Die DKP diskutiert den „Entwurf” für ein neues Parteiprogramm

Michael Opperskalski:
Die DKP diskutiert den „Entwurf”
für ein neues Parteiprogramm

Einige Anmerkungen zu Inhalten, zum Ablauf und den möglichen Konsequenzen

Vor geraumer Zeit hat der Parteivorstand der DKP einen „Entwurf” („Erste Grundlagen zur Diskussion und Erarbeitung eines Programmentwurf“) für ein noch zu erarbeitendes Parteiprogramm mit dem Ziel verabschiedet, diesen „Entwurf” auf dem Ende diesen Jahres stattfindenden Parteitag – nach entsprechender Diskussion – verabschieden zu lassen.

Nicht nur wiederholte Äußerungen von führenden Funktionären der Partei, das besagter Entwurf auf keinen Fall hinter die Bereits verabschiedeten „Sozialismusvorstellungen” zurückfallen dürften, vor allem jedoch die programmatische und ideologisch-politische Entwicklung der DKP sowie entsprechende eindeutige Positionierungen ihres Führungspersonals gebieten es daher, den „Entwurf” in einem größeren Zusammenhang zu betrachten.

Ich verweise daher gerade an dieser Stelle auf eine jüngst von mir veröffentlichte Analyse, die bereits von der Zeitschrift „offen-siv” veröffentlich wurde und z.B. näher auf die „Sozialismusvorstellungen” der DKP eingeht. Ich schließe diese Analyse wie folgt:

„Offensichtlich hat die Politik der ideologischen Anpassung an Positionen des ‚demokratischen Sozialismus’ für die DKP organisatorisch nichts gebracht. (…) Die Partei hat bereits für eine Partei, die den Anspruch erhebt, eine kommunistische zu sein, in entscheidenden Grundsatzfragen marxistisch-leninistisches Profil verloren, sondern auch Mitglieder.

Wie wird es also weitergehen? In Spekulationen über den genauen Entwicklungsweg der Partei – in organisatorischer sowie politisch-ideologischer Hinsicht – sollte man sich nicht verlieren. Eines erscheint aus heutiger Sicht und unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen der BRD als recht unrealistisch: eine Hinwendung der DKP als Partei zu klaren marxistisch-leninistischen Positionen, nachdem sie diese bereits in wichtigen Eckpunkten entsorgt hat und dieser ‚Ausmusterungsprozess’ weitergeht, wenn auch widersprüchlich und in Schritten. Was jedoch möglich sein könnte, ist die Verschärfung des Widerspruchs zwischen der DKP-Führung und jenen DKP-Mitgliedern, die an marxistisch-leninistischen Positionen und/oder einem revolutionäre, Profil der Partei festhalten möchten. Wir werden sehen...”

Welche „ideologische Anpassung an Positionen des ‚demokratischen Sozialismus’” hatte ich herausgearbeitet und wie ist der „Entwurf” für ein noch zu erarbeitendes Parteiprogramm in diesem Zusammenhang zu werten?

A) Zur Frage der Macht, des Staates und der „Diktatur des Proletariats”

Sowohl in den „Sozialismusvorstellungen” als auch in programmatischen Äußerungen leitender DKP-Funktionäre im Vorfeld der Programmdiskussion finden sich Formulierungen, die eindeutig auf eine Absage an die „Diktatur des Proletariats” hinauslaufen; sie reichen von Forderungen nach „Gewaltenteilung” bist hin zu Überlegungen, „wie beim nächsten Anlauf <zum Sozialismus, d. Verf.> mit einer bürgerlichen Opposition umgegangen werden soll, die zurück zum Kapitalismus will.”

Ganz offensichtlich werden diese Positionen implizit vertreten, wenn es in den „Ersten Grundlagen” u. a. heißt: „Wir können heute nicht voraussagen, welche sozialen Bewegungen und Kräfte künftig unter welchen konkreten historischen Bedingungen agieren werden, wenn die Frage des Sozialismus steht. Dies betrifft Übergangsformen ebenso wie die Gestaltung der neuen Gesellschaft. (…) An die Stelle des kapitalistischen Staates bzw. entsprechender supranationaler Strukturen tritt eine neue Form staatlicher Organisation, wobei heute offen ist, wie diese aussehen wird.

B) Zur marxistisch-leninistischen zur Rolle der Partei der Arbeiterklasse, zu den politischen wie ökonomischen Grundbedingungen des Sozialismus

Auch hier knüpfen die „Ersten Grundlagen” wieder an bisher vertretene Auffassungen („Sozialismusvorstellung”, grundlegende programmatische Äußerungen etc.) an. Zwar wird an einer Stelle betont, dass die Arbeiterklasse beim Kampf für und dem Aufbau des Sozialismus eine „entscheidende Kraft” sein werde, diese Aussage wird jedoch durch die sie einleitende Position bereits aufgehoben, die besagt, eben KEINE Aussage darüber treffen zu können, „welche sozialen Bewegungen und Kräfte unter welchen konkreten historischen Bedingungen agieren, wenn die Frage des Sozialismus steht.”

