Cubas legitimer Kampf gegen den Terror

Heinz W. Hammer
Cubas legitimer Kampf gegen den Terror

Rezension: Klaus Huhn, »Massenmord am karibischen Himmel«

Vor nunmehr über 10 Jahren, am 12. September 1998, wurden in Miami die fünf cubanischen Kundschafter Gerardo Hernández Nordelo, Ramón Labañino Salazar, Antonio Guerrero Rodríguez, Fernando González Llort und René González Sehwerert nach einem Schauprozess zu insgesamt 77 Jahren sowie in drei Fällen zuzüglich 4 Mal lebenslänglicher Haft verurteilt. Angeblich hätten sie US-Einrichtungen von nationaler Sicherheit ausspioniert. Tatsächlich jedoch haben sie genau dies nachweislich nicht getan. Das ausschließliche Ziel ihrer Mission war es, die vor allem in Miami ansässigen, zahlreichen anticubanischen und konter-revolutionären Organisationen zu unterwandern, deren terroristische Aktivitäten gegen Kuba auskundschaften und die Informationen an ihre Regierung in Havanna weiterzugeben.

Seither setzen sich überall auf der Welt Solidaritätskomitees für die Freilassung der Inhaftierten ein. Am 31. August 2008 verlieh das Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde e. V. (BüSGM) in Berlin seinen »Preis für Solidarität und Menschenwürde« an die in Cuba als nationale Helden Geehrten. Der bekannte Völkerrechtler und Bundestagsabgeordnete (Fraktion Die Linke) Prof. Dr. Norman Paech hielt aus diesem Anlass eine würdige Rede und beleuchtete darin u.a. auch die auszukundschaftenden Ziele: »Als ich im Juni vergangenen Jahres in Havanna war, hatte die US-amerikanische Justiz gerade Luis Posada Carilles, CIA-Agent und einer der bekanntesten und gesuchtesten Terroristen, von dem Vergehen der illegalen Einreise in die USA freigesprochen. Er hat die Explosion eines Flugzeuges der “Cubana de Aviación” am 6. Oktober 1976 auf dem Gewissen, bei der 73 Passagiere ums Leben kamen (…) Der Freispruch im Mai 2007 und die Entlassung von Posada Carriles aus dem Gefängnis enthüllt die skandalöse Seite des US-amerikanischen Kampfes gegen den Terror. Dieser Kampf schützt die Karriere eines sich offen zum Terror bekennenden Kriminellen, der nun als freier Bürger in den USA seinen Lebensabend verbringen kann. Gleichzeitig verfolgen FBI und Justiz gnadenlos die Versuche derjenigen, die den Terror verhindern wollen, der von US-amerikanischem Territorium ausgeht und den die USA selbst zu unterbinden verpflichtet wären. Nur selten zeigt sich die Verlogenheit einer Kampagne so deutlich wie bei der Vorzugsbehandlung dieses Terroristen und der Verfolgung von Menschen, die sich dem Kampf gegen den Terrorismus verschrieben haben. Wer weiß schon in Europa, dass durch die Anschläge der sich zumeist aus exilkubanischen Kreisen rekrutierenden und von der CIA ausgebildeten Terroristen in den letzten zehn Jahren etwa 3.500 Kubaner getötet wurden und 2.100 schwere Verletzungen erlitten?«[25]

Ja, wer in Europa und in der Bundesrepublik weiß dies schon außerhalb der Cuba-Solidaritätsbewegung? Und ist es nicht die ständige Aufgabe eben dieser Bewegung, die Verbrechen gegen Cuba bekannt zu machen, die Wahrheit zu verbreiten?

Klaus Huhn, langjähriger ND-Sportchef, Gründer und Leiter des Spotless-Verlags,  Autor ungezählter sportpolitischer und -geschichtlicher Beiträge sowie zahlreicher Publikation auch zu Cuba[26], ist in seinem jüngsten Buch diesem verschwiegenen Aspekt des internationalen Terrorismus nachgegangen und fündig geworden.

