Gedenkstätte Ziegenhals soll vernichtet werden

Freundeskreises „Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals“, e. V.:
Gedenkstätte Ziegenhals soll vernichtet werden

Es hört sich manchmal an wie aus einem Polit-Krimi. Doch es geht nicht um Fiktion und schon gar nicht um Unterhaltung; es geht um eine bittere, ja, skandalöse Realität!  Ein Spitzenbeamter des Landes Brandenburg, tätig im Ministerium für Infrastruktur und Raumplanung, ersteigert sich billig ein Grundstück, auf der eine denkmalgeschützte Gedenkstätte steht, tauscht die Schlösser zur Gedenkstätte aus, lässt alles verkommen und will schließlich die Gedenkstätte abreißen lassen. Als seine Pläne, die Gedenkstätte durch Sommervillen zu ersetzen, wegen bundesweiter und internationaler Proteste nicht zu realisieren sind, will er wieder verkaufen und das mit höchstmöglichen Profit. Doch scheinbar sind seine Preis-Vorstellungen zu hoch – die Verhandlungen enden ergebnislos. Anstatt die Aussichtslosigkeit seines Tuns einzusehen, versucht er nun die Einheit von Grundstück und Inventar zu trennen, um beides separat – mit noch höheren Gewinnaussichten – zu verhökern. Abgesehen davon, dass er zum Verkauf des Inventars nicht berechtigt ist, will er sich dadurch der letzten Hürde entledigen, die einem Abriss noch im Wege stehen. Die Gedenkstätte ist augenblicklich wieder akut bedroht!

Aber der Reihe nach, denn um diese jüngste Sauerei richtig einzuordnen, muss man die Zusammenhänge kennen:

Im November 2002 ersteigert der brandenburgische Topbeamte, der im oben genannten Ministerium – ausgerechnet – den Posten der Obersten Bauaufsicht innehat, die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals bei Königs Wusterhausen für einen Spottpreis von 86.000 EUR. In den Auktionshinweisen und später auch im Kaufvertrag stand klipp und klar: die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte (im weiteren: ETG) steht unter Denkmalschutz (mitsamt Umgebungs-schutz) und: „Eine öffentliche Nutzung ist vom Ersteher weiterhin zu gewährleisten.“ Doch der Käufer setzte sich darüber hinweg. Er tauschte im April 2003 die Schlösser aus und schloss damit den Freundeskreis sowie die Öffentlichkeit vom Zugang zur Gedenkstätte aus. Dann stellte er Antrag auf Abrissgenehmigung und erhielt die Erlaubnis dazu, immerhin mit zwei Auflagen: 1.) ausführliche Dokumentation und 2.) fachgerechte Einlagerung der denkmal-geschützten Teile des Objektes.  Der Widerstand gegen den geplanten Abriss formierte sich und die Proteste gegen die Abrissgenehmigung wurden immer lauter.

Wir vom Freundeskreis ETG standen dabei bei weitem nicht alleine.  Gegründet hatten wir uns 1990 mit dem ausschließlichen Zweck, uns dieser bedeutenden Gedenkstätte anzunehmen. An unseren dreimal im Jahr stattfindenden Kundgebungen nahmen und nehmen bis heute ca. 300 bis 500 Menschen teil. Parteien, Organisationen, Vereine und zahlreiche Persönlichkeiten unter-stützten und unterstützen uns im Kampf um die Erhaltung der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte. Protestbriefe und Solidaritätsbekundungen aus dem In- und Ausland – zuletzt, im August 2008, von der US-amerikanischen Organisation der Veteranen des Spanischen Bürgerkriegs und ihrer Angehörigen ALBA-VALB – sind Zeugnis der großen Ausstrahlungskraft, die die Gedenkstätte nach wie vor besitzt. Mehr als 7000 Menschen gaben uns ihre Unterschrift gegen Abriss, für Erhalt der Gedenkstätte.

Die unüberhörbaren Proteste waren zweifellos die Ursache dafür, dass sich seit 2004 an der Situation der Gedenkstätte nichts geändert hat, außer, dass sie zunehmend verwildert. Zudem gab es zwischenzeitlich mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen. Der Eigentümer versuchte doch tatsächlich die Pressefreiheit zu beschneiden, indem er gerichtlich verbieten lassen wollte, dass sein Name in der Öffentlichkeit und im Zusammenhang mit seinen Profitinteressen auf Kosten eines denkmalgeschützten Ortes genannt wird. Wir hingegen erhoben Klage gegen die erteilte Abrissgenehmigung. Die Grundlage, dass wir klagen konnten, (juristisch: unsere Klage-berechtigung) ist die Tatsache, dass wir, nach ausführlichen Recherchen, beweisen können, dass das Inventar der Gedenkstätte dem Freundeskreis und nicht dem jetzigen Eigentümer gehört.

Da es Aussichten darauf gab, dass ein neuer Eigentümer die Gedenkstätte kauft und ihren Erhalt und Zugang zusichert, baten wir beim Verwaltungsgericht Cottbus darum, das Verfahren ruhen zu lassen. Bis vor kurzer Zeit wurde daher auch bzgl. der Abrissgenehmigung keine Entscheidung getroffen. Wir haben uns in der Folgezeit stark mit Informationen zurückgehalten, damit die Kauf- bzw. Verkaufsverhandlungen zu einem erfolgreichen Ende geführt werden konnten. Doch stattdessen gestalteten sich die Verhandlungen immer komplizierter. Nicht nur weil der jetzige Eigentümer den Preis immer weiter in die Höhe getrieben hat (zuletzt verlangte er tatsächlich das Dreifache des Kaufpreises, also 300.000 EUR!).  Nein, plötzlich wollte er eine Aufsplittung des Betrages – in Preis für das Inventar und Preis für das Grundstück. Und dies war eine überraschende Forderung: anfangs bezeichnete der Spitzenbeamte nämlich das Inventar uns gegenüber als „wertloses Gerümpel“ und wollte es auf die Strasse stellen, dann wollte er es für 3.000 EUR verkaufen und nun soll es plötzlich über 100.000 EUR wert sein!  Dass der Herr von der Obersten Bauaufsicht nun in einem hellen Moment den wahren historischen und politischen Wert dieser Gegenstände erkannt hat – dies scheidet wohl völlig als Erklärung aus. Vielmehr spekuliert er anscheinend auf möglichst hohen Profit, obwohl es unser Eigentum ist und ungeachtet dessen, dass es hier um Denkmalschutz geht. Mehr noch: der Eigentümer bot dem Bürgermeister der Stadt Königs-Wusterhausen (KW) das Inventar zum Verkauf an. Dabei hat er in einer Anlage erstmalig eine Liste über das Inventar vorgelegt und Preisvorstellungen zu einzelnen Stücken geäußert. Uns wurde diese Liste mit der Bitte um Prüfung und Stellungnahme vorgelegt. Wir haben sie eingehend überprüft und können bislang sagen: die vorliegende Inventarliste ist oberflächlich erstellt, manche Gegenstände sind ausgepreist, manche nicht, die Preise sind beliebig festgelegt. Auch müssen wir Vollständigkeit der Liste stark anzuzweifeln.  Zudem, als wichtigster Aspekt: es werden völlig undifferenziert Gegenstände nebeneinander gestellt und zum Verkauf angeboten, die bei der letzten Inventur im März 1989 vorhanden waren, mit Gegenständen, die wir als Freundeskreis nach 1990 käuflich erworben haben, bzw. die uns geschenkt oder als Spende überreicht wurden. Dieses Prüfungsergebnis haben wir mit anwaltlicher Unterstützung dem Bürgermeister der Stadt KW schriftlich mitgeteilt. Wir haben ihn auch über unsere Klage beim Verwaltungsgericht Cottbus informiert. Gleichzeitig wurde der Eigentümer erneut darauf hingewiesen, dass es sich beim Inventar nicht um sein Eigentum handelt und er es deshalb auch nicht zum Verkauf anbieten kann.

Wir vom Freundeskreis „ETG“ sind der Meinung, dass die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals erneut in größter Gefahr ist, da sich der Ministerialbeamte durch den geplanten Verkauf des Inventars der beiden oben genannten Auflagen (also Dokumentation und Einlagerung der Gegenstände) und damit der letzten Hürden vor dem Abriss entledigt hätte.

Der ganze hier geschilderte Sachverhalt, ist nun seit mehreren Wochen den größeren politischen Parteien in Brandenburg, der SPD, der Partei die Linke und der CDU bekannt und keiner hat bisher etwas getan. Alle sehen zu, wie ein leitender Beamter Brandenburgs versucht, möglichst viel Geld zu scheffeln. Und das alles auf unwürdige Weise und auf Kosten der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals als dem Ort, an dem eine Woche nach der Machtübergabe an Hitler die KPD als erste und einzige Partei zum frühsten und aktiven Widerstand mit dem Ziel des Sturzes des Hitlerfaschismus aufrief. Reagiert hat nur die deutsche Justiz. Das Gericht nahm das Urteil quasi vorweg, indem es schriftlich mitteilte: „in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (…) wird darauf hingewiesen, dass erhebliche Zweifel an der Klagebefugnis des Klägers bestehen. Die Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes dienen ausschließlich dem öffentlichen Erhaltungsinteresse. Privatpersonen werden nicht dadurch zu Begünstigten dieser Vorschriften, dass sie ein eigenes Interesse an der Erhaltung bestimmter Sachen haben.

Welche Interessen vertritt dann eigentlich der Herr, der diese Gedenkstätte verkommen lässt, der diese wichtige Mahnstätte des deutschen Widerstands abreißen lassen will, um hier Sommer-villen zu errichten? Welches Interesse vertritt jemand, der auf Kosten eines denkmalgeschützten Ortes sich bereichern will?

Wir, der Freundeskreis, kümmern uns seit 18 Jahren um diese Gedenkstätte am authentischen Ort. Wir haben sie – ehrenamtlich – gepflegt, erhalten, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, Führungen für Besucher aus dem In- und Ausland, für jung und alt organisiert. Diese heute so wichtige politische und kulturelle Arbeit wollen wir fortsetzen. Statt uns hierbei zu unterstützen werden wir hier als Privatpersonen mit eigenem Interesse betitelt. Das ist eine Sauerei! Und: Es geht hier nicht um irgendeine Gedenkstätte. Diese Gedenkstätte in Ziegenhals wurde vom Landesamt für Denkmalpflege als ein Ort bezeichnet, der in geschichtlicher und wissen-schaftlicher Hinsicht einen einmaligen Wert hat. Gleichgesetzt wird sie mit dem Bendler-Block, auf dessen Hof Stauffenberg und andere führende Männer des 20. Juli 1944 erschossen wurden und in dem sich seit 1968 die „Gedenkstätte deutscher Widerstand“ befindet, sowie mit der „Gedenkstätte Plötzensee für die Opfer des Nationalsozialismus“ und mit dem Balkon des früheren Staatsratsgebäude der DDR in Berlin, von dem aus Karl Liebknecht 1918 die Sozialistische Republik ausrief.

Es bleiben immer noch viele Fragen offen. Abgesehen davon, dass die Gründe unklar sind, warum das Grundstück und das Inventar der Gedenkstätte getrennt verkauft werden sollen: wie kommt es zu den völlig veränderten Preisangaben? Im Kaufvertrag mit der Treuhand ist lediglich formuliert, dass Verkaufsgegenstand nur das Inventar sein kann, das der Treuhand gehört. Vorher haben sich weder Vertreter der Treuhand, noch der zukünftige Eigentümer etwa durch eine Besichtigung darüber informiert, um welches Inventar es sich handelt, geschweige denn eine Inventarliste beigefügt. Wir, vom