Frank Flegel:
Bericht vom Zwischenseminar des marxistisch-leninistischen Fernstudiums der Zeitschrift „offen-siv“, Gruppe Ökonomie, 28. 10. 06
Am 28. 10. 2006 fand das zweite Zwischenseminar der Gruppe Ökonomie unseres Fernstudiums statt, Tagungsort war Erkner bei Berlin. Die Teilnehmer/innen hatten rund drei Wochen vorher Kontrollfragen bekommen, die dazu dienten, beim Zwischenseminar in Erkner eventuelle Unklarheiten und Missverständnisse zu klären bzw. Lücken aufzuarbeiten.
Hier der Fragenkatalog:
- Wiederholung aus der ersten Etappe: stelle kurz die Grundlagen der Mehrwertproduktion dar.
- Was versteht man unter absoluter Mehrwertproduktion?
- Was versteht man unter relativer Mehrwertproduktion?
- Erkläre die „Jagd nach dem Extraprofit“!
- Was ist der „Fetischcharakter der Ware“?
- Warum kann man auch von einem Fetischcharakter des Geldes und des Kapitals sprechen?
- Erkläre die Entstehung eine „notwendig falschen Bewusstseins“, das Marx auch die „richtigen Widerspiegelung des falschen Scheins“ nennt! Beantworte die Frage anhand zweier Beispiele,
6.1.: am Beispiel der Legende, mit dem Arbeitslohn würde die Arbeit bezahlt: Wie kommt dieses falsche Bewusstsein zustande?
6.2.: am Beispiel der Legende, Maschinen könnten Wert schaffen: Wie kommt dieses falsche Bewusstsein zustande?
- Das „Kapital“ von Marx stellt die inneren Bewegungsgesetze des Kapitals dar. Das bringt einige Fragen mit sich:
- Wie gestaltet sich das Verhältnis von Wesen und Erscheinung, also von Logik und Empirie?
- Wie ist das Verhältnis von Logik und Geschichte zu bestimmen?
- Transferaufgabe: Versuche, den Begriff „produktive Arbeit im Kapitalismus“ zu fassen! Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Arbeit im Sinne des Kapitals „produktiv“ ist? Was ist dann „unproduktive Arbeit“ im Sinne des Kapitals?
Zunächst haben wir also einen Blick auf die zurückliegende Etappe des Fernstudiums, die Zeit vom 1. Juli bis zum 28. Oktober 2006, geworfen. Wir beschäftigten uns nochmals mit der Marxschen Mehrwerttheorie: Kauf und Verkauf, Wert und Gebrauchswert der Arbeitskraft, Produktion von Mehrwert, Ausbeutung. Danach erörterten wir Fragen der relativen Mehrwertproduktion, vergaßen dabei auch die Jagd des Einzelkapitals nach dem Extraprofit nicht und kamen dann zur Frage der Bewusstseinsformen, also des „notwendig falschen Bewusstseins“. Hier beschäftigten wir uns nochmals rückblickend mit der Frage, warum im Kapitalismus der Eindruck entsteht, dass auch Maschinen Wert schaffen könnten.
Schließlich vertieften wir noch einige methodisch-wissenschaftliche Aspekte, so die Frage nach dem Verhältnis von Logik (Marxsche Kapitalanalyse) und Geschichte (realer Fortgang der Ereignisse). Danach waren wir bereit dazu, den Blick auf die nächste Etappe des Fernstudiums zu richten.
Die Einführung in den dritten Teil des Ökonomie-Jahres, wofür die Teilnehmer/innen konkrete Literaturhinweise (Auszüge aus K. Marx, Band I und III des „Kapital“ sowie komplett W.I. Lenin: „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ und H. Brar: „Der Imperialismus im 21. Jahrhundert“[49]) bekamen, hatte folgende Themen: Reproduktionsprozess des Kapitals, zunächst einfache Reproduktion, ihre Voraussetzungen, ihre Resultate, dann erweiterte Reproduktion, also Verwandlung von Mehrwert in Kapital, auch hier wieder Voraussetzungen und Resultate, das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Nachdem wir uns mit der Konzentration und der Zentralisation des Kapitals beschäftigt hatten, war wichtig, hier den Zusammenhang zu den Grundbestimmungen der Warenproduktion, dem Äquivalententausch, der Wertform, der einfachen Warenproduktion usw. nicht zu verlieren, sondern sich klar zu machen, dass die mit der Akkumulation des Kapitals einhergehende Monopolisierungstendenz und die sowohl zwischen den Einzelkapitalen als auch zwischen Lohnarbeit und Kapital stattfindende reale Aufhebung des „gerechten“ Äquivalententausches (bei seiner formalen Beibehaltung) keine Fehlentwicklung einer warenproduzierenden Gesellschaft, sondern deren logische Konsequenz ist.
Daran anschließend beschäftigten wir uns mit der Profitrate. Mit steigender Produktivkraft verringert sich der Einsatz lebendiger menschlicher Arbeit, das führt im Grundsatz zu sinkenden Profitraten. Im Lichte dieser Einsicht analysierten wir die gegenläufigen Tendenzen, die den Fall abbremsen und hin und wieder auch aufheben können.
Im Ergebnis wurde deutlich, dass der Kapitalismus die durch ihn entwickelten Produktivkräfte nicht mehr beherrschen kann, dass sie sich gegen ihn richten und er zur Fessel derselben wird. So konnten wir den Begriff der allgemeinen Krise des Kapitalismus mit Inhalt füllen.
Die von Lenin in seiner Imperialismustheorie weitergeführte und zugespitzte ökonomische Analyse des Kapitalismus schloss sich hier organisch an. Wir führten uns die bekannten fünf Merkmale vor Augen und stellten fest, dass wir nun auf der Höhe der Zeit waren.
Das führte zu einem Rück- und Vorausblick. Im ersten Seminar des Fernstudiums hatten wir uns die unterschiedlichen Gesellschaftsformationen und die Gründe ihres jeweiligen Entstehens, Blühens, Siechens und schließlichen Untergehens angeschaut und konnten deshalb nun eine Epochenbestimmung vornehmen: wir leben (trotz des konterrevolutionären Sieges des Imperialismus über den europäischen Sozialismus) im Zeitalter des sterbenden Kapitalismus, also, sofern die ausgebeutete Klasse die Lage begreift und das Rad der Geschichte weiterdreht, im Zeitalter des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus/Kommunismus.
Am Schluss der Sitzung entstand eine sehr interessante Diskussion über den Zustand der kommunistischen Bewegung in Deutschland. Dass die Zersplitterung der antikapitalistischen Kräfte nicht hinnehmbar ist und deshalb Schritte zur Vereinheitlichung eingeleitet werden müssten, darüber waren wir uns sehr schnell einig. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fernstudiums wollen an diesem Thema kontinuierlich weiterarbeiten – und dies vor allem praktisch, was mich als Teamer sehr freut. Dass man dazu über den Zeitraum des Fernstudiums hinaus in Kontakt bleiben muss, war Konsens.
Zum Schluss ein persönliches Wort von mir als einem seit mehr als 30 Jahren in der antikapitalistischen Linken aktiven Menschen: Die Ernsthaftigkeit, die Atmosphäre, der Elan, die Konsequenz, also die Qualität der Arbeit, das alles war für mich sehr schön zu erleben und – gerade in diesen finsteren Zeiten – ausgesprochen ermutigend.
Frank Flegel,
Hannover (Teamer)
- Die Literaturaufgaben für die nächsten knapp vier Monate sind:- Marx, Kapital, Band I, MEW 23: S. 589-599; 603/4; S. 605-614; 640-642; S. 650-658.
– Arbeitsheft des Fernstudiums, Nr.2:
Teil 1: Marx zum Tendenziellen Fall der Profitrate, Nachdruck aus Band III des „Kapital“.
Teil 2: Gesellschaftsformationen, Nachdruck des Schulungsmaterials eines Fernstudiums
Geschichte aus der DDR.– Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus; in: LW 22, komplett.
– Brar: Imperialismus im 21. Jahrhundert; Pahl Rugenstein Verlag Nachfolger, komplett.