Wenn Kommunisten also nun „ganz offiziell” nichts genaues mehr erkennen können sollen, welchen Platz und welche Rolle soll dann die Partei der Kommunisten noch einnehmen?

Auch die Antwort auf diese Frage ist praktisch aus den „Sozialismusvorstellungen” abgeschrieben: „Ihre Aufgabe wird es sein, im Wettstreit mit anderen politischen Kräften um die besten politischen Ideen und Initiativen immer wieder aufs Neue das Vertrauen des arbeitenden Volkes zu erringen. Die kommunistische Partei wird im Sozialismus vor allem strategische Orientierungen für die weitere Gestaltung des Sozialismus erarbeiten und versuchen, dafür Mehrheiten zu gewinnen (…).” Dies ist nichts anderes als in modischen Formulierungen des „demokratischen Sozialismus” verpackte Absage an die Rolle der kommunistischen Partei als revolutionärer Avantgarde der Arbeiterklasse, an die Leninsche Parteikonzeption. Nur sollten die Autoren der „Ersten Grundlagen” dem geneigten Leser dann wenigstens reinen Wein einschenken: Was bleibt von einen kommunistischen Partei noch übrig, wenn sie dem Leninschen Charakter entkleidet wird, einem der Grundcharakteristika, das die kommunistische von anderen Parteien unterscheidet?

So kann es dann nicht mehr verwundern, dass die „Ersten Grundlagen” – konsequenterweise – hinsichtlich der marxistisch-leninistischen Revolutionstheorie sowie der politischen wie ökonomischen Grundlagen des Sozialismus widersprüchlich, vage, nebulös und interpretierbar bleiben.

Mehr noch, es fehlen nicht nur Klassenkampfbezüge, sondern auch umfassende Einschätzung der Rolle der internationalen antiimperialistischen und kommunistischen Bewegung unter den heutigen Bedingungen der so genannten „Neuen Weltordnung”. Letzteres reduziert sich dann auf die Forderung nach verstärkter internationaler Zusammenarbeit, zumal die Autoren auch nicht mehr davon auszugehen scheinen, dass es möglich sein wird, in einem (hoch entwickelten) imperialistischen Land den Sozialismus zu erkämpfen: „Ein neuerlicher sozialistischer Anlauf (interessant, dass die Autoren in diesem Zusammenhang wohl fürchten, das Wort „Revolution” auszudrücken <!>, d. Verf.) kann nach Ansicht der DKP nicht isoliert erfolgen (…)” Soll das vielleicht bedeuten, dass wir mit dem Kampf um eine revolutionäre Umgestaltung warten sollen, bis er im europäischen oder gar im Weltmaßstab erfolgreich sein könnte?

C) Die „Ersten Grundlagen” zur Leninschen Imperialismustheorie und ihre Positionierung zur so genannten „Neuen Weltordnung”

Hier schreiben die „Ersten Grundlagen” – wenn auch in etwas vorsichtiger gehaltenen Formulierungen – inhaltlich das fort, was in den letzten Jahren als Positionierung der DKP-Führung sichtbar wurde. Das unterscheidet die „Ersten Grundlagen” von den „Sozialismusvorstellungen”, in denen eine Imperialismusanalyse noch nicht festgelegt wurde. In der Logik dieser Positionierung, die der so genannten „Neoliberalismus-Theorie” nahe steht, wird die Leninsche Imperialismustheorie in Frage gestellt.

D) Die „Ersten Grundlagen” zum real existierenden Sozialismus, insbesondere zur DDR

Auch hier wird sich nichts qualitativ Neues im Vergleich zu den „Sozialismusvorstellungen” sowie weiteren wichtigen Programmatischen Positionierungen aus der DKP-Führung finden lassen. Also auch in diesem Papier wiederum keine klare Positionierung zu den sozialistischen Ländern, und auch nicht zur DDR als größten Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterklasse.

Während es vermieden wird, die Große Sozialistische Oktoberrevolution als Epochewende im Kampf um den Sozialismus und Kommunismus (trotz erfolgreicher Konterrevolution!) einzuschätzen, bestimmen wesentliche Teile dieses Abschnittes der „Ersten Grundlagen” die Distanzierung von angeblichen „Einschränkungen von Demokratie” und vorgeblichen, nicht näher ausgeführten und bewiesenen „Verbrechen, die nicht zu rechtfertigen” seien sowie die Überbetonung von Bedingungen für den Aufbau des Sozialismus, die wie folgt beschrieben werden: „Rückständigkeit, fehlende moderne Industrie sowie eine geringe landwirtschaftliche Produktivität“.

Letzteres wird zudem völlig aus dem historischen Kontext gerissen und keinerlei Analyse oder zumindest Aussagen zu den rasanten Fortschritten der sozialistischen Länder gerade auch auf diesen Gebieten während langer Perioden ihrer Entwicklung angeboten.