Obwohl selbst nicht mehr der Jüngste, hat er die Beschwerlichkeiten einer Flugreise nach Venezuela, dem damaligen Ausgangspunkt des zu untersuchenden Falles, auf sich genommen, um der Fährte des Verbrechens zu folgen, »das zwar immer mal wieder erwähnt wird, wenn die zahllosen Verbrechen gegen Kuba aufgelistet werden, aber – meinte ich – bislang nie mit der Gewissenhaftigkeit beschrieben wurde, wie es dieser Massenmord am 6. Oktober 1976 verlangte«, wie er in der Einleitung schreibt.

Diesem Anspruch ist der Autor im folgenden gerecht geworden. Mit parteilicher Gewissenhaftigkeit und vor allem linker Propaganda unverdächtige Quellen wie dem FBI und CIA nutzend, listet der Autor eine Reihe von herausragenden Terrorakten gegen Cuba auf, die direkt in Zusammenhang mit Luis Posada Carilles und seinem langjährigen Kumpan Orlando Bosch Ávila, von diesen gegründeten Contra-Banden und natürlich mit der CIA stehen. Ein terroristisches Geflecht wird enthüllt, dass sich von Langley über Caracas zur Schweinebucht, von Santiago de Chile über Washington erstreckt, aber immer wieder nach Miami führt und in dem von der CANF[27] bis zur CORO[28] alles vertreten ist, was in der anticubanischen Terrorszene Rang und Namen hat.

Mit detektivischer Akribie nimmt Huhn die Fährten sowohl der genannten Drahtzieher als auch der ausführenden Handlanger, den »stumpfsinnigen Visagen«[29] Hernán Ricardo Losano und Freddy Lugo auf, folgt ihren Spuren durch die Jahre, schildert anschaulich die internationale politische und diplomatische Gemengelage jener Zeit, aber auch, fast schmerzhaft detailliert, die logistische Vorbereitung und Durchführung des Verbrechens, »eines Bombenattentats im Auftrag der CIA, wie es die Geschichte des modernen Flugwesens bis dahin nicht kannte.«

An Bord des Fluges CU 45, der von Georgetown über Trinidad, Barbados und Jamaica nach Havanna führen sollte, waren vorwiegend junge, kaum 20-jährige cubanische Sportler/innen, die bei den Zentralamerikanischen und Karibischen Sportspielen ausnahmslos Goldmedaillen im Fechten gewonnen hatten. »Als das Flugzeug die Höhe von 18.000 feet – etwa 6.000 Meter – erreicht hatte, zündete der Sprengstoff und die DC 8 wurde von einer verheerenden Explosion zerrissen (…) 17 Kilometer vor der Küste stürzte das Flugzeug brennend ins Meer. Niemand überlebte (…) Das Wasser war übersät von zerfetzten Körpern und Trümmern.«

Lugo und Losano hatten 16.000 bzw. 8.000 US-$ für »den Job« erhalten. Auf den Seiten 40 – 44 dokumentiert Huhn die Namen nebst Alter und Beruf der cubanischen, koreanischen und guayanischen Opfer und entreißt sie somit dem anonymen Vergessen.

Die involvierten staatlichen Stellen von Barbados, Cuba, Guyana sowie Trinidad und Tobago vereinbarten, den Prozess gegen die Täter in deren Heimatland Venezuela zu führen, wo dieser tatsächlich auch 1977 eröffnet wurde. Nach elf (!) Jahren endete er mit lebenslänglichen Schuldsprüchen für Losano und Lugo (nach 17 Jahren freigelassen) und Freispruch (!) für Bosch. Der zweite Drahtzieher, Posada Carilles, war bereits 1985 auf Betreiben höchster US-Stellen (Oliver North) untergetaucht, um für andere Schmutzarbeiten zur Verfügung zu stehen. Wie diese Geschichte weitergeht, welche Einmaligkeiten der ganze Prozess aufwies (»Die Geschichte kennt zahllose Fehlurteile; dieses dürfte alle anderen in den Schatten stellen«) und wie dies alles unmittelbar mit diversen US-Regierungsstellen zusammenhängt, all dies wird im Buch aufgedeckt und präzise beschrieben. Nachgewiesen wird auch, dass wir es hier nicht allein mit einer notwendigen Geschichtsstunde zu tun haben, sondern dass die ganze Affäre höchst aktuell ist. Denn die blutige Spur des Chefterroristen Posada Carilles endete nicht mit dem Iran-Contra-Skandal. Er war auch der Drahtzieher der Bombenattentate gegen touristische Einrichtungen in Havanna in den 90er Jahren, denen der italienische Tourist Fabio di Celmo zum Opfer fiel.

