Material, das mit meiner journalistischen und politischen Arbeit in Verbindung steht: Adressenkarteien, Kopien von auf meinem Computer abgespeicherten Dateien, Notizzettel, Photographien von internationalen Konferenzen, Computerdisketten, Zeitungsartikel und Flugblätter, Informationen über Korea, Südafrika, Kuba, Angola…“

Schon damals vermutete Opperskalski, dass der „Stasi-Verdacht“ nur als Vorwand diente: „Meine journalistische Tätigkeit ist nicht nur den Geheimdiensten der BRD, sondern des gesamten imperialistischen Lagers ein Dorn im Auge. Beide Magazine, GEHEIM und Top Secret, …beschäftigen sich mit imperialistischen Destabilisierungen und Strategien, bei denen die Geheimdienste eine nicht zu unterschätzende Schlüsselrolle spielen.“

Ein Verdacht liegt auf der Hand

Mit Blick auf die oben genannten US-Quellen fällt auf, wie der Verdacht der Bundesanwaltschaft den Bewertungen und Spekulationen von USIA und Peake folgt. Die Frage ist, ob die Anklagebehörde und ihr zuarbeitende deutsche Dienste sich von der CIA fernsteuern ließen oder eigenständig handelten.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Verhaftung fanden weltweit Protestaktionen vor deutschen Vertretungen statt. Zahlreiche Solidaritätserklärungen gingen bei Opperskalski ein. Wochen später erhielt Michael Opperskalski die beschlagnahmten Unterlagen wieder. Die Bundesanwaltschaft konnte ihren Verdacht nicht erhärten.

Bleibt also nach wie vor die Frage, ob die CIA ihre bundesdeutschen „Partnerdienste“ bei den Aktionen gegen Opperskalski „anleitete“. Nur eine Öffnung aller Geheimdienstarchive könnte hier Klarheit schaffen.

Trotz des Fehlschlages bei der Diffamierung von GEHEIM ließen die bundesdeutsche Dienste nicht locker und versuchten, ihre Schwarte anderweitig auszuwetzen.

Die Bundestagsgruppe der PDS engagierte den damaligen GEHEIM-Redakteur Hans-Peter Bordien als ihren Berater. 1995 stufte der Sicherheitsbeauftragte des Bundestages ihn nach erfolgter „Sicherheitsüberprüfung“ als „Sicherheitsrisiko“ ein. Der Grund: Seine Tätigkeit in GEHEIM.

1995 erfolgt die Nennung der Zeitschrift im „Verfassungsschutzbericht 1994“. Sie sei „linksextremistisch“, heißt es dort. Die Wochenpost (27.7.1995), die FAZ (28.7.1995) und die rechtsextreme Junge Freiheit (28.7.1995) reagieren mit entsprechenden Kampagnen auf die Verlautbarung der Schlapphüte aus Köln. 1996 geriet dann der GEHEIM-Redakteur Rolf Gössner in die Schlagzeilen. Der Rechtsanwalt und Berater der Grünen im niedersächsischen Landtag hatte beim BfV um Auskunft über seine Akte nachgefragt. Aus der Antwort ergab sich, dass der Geheimdienst Gössner seit einem Vierteljahrhundert beobachtete. Die Spione lasteten ihm an, dass Artikel von ihm in „linksextremistischen“ oder „linksextremistisch beeinflussten“ Zeitschriften erschienen seien. GEHEIM stand dort neben den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ und „Demokratie und Recht“. Gegen Gössners Bespitzelung protestierten unter anderem zahlreiche Schriftsteller, von Carl Amery über Lew Kopelew und Erasmus Schöfer bis hin zu Gerhard Zwerenz. Der Verband Deutscher Schriftsteller forderte die Einstellung der Überwachung und die Offenlegung aller gespeicherter Daten. Im „Verfassungsschutzbericht 1995“ war GEHEIM nicht erwähnt worden. Nach der Bericht-erstattung über Rolf Gössners Bespitzelung tauchte die Zeitschrift erwartungsgemäß in der Ausgabe des Jahres 1997 auf.

2002 fällt der Name GEHEIM wieder bei der Antwort der rotgrünen Bundesregierung auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion. Demnach rechnet das Bundesministerium des Innern GEHEIM weiterhin als Teil des „linksextremistischen Spektrums“ ein.

Leider häufen sich in jüngerer Vergangenheit Verleumdungskampagnen gegen GEHEIM-Redakteur Opperskalski in linken Kreisen (vgl. dazu auch: GEHEIM, Nr. 2/02). Dort wird behauptet, dieser arbeite für den „Verfassungsschutz“. Indizien weisen darauf hin, dass es eben jener Inlandsgeheimdienst ist, der dieses Gerücht in die Welt setzte, um den GEHEIM-Redakteur zu diskreditieren. In eine ähnliche Richtung zielte vor geraumer Zeit die Behauptung, Opperskalski arbeite für den britischen Geheimdienst.. Das Ziel dieser Diffamierungs-kampagnen liegt ganz offensichtlich auf der Hand. Die Redakteure von GEHEIM sollen gezielt diskreditiert werden, um sie für den Fall erneuter, direkter Repressionen notwendiger Solidarität zu berauben und sie bereits jetzt unglaubwürdig zu machen.

Gespenster sieht die Redaktion trotzdem nicht und bereitet in aller Ruhe und der nötigen Umsicht auf die nächsten Ausgaben vor – in der Gewissheit, dass eines Tages auch die Archive von BND, BfV und MAD in Camp Nikolaus, der Merianstraße 100 und dem Heeresamt in Köln für interessierte Bürgerinnen und Bürger offen stehen.

GEHEIM-Magazin, c/o Michael Opperskalski, Postfach 270324, 50509 Köln
Tel.: 0221-2839995, 2839996, Fax: 0221-2839997,
E-Mail: redaktion-geheim@geheimmagazin.de; Internet: www.geheim-magazin.de