Ganz logisch wird man dann in diesem Abschnitt der „Ersten Grundlagen” jeglichen Verweis auf den Revisionismus und seine Entwicklung als Voraussetzung für die schließlich siegreiche Konterrevolution vergeblich suchen.

Wie sind die „Ersten Grundlagen” einzuschätzen?

Qualitativ Neues im Vergleich zu den bisher verabschiedeten „Sozialismusvorstellungen” sowie wichtigen programmatischen Aussagen aus der DKP-Führung liefern sie nicht. Und dennoch haben sie eine besondere Bedeutung.

Man muss – angesichts der Entwicklung der DKP sowie in Anbetracht des bisherigen Verlaufs der Programmdiskussion – davon ausgehen, dass die „Ersten Grundlagen” auf dem kommenden Parteitag der DKP, mit vielleicht einigen kosmetischen Veränderungen, verabschiedet und damit zur offiziellen Programmatik der DKP werden.

Eine kommunistische Partei, die sich damit auch offiziell von entscheidenden Grundpfeilern des Marxismus-Leninismus, verabschiedet, verändert ihren Charakter, sie wird zu einer revisionistischen Partei. Beispiele solcher Entwicklungen gibt es in Vergangenheit und Gegenwart genügend.

Damit bekommen die Diskussionen und Auseinandersetzung um die „Ersten Grundlagen” einen besonderen Rang, da es um den Grundcharakter der Partei geht, nicht um Einzelfragen, um die man sich als Kommunisten ja streiten kann und auch sollte, es geht also tatsächlich nicht um die Bewertung von „Licht und Schatten” der DKP, nicht um einzelne „unsägliche Positionen”, nicht um „unausgereifte Papiere” etc..

Es geht um nicht mehr und weniger als um die Identität der DKP als kommunistischer Partei in der BRD!

Angesichts dieser Herausforderung scheint mir auch die Schwäche der bisherigen Positionierungen einiger Kritiker deutlich zu werden. Das ist als vor allem das Alternativpapier zu nennen, das von den Genossen Holz und Köbele ausgearbeitet wurde. Auf die ideologisch-politischen Schwächen dieses Papiers möchte ich an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingehen. Die entscheidende und damit wichtigste Schwachstelle dieses Alternativvorschlages, dessen Annahme auf dem Parteitag chancenlos erscheint, ist jedoch, dass er es vermeidet, den Charakter der derzeitigen Auseinandersetzungen in der DKP um die „Ersten Grundlagen” herauszuarbeiten.

Die „Ersten Grundlagen” sind weder zu verbessern, noch ein Papier, das mit kommunistischen Grundpositionen kompatibel ist.

Es geht also bei den Auseinandersetzung um den Kampf gegen „klassisch” revisionistische Positionen, die bei ihrer Verabschiedung konsequenterweise den Charakter der DKP verändern (würden). Das Auftreten, die Taktik sowie der Stil vieler Kritiker der „Ersten Grundlagen” treten jedoch nicht dem Eindruck entgegen, dass es sich bei den derzeitigen Auseinandersetzungen um – mehr oder weniger normale, manchmal lediglich nicht mit Samthandschuhen geführte – Diskussion unter Kommunisten um kommunistische Positionen handele.

Mit diesem Herangehen machen sie es der DKP-Führung objektiv einfacher, nicht nur ihre Positionen durchzusetzen, die, wie nicht nur im Fall der „Ersten Grundlagen“, ein klarer Bruch mit wesentlichen marxistisch-leninistischen Grundlagen einer kommunistischen Partei sind, sondern zudem ihre ideologische Hegemonie zu zementieren und mit der faktischen Anerkennung als kommunistischer Alternative – trotz aller Kritik, „Schwächen”, „Unschärfen” etc. an ihr – unangreifbarer zu machen. Und es ist gerade die Unterordnung der Kritiker unter diese ideologische Hegemonie, die von der DKP-Führung zunehmend deutlicher verlangt wird.

Dabei sollten wir uns gerade an dieser Stelle aus dem Gedächtnis ausgraben, was für Kommunisten der Kampf gegen revisionistische Positionen und den Revisionismus bedeutet: „Ich glaube (…) – ob den Fragen Krieg und Frieden, der Rolle des Staates, der Imperialismusanalyse, der Revolutionstheorie und –praxis etc. – die Identität der Kommunisten (ist) unmittelbar mit dem Kampf gegen den Revisionismus und jegliche Formen des Opportunismus in der Arbeiterbewegung (auch in den eigenen Reihen) verbunden. Ja, die Gründung der kommunistischen Parteien als eigenständige revolutionäre Formationen der Arbeiterbewegung sind ohne diese permanente Auseinandersetzung überhaupt nicht erklärlich (und historisch notwenig gewesen). Anders formuliert: ohne diese Auseinandersetzung, verknüpft mit der Verteidigung der Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus, ist die Existenz von kommunistischen Parteien objektiv überflüssig, ihre Existenzberechtigung stirbt förmlich ab…”

Michael Opperskalski, Köln