Faschismus und Antifaschismus heute

Tibor Zenker:
Faschismus und Antifaschismus heute – staatsmonopolistischer Kapitalismus und Demokratie; Teil 1

Gossweiler schreibt über den Imperialismus vor dem Auftreten des Faschismus: „Der dem Monopolkapitalismus innewohnende Drang nach Reaktion und Gewalt, nach Ergänzung des ökonomischen Monopols durch das Machtmonopol hatte sich bislang vor allem in der Entfaltung des staatsmonopolistischen Kapitalismus, im dauernden Bemühen um Stärkung der Exekutive auf Kosten des Parlaments sowie in Repressivmaßnahmen gegen die Arbeiterbewegung geäußert.“[48] – Wir haben im Abschnitt 1.2. ausführlich darüber gesprochen: dem Imperialismus wohnt per se der Drang des ökonomisch herrschende Monopolkapitals nach politischer Alleinherrschaft inne. Mit dem Eintritt des Kapitalismus ins Stadium seiner allgemeinen Krise äußert sich dieser Drang im und als Faschismus. Und auch wenn die Errichtung einer faschistischen Diktatur in West- und Mitteleuropa heute nicht unmittelbar auf der Tagesordnung des Monopolkapitals steht, so besteht auch im gegenwärtigen staatsmonopolistischen Kapitalismus (Stamokap) die grundsätzliche Tendenz zur politischen Reaktion, d.h. zur einer Entwicklung der mit den Monopolen verwachsenen Staatsmacht in eine verstärkt autoritäre und demokratiefeindliche Richtung – in Richtung des Ausbaus der (exekutiven) Staatsgewalt, der Militarisierung der Gesellschaft, der Beschneidung der Möglichkeiten des repräsentativen Parlamentarismus und der (relativ) unabhängigen Rechtssprechung. Das bedeutet, dass sich das europäische Monopolkapital gegenwärtig mit der bürgerlichen Demokratie abfindet, ohne dabei jedoch seine reaktionären Tendenzen auch nur ansatzweise abzulegen.

Betrachten wir zunächst die bürgerliche Demokratie mitsamt Parlamentarismus und allgemeinem Wahlrecht. Wie steht die revolutionäre ArbeiterInnenbewegung, wie steht der Marxismus dazu? „Die demokratische Republik ist die denkbar beste politische Hülle des Kapitalismus, und daher begründet das Kapital, nachdem es … von dieser besten Hülle Besitz ergriffen hat, seine Macht derart zuverlässig, derart sicher, dass keine Wechsel, weder der Personen noch der Institutionen noch der Parteien der bürgerlich-demokratischen Republik, diese Macht erschüttern kann“[49], schreibt Lenin. – Warum ist das so? „Die bürgerliche Demokratie“, erklärt Karl Liebknecht, „ist eine verfälschte Demokratie, da die ökonomische und soziale Abhängigkeit der arbeitenden Massen auch bei formaler politischer Gleichheit den herrschenden Klassen sachlich ein ungeheures politisches Übergewicht gibt und die ökonomische und soziale Abhängigkeit an und für sich wirkliche Demokratie ausschließt.“[50]

Man muss kein Marxist wie Lenin oder Liebknecht sein, um zu solchen Erkenntnissen zu gelangen. Albert Einstein schrieb 1949 äußerst richtig: „Privates Kapital tendiert dazu, in wenigen Händen konzentriert zu werden – teils aufgrund der Konkurrenz zwischen den Kapitalisten und teils, weil die technologische Entwicklung und die wachsende Arbeitsteilung die Entstehung von größeren Einheiten auf Kosten der kleineren vorantreiben. Das Ergebnis dieser Entwicklungen ist eine Oligarchie von privatem Kapital, dessen enorme Kraft nicht einmal von einer demokratisch organisierten politischen Gesellschaft überprüft werden kann. Dies ist so, da die Mitglieder der gesetzgebenden Organe von politischen Parteien ausgewählt sind, die im Wesentlichen von Privatkapitalisten finanziert oder anderweitig beeinflusst werden und in der Praxis die Wähler von der Legislative trennen. Die Folge ist, dass die ‚Volksvertreter’ die Interessen der unterprivilegierten Schicht der Bevölkerung nicht ausreichend schützen. Außerdem kontrollieren unter den vorhandenen Bedingungen die Privatkapitalisten zwangsläufig direkt oder indirekt die Hauptinformationsquellen (Presse, Radio, Bildung). Es ist deshalb äußerst schwierig und für den einzelnen Bürger in den meisten Fällen fast unmöglich, objektive Schlüsse zu ziehen und in intelligenter Weise Gebrauch von seinen politischen Rechten zu machen.“[51] – Trefflich, wenn auch nicht mit der exakten Terminologie des Marxismus, erklärt Einstein hier die Herausbildung des Monopolkapitals sowie ansatzweise die politische Struktur des Stamokap und leitet davon die Grenzen der bürgerlichen Demokratie unter solchen Voraussetzungen ab.

Wir haben damit schon hinlänglich die Gründe, warum Lenin in Anlehnung an Marx über den bürgerlichen Parlamentarismus feststellen kann: „Einmal in mehreren Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament niederhalten und zertreten soll – das ist das wirkliche Wesen des bürgerlichen Parlamentarismus, … auch in den allerdemokratischsten Republiken. (…) Die eigentlichen ‚Staats’geschäfte werden hinter den Kulissen abgewickelt (…) In den Parlamenten wird nur geschwatzt, speziell zu dem Zweck, das ‚niedere Volk’ hinters Licht zu führen.“[52]

Unter diesen Gesichtspunkten hat das in der bürgerlichen Demokratie verwirklichte „allgemeine Wahlrecht“ natürlich nur eingeschränkte Bedeutung: „Denn bei Fortbestand des Kapitalismus“, schreibt Clara Zetkin, „ist das Wahlrecht nur zur Verwirklichung der lediglich formalen politischen, bürgerlichen Demokratie da, es besagt keineswegs tatsächliche, wirtschaftliche, proletarische Demokratie. Das allgemeine, gleiche, geheime, direkte, aktive und passive Wahlrecht für alle Erwachsenen bedeutet nur die letzte Entwicklungsstufe der bürgerlichen Demokratie und wird zur Grundlage und zum Deckmantel für die vollkommenste politische Form der Klassenherrschaft der Besitzenden und Ausbeutenden.“[53]

Welche Bedeutung haben nun also Demokratie und Parlamentarismus für die revolutionäre Bewegung? Nochmals Zetkin: „Für sie kommt der Besitz des Wahlrechtes und der Wählbarkeit nur als ein Mittel unter anderen Mitteln in Betracht, sich zu sammeln und zu schulen für Arbeit und Kampf zur Aufrichtung einer Gesellschaftsordnung, die erlöst ist von der Herrschaft des Privateigentums über die Menschen und die daher nach der Aufhebung des Klassengegensatzes zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten die Gesellschaftsordnung freier, gleichberechtigter und gleichverpflichteter Arbeitender sein kann.“[54] Und Jakob Rosner stellt dies nun im Allgemeinen in die historische Dimension, wenn er schreibt: „Das wesentlich Fortschrittliche und Vorwärtsweisende an der Demokratie … ist das durch sie ermöglichte Vorwärtsdrängen und die Förderung des Klassenkampfes, die Erleichterung des Zusammenschlusses der Arbeiterschaft und der werktätigen Menschen zu gemeinsamem Handeln, zu gemeinsamem Wirken und Kämpfen für ihre Forderungen und Ziele. Denn die Demokratie ist kein Ziel ‚an sich’, keine soziale Erscheinung, die absoluten Wert in sich selbst birgt: die Demokratie ist lediglich eine historische Kategorie, im Kampf der Klassen, im Klassenkampf geworden, der Entfaltung des Kampfes des Klassen, des Klassenkampfes dienend und mit dem Überwinden und Verschwinden des Klassenkampfes selbst verschwindend und vergehend.“[55]

So sehr die deformierte Demokratie des bürgerlichen Klassenstaates aus Sicht der revolutionären ArbeiterInnenbewegung keinen Wert an sich darstellt, so ist für sie dennoch nicht gleichgültig – das geht aus dem von Clara Zetkin Gesagten bereits hervor – in welcher Form der bürgerlichen Herrschaft sie agiert. Natürlich liegen mit der bürgerlichen Demokratie und mit dem Wahlparlamentarismus ganz andere Spielräume für die ArbeiterInnenbewegung vor als ohne sie. Und in dem Fall, wo es um die Entscheidung Demokratie oder faschistische Diktatur geht, hängt mitunter, ja zumeist auch die legale Existenz und Tätigkeit der Organisationen der ArbeiterInnenbewegung davon ab. Natürlich unterstützt die revolutionäre ArbeiterInnenbewegung alle demokratischen Forderungen und Bestrebungen. Letztlich hat gerade der Kampf gegen den Faschismus gezeigt, dass es in erster Linie die KommunistInnen sind, die am vehementesten die bürgerliche Demokratie – sei sie noch so unzulänglich – gegen alle Angriffe der Reaktion und des Faschismus verteidigen.

Dementsprechend sagte Clara Zetkin am 20. Oktober 1922 im deutsche Reichstag über das Verhältnis der KPD zur Weimarer Republik: „‚Wir haben keine Illusionen über das, was dieses bisschen Demokratie für die Arbeiterklasse wert ist, aber so wenig es bedeutet, wir unterschätzen es nicht.’ Zu den Deutschnationalen gewandt, fuhr sie fort: ‚Während Sie nur sinnen und trachten, wie Sie diesen Anfang zur Demokratie beseitigen können, stehen wir allezeit bereit und gerüstet, diese armselige Demokratie gegen Sie zu schützen und zu verteidigen, und es wird sich zeigen, dass dieser Anfang zur Demokratie keine treueren, keine kampfentschlosseneren Verteidiger hat als gerade die Kommunisten’.“[56]

Vor diesem Hintergrund gibt es wenig Schändlicheres als jene Versuche bürgerlicher und sozialdemokratischer HistorikerInnen, den KommunistInnen eine Teilschuld für das Ende der Weimarer Republik zu unterschieben: die demokratische Republik, so die Behauptung, sei dem doppelten antidemokratischen Angriff der NSDAP von rechts und der KPD von links zum Opfer gefallen. Nun, die NSDAP – und das deutsche Monopolkapital – waren in der Tat antidemokratisch eingestellt: sie wollten weniger Demokratie, ja überhaupt keine Demokratie. Den KommunistInnen hingegen ging diese Demokratie noch nicht weit genug: sie wollten mehr Demokratie. So ist denn auch der Kampf für den Sozialismus per se ein demokratischer Kampf, ein Kampf für die vollständige Demokratie. Die Diktatur des Proletariats ist die vollständige Demokratie für die Werktätigen, aber – das ist richtig – eine notwendige Diktatur gegenüber jenen gesellschaftlichen Kräften, die an sich antidemokratisch sind: das ist die Bourgeoisie im Allgemeinen, das Monopolkapital im Besonderen. Doch auch diese proletarische, sozialistische Demokratie – Rosner hat es oben schon erwähnt – dient nur dazu, schließlich mit einer klassenlosen Gesellschaft auch eine herrschaftsfreie Gesellschaft zu erreichen: den Kommunismus.

Das Verhältnis des Monopolkapitals zur Demokratie einerseits und zum Faschismus andererseits wollen wir nun als nächstes genauer betrachten. Das Verhältnis des Monopolkapitals zu Demokratie und Faschismus ist – gelinde gesagt – ein unsauberes. Wir haben bereits ausführlich besprochen, was die ökonomischen Grundlagen für diese politischen Tendenzen, für den antidemokratischen Drang des Monopolkapitals sind. Wir wollen nun exemplarischer und konkreter betrachten, wie sich dies im demokratisch-parlamentarischen Stamokap auswirkt. Drei Beispiele seien angeführt – davon ein historisches und zwei aktuelle.

Ein viel sagendes Beispiel für die Demokratiefeindlichkeit des Monopolkapitals ist sein Verhältnis zum Pinochet-Putsch und zur Errichtung der faschistischen Diktatur in Chile 1973.[57] Reinhard Kühnl stellt etwa zur damaligen Situation in der BRD fest, „dass maßgebliche Politiker und Organe der ‚gemäßigten’ Rechten – von Franz Josef Strauß bis zum CDU-Generalsekretär Bruno Heck, vom Bayernkurier bis zur Welt und zur Frankfurter Allgemeine Zeitung – die Errichtung terroristischer Diktaturen in anderen Ländern, zum Beispiel in Chile 1973, als notwendig oder sogar höchst erfreulich dargestellt und damit nicht nur diese Diktaturen gestützt, sondern grundsätzlich ihre dubiose Haltung zur Demokratie deutlich gemacht und ideologisch zur Vorbereitung diktatorischer Herrschaftsformen im eigenen Land ihr Teil beigetragen haben. Dies Lob der Diktatur wird begründet, wie es von der Rechten schon immer begründet worden ist: Die ‚kommunistische Gefahr’ müsse niedergehalten werden, und zwar aus militärstrategischen und innenpolitischen Gründen; wo es keine Arbeiterorganisationen gebe, seien die Arbeitskräfte billiger und die Investitionen lohnender; so sei also – recht verstanden – die Diktatur der Garant für die ‚Freiheit’ – nämlich, wie man hinzufügen muss, die Freiheit des Kapitals und der Ausbeutung. Es ist offensichtlich, dass alle diese Argumente aus der Sicht der herrschenden Klasse und der politischen Rechten sinnvoll sind und ihr Lob auf die Diktatur deshalb auch konsequent ist.“[58]

Die konservativen und rechten Parteien in der BRD sowie das Monopolkapital fanden also absolut nichts dabei, dass ein demokratisch gewählter Präsident durch einen faschistischen Putsch gestürzt wurde. Im Gegenteil: dieser Schritt wurde begrüßt, in Wirklichkeit aber vom internationalen Monopolkapital und vom Weltimperialismus sogar von langer Hand geplant und unterstützt. Besagter Präsident, Salvador Allende, berichtete am 4. Dezember 1972 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, bereits seit 1970 „gab es in Chile Terroraktionen, die außerhalb unserer Grenzen geplant und zusammen mit faschistischen Gruppen im Lande durchgeführt wurden. (…) Im März dieses Jahres wurden Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht, die den Zusammenhang zwischen diesen finsteren Machenschaften und der ITT aufdeckten. (…) Diese Gesellschaft war erneut bei der amerikanischen Regierung vorstellig geworden und hatte um deren Hilfe dafür ersucht, meine Regierung im Verlauf von sechs Monaten zu stürzen. (…) Vorgesehen waren die wirtschaftliche Erdrosselung, die diplomatische Sabotage, die Organisierung eines sozialen Chaos, die Schaffung einer Panikstimmung unter der Bevölkerung, damit … die Streitkräfte sich veranlasst sähen, die demokratische Ordnung aufzuheben und eine Diktatur zu errichten.“[59] Ähnlich äußerte sich Luis Corvalán noch im März 1973: „Trotz allem erklärt sich der reaktionärste Teil der Opposition als nicht geschlagen. Er schreckt nicht davor zurück, das Urteil der Bürger zu ignorieren und widmet sich erneut einem Putsch, um mit allen Mitteln den Sturz der Regierung herbeizuführen, bevor es dieser gelingt, die reaktionären Machenschaften zu unterbinden und bevor sich der revolutionäre Prozess in etwas Unwiderrufliches verwandelt. (…) Als Konsequenz wird der Feind erneut versuchen, sie zu stürzen. Er wird den Putsch bald und mit der besten Vorbereitung unternehmen, um eine erneute Niederlage zu vermeiden. Die CIA-Agenten arbeiten sicher schon recht aktiv…“[60] – In der Tat ist es sechs Monate später genau so gekommen – und nicht nur die US-Monopole und die US-Regierung, sondern auch die „demokratischen“ und „antifaschistischen“ Staaten Westeuropas und das europäische Monopolkapital ließen keinen Zweifel daran, dass sie diesen Putsch billigten und unterstützten.

Ein durchaus ähnliches Beispiel aus der Gegenwart, das wir schon kurz angesprochen haben, ist das Verhältnis der imperialistischen Regierungen Europas und insbesondere der USA zum revolutionären Prozess in Venezuela. Tatsache ist, dass es in den kapitalistischen Ländern der Welt wohl keine zweite Regierung gibt, die ähnlich umfassend und wiederholt vom Volk legitimiert ist wie jene von Hugo Chávez. Diese Regierung hat unter Beteiligung des Volkes eine neue partizipativ-demokratische Verfassung eingeführt und sich diesen Bedingungen, die von der Opposition im – gescheiterten – Abwahlreferendum bereits genutzt wurden, auch gestellt. Diese Regierung hat dank des Volkes einen Putschversuch des Unternehmerverbandes überstanden. Diese Regierung bindet die Volksmassen ein, um sie selbst aktiv daran zu beteiligen, eine demokratische und soziale Gesellschaft neuen Typs zu verwirklichen: eine antiimperialistische, antimonopolistische Volksdemokratie. – Trotz dieser Tatsachen, trotz des zutiefst demokratischen Charakters des revolutionären Prozesses in Venezuela, werden die imperialistischen Regierungen und bürgerlichen Medienmonopole der Welt nicht müde, ausgerechnet dieser Regierung autoritäre Züge zu unterstellen. Wieder – wie schon im Falle Chiles 1970-1973 – sind die imperialistischen Regierungen Nordamerikas und Europas sowie die nordamerikanischen und europäischen Monopole nicht bereit, das wiederholte demokratische Votum, den eindeutigen Willen eines Volkes anzuerkennen – vielmehr noch: sie unterstützten jene konterrevolutionären Kräfte, die die Regeln ihrer eigenen bürgerlichen Demokratie nicht mehr anerkennen, sondern auf Sabotage, Putschversuche und Terroraktionen setzen. Und da behauptet die US-Regierung, die zweifellos die Hauptunterstützung der konterrevolutionär-putschistischen Kräfte in Venezuela ist – auch noch, sie würde bloß für Demokratie und Freiheit und gegen den Terrorismus agieren… – Man möchte hoffen, dass das Volk Venezuelas die Kraft und die Beharrlichkeit aufbringt, derartigen Beglückungen nachhaltig Widerstand zu leisten. Und man möchte hoffen, dass die Werktätigen in den imperialistischen Hauptländern klar erkennen, wer welche Interessen vertritt, wer für Demokratie und wer für die faschistische Diktatur steht, und sich dementsprechend mit den für tatsächliche Freiheit und Demokratie kämpfenden Volksmassen in Lateinamerika solidarisieren.

Kommen wir abschließend noch zu einem Beispiel, das die Europäische Union betrifft: zum EU-Verfassungsvertrag. Was sich diesbezüglich in den Ländern der EU abspielte und abspielt, ist ja schon bemerkenswert kurios. Oben hatten wir anhand Venezuelas das Beispiel, wie eine Verfassung unter Beteiligung des Volkes auf breitester Grundlage erarbeitet und beschlossen werden kann. Der gesamte Verfassungsprozess der EU steht dem diametral entgegen. Wir wollen hier gar nicht darauf eingehen, dass der Vertrag selbst dem Inhalt nach per se antidemokratisch, militaristisch und imperialistisch ist. Das ist nicht weiter verwunderlich: „Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus, d.h. des Kapitalexports und der Aufteilung der Welt“, schrieb Lenin, „sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär.“[61] Die EU ist ein imperialistisches Bündnis, entsprechend besteht ihre Hauptfunktion in der Optimierung der globalen Ausbeutungsmöglichkeiten des EU-Monopolkapitals, was konsequenterweise Militarismus, imperialistische Aggression, Antisozialismus und eben antidemokratische Strukturen impliziert. Soll sein. Natürlich schaffen sich die nationalen europäischen Imperialismen ein Staatenbündnis nach ihrem Ebenbilde. Die Groteske besteht aber wiederum darin, dass demokratische Entscheidungen der Bevölkerung schlichtweg nicht anerkannt werden: in zwei der wichtigsten EU-Mitgliedstaaten, in Frankreich und den Niederlanden, hat sich die Bevölkerung auf dem Wege der Volksabstimmung gegen die Verfassung ausgesprochen. Dies wird autoritärer Weise einfach nicht akzeptiert. Andererseits – und das ist ebenso bemerkenswert – wird in den meisten EU-Ländern (so auch in Österreich und Deutschland) der Bevölkerung die Mitbestimmung von vornherein verweigert. Was nun kein Wunder ist, denn auch in einer Reihe anderer Mitgliedstaaten würde ein Referendum klar negativ ausfallen. – Also wird so etwas Grundlegendes wie ein Verfassungsvertrag lieber gleich von oben oktroyiert, denn man möchte sich vom Pöbel ja nicht in die monopolkapitalistische Suppe spucken lassen…

Wir sehen schon anhand dreier Beispiele, dass es mäßig gut bestellt ist um das Verhältnis des Monopolkapitals zur Demokratie. Stellt man dem Monopolkapital die Gretchenfrage „Wie hältst du’s mit der Demokratie?“, so ist die Antwort eindeutiger als Fausts Position zur Religion – und ablehnender.

Neben diesen Einzelbeispielen wollen wir abschließend noch mal auf jene verstärkt reaktionären Maßnahmen zu sprechen kommen, die bürgerliche (und leider auch sozialdemokratische) Regierungen im Rahmen des bürgerlich-parlamentarischen Systems fast andauernd vorantreiben. Dimitroff sagte 1935, „ernst und gefährlich ist der Fehler, die Bedeutung zu unterschätzen, die den verschärfenden reaktionären Maßnahmen der Bourgeoisie für die Aufrichtung der faschistischen Diktatur zukommt; jenen Maßnahmen, die dazu dienen, die demokratischen Freiheiten der Werktätigen zu unterdrücken, die Rechte des Parlaments zu verfälschen und zu schmälern, die Repressalien gegen die revolutionäre Bewegung zu verschärfen.“ Es geht um die „Tatsache, dass vor der Errichtung der faschistischen Diktatur die bürgerlichen Regierungen in der Regel verschiedene Etappen durchlaufen und eine Reihe reaktionärer Maßnahmen durchführen, die den Machtantritt des Faschismus vorbereiten und unmittelbar fördern. Wer in diesen Vorbereitungsetappen nicht gegen die reaktionären Maßnahmen und den anwachsenden Faschismus kämpft, der ist nicht imstande, den Sieg des Faschismus zu verhindern, der fördert ihn vielmehr.“[62] – Das bedeutet nun nicht, dass wir uns in einem permanenten Faschisierungsprozess befinden, wohl aber, dass das Monopolkapital permanent bestrebt ist, das Kräfteverhältnis noch weiter zu seinen Gunsten zu verschieben. Im Ernstfall bedeutet dies sodann freilich günstigere Ausgangsbedingungen für die Errichtung einer faschistischen Diktatur – ob es allerdings jemals soweit kommt, hängt immer vom einheitlichen (und rechtzeitigen) Widerstand der demokratischen und antifaschistischen Kräfte ab. Man kann also zusammenfassend mit Konstantin Sarodow sagen: „Die Kommunisten sind unversöhnliche Feinde des Faschismus. Sie kämopfen auch gegen jeden Rechtsruck der bürgerlichem Demokratie, weil das Unterdrückung der demokratischen Freiheiten der Werktätigen, Schmälerung der Rechte des Parlaments, Stärkung der Positionen der Reaktion und Zunahme der Repressalien gegen die revolutionäre Bewegung bedeutet. Gleichzeitig sind sich aber die Kommunisten über den gewaltigen politischen Unterschied klar, der zwischen einem Rechtsruck der bürgerlichen Demokratie und der Liquidierung der bürgerlichen Demokratie besteht. Es versteht sich von selbst, dass ein Rechtsruck der bürgerlichen Demokratie auf dem Boden des staatsmonopolistischen Kapitalismus die Tendenzen zur Faschisierung des bürgerlichen Staatswesens verstärkt, die Machtergreifung durch die Faschisten fördern kann.“[63]

Welche Maßnahmen sind hier nun konkret gemeint? Im weltweiten Maßstab betrifft dies insbesondere die „Anti-Terror“-Gesetzgebung seit dem 11. September 2001. „Diese Anschläge und die Überzeichnung einer terroristischen Gefahr, die zu geopolitischen und kriminalistischen Realitäten freilich in keinerlei Relation steht, dienten und dienen weltweit als Vorwand, die Macht und die Befugnisse von Polizei und Armee im Sinne der ‚Terrorbekämpfung’ auszuweiten, um somit schärfer als je zuvor gegen Opposition, progressive politische Organisationen, ‚Globalisierungs’-GegnerInnen, ethnische Minderheiten, Menschen islamischen Glaubens, ImmigrantInnen und unangenehme JournalistInnen vorgehen zu können. Absehbar ist, dass jeder soziale Aufstand, jedes Aufbegehren gegen die Brutalität des imperialistischen Ökonomie, in nächster Zeit schlicht als ‚Terror’ definiert werden soll und wird.“[64] – Bezüglich der USA hat die „Anti-Terror“-Strategie und -Hysterie u.a. Dinge hervorgebracht wie das neue „Heimatschutzministerium“ im Geiste McCarthys, Abu Ghraib, die CIA-Geheimgefängnisse in Osteuropa und wahrlich nicht zuletzt das Lager bei Guantanamo. Doch dies sind nur Einzelbeispiele, wir werden auf die besondere Rolle der USA noch allgemeiner eingehen.

Betrachten wir Österreich, so wären bezüglich der letzten Jahren außerdem u.a. das Heeresbefugnisgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, „Lauschangriff“ und Rasterfahndung sowie das Vermummungsverbot bei Demonstrationen zu nennen; hier „wird deutlich, dass … [dies] nur Mosaiksteine sind in einem Gesamtbild, das den systematischen Ausbau der Staatsgewalt zu einem immer umfassenderen Herrschaftsinstrument, das auch grundlegende Menschen- und BürgerInnenrechte beschneiden und vorsätzlich Elemente exekutiver Willkür haben soll und muss, beinhaltet.“[65] – Es ist absehbar, was in diesem Sinne eine anstehende Aufgabe der demokratischen Kräfte in Österreich beispielsweise sein könnte: was der österreichischen Bourgeoisie nämlich etwa noch fehlt, ist die Einführung eines Berufsheeres – dagegen muss es Widerstand geben bei gleichzeitigem Kampf um eine Demokratisierung des Bundesheeres.

Unterm Strich gilt also unter demokratischen Verhältnissen des staatsmonopolistischen Kapitalismus, was Lenin geschrieben hat: „Insbesondere aber weist der Imperialismus, weist die Epoche des Bankkapitals, die Epoche der gigantischen kapitalistischen Monopole, die Epoche des Hinüberwachsens des monopolistischen Kapitalismus in den staatsmonopolistischen Kapitalismus, eine ungewöhnliche Stärkung der ‚Staatsmaschinerie’ auf, ein unerhörtes Anwachsen ihres Beamten- und Militärapparates in Verbindung mit verstärkten Repressalien gegen das Proletariat.“[66] – Dieser stetige Ausbau der Staatsgewalt, der gegenwärtige Prozess der Entdemokratisierung, der von den imperialistischen Regierungen vorangetrieben wird, der Prozess der Militarisierung etc. – all dies sind Vorboten und Ansätze möglicher faschistischer Gefahren.

Faschistische Gefahren in der Gegenwart

Gegenwärtige faschistische Gefahren zu systematisieren, erscheint als schwierige Aufgabe. Wollen wir diesen Versuch wagen, so gibt es heute wohl drei große Linien faschistischer Gefahren: 1. bestehende (neo-)faschistische sowie rechtsradikale Organisationen und Parteien; 2. die reaktionärsten Kräfte innerhalb der konservativen (Massen-)Parteien und das damit verbundene reaktionäre Potenzial im bürgerlichen Staatsapparat; 3. die imperialistische Aggression auf zwischenstaatlicher Ebene und die Frage des Faschismusexports. 

Faschistische und rechtsextreme Organisationen

Kommen wir zunächst zu bestehenden faschistischen Bewegungen. Gegenwärtig hat es in Europa nicht den Anschein, als bestünde die Gefahr, dass bestehende (oder auch neu gegründete) faschistische Parteien einen Massenanhang finden könnten. Man soll die immer wiederkehrenden Wahlerfolge z.B. der deutschen NPD zwar nicht unterschätzen, doch stehen einem weiteren Erstarken drei Dinge im Wege: es fehlt der NPD die konzentrierte Unterstützung aus dem Großkapital; zweitens fehlen einstweilen die objektiven Bedingungen, die ein Aufkommen einer faschistischen Partei ermöglichen würden; drittens ist der historische Faschismus als Bezugspunkt immer noch weitgehend diskreditiert. – So sehr diese Voraussetzungen noch fehlen, so sicher kann es diesbezüglich jedoch Veränderungen geben.

Natürlich werden auch die kleineren (neo-)faschistischen und „rechtsextremen“ Parteien vom Kapital auf unterschiedlichste Weise finanziert, jedoch im geringeren Ausmaß. Die Großbourgeoisie legt gegenwärtig freilich das Hauptaugenmerk auf die konservativen Großparteien, etwa auf die Unionsparteien in Deutschland, auf die ÖVP in Österreich, auch die Sozialdemokratie erscheint gegenwärtig mehr als hilfreich. Momentan bietet dies optimale Herrschaftsmöglichkeiten der Bourgeoisie unter demokratischen Verhältnissen, eine faschistische Bewegung ist schlichtweg momentan nicht nötig, sie bleibt einstweilen in strategischer Reserve. Sollte sie unter bestimmten Bedingungen als nötig erachtet werden, so werden auch die Zuwendungen der Großbourgeoisie zweifellos eine entsprechende Umorientierung im großen Stil erfahren. Der dritte oben erwähnte Punkt, die Diskreditierung des Faschismus vor den Augen der Massen, zwingt neofaschistische Organisationen, die zur Massenbewegung werden wollen, ihren Charakter zu verschleiern. Dass gleichzeitig versucht wird, diese Diskreditierung abzubauen, ist ebenso klar – darauf, auf Neutralisierungsversuche des Faschismusbegriffes, werden wir weiter unten noch genauer eingehen.

Bleibt der zweite Punkt, nämlich die Frage nach den Bedingungen, die zum Erstarken des Faschismus, zu Herausbildung einer faschistischen Massenbewegung führen können. Die Entwicklung bezüglich der sozialen Strukturen in den kapitalistischen Ländern geht freilich in eine solche Richtung, wie es Sarodow schon vor Jahren prognostizierte: „So erzeugt die Schwäche des Position des städtischen Kleinbürgertums, das der Konkurrenz und dem Druck der großen Monopole nicht standhalten kann, die zunehmende Ruinierung und Verschlechterung der Lebensbedingungen relativ großer Bevölkerungsgruppen, insbesondere der Bauernschaft, infolge ihrer zwiespältigen Lage, nicht nur antimonopolistische Stimmungen, die sie objektiv zum Verbündeten der Arbeiterklasse machen, sondern auch Illusionen hinsichtlich der Möglichkeit einer Rückkehr zu den früheren, vormonopolistischen Bedingungen der ‚freien Konkurrenz’, veranlasst sie zur Suche nach einem anderen ‚Verteidiger’. Derartige Stimmungen machen diese soziale Gruppe unter bestimmten Bedingungen recht anfällig für den Einfluss der neofaschistischen Demagogie; sie kann zum Lieferanten politischen ‚Fußvolks’ für rechtsradikale Organisationen werden. Um so mehr, als die Neofaschisten raffiniert an die dringenden Nöte und Forderungen der Massen appellieren, wobei sie vor einer Kritik an der Politik der bürgerlichen Regierungen und der Monopole nicht haltmachen und sich als wahre ‚Volksfreunde’ aufspielen.“[67] – Es sind die Bedingungen, die der staatsmonopolistische Kapitalismus unweigerlich schafft, Dimitrofft hat 1935 bereits auf Ähnliches hingewiesen. So ist die Frage schlichtweg so gestellt, dass es darum geht, wer diese sozialen Gruppen, die vom Monopolkapital zwangsläufig enteignet, deklassiert, ruiniert werden, besser anspricht: schlussendlich müssen die KommunistInnen und SozialistInnen das städtische Kleinbürgertum und die Bauernschaft überzeugen, dass ihre antimonopolistische Programmatik es ist, die ihnen zugute kommt, wohingegen der Faschismus sie lediglich betrügt.

Sarodow sagte weiter: „Zur berücksichtigen ist ferner die psychologische Reaktion des Kleinbürgers auf die Unfähigkeit des Kapitalismus, die sozialen Grundprobleme der Gesellschaft zu lösen. Die Zunahme der Kriminalität, die fortschreitende moralische Verkommenheit, die einen Teil der Jugend erfasst, werden in einigen kapitalistischen Ländern zu einem nicht minder ernsten gesamtnationalen Problem, als es die wirtschaftliche Labilität ist. Auf mikrosozialogischer Ebene, d.h. angewandt auf die Bedingungen des täglichen Lebens des Menschen in der jeweiligen Stadt oder dem jeweiligen Bezirk erzeugt das beim Kleinbürger das Gefühl ständiger Besorgnis, er bangt und fürchtet um den Besitz, um sein eigenes Schicksal, um das Leben seiner Angehörigen. Es ergibt sich eine drückende psychologische Belastung, und unter ihre Einfluss erliegt der Kleinbürger der Propaganda mit der Forderung einer ‚starken Macht’, die mit dem ‚demokratischen Unfug’ in der ‚Gesellschaft des Überflusses’ Schluss machen wird. Ein besonderes Problem bildet die Zuspitzung der nationalen Beziehungen. Es vertieft sich die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung sowohl einzelner Länder als auch einzelner Landesteile. (…) Die Spekulation auf die nationalen Vorurteile ist in der Vergangenheit die Glanznummer der faschistischen Bewegungen gewesen. Noch größere Bedeutung als ein Faktor, der den Nährboden für rechtsradikalistische Stimmungen schafft, haben diese Vorurteile heute.“[68] – Auch das ist altbekannt, auch das trifft auf die Gegenwart zu.

Zu guter letzt führt Sarodow einen dritten Faktor bezüglich möglicher Belebungen des Faschismus an: „Drittens zeigen die Erfahrungen der Geschichte, dass der Faschismus in politischen Krisensituationen das Haupt erhebt und zur Offensive übergeht, besonders wenn es der Arbeiterklasse bestimmte demokratische und soziale Errungenschaften zu erkämpfen gelingt. Diese Erfolge lösen bei der herrschenden Klasse Furcht aus. Daher wächst ihr Bestreben, Methoden des Terrors zur Unterdrückung der demokratischen Massenbewegung anzuwenden und der Revolution zuvorzukommen. (…) Nicht ausgeschlossen ist, dass bei einer bestimmten Wende der Ereignisse die herrschende Klasse auf den Faschismus als erprobte und bewährte konterrevolutionäre Kraft im Kampf gegen die antimonopolistische und demokratische Bewegung setzen kann.“[69]

All diese Einschätzungen Sarodows zeigen sehr, sehr deutlich, dass der Faschismus also eine ernsthafte Gefahr bleibt. Die ökonomische und soziale Entwicklung auch in den imperialistischen Zentren beschreitet zwangsläufig jenen Weg, der den Boden der Aufnahmefähigkeit der Massen für faschistische Propaganda bereitet. – Im Kleinen wird bereits so agiert, ein Beispiel wäre die FPÖ in Österreich. Selbsterklärend nehmen wir hier natürlich Abstand davon, die Behauptung zu Papier zu bringen, die FPÖ sei eine neofaschistische Partei – ihre historische Herkunft und ihre Entwicklung aus dem VdU, ihre personellen Kontinuitäten in der 2. Republik bezüglich aller Parteivorsitzender vor Steger und ihre Affinitäten zu gewissen historischen Vorbildern in der Sprache, in der Methodik und in der Zielrichtung sind ohnedies hinlänglich bekannt; so sei die FPÖ hier als rechtsextreme Partei betitelt. Wie agiert sie? Sie setzt auf soziale und nationale Demagogie, sie schiebt die ökonomische und politische Misere, die es zweifelsfrei gibt, Minderheiten zu: ImmigrantInnen, den autochthonen nationalen Minderheiten in Österreich, ja sogar AsylwerberInnen; sie gibt sich radikal System verändernd als „Protestpartei des kleinen Mannes“, bekämpft „Parteienstaat“ und Bürokratismus, entwickelte die Idee der „Dritten Republik“; sie sprach auf diese Weise die bedrängten Mittelschichten und enttäuschte SPÖ-WählerInnen an, konnte 1999 bei der Nationalratswahl gar zur zweitstärksten Partei hinter der SPÖ und noch vor der ÖVP werden. Und doch zeigte nichts deutlicher als die Regierungsbeteiligung der FPÖ ab dem Jahr 2000, dass auch ihre Realpolitik ganz banal eine Politik für das Kapital ist. Folgerichtig kam die FPÖ mit ihrer sozialen Basis in Konflikt, es kam zur Parteispaltung und beide Parteiteile, FPÖ wie BZÖ, stürzten in der WählerInnengunst ab. Die FPÖ hält nun im Wesentlichen bloß noch ihre traditionellen, die deutschnationalen, rechtsradikalen oder offen rassistischen WählerInnen mit Hilfe von Randthemen, ob ein Wiedaraufstieg wie einst unter Jörg Haider gelingen kann, wird die Zukunft weisen. – Welchen Charakter die FPÖ hat, möge jeder Mensche selbst einschätzen. Jedenfalls zeigte sie ab 1986 ansatzweise und gewissermaßen in „geringerer Intensität“, wie eine faschistische Massenbewegung auch heute noch in den fortgeschrittenen Industriestaaten durchaus möglich wäre.

Grundsätzlich erscheint die Errichtung einer faschistischen Diktatur auf dem Wege des Massenpartei-Faschismus gegenwärtig höchst unwahrscheinlich. Wichtig ist aber, diese Möglichkeit weder zu unterschätzen noch zu überschätzen.

Das Überschätzen ist heute weit verbreitet: viele linke Organisationen erwarten den Faschismus auch heute noch auf dem Weg von gestern, d.h. auf dem Weg der NSDAP oder der Mussolini-Bewegung. Erwartet man den Faschismus auf diesem Wege, so besteht die antifaschistische Aufgabe darin, vor allem neofaschistische und „rechtsextreme“ Kleingruppen zu bekämpfen. Nun ist dies freilich eine lohnende und notwendige Aufgabe, aber sich allzu sehr darauf zu konzentrieren, birgt die Gefahr in sich, die eigentliche Hauptgefahr zu übersehen. – In der Regel hängt eine derartige Überbewertung und somit falsche (weil einseitige) Strategie an einer falschen Faschismustheorie. Im Gegensatz zur marxistisch-leninistischen Faschismustheorie, schreibt Gossweiler, „engen die Theorien, die den Faschismus als spontane autonome kleinbürgerliche Massenbewegung betrachten, ihr Gesichtsfeld  in gefährlicher Weise ein; sie nehmen einen Teil für das Ganze und lassen die Hauptsache außer acht. Für sie ist das Maß für die faschistische Gefahr nicht die Intensität der Demokratiefeindlichkeit des Finanzkapitals und der Grad seiner Entschlossenheit, seinen Positionen durch Errichtung einer Form der faschistischen Diktatur zu festigen, sondern die Größe und Stärke faschistischer Parteien und Bewegungen. Sie erwarten also die faschistische Gefahr immer noch auf dem Wege von gestern, obwohl Griechenland und Chile gezeigt haben, dass im Zeichen der imperialistischen Militärpakte der Faschismus auch auf neuen Wegen an die Macht gebracht wird, wenn die kleinbürgerlichen Massen keine (oder noch keine ausreichende) Neigung zeigen, dem Faschismus oder Neofaschismus Gefolgschaft zu leisten.“ – Es liegt auf der Hand, dass dies zu einer untauglichen antifaschistischen Strategie führen muss: „Indem diese Theorien fixiert bleiben auf den Faschismus als Massenbewegung, müssen sie versagen bei der Aufgabe, Anleitung zum Handeln zu sein gegen die andersartigen Formen faschistischer Gefahr in unserer Zeit. Als Hauptproblem stellt sich den Verfechtern dieser Theorien die Frage dar: Wie kann man verhindern, dass es wieder zu einer faschistischen Massenbewegung kommt? Würde dieses Problem gelöst, dann wäre nach ihrer Ansicht die Gefahr des Faschismus bereits für immer gebannt.“[70] – Dass dem freilich nicht so sein kann, zeigt die historische Erfahrung zur Genüge, und wir werden weiter unten auch die von Gossweiler angesprochenen „andersartigen Formen“ zu sprechen kommen.

Wer nun aber die Gefahr eines neuen Massenpartei-Faschismus unterschätzt, ist ebenfalls schlecht beraten. Er übersieht nämlich die Tatsache, dass bürgerliche HistorikerInnen, PolitikerInnen, JournalistInnen etc. seit geraumer Zeit damit beschäftigt sind, den historischen Faschismus zu rehabilitieren. Es ist die Frage der Diskreditierung des historischen Faschismus ein Hauptfaktor, der das Aufkommen neofaschistischer Massenbewegungen noch behindert. Die anderen Faktoren – der Wille und die entsprechenden Maßnahmen des Monopolkapitals zur Errichtung der Diktatur auf diesem Wege einerseits, die ökonomische und politische Krise andererseits – sind ohnedies im staatsmonopolistischen Kapitalismus angelegt; die soziale Strukturentwicklung hat eine eindeutige Tendenz, das grundsätzliche Bestreben des Monopolkapitals ebenso – es ist somit eine Frage der unmittelbaren Begebenheiten, ob und wann das Monopolkapital auf eine entsprechende Strategie setzt (wir haben das weiter oben schon besprochen). – Wie steht es also um die Entlastungsversuche des Faschismus seitens der bürgerlichen „Wissenschaft“, Medien und Politik? „Seit einigen Jahren schon werden die Versuche immer deutlicher und offener, den Begriff des Faschismus zu ‚neutralisieren’. Der Faschismus soll nicht mehr länger als hassenswerte monströse politische Erscheinung gewertet und bekämpft werden, er soll vielmehr als eine ‚allgemein-menschliche’ Erscheinung, der man sogar Sympathie entgegenbringen müsse, deren Führern sogar eine gewisse historische Größe und auch positive Wirksamkeit nicht abgesprochen werden dürfe, aus dem politischen Tageskampf herausgenommen und nur noch zum Gegenstand ‚wissenschaftlicher’, um ‚Verständnis’ bemühter Untersuchungen werden. Kurz gesagt handelt es sich also darum, dass die Diskussion um den Faschismus einen neuen Impuls erhalten hat durch zwar noch verdeckte und vorsichtige, aber in der Tendenz ganz eindeutige Versuche zur zumindest teilweisen Rehabilitierung des Faschismus und seiner Führer. Diese außerhalb der offen faschistischen oder neofaschistischen Kreise neue Tendenz korrespondiert mit Anzeichen verstärkten Unbehagens bestimmter Kreise der herrschenden Klasse in den imperialistischen Ländern mit der bürgerlich-parlamentaristischen Demokratie und ihrer Suche nach einer ‚strafferen’ Form der Herrschaftsbehauptung.“[71]

Diese Versuche der bürgerlichen Faschismusbetrachtung gehen also über die altbekannte Totalitarismus-Doktrin hinaus. Die Totalitarismustheorie hatte wesentlich eine defensive Komponente, nämlich die Leugnung jedes Zusammenhanges zwischen Faschismus und Kapitalismus: hiermit soll also weniger der Faschismus entlastet werden, sondern vielmehr der Kapitalismus. Wird nämlich zugestanden, dass der Kapitalismus für den Faschismus verantwortlich ist, so ist er kaum noch zu rechtfertigen – das wissen auch die bürgerliche Wissenschaft und Politik. Die offensive Ausrichtung der Totalitarismus-Doktrin war freilich der Antikommunismus, der in letzter Konsequenz darauf abzielte, die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten zu vernichten, hierfür ist die absurde Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus (mitunter unter Verwendung des unsinnigen Begriffes „Stalinismus“) die ideologische Grundlage. In Europa war man diesbezüglich 1989/90 erfolgreich. Zum Antifaschismus trägt die Totalitarismus-Doktrin natürlich gar nichts bei, im Gegenteil, sie behindert ihn bewusst. Somit wird auch klar, dass ein ernsthafter Antifaschismus nicht nur letztlich sehr wohl Antikapitalismus bedeutet, sondern dass er auch Kampf gegen den Antikommunismus und Antisozialismus bedeuten muss.

Zurück also zu den Faschismusapologien. Wir wollen uns nicht auf das tiefe Niveau begeben, wo die „Argumentation“ lautet: „Hitler hat auch Gutes getan“ – das ersparen wir uns. Die gefährlicheren Versuche sind freilich etwas subtiler und weniger dumm. Besonders hübsch ist das Beispiel Österreich, wo eine grundsätzliche Tendenz besteht, bezüglich des Austrofaschismus diesem den faschistischen Charakter überhaupt abzusprechen: seitens der bürgerlichen Wissenschaft und der ÖVP ist dies logisch, doch auch die Sozialdemokratie ist hierbei hilfreich; die Mär der „geteilten Schuld“ und Otto Bauers Charakterisierung eines angeblichen „Halbfaschismus“ in Österreich 1934-1938 liefern die Grundlage. Die ÖVP hat nun ein besonders perfides Verhältnis zur austrofaschistischen Diktatur, bekanntermaßen hängt in den ÖVP-Räumlichkeiten des Parlaments in Wien nach wie vor ein Porträt des faschistischen Diktators Dollfuß. Dies ist nur eine optische Bestätigung, begründen tun dies Leute wie Andreas Khol (ÖVP-Klubobmann, dann sogar Nationalratspräsident). Auf die Frage, wie die Dollfuß-Diktatur einzuschätzen sei, antwortete Khol in einem Interview mit der bürgerlich-konservativen Tageszeitung „Die Presse“: „Mein Urteil gründe ich auf die internationale Wissenschaft. Auf der einen Seite hat der bedeutende Historiker Dan Diner klar dargestellt, dass das gesamte Europa ab 1930 mit ganz wenigen Ausnahmen in den Faschismus und in den Nationalsozialismus hineindriftete und dass Österreich ein Land des Widerstandes war. Stanley Payne, ein anerkannter amerikanischer Faschismustheoretiker, sagt, dass es Dollfuß gelungen ist, eine Bastion gegen den Nationalsozialismus aufzubauen. Ich sage aber gleich: Dollfuß war in dem, was er nach der Ausschaltung des Parlaments tat, kein Demokrat. Niemand kann das entschuldigen, er ist durch einen Putsch an die Macht gekommen, und das war eine Diktatur. Aber es war kein Faschismus, weil alle Wesensmerkmale des Faschismus fehlen. (…) Dass wir in Dollfuß das Opfer für Österreich sehen, das erste Opfer Hitlers und das Symbol für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, ist unsere Meinung. Ich habe die Fehler, die er begangen hat, schon geschildert, und ich rechtfertige sie nicht. Aber es ist unbestritten, dass er an der Wurzel der österreichischen Nation stand, und das Österreich-Bewusstsein, das nach dem Zweiten Weltkrieg immer stärker Fuß gefasst hat, kommt aus dieser Zeit (…) Es gibt Schattenseiten, es gibt Lichtseiten. Was wir an Dollfuß nach wie vor würdigen, ist sein Opfer, das Opfer seines Lebens, der Kampf gegen den Nationalsozialismus – dafür steht er als Sinnbild des Anti-Nationalsozialismus und als Sinnbild des persönlichen Opfers.“[72] – Na wunderbar! Khol gibt sich alle Mühe den österreichischen Faschismus zu relativieren. Dollfuß, der selbst eine Terrordiktatur errichtet hat und würdig als Arbeitermörder betitelt werden kann, war also eigentlich ein Antifaschist oder – Khol verwendet schon das richtige Wort – ein Anti-Nationalsozialist. So wird der antinationale Totengräber des demokratischen Österreichs flugs zum Urheber und Verteidiger der österreichischen Nation. Die faschistische Diktatur „christlich-sozialer“ Provenienz wird so zum legitimen Mittel im Kampf gegen den Konkurrenzfaschismus. Doch das „konkurrierende Nebeneinander einer großdeutsch-faschistischen und einer austrofaschistischen Bewegung war die unvermeidliche Konsequenz der Spaltung der herrschenden Klasse Österreichs in einen großdeutschen und einen auf die Erhaltung der Souveränität Österreichs als zweitem deutschen Staat bedachten Flügel.“[73] D.h. es gab durchaus identische Zielsetzungen des österreichischen NS-Faschismus und des „christlich-sozialen“ Austrofaschismus, nämlich bezüglich der grundsätzlichen Funktionen der zu errichtenden faschistischen Diktatur. Uneinigkeit herrschte bloß bezüglich der Einordnung dieser Diktatur in der faschistischen Bündnispolitik in Europa. Konkurrenzfaschistische Scharmützel als antifaschistischen Widerstand zu heroisieren, wie es in der ÖVP offenbar üblich ist, ist schon ziemlich beachtlich. Neuerdings will die ÖVP gar parlamentarische Gedenkfeiern zum Todestag von Dollfuß im Nationalrat abhalten…

Belassen wir es bei diesem Beispiel – und kommen wir anhand desselben Beispiels bereits zum zweiten Punkt, der bezüglich der faschistischen Gefahren der Gegenwart zu behandeln ist: nämlich zur Bedeutung der reaktionärsten Kräfte in den konservativen, bürgerlichen (Massen-) Parteien, deren Wirken auch im reaktionären Potenzial im Staatsapparat zu Ausdruck kommt.

Tibor Zenker,
Wien

(Wir setzen den Abdruck dieses Artikels in der nächsten Ausgabe fort, dann: Reaktionärer Konservatismus und bürgerlicher Staatsapparat; Imperialismus und Faschismusexport; Antifaschistische Aufgabenfelder; Red.Offensiv)

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors sowie der „Kommunistischen Initiative“ (Österreich) aus: Tibor Zenker „Was ist Faschismus“, Der Drehbuch Verlag, Wien, Seite 140 ff. Tibor Zenker gehörte bis vor ein paar Jahren dem „Stamokap-Flügel“ der Sozialistischen Jugend Österreichs an und ist heute Mitglied des Vorstandes der „Kommunistischen Initiative“ (KI). Wir werden in der nächsten „offen-siv“ eine ausführliche Besprechung dieses Buches sowie eines anderen Buches von Genossen Zenker, „Der Imperialismus der EU“, veröffentlichen.

Kontakt:„Kommunistische Initiative“, Rankgasse 2/5, A-1160 Wien, Österreich.          

  • [48]Gossweiler, Kurt: Über Ursprünge und Spielarten des Faschismus. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. II, S. 584
  • [49]Lenin, W. I.: Staat und Revolution. In: LW 25, S. 405
  • [50]Liebknecht, Karl: Leitsätze. In: Reden und Aufsätze in zwei Bänden, Frankfurt am Main 1972, Bd. 2, S. 115
  • [51]Einstein, Albert: Why Socialism? In: Monthly Review 1/1949
  • [52]Lenin, W. I.: Staat und Revolution. In: LW 25, S. 435 f.
  • [53]Zetkin, Clara: Richtlinien für die kommunistische Frauenbewegung. In: Schriften zur proletarischen Frauenbewegung, Wien 1979, S. 69
  • [54]ebd., S. 70
  • [55]Rosner, Jakob: Der Faschismus. Wien 1966, S. 88 f.
  • [56]zitiert nach: Gossweiler, Kurt: Von Weimar zu Hitler. In Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. I, S. 334
  • [57]vgl. Zenker, Tibor: Die Ordnung herrscht in Santiago. In: Trotzdem 4/2002
  • [58]Kühnl, Reinhard: Faschismustheorien. Reinbek bei Hamburg 1979, S. 255
  • {59]Allende, Salvador: Rede vor dem Plenum der XXVII. UNO-Vollversammlung. In: Chile – Volkskampf gegen Reaktion und Imperialismus, Berlin 1973, S. 201 f.
  • [60]Corvalán, Luis: Lehren aus dem Wahlsieg. In: Freiheit für Chile!, Frankfurt/Main 1973, S. 77
  • [61]Lenin, W. I.: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa. In: Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Moskau 1946, Bd. I, S. 751
  • [62]Dimitroff, Georgi: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus. In: Ausgewählte Werke, Frankfurt am Main 1972, Bd. 1, S. 107
  • [63]Sarodow, K. I.: Der gegenwärtige Faschismus und die Realität seiner Gefahr. In: Kühnl, Reinhard (Hg.): Texte zur Faschismusdiskussion 1. Reinbek 1974, S. 202
  • [64]Zenker, Tibor: Stamokap heute. Wien 2006, 2. Auflage, S. 202
  • [65]Zenker, Tibor: Stamokap heute. Wien 2006, 2. Auflage, S. 118
  • [66]Lenin, W. I.: Staat und Revolution. In: LW 25, S. 423
  • [67]Sarodow, K. I.: Der gegenwärtige Faschismus und die Realität seiner Gefahr. In: Kühnl, Reinhard (Hg.): Texte zur Faschismusdiskussion 1. Reinbek 1974, S. 192
  • [68]/a>Sarodow, K. I.: Der gegenwärtige Faschismus und die Realität seiner Gefahr. In: Kühnl, Reinhard (Hg.): Texte zur Faschismusdiskussion 1. Reinbek 1974, S. 192 f.
  • [69]ebd., S. 193
  • [70]Gossweiler, Kurt: Faschismus, Imperialismus und Kleinbürgertum. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. I, S. 355 f.
  • [71]Gossweiler, Kurt: Faschismus, Imperialismus und Kleinbürgertum. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. I, S. 350
  • [72]„Wer ist schon makellos?“ – Gespräch mit Andreas Khol. In: Die Presse, 5.3.2005
  • {73]Gossweiler, Kurt: Faschistische Bewegungen und faschistische Diktatur in Österreich. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. II, S. 671

Tibor Zenker:
Faschismus und Antifaschismus heute – staatsmonopolistischer Kapitalismus und Demokratie; Teil 2

(Vorbemerkung der Redaktion: Im Heft 1/2007, der Januar-Fabruar-Ausgabe, haben wir den ersten Teil der Arbeit von Tibor Zenker gebracht. Wir setzen hier fort und bringen den Artikel zum Abschluss. Red. Offensiv)

Reaktionärer Konservativismus und bürgerlicher Staatsapparat

Wir haben also anhand der ÖVP schon gesehen, dass die partielle positive Konnotation des Faschismus in bürgerlichen Großparteien, im Konservativismus, ihren Platz hat. Im Falle der ÖVP – und bei Andreas Khol möchte man derartiges annehmen – hat dies vorrangig einen defensiven Charakter: schließlich steht die ÖVP in direkter Tradition der CSP, sie ist deren Neugründung unter einem anderen Namen. Führende ÖVP-Funktionäre nach 1945 waren bereits Funktionäre der CSP, der Heimwehr oder der Vaterländischen Front. Ihre faschistische Vergangenheit ist der ÖVP selbstverständlich unangenehm – ihre Antwort auf dieses Problem besteht jedoch nicht etwa in einer historischen Aufarbeitung, in der Selbstkritik und einer klaren Distanzierung, sondern in der Verharmlosung der Dollfuß- und Schuschnigg-Diktatur. Recht originell war auch das Beispiel von ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, der anlässlich des Wahlerfolges der KPÖ Steiermark bei den Landtagswahlen 2005 meinte, er fände es bedenklich, dass 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg KommunistInnen so regen Zuspruch erhielten. Damit will er suggerieren, dass die KommunistInnen für den imperialistischen Krieg die Verantwortung hätten. Damit verkehrt er nicht nur Opfer und Täter, sondern auch Widerstand und Terrorherrschaft. Herr Bartenstein könnte heute nicht sein auf demokratischem Wege erlangtes Amt ausüben, hätten nicht gerade die österreichischen KommunistInnen und insbesondere die Rote Armee der Sowjetunion gegen den Faschismus gekämpft und den Krieg siegreich beendet. Somit will Bartenstein offenbar davon ablenken, dass es nämlich seine Partei war, die selbst Trägerin des Faschismus war, während die KPÖ den Faschismus (nämlich den österreichschen ebenso wie den deutschen) am konsequentesten bekämpft hat. Manch einer könnte angesichts dessen fast annehmen, Herr Bartstein würde in Wahrheit dies den KommunistInnen zur Last legen wollen… – Aber Herr Bartenstein, selbst Multimillionär als Pharmaunternehmer, weiß womöglich auch um den monopolkapitalistischen Klassencharakter des Faschismus und somit um die wirklichen Verantwortlichen für den imperialistischen Zweiten Weltkrieg und die faschistischen Gräuel der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts…

So gebildet (und der zweite mitunter gar „liberal“) ÖVP-Politiker wie Khol und Bartenstein auch daherkommen, so bleibt ihre reaktionäre Ausrichtung offensichtlich. Es ist natürlich kein Zufall, dass unter Federführung solcher Leute nach der Nationalratswahl 1999 eine rechtsreaktionäre Koalitionsregierung mit der FPÖ Jörg Haiders zustande gekommen ist, unter deren Amtszeit sodann Leute vom ganz rechten Rand in diverse Gremien und Aufsichtsorgane von Universitäten oder des ORF gelangen, sowie dass es in diversen Ministerien, in der Exekutive und im Heer ein ebenso hinterfragenswertes Personalmanagement gab. Auch die auffällig guten Beziehungen zu den reaktionärsten Kräften in der katholischen Kirche sprechen für sich. – Man lässt sich also mit den fragwürdigsten rechtsextremen Leuten der österreichischen Politik ein, versucht dies aber natürlich zu vertuschen, indem möglichst „herzeigbare“ Leute (Böhmdorfer war die Ausnahme) an der Spitze der Ministerien stehen sollen. Programmatisch aber, das haben wir schon weiter oben gehört, passen Konservativismus und Rechtsextremismus tadellos zusammen.

So bleibt in allen Ländern die faschistische Gefahr „von oben“ bestehen (auch wenn ausdrücklich angemerkt sei, dass weder Khol noch Bartstein derartige Zielsetzungen zugeschrieben werden sollen). Schließlich geht es vielmehr um reaktionäre Tendenzen und die grundsätzliche Interessenslage nach Klassenhintergründen, die ihre Auswirkungen auf den Staatsapparat haben. Wir haben auch schon gehört, dass der Faschismus immer im Bündnis mit konservativen Kräften an die Macht kommt. Unter diesen finden sich immer welche, die zu Vollstreckern der faschistischen Diktatur werden – das war in Deutschland in Bezug auf die NSDAP so, in Österreich hat die CSP ja bekanntlich gleich selbst die faschistische Diktatur von oben errichtet, dafür stehen insbesondere die CSP-Politiker Seipel und Dollfuß, aber auch Bundespräsident Wilhelm Miklas (1928-1938), die aus ÖVP-Sicht alle bis heute verehrenswert sind… – Ganz offensichtlich ist der reaktionäre Rand in einer bürgerlichen Großpartei auch in der BRD, d.h. bei CDU/CSU. Im Allgemeinen gehen die reaktionärsten Tendenzen hier zumeist von der bayrischen CSU aus, federführend war natürlich Franz Josef Strauß, 1961-1988 CSU-Vorsitzender. Wenn dieser sagte, rechts von der CSU dürfe kein Platz für eine weitere Partei sein, so meinte er nicht, dass es keine rechtsextreme Partei geben dürfe, sondern dass die CSU selbst diesen Platz ausfüllen müsse (Edmund Stoiber gibt sich in der Form moderater als Strauß, ist aber wohl derselben Ansicht). – Ähnliche Figuren gibt es in allen Ländern, sei es z.B. jemand wie Sarkozy bei den französischen Bürgerlichen, die gesamte Aznar-Regierung in Spanien oder wahrlich nicht zuletzt Berlusconi in Italien: hier wurde versucht, die eigenständige Justiz auszuschalten, vermehrt reaktionär-autoritäre Verfassungsbestimmungen durchzusetzen, Militär und Polizei zu Willkür- oder gar Terroraktionen einzusetzen (siehe Genua), etwaige nationale Unterdrückungsszenarien systematisch auszuweiten – und dies alles geschieht im systematischen Bündnis und mit gegenseitiger Unterstützung und Förderung zwischen reaktionär-konservativen, nationalistischen und neofaschistischen Gruppen.

Das Ganze, die Interessen der rechtsreaktionärsten Kreise in den konservativen Parteien und deren politische Umsetzung, hat (nicht nur in Italien oder Bayern) seine Auswirkung auf den Staatsapparat, der auf diese Weise selbst sein reaktionäres Potenzial zu einem faschistischen steigern kann – das ist ja auch die Zielsetzung der rechtsreaktionärsten Kreise in den konservativen, bürgerlichen Großparteien. Das Ganze wurzelt in der grundsätzlichen antidemokratischen Entwicklung, des Ausbaus des Staatsapparats in eine verstärkt autoritäre Richtung, wie wir es zuvor schon besprochen haben. „Mit der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus werden verschiedene Teile des heutigen kapitalistischen Staatsapparats selbst immer mehr zu Trägern ultrareaktionärer Tendenzen. Es verstärkt sich die Tendenz zur reaktionären Selbstherrschaft der zivilen Bürokratie. Mit dem Abbau des Mechanismus der bürgerlichen Demokratie wächst die unkontrollierbare Einmischung der Exekutivorgane in alle Prozesse der Wirtschaft, des sozialen und kulturellen Lebens der Gesellschaft, und in den Händen der höchsten Beamten konzentriert sich eine gewaltige Macht. Gleichzeitig wird die Rechtsgrundlage für polizeiliche Repressalien in Form einer arbeiter- und volksfeindlichen Gesetzgebung geschaffen. Es erweitert sich die reale ökonomische und politische Macht des Militär-Industrie-Komplexes. Er wird zu einer autarken Kraft, die sich immer mehr dem bürgerlich-demokratischen System entgegenstellt und es sich zu unterordnen sucht. Die Empfänglichkeit der reaktionären Militärkamarilla, der militärischen Kreise für die faschistische Ideologie ist angesichts der Verstärkung der Aggressivität des Imperialismus besonders gefährlich, sie kann sich auch in einer konservativen Reaktion auf die Erfolge des Kampfes für Frieden und Entspannung äußern. [10] – Somit schafft sich das Monopolkapital eine weitere Option für einen faschistischen Entwicklungsweg. Es ist der Weg einer stetigen Faschisierung, einer relativen weiteren Verselbständigung des Staatsapparates gegenüber dem Parlamentarismus, der Stärkung der Exekutive und des Militärs. Vorangetrieben wird dies durch die reaktionärsten bürgerlichen Kräfte in den konservativen Großparteien, die dazu die legislativen Möglichkeiten haben, durch ebensolche Personen in den staatlichen Institutionen. All dies soll die Entwicklungstendenz ermöglichen, auf dieser Basis im entscheidenden Moment die faschistische Diktatur „von oben“ zu errichten – durchaus ähnlich wie in Österreich schon einmal, nämlich 1934. (Auch angesichts dieser historischen Analogie ist wie gesagt nicht ausgeschlossen, dass es zum offenen Bündnis der reaktionärsten konservativen Kräfte mit neofaschistischen und „rechtsextremen“ Hilfskräften kommt.) – „Somit wächst die Gefahr“, fasst Sarodow zusammen, „der immanenten Faschisierung der bürgerlichen Staatsmaschinerie, und auf dieser Grundlage greifen die Übergangsformen, die neofaschistische Formen zur Durchsetzung der Macht des Monopolkapitals, in denen sich Elemente der bürgerlich-demokratischen und der offen terroristischen Regimes verbinden, immer mehr um sich. Eine neue Gefahr taucht auf: Die allmähliche Umwandlung des bürgerlich-demokratischen Regimes in ein faschistisches, das die Möglichkeit schafft, die Reste des Parlamentarismus plötzlich zu beseitigen und einen Diktatur zu errichten.[11]

Ein sehr gutes und vielleicht das beste diesbezügliche Beispiel der Gegenwart ist das Wirken der so genannten „Neocons“ („Neokonservativen“) in den USA, die seit dem Amtsantritt von Präsident George W. Bush an der Macht sind, wenngleich Bush selbst wohl nicht gerade als Vordenker angesehen werden kann – die Regierung und die Beratungsgremien wurden jedoch entsprechend besetzt (Cheney, Rumsfeld, Rice, Wolfowitz etc.). – Offen wird hier die Idee (und Praxis) einer weitgehend autoritären Regierung im Inneren, einer autoritären Außenpolitik ungeachtet des Völkerrechts und der UNO, einer – und deshalb ist das Wort „neoliberal“ völlig falsch – staatlichen Förderung der Ökonomie (d.h. der US-Monopolkonzerne) vertreten. Im Inneren bedeutet dies Demokratieabbau bis hin zu Willkürelementen, Repression gegenüber KritikerInnen, nach außen bedeutet dies letztlich Krieg. Ideologisch beruft man sich hierbei auf einen gewissen christlichen Fundamentalismus, auf ein entsprechendes messianisches Sendungsbewusstsein, dass auch nach außen getragen werden muss. So wird die angebliche Legitimation jeder politischen oder militärischen Aggression gegenüber anderen Staaten und Nationen zur Verteidigung und/oder Implementierung von Recht und Freiheit, von Demokratie und Moral. – Die Wahrheit ist hingegen simpel: es handelt sich um die gegenwärtige Strategie der reaktionärsten Teile des US-Monopolkapitals zur ungehinderten Entfaltung der imperialistischen Aggression. Es geht um die imperialistische Hegemonie, um den Kampf gegen jede antiimperialistische, radikaldemokratische oder gar sozialistische Emanzipationsbestrebung, im Inneren wie nach außen. – Angesichts dessen kommen wir nun zur dritten faschistischen Hauptgefahr der Gegenwart, nämlich zu jener, die an der imperialistischen Aggressionspolitik hängt und die zu einer Art des Exports des Faschismus führen kann.

Imperialismus und Faschismusexport

Der Imperialismus exportiert nicht nur Waren und Kapital, er „exportiert“ gemäß seinen Interessen auch seine Politik.

Was ist nun unter Faschismusexport zu verstehen? Inwiefern kann es einen solchen überhaupt geben? „Wenn unter Faschismus-Export verstanden wird, dass in irgendein Land der Faschismus von außen hineingepflanzt wird, ohne dass es im Inneren des Landes Kräfte gibt, auf die er sich stützen kann, dann muss man offenbar die Frage verneinen. In einem solchen Fall müsste dasjenige Land, dass den Faschismus ‚exportieren’ wollte, die Macht selbst ausüben; es handelte sich aber dann im Grunde um ein Besatzungsregime. Mit Berechtigung kann man vom Export des Faschismus nur dann sprechen, wenn der Faschismus einem Lande von einem anderen aufgezwungen wird, gestützt auf Teile der herrschenden Klasse dieses Landes, die ihrerseits danach trachten, sich die nach Demokratie strebenden Volksmassen und die für den Sozialismus kämpfende Arbeiterbewegung mit Hilfe einer faschistischen Diktatur zu unterwerfen, deren Kräfte aber dazu ohne Unterstützung von außen nie ausreichen würden. Das erste Beispiel dieser Art lieferten Hitler-Deutschland und Mussolini-Italien in Spanien. Kennzeichnend für dieses Beispiel war, dass dort der Faschismus-‚Export’ auf dem Wege einer militärischen Intervention erfolgte.[12]

Gossweiler hebt hier die direkte militärische Intervention hervor. Diese ist freilich nicht Voraussetzung, ja öfters hat die imperialistische Interventionspolitik etwas subtilere Methoden. Auch ist dazu zu sagen, dass der Faschismusexport keineswegs nur von solchen imperialistischen Staaten ausgehen kann, die selbst faschistisch konstituiert sind – natürlich ist der Faschismusexport auch seitens bürgerlich-demokratisch verfasster Imperialismen möglich und in der Gegenwart auch die eigentliche Hauptgefahr. Denn so sehr Deutschland in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts – bis zur Kriegsniederlage – natürlich das Zentrum der Unterstützung für den Faschismus in anderen Ländern war, so ist dies heute gänzlich anders: diese Rolle nehmen seit 1945 und bis heute die USA ein, in ihrer Funktion als imperialistische Führungsmacht und als gegenwärtig aggressivster imperialistischer Staat. „In unserer Zeit geht die Gefahr eines ‚Faschismus-Exports’ vor allem vom USA-Imperialismus und von ihm geführten aggressiven Militärpakt-Organisationen, vor allem bestimmten Kreisen der NATO, aus. USA und NATO hatten ihre Hände im Spiel bei der Errichtung des Obristenregimes in Griechenland, ihnen vor allem verdankte die Franco-Diktatur in Spanien und die Salazar-Caetano-Diktatur in Portugal ihre Langlebigkeit. Durch direktes oder auch indirektes Eingreifen der USA entstanden die meisten der lateinamerikanischen Diktaturen, insbesondere die Pinochet-Diktatur in Chile. Dies unterstreicht noch einmal, dass die Gefahr des Faschismus vom Imperialismus, vom Monopolkapital, ausgeht.[13]

Ein Beispiel des Faschismusexports durch den US-Imperialismus ist der faschistische Putsch in Chile 1973, über den wir bereits gesprochen haben – und Gossweiler beschreibt anhand dieses Beispiels auch die Unterschiede zum spanischen Fall: „Ein anderes Beispiel des Faschismus-Exportes ist Chile. Hier erfolgte der ‚Export’ jedoch nicht durch direkte militärische Intervention, sondern durch eine Kombination verschiedener Mittel, von ökonomischer Unterminierung, außenpolitischem Druck bis zur Organisierung und Fernsteuerung einer Verschwörung innerhalb der Streitkräfte gegen die Unidad-Popular-Regierung und bis zur Ausrüstung der Verschwörer mit Bewaffnung und mit Geld für die Schaffung der günstigsten inneren Voraussetzungen für einen erfolgreichen faschistischen Putsch.[14]

Der US-Imperialismus verfolgt nun offensive und defensive Zielsetzungen, er will einerseits jeder antiimperialistischen und revolutionären Bewegung besser früh als spät entgegentreten, andererseits sollen geopolitische Hegemonien und ökonomische Zugriffe – insbesondere in Lateinamerika und am Persischen Golf – gewährleistet sein. Corvalán schrieb darüber: „Der nordamerikanische Imperialismus greift zu Methoden der offenen und dreisten Intervention. Über ein ganzes System von Militärpakten und Missionen, von Zentren zur Ausbildung in der Partisanenbekämpfung, durch Aufstellung und Erweiterung von Sondereinheiten …, verwirklicht der nordamerikanische Imperialismus eine direkte bewaffnete Aggression gegen den Befreiungskampf der lateinamerikanischen Völker. USA-Präsident Johnson erklärte zynisch, er würde verhindern, dass irgendein anderes Land Kuba auf seinem Wege folge. Und zu diesem Zweck ist der Imperialismus zu allem bereit, ist er bereit, Tod und Verderben in den Städten und Dörfern zu säen und gegen das Völkerrecht zu verstoßen, wie das in der Schweinebucht und in Santo Domingo geschah, wie das in Vietnam geschieht. Bedroht sind also die Unabhängigkeit eines jeden lateinamerikanischen Landes und das Existenzrecht eines jeden lateinamerikanischen Volkes. Und es gibt keinen anderen Weg zur Rettung, in eine lichte Zukunft als den Kampf breitester Volksmassen des Kontinents gegen die Aggression und Intervention des nordamerikanischen Imperialismus.[15]

Im Zweifelsfall wird seitens der USA über einen Putsch (oder eine Militärintervention) eben ein faschistisches Regime errichtet, wie es in Chile schließlich geschah, wie es in Venezuela versucht wurde und vielleicht abermals versucht werden wird. Was hier nun dahinter steckt, fasst Manfred Weißbecker zusammen: „Die Errichtung eines faschistischen Regimes erfolgt vor allem mit dem Ziel, den in der Aktionseinheit der Arbeiterklasse und in der antiimperialistischen Volksfront zusammengeführten Kräften in entscheidenden Phasen des Klassenkampfes den Weg zum Fortschritt zu verlegen …Dabei stimmen die Interessen der jeweiligen nationalstaatlich organisierten Großbourgeoisie mit denen des Weltimperialismus überein, wenn letzterer an der strategischen Position des jeweiligen Landes besonders interessiert ist.[16]

Diese Gefahr erscheint als eine höchst aktuelle. Gerade in Lateinamerika haben wir es mit einem neuen revolutionären Aufschwung zu tun, es liegt auf der Hand, dass der ohnedies angeschlagene US-Imperialismus hier Handlungsbedarf sehen muss. Tatsächlich erscheint diese Linie gegenwärtiger faschistischer Gefahren als unmittelbare Hauptgefahr. Somit können wir mit Gossweiler eine Einschätzung zum Inhalt des antifaschistischen Kampfes machen, die uns unsere Faschismustheorie grundsätzlich liefert, die aber anhand der Gefahr des Faschismusexports durch die imperialistischen Hauptmächte und insbesondere durch die USA, abermals offensichtlich wird: „Da … der Faschismus eine, nämlich die brutalste Herrschaftsform des Finanzkapitals, also ein politisches Instrument des Imperialismus ist, richtet sich antifaschistischer Kampf objektiv immer auch gegen den Imperialismus, und bedeutet jeder Sieg über den Faschismus zugleich auch eine Schwächung der Positionen des Imperialismus. Insofern ist Antifaschismus in der Tat antiimperialistisch, unabhängig davon, ob dies allen Gegnern des Faschismus bewusst ist.[17]

Fassen wir nun, nachdem wir drei Herkunftslinien der gegenwärtigen faschistischen Gefahr betrachtet haben, zusammen: „Zusammenfassen bleibt festzustellen, dass für die Zukunft ein Erfolg der Bemühungen um Heranzüchtung einer faschistischen Massenbewegung noch nicht ausgeschlossen werden kann, dass jedoch gegenwärtig noch viel eher mit Versuchen gerechnet werden muss, den Faschismus auf dem chilenischen Wege, dem Wege eines heißen Militärputsches, zu errichten oder auf dem geräuschlosesten, ‚legalen’ Wege der Umschaltung vom bestehenden parlamentarischen auf ein faschistoides oder faschistisches Regime, gestützt auf das vorsorglich bereitgestellte Instrumentarium von Ausnahme- und Notstandsgesetzen und abgesichert durch die bewaffnete Staatsmacht.[18]

Antifaschistische Aufgabenfelder

Im Jahr 2000 beantwortete Kurt Gossweiler in einem Interview, das für das Internationale Kommunistische Seminar in Brüssel geführt und aufgezeichnet wurde, die Frage „Was ist zu tun, um die Möglichkeit eines neuen Faschismus nicht Wirklichkeit werden zu lassen?“, folgendermaßen: „Erstens: Wir müssen unsere Kraft und unseren Einfluss dafür einsetzen, dass jeder Angriff der Herrschenden auf die in langen Jahrzehnten errungenen demokratischen und sozialen Rechte auf eine möglichst breite und möglichst entschlossene Abwehr stößt. – Zweitens: Wir müssen immer wieder daran erinnern, was die Faschisten über ihr Volk und die ganze Menschheit gebracht haben. Die faschistischen Verbrechen dürfen nicht vergessen und nicht vergeben werden! – Drittens: Wir dürfen nicht müde werden, darüber aufzuklären, wessen Instrument der Faschismus war und nach wie vor ist. – Viertens: Wir müssen unermüdlich Klarheit darüber verbreiten, dass Antikommunismus Begünstigung des Faschismus bedeutet. – Fünftens: Wir müssen die Wahrheit zur Massenerkenntnis machen, dass, solange der Imperialismus herrscht, auch die Gefahr des Faschismus bestehen bleibt. Nur der Sozialismus kann der Menschheit eine Welt ohne Kriege und ohne Faschismus bringen.[19]

Diese somit umrissenen antifaschistischen Aufgaben der Gegenwart könnten wir nun vielleicht präziser und länger ausführen, dem Inhalt nach ist jedoch nichts hinzuzufügen. Wir möchten uns aus Rücksicht auf Zeit und Raum an dieser Stelle daher damit begnügen, gemäß den zuvor von uns skizzierten Hauptlinien der faschistischen Gefahren der Gegenwart ungefähr folgende Aufgabenfelder des Antifaschismus systematisiert zu benennen. Folgende Stoßrichtungen ergeben sich zweifelsfrei:

1. Die Herstellung einer faschistischen Massenbewegung ist gegenwärtig zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht allzu wahrscheinlich. Gegenwärtig führen neofaschistische Organisationen in der Regel ein Sektendasein, Erfolge „rechtsextremer“ Parteien sind aufgrund organisationsinterner Widersprüche oft zeitlich begrenzt. Um ein Aufkommen neuer faschistischer Massenbewegungen zu verhindern, gilt es, jedem Versuch einer Faschismusapologie entgegenzutreten. Ein wichtiges Mittel im Kampf gegen ein Erstarken des Faschismus ist die Aufklärung der Massen über den Charakter des Faschismus. Es genügt jedoch nicht, nur den Charakter des Faschismus zu entlarven, sondern es muss auch ein Gegenangebot seitens der revolutionären ArbeiterInnenbewegung geben: dieses Gegenangebot kann eine antimonopolistische Bewegung sein, die sich nicht nur als Defensive gegen die Angriffe des Monopolkapitals (und des Faschismus) versteht, sondern auch als Offensive der Werktätigen in Stadt und Land gegen die herrschende Klasse, als Offensive, um die ökonomischen und sozialen Kräfteverhältnisse nachhaltig zugunsten der Werktätigen und zuungunsten des Monopolkapitals zu verändern.

2. Die immanente Faschisierung des Staatsapparates, die Möglichkeiten zur Errichtung der offenen autoritär-faschistischen Diktatur über einen Staatsstreich ermöglichen soll, ist eine sehr ernsthafte Gefahr. Diese Gefahr geht insbesondere von den reaktionärsten Kräften des Konservativismus aus, die mittels ihres Einflusses in bürgerlichen Großparteien eine entsprechende politische Entwicklung vorantreiben und hierbei mitunter von sozialdemokratischen Parteien (mehr oder weniger unwillkürlich) unterstützt werden. Möglich ist, dass diese Kräfte eine Form der Koalition mit neofaschistischen oder „rechtsextremen“ Kräften suchen. – In dieser Hinsicht ist die Aufgabe des Antifaschismus der Kampf gegen den gegenwärtigen Entdemokratisierungsprozess, gegen den Ausbau der Staatsgewalt, gegen die Militarisierung der Gesellschaft, gegen die Durchsetzung diverser öffentlicher Positionen mit reaktionären Kräften. – Eine diesbezügliche Gegenbewegung wäre eine radikaldemokratische Bewegung, die nicht nur gegen die Entdemokratisierung kämpft, sondern offensiv für die Demokratisierung von Staat, Betrieben, Institutionen und nicht zuletzt der Armee.

3. Größte unmittelbare Gefahr der Gegenwart ist die mögliche Implementierung militärfaschistischer Diktaturen in den abhängigen Ländern mithilfe der aggressivsten imperialistischen Mächte. – Diesen Bestrebungen der jeweiligen einheimischen Oligarchien, die mit dem US- oder EU-Imperialismus verbündet sind, ist eine antiimperialistische Volksfront entgegenzustellen. Die Aufgabe der AntifaschistInnen in den imperialistischen Staaten Europas und Nordamerikas ist es, maximale Solidarität mit den antiimperialistischen Bewegungen in den Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens zu üben. Diese Form der antiimperialistischen Solidarität ist eine Form des Antifaschismus. Sie bedarf einer starken Friedensbewegung, einer Bewegung gegen Aufrüstung und Militarismus in den imperialistischen Ländern, sie bedarf insbesondere eines kompromisslosen Eintretens für das Selbstbestimmungsrecht der abhängigen Nationen.

All diese antifaschistischen Ansätze gegen die heutigen Gefahren des Faschismus richten sich unweigerlich gegen die Interessen der Monopole. Den Faschismus an der Wurzel auszurotten, verlangt letztlich, den Imperialismus zu besiegen. Dies ist die historische Aufgabe des Proletariats. Sie verlangt Klassenbewusstsein, eine revolutionäre Strategie und Taktik und auf dieser Basis die organisierte Kampfeinheit der ArbeiterInnenklasse und ihrer Verbündeten. Diese werden schlussendlich unbesiegbar sein, denn Milliarden unterdrückter Menschen werden stärker sein als eine Handvoll unterdrückender Milliardäre.

In seinem Überlebenskampf wird der Imperialismus versuchen, sich aller Gewaltmittel zu bedienen, insbesondere abermals des Mittels des Faschismus. Ob er damit erfolgreich sein wird, hängt von der Entschlossenheit und Stärke der antifaschistischen Kräfte ab, deren Zentrum die einigen revolutionären Kräfte sein müssen. Somit ist eine Erfolgfrage des Antiimperialismus wie des Antifaschismus und somit des Antikapitalismus im Allgemeinen letztlich eine Frage der revolutionären Organisierung der arbeitenden Menschen.

Eine revolutionäre Organisierung verlangt eine integrale revolutionäre Theorie. Sie muss den Kampf für Demokratie und Frieden mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft verbinden. Wer die Aussage „Nie wieder Faschismus!“ ernst meint, wird um die Frage der Gesellschaftsformation nicht herumkommen. Insofern bleibt es Aufgabe der fortgeschrittensten Kräfte, der revolutionären Kräfte in antifaschistischen Bündnissen und Bewegungen, die Notwendigkeit eines revolutionären Antiimperialismus und Antimonopolismus auch im Bewusstsein zu verankern. Schlussendlich ist die einzige Garantie, die Gefahr des Faschismus für immer aus der Welt zu schaffen, die Überwindung des Imperialismus selbst. Nur wenn diejenigen monopolkapitalistischen Kräfte, deren Instrument der Faschismus ist, umfassend entmachtet werden, so ist diese Gefahr gebannt. Zugespitzt steht die Menschheit früher oder später immer wieder vor den Alternativen: Sozialismus oder Barbarei – und die höchste Form der imperialistischen Barbarei bleibt der Faschismus.

Tibor Zenker, Wien

Mit freundlicher Genehmigung des Autors sowie der „Kommunistischen Initiative“ (Österreich) aus: Tibor Zenker – „Was ist Faschismus“, Der Drehbuch Verlag, Wien, Seite 140 ff,. Tibor Zenker gehörte bis vor ein paar Jahren dem „Stamokap-Flügel“ der Sozialistischen Jugend Österreichs an und ist heute Mitglied des Vorstandes der „Kommunistischen Initiative“ (KI).

  • [10]Sarodow, K. I.: Der gegenwärtige Faschismus und die Realität seiner Gefahr. In: Kühnl, Reinhard (Hg.): Texte zur Faschismusdiskussion 1. Reinbek 1974, S. 197 f.
  • [11]Sarodow, K. I.: Der gegenwärtige Faschismus und die Realität seiner Gefahr. In: Kühnl, Reinhard (Hg.): Texte zur Faschismusdiskussion 1. Reinbek 1974, S. 198
  • [12]Gossweiler, Kurt: Faschismus und antifaschistischer Kampf. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. II, S. 577
  • [13]Gossweiler, Kurt: Faschismus und antifaschistischer Kampf. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. II, S. 577 f.
  • [14]ebd., S. 577
  • {15]Corvalán, Luis: Das Bündnis der revolutionären antiimperialistischen Kräfte in Lateinamerika. In: Freiheit für Chile!, Frankfurt/M. 1973, S. 7 f.
  • ,[16]Weißbecker, Manfred: Wesen und Erscheinungsformen des gegenwärtigen Faschismus. In: IPW-Berichte 1975, Heft 8, S. 39
  • [17]Gossweiler, Kurt: Was ist Antifaschismus? Welche Bedeutung hat er heute? In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. II, S. 657
  • [18]Gossweiler, Kurt: Faschismus und antifaschistischer Kampf. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. II, S. 548 f.
  • [19]Faschismus und antifaschistischer Kampf gestern und heute – Gespräch mit Kurt Gossweiler (Berlin, 15. April 2000). Beitrag zum 9. Internationalen Kommunistischen Seminar (IKS), Brüssel, 2.-4. Mai 2000