Bis auf den heutigen Tag werden Terroristen wie Posada Carilles, Bosch und andere von der jeweiligen US-Regierung geschützt und alimentiert, während die fünf cubanischen Antiterror-Kämpfer seit 10 Jahren als politische Geiseln in den US-Knästen gehalten werden. Die Heuchelei ist unerträglich. Doch auch die bundesdeutschen Stellen geben in dieser Sache kein besseres Bild ab. Der Autor klagt an: »Noch heute aber pflegt fast jeder bundesdeutsche offizielle Besucher, der nach Kuba reist, die Öffentlichkeit wissen zu lassen, dass er die Gastgeber ermahnt habe, die Menschenrechte zu respektieren! Und jeder tut das, ohne zu befürchten, dass ihn jemand zum Beispiel danach fragt, ob er in Havanna am Grab eines der Hunderten auf Befehl der CIA ermordeten einen Blumenstrauß niedergelegt habe.«

Der Autor beendet sein Buch mit dem Hinweis: »Dass sich Kuba fast ein halbes Jahrhundert gegen den übermächtigen Gegner behaupten konnte, gehört für mich zu den „Weltwundern“. Wie gnadenlos dieser Kampf von Seiten der USA geführt wurde, belegt der Massenmord am karibischen Himmel mit entsetzlicher Gewißheit«.

Das Büchlein sei hiermit allen an Cuba Interessierten wärmstens empfohlen. Den Jüngeren als Einstieg in das Thema »Terror gegen Cuba« und den älter Gewordenen zur Auffrischung vorhandener Erkenntnisse und der notwendigen Empörung über die Verhältnisse.

Es ist erschienen im Verlag Wiljo Heinen, Taschenbuch, 94 S., ISBN 978-3-939828-26-6, www.verlag-wh.de

Heinz-W. Hammer,
21.11.08

  1. Komplette Rede und weitere Informationen zu den MIAMI 5 unter http://www.cubafreundschaft.de/
  2. U.a.: »Überlebt Kuba?« (mit Leo Burghardt, Spotless, 1994), »Compañero Castro« (Kai Homilius-Verlag, 1996), »Das Wunder Kuba« (mit Leo Burghardt, Spotless, 1999), »Hemingway und Kuba« (mit Leo Burghardt, Spotless, 2001), »Der vierzigjährige U.S.-Feldzug gegen Kuba« (Spotless, 2002), »Und immer wieder: Che« (Kai Homilius-Verlag, 2007).
  3. »Cuban-American National Foundation / Cuba-Amerikanische Nationalstiftung«; unter Leitung des Gründers (1981) und Vorsitzenden Jorge Más Canosa und seit dessen Tod 1997 vom Sohn Jorge Más Santos geführte Dachorganisation der Anti-Cuba-Mafia in Miami.
  4. »Coordinación de Organizaciones Revolucionarios Unidas, Koordination der Vereinten Revolutionären Organisationen,«, Terrororganisation, die für zahlreiche Bombenattentate gegen cubanische Einrichtungen in Venezuela, Panama, Mexico und Argentinien verantwortlich war und die sich nach dem Massenmord vom 6. Oktober 1976 zu diesem Attentat bekannte.
  5. »Erinnert das nicht an Günther Weisenborns Worte: „Der Mord hat zwei Gesichter …, eine stumpfsinnige Vollzugsvisage und ein gebildetes Gesicht, hinter dem eine fatale Entscheidungsgewalt steht«; S. 35