Stellungnahme zum Artikel “Planwirtschaft auf der Höhe der Zeit” von H. Dunkhase in “offensiv” 7/08.

Wolfgang Hoss
Stellungnahme zum Artikel “Planwirtschaft auf der Höhe der Zeit”
von H. Dunkhase in “offensiv” 7/08.

H. Dunkhase nennt seinen Artikel bezeichnenderweise “Planwirtschaft auf der Höhe der Zeit”, aber er meint, daß die Planwirtschaft endgültig gescheitert ist – betrachten wir im folgenden unbeeindruckt von dieser Häme sachlich die ersten beiden Aussagen in seinem Artikel: “Markt und Plan bilden einen Antagonismus. Zum Markt gehören untrennbar unabhängig, privat voneinander produzierende Produzenten, …. ” (S. 41)

Zunächst kann festgestellt werden, daß es in nahezu allen privatkapitalistischen Wirtschaftssystemen unserer Epoche nicht nur Privatunternehmen, sondern auch staatliche Unternehmen gab oder gibt, z.B. staatliche Eisenbahnen, Post- oder Telekomunternehmen, Unternehmen der Nachrichtenübermittlung und Unterhaltung, staatliche Bergbauunternehmen, und daß es auch heute noch in diesen Systemen Genossenschaften in vielfältigen Formen gibt. Es kann also zunächst festgestellt werden, daß der Markt offensichtlich auch in bestimmten Mischsystemen von privaten, genossenschaftlichen und staatlichen Unternehmen existieren und funktionieren kann.

Ferner ist bekannt, daß in der Entstehungszeit der Märkte in der späten Phase der urgesellschaftlichen Entwicklung in manchen Regionen der Erde urgesellschaftliche Gemein-schaften, z.B. Hirten- und Ackerbaustämme einen Teil ihrer Produkte der Viehwirtschaft und des Ackerbaus ausgetauscht haben. Damit fand ein Warenaustausch auf dem Markt auf Basis von Gemeineigentum an den Produktionsmitteln statt, es gab also in dieser Zeit den Markt und den Warenaustausch ohne daß es private oder staatliche Unternehmen gab. Die Behauptung, daß zum Markt untrennbar Privatunternehmen gehören bzw. daß der Markt ohne Privatunternehmen nicht existieren kann, ist also falsch. Richtig hingegen ist, daß es in der Vergangenheit auf Basis von reinem Gemeineigentum an den Produktionsmitteln Märkte gegeben hat, die überaus vorteilhaft für die Gesellschaft funktioniert haben.

Auch die Aussage von Dunkhase, daß Markt und Plan einen Antagonismus bilden (bzw. einander ausschließen) ist in ihrer Verallgemeinerung falsch, selbstverständlich gibt es keine Produktionssysteme ohne Produktionsplanung, z.B. auch alle heutigen kapitalistischen Unternehmen planen ihre Produktion. Man sollte also wenigsten erwähnen, daß dieser Autor gar nicht “den Plan” im Auge hat, sondern einen gesamtwirtschaftlichen Plan in einer bestimmten historischen Form, er ignoriert zunächst, daß es vielfältige sehr verschiedene gesamtwirtschaftliche Planungssysteme in der Vergangenheit gegeben hat, z.B. die gesamtwirtschaftliche Planung der ägyptischen Pharaonen, und er blendet Planungssysteme die in der Zukunft möglicherweise realisiert werden können, vornherein aus der Betrachtung aus – er hat nur den gesamtwirtschaftlichen Plan, so wie er vor kurzem in den ehemaligen Ostblockländern gescheitert ist, im Auge. Dunkhase hat in der obigen Aussage “Zum Markt gehören untrennbar unabhängig, privat voneinander produzierende Produzenten” also nicht nur ahistorisch, sondern auch oberflächlich und unrichtig verallgemeinert, und diese Fehler haben radikale Konsequenzen für die Theorie, sie führen zu ebenso grundfalschen politökonomischen Prämissen und Theoremen.

