Antwort auf meine Kritiker. 1. Teil

Samy Yildirim:
Antwort auf meine Kritiker. 1. Teil

Teil I: Der Anlass zu diesem Schreiben.

Die Ausgabe der “offen-siv” Nr. 02/2004 war eine Sondernummer zum Thema “Revisionismus”. Darinnen waren drei Beiträge enthalten; jeweils einer stammte von Kurt Gossweiler, Gerald Hoffmann und Michael Opperskalski. Zum Beitrag von Gerald Hoffmann hatte ich einige Anmerkungen vorgebracht, die in der “offen-siv” Nr. 06/2004 auch abgedruckt wurden. In der mir am 20.12.2004 zugegangenen “offen-siv” Nr. 07/2004 kamen nun drei Personen – Heinz W. Hammer, Hansi Oehme und Gerald Hoffmann selber – zu Wort, die ihrerseits Anmerkungen zu meinen Anmerkungen zu Gerald Hoffmann vorbrachten.

Aufgrund der gewählten Formulierungen sowie der inhaltlichen Entstellungen meiner seinerzeitigen Kritik sehe ich mich gezwungen, diese Replik zu schreiben. Dabei gehe ich zuerst auf Heinz W. Hammer separat ein und dann auf die beiden anderen meiner Kritiker zusammen, da diese beiden anderen Kritiken dermaßen parallel in Aufbau und Tendenz sind, dass auf eine verabredete Vorgehensweise mit verteilten Rollen zu schließen ist. Die deutlichen Unterschiede im Niveau der Kritiken von Hansi Oehme und Gerald Hoffmann lassen auf ein Herr-Diener-Verhältnis zwischen diesen beiden schließen, wobei deutlich ist, wer Derrick ist und wer Harry.

In Falle von Heinz W. Hammer werde ich zunächst seine Kritik an meinem in der “offen-siv” Nr. 06/2004 abgedruckten Leserbrief darstellen und anschließend einige Fakten mitteilen. Im Falle der beiden Berliner Zuschriften werde ich die in Rede stehenden Punkte in logischer Reihenfolge darlegen, so dass sich daraus ein Urteil ergibt, insbesondere über diese beiden Zuschriften. Abschließend erlaube ich mir dann einige weitere Bemerkungen.

Teil II: Antwort auf Heinz W. Hammer, Essen.

1) Worum es in der Kritik von Heinz W. Hammer an mir insgesamt geht.

Die in dieser Zuschrift enthaltenen Kritikpunkte betreffen die Frage nach der Legalität kommunistischer Organisationen, die mir attestierte Vergötterung der Illegalität, die Umstände der Gründung der DKP in der BRD im Jahre 1968 und die damals handelnden Personen.

2) Die DKP als einzige legale Organisation mit kommunistischem Anspruch?

Heinz W. Hammer unterstellt mir, ich vergötterte die Illegalität, und erklärt implizite, die DKP sei die einzige legale Partei mit kommunistischem Anspruch gewesen, welche in den späten Sechzigern in der BRD gegründet wurde. Er widerspricht sich insofern selbst, als dass er direkt darauf erklärt, die von mir vorgebrachten Vorwürfe gegen die DKP hätte er seinerzeit von diversen – bezeichnenderweise nicht näher bezeichneten – “maoistischen Gruppen” gehört. Waren diese nun legale oder illegale Organisationen?

3) Implizite Vergötterung der Legalität bei Heinz W. Hammer.

Zur Sache selbst ist zu bemerken, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahre 1956 die KPD (deren Vertreter seinerzeit im Parlamentarischen Rat gesessen und an der Formulierung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland mitgewirkt hatten) für grundgesetzwidrig erklärt und also verboten hatte. Die KPD hielt sich aber nicht daran und blieb in der lllegalität bestehen. Soweit zur Vergötterung der Legalität, die sich implizite bei Heinz W. Hammer artikuliert. Kommunisten lehnen keine dieser beiden Vorgehensweisen a priori ab: wenn es geht, dann legal, ansonsten illegal.

4) Gründung mehrerer legaler Organisationen mit kommunistischem Anspruch.