Nimmt man in einem theoretischen Modell der Wirtschaftsorganisation der Zukunft an, daß alle Unternehmen als Genossenschaften konstituiert sind, die in der Produktionsplanung autonom und vollständig unabhängig sind, mit Satzungen, die typisch sind für das Gemein-schaftseigentum an den Produktionsmitteln, dann gibt es in diesem Modell keine Privat-unternehmen. Nimmt man ferner an, daß jede Genossenschaft ihre Produktionsmittel und Konsumtionsmittel auf dem Markt nach freien eigenen Entscheidungen kauft und ihre Produkte auf dem Markt verkauft, dann existiert der Markt selbstverständlich auch dann fort, wenn es keine Privatunternehmen als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt mehr gibt. Nimmt man außerdem an, daß eine solche Genossenschaft nicht mit dem Ziel produziert im Resultat der Verkäufe ihrer Produkte und der Käufe ihrer Produktionsmittel einen Gewinn zu realisieren, der auf die Mitglieder der Genossenschaft aufgeteilt wird, sondern mit dem Ziel ihre Produkte vollständig in einen zentralen Fonds des Volkes zu liefern, und nimmt man an, daß auch die finanziellen Mittel aus dem Verkauf der genossenschaftlichen Produkte zunächst vollständig in einem zentralen Fonds des Volkes konzentriert werden, so daß eine einzige große volks-wirtschaftliche Geldsammelstellte gebildet wird, und daß ferner eine volkswirtschaftliche Zentrale die finanziellen Mittel des Volkes in großen Globalbeträgen, z.B. in Beträgen von Milliarden €, auf große Genossenschaftsvereinigungen (sozialistische Konzerne) und auf die öffentlichen Haushalte nach einem gesellschaftlichen Plan aufteilt, und zwar ohne Vorgaben zu den Produktionsplänen der Genossenschaften und ihren Vereinigungen, sondern mit der allgemeinen Maßgabe, daß die Genossenschaften bestmöglich zur Befriedigung der zahlungs-fähigen Nachfrage auf dem Markt und damit zur bestmöglichen Befriedigung der Bedürfnisse der ganzen nationalen Gemeinschaft beizutragen haben, dann können die Regelmechanismen des Marktes wahrscheinlich besser genutzt werden als bisher, und zwar gerade deshalb, weil die Unternehmen in diesem Fall Gemeinschaftsunternehmen sind, und nicht mehr Unternehmen, die Gewinn für kleine Gruppen oder Privatpersonen realisieren wollen. Und bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß eine solche planmäßige Verteilung der finanziellen Mittel des Volkes in großen Globalbeträgen nicht nur eine volkswirtschaftliche finanzielle Rahmenplanung darstellt, sondern daß ein solcher Geldverteilungsplan der volkswirtschaftlichen Zentrale auch einen Rahmenplan der Produktionsentwicklung der Volkswirtschaft darstellt oder als solcher ausgebaut werden kann.

Es gäbe in einem solchen ökonomischen System also eine volkswirtschaftliche Rahmenplanung der Produktion und der Verteilung im Geldmaß, bei gleichzeitiger überaus vorteilhafter Nutzung der Regelmechanismen des Marktes. Und in einem demokratischen sozialistischen Staat wäre die Verteilung des produzierten Reichtums auf dieser Basis sehr viel gerechter und gleich-mäßiger möglich als die bekannte Verteilung auf Basis von irgendwie angehäuftem Kapital-besitz von Privatpersonen, die in der heutigen Welt auf der einen Seite Multimillionäre und Milliardäre, und auf der andren Seite Arme, Hungernde und jährlich Millionen Verhungernde hervorgebracht hat.