Nun aber entartete auch die KPD revisionistisch, was dazu führte, dass in den Sechzigern mehrere Personen Neubildungen von Parteien mit kommunistischem Anspruch anstrebten. Zu diesen Personen gehörte etwa der Steuerberater Erich Reimann aus Hanau (bei Frankfurt am Main), der 1965 die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) gründete, und zwar als strikt illegale Organisation. Es zeigte sich dann später, dass Reimann im Auftrage des Verfassungsschutzes tätig gewesen war. Seine Schöpfung verschwand genauso plötzlich von der Bühne wie sie einst gekommen war. Ihr letztes Lebenszeichen gab sie im Januar /Februar 1968 von sich.

Ihr Auftrag war es gewesen, die Bildung einer legalen Partei zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Diese Erfahrung machten jene, welche sich damals um den Aufbau einer legalen Organisation mit kommunistischem Anspruch bemühten. Ende 1968 schließlich gründeten einige ehemalige Angehörige der inzwischen revisionistisch entarteten KPD, unter ihnen Ernst Aust (1923 -1985) und Günther Ackermann (heute Webmaster von http://www.kommunisten-online.de) die KPD/ML – als legale Organisation mit kommunistischem Anspruch. Diese Partei selbst existiert heute, jedenfalls in dieser Form, nicht mehr, wohl aber Nachfolgeorganisationen wie etwa auch die Gruppe Neue Einheit (http://www.neue-einheit.com) – allesamt als legale Organisationen mit kommunistischem Anspruch.

In den Siebzigern folgten weitere Gründungen von legalen Organisationen mit kommunistischem Anspruch, unter anderen auch der heute noch bestehende Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (http://www.arbeiterbund-fuer-den-wiederaufbau-der-kpd.de) dessen Mitglied Stefan Eggerdinger Verleger in München und Köln ist und den “Streitbaren Materialismus” (http://www.streitbarer-materialismus.de) herausgibt, in welchem Kurt Gossweiler wiederholt und Gerald Hoffmann bislang einmal (“Streitbarer Materialismus”, Nr. 26, Mai 2004) Artikel veröffentlicht haben.

Daraus erhellt, dass keine wie auch immer geartete Rede davon sein kann, dass die DKP die einzige legale Organisation mit kommunistischem Anspruch in der BRD gewesen wäre. Das war sie nie, und das ist sie auch heute nicht. Sie hat lediglich ihre kommunistische Tarnung verloren, was sich dem Verständnis von Heinz W. Hammer allerdings zu entziehen scheint.

5) Zurückweisung der Kritik von Heinz W. Hammer.

Weder war die DKP die einzige auf Legalität orientierende Organisation mit kommunistischem Anspruch, welche damals in der BRD gegründet wurde, noch fanden sich alle Ex-KPDler in der DKP wieder (wie Heinz W. Hammer weismachen will), noch vergöttere ich die Illegalität. Ich vergöttere allerdings auch nicht die Legalität.

Was von seiner Kritik an meinem Leserbrief zu halten ist, hat Heinz W. Hammer selbst geschrieben: “Zu diesem unwissenschaftlichen Ergebnis muss man wohl kommen, wenn man sich bemüht, die Realität so lange zurechtzukneten, bis sie den eigenen theoretischen Vorgaben gerecht wird.” Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.

6) Konstruktive Kritik an der Kritik von Heinz W. Hammer.

Genauso läppisch wie Heinz W. Hammer seine Kritik an meinem Leserbrief beginnt, genauso larmoyant beendet er sie: mit einer Jeremiade über den heutigen Zustand der DKP, der ihm unerklärlich vorkommt. Mir hingegen kommt der heutige Zustand der DKP überhaupt nicht unerklärlich vor; vielmehr betrachte ich ihn als Ergebnis eines sukzessiven coming-out, als Ergebnis dessen, was von Anfang an im Wesen der DKP beschlossen lag.

Dringend empfehle ich Heinz W. Hammer die Lektüre des Evangeliums nach Matthäus, insbesondere der sich über die Kapitel 5 bis 7 erstreckenden Bergpredigt, namentlich von Matthäus 7, 15 – 18: “Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen; inwendig sind sie reißende Wölfe. A n i h r e n F r ü c h t e n w e r d e t i h r s i e e r k e n n e n. Sammelt man denn Trauben von Dornen oder Feigen von Disteln? So bringt jeder gute Baum gute Früchte, der schlechte Baum aber bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, und ein schlechter Baum kann nicht gute Früchte bringen.” Bibelleser wissen mehr.

Wenn Heinz W. Hammer wissen will, wie sehr er – betreffend die Entstehung der DKP – im durch Wunschdenken motivierten Irrtum befangen ist, so lese er bitte das Buch “Der geheime Kanal -Moskau, der KGB und die Bonner Ostpolitik – Mit einem Nachwort von Egon Bahr” (Rowohlt, ISBN 3-87134-224-6, DM 25,80) von Generalmajor a. D. Wjatscheslaw Keworkow. Er wird dann besser Bescheid wissen über die Hintergründe der sog. “Entspannungs-” und “Ostpolitik” der Siebziger Jahre im Allgemeinen und die Rolle, die der DKP von den in Bonn und Moskau Herrschenden darinnen zugedacht war, im Besonderen. Dass das Nachwort ausgerechnet von Egon Bahr stammt, ist durchaus logisch. Schließlich war es Egon Bahr, der 1963 das neue Konzept des Angriffs auf den Osten vorstellte, und auch Begriffe ausgab: “Wandel durch Handel”, “Wandel durch Annäherung”, “Entspannung” etc. Was damit wirklich gemeint war, wusste der Kabarettist Wolfgang Neuß schon im Bundestagswahlkampf 1965 mitzuteilen: “Wir schaffen es – ohne Waffen-SS.”

Dass dieses Konzept überhaupt hatte erwogen werden können, hatte damit zu tun, dass die Revisionisten in den Fünfzigern die Spitzen von KPdSU und UdSSR übernommen hatten, und von dort ausgehend nach und nach in anderen Ländern des damaligen sozialistischen Weltsystems. Mit Marxisten-Leninisten an der Spitze von KPdSU und UdSSR hätte das Konzept von Bahr, Brandt und Co. nicht funktioniert, weil ihm dann der Partner auf der östlichen Seite gefehlt haben würde.

7) Über die Hintergründe der Begriffe “Stalinismus” und “Maoismus”.

Was den Begriff “Maoismus” anbelangt, so kommt er aus der Geheimdienstecke. Erstmals kommt er vor in dem 1970 im Verlag Frankfurter Sozietätsdruck erschienenen Buch “Maoismus – Pekings Filialen in Westeuropa” (ISBN 3-797301952) von Paulette Friedlingstein und F. W. Schlohmann. Letzterer war damals immer dabei, wenn Linke angeschwärzt und letztlich diskreditiert werden sollten.

Ich bitte daher darum, den Begriff “Maoismus” genauso wenig zu benutzen wie den Begriff “Stalinismus”: am besten gar nicht. Beide sind von anti-kommunistischen Kräften ins Spiel gebrachte Kampfbegriffe, die zur Verwirrung beitragen sollen: “Stalinismus” von Trotzki, “Maoismus” von Paulette Friedlingstein und F. W. Schlohmann.

Darüber hinaus gibt es keine geschlossenen theoretischen Systeme mit diesen Namen, sondern lediglich einige mehr oder weniger sinnvolle – und durchaus zu diskutierende – Ergänzungen zum Marxismus-Leninismus, der allerdings ein solches geschlossenes theoretisches System ist.

Da ich den Begriff “Marxismus” verwende, obwohl auch dieser aus der ganz rechten Ecke stammt – vom königlich-preußischen Lockspitzel Voigt 1859 in Umlauf gebracht -, liegt daran, da er sich historisch durchgesetzt hat. Marx selbst  erklärte Zeit seines Lebens, kein “Marxist” zu sein. Erst Engels benutzte einige Jahre nach Marxens Tod diesen Begriff, und zwar offensiv; genauso, wie seinerzeit niederländische Freiheitskämpfer des Achtzigjährigen Krieges gegen die Spanier (1567 – 1648) den ihnen von diesen verliehenen Spottnamen “de geuzen” (= “die Armseligen”) als Auszeichnung verwendet hatten.

Samy Yildirim, Zaandam, Niederlande