In seinem Artikel “Planwirtschaft – auf der Höhe der Zeit” auf seiner Website schrieb H. Dunkhase: “Anwendung der Marxschen Arbeitswerttheorie auf den Kommunismus bedeutet, auf der Grundlage der in den Produkten – wozu auch die Qualifikationen der Produzenten gehören – enthaltenen Arbeitszeitquanten die Ökonomie zu vermessen; oder: die ökonomische Verflechtung, die gesellschaftliche Planung insgesamt, Haushaltsbilanzierung und Konsumtion mit Arbeitszeitrechnung zu erfassen. ……

Konnten früher bei Projektalternativen nur über den Parameter „Kosten“ mit der Einheit Geld Aussagen getroffen werden, stehen in multidimensionalen Verfahren nahezu alle physikalischen Parameter (z.B. Zeit, Gewicht, Volumen, usw.) zur Verfügung. Diese werden in ein so genanntes Zielsystem eingebunden und gewichtet. Bei einer Entscheidung, welche Wohnung wir mieten wollen, gehen wir ähnlich vor: Neben dem Mietpreis haben Parameter wie Wohnfläche oder die Zeit, die wir brauchen um zur Bushaltestelle zu kommen, ebenso Entscheidungscharakter wie Lärmemission und Sonneneinstrahlwinkel. (S.4)…….

Bei der Entfernung zum Arbeitsplatz verhält es sich nicht anders. Wer möchte schon aus der Wohnungstür fallend, gleich an der Drehbank stehen? Bei diesem Beispiel wird schnell deutlich, dass wir es hier zwar mit objektiven Größen zu tun haben, die aber individuell sehr unterschiedlich gewichtet sind. Reden bei der Wohnungswahl noch Partner/in, Schwiegermutter und Kinder mit, wird unser kleines Beispiel schon komplexer, denn jeder Mitentscheider hat sein eigenes, subjektives Zielsystem. Wer letztlich wie viel zu sagen hat, muss deutlich benannt werden, geht mathematisch über Gewichtungskoeffizienten in die Gesamtberechnung ein und bietet somit die Voraussetzung für eine demokratische Gestaltung dieser Alternativ-entscheidung. Immer dann, wenn nicht gerade die Schwiegermutter mit giftigem Blick und einer Anspielung auf ihr Testament, die Sache bestimmt, sind solche transparente Planungsverfahren ihrem Wesen nach demokratisch. (S.4)……Es lohnt sich also auch und gerade bei uns für politische Machtverhältnisse zu kämpfen, die Konzepte wie die hier dargelegten umzusetzen erlauben.” (S.5)

Es ist vollkommen richtig, daß eine Erfassung der subjektiven Details, die Einfluß auf eine Kaufentscheidung der Konsumenten haben und der Versuch, diese subjektiven Einflüsse anschließend wissenschaftlich zu objektivieren und diese Daten zur Berechnung der Welt-nachfrage nach allen Konsumgütern in einen Superrechner einzugeben, z.B. zur Berechnung der Nachfrage nach Heilbutt, Gartenzwergen, Kartoffelsalat und Produkten von Beate Uhse, reiner Unfug wäre.  Aber welcher Marxist hat einen solchen Unfug gefordert, Herr Dunkhase? Warum konzentrieren sie ihre wissenschaftliche Arbeit auf einen solchen offensichtlichen Unfug, anstatt sich mit sinnvollen Sozialismustheorien auseinander zu setzten?

Was sollte man aus ihrem Vorschlag, den Einfluß des giftigen Blicks der Schwiegermutter und deren Anspielung auf ihr Testament auf die Entscheidung der Familie für diese oder jene Mietwohnung mit Hilfe neuester Methoden der Mathematik und Computertechnik zu berechnen, sowie aus ihrem Vorschlag, die Marx’sche Werttheorie im Kommunismus in dieser Form anzuwenden, anderes herauslesen als abgrundtiefe Häme eines Marxismushassers? Wie soll das gelingen, Herr Dunkhase?

Wolfgang Hoss,
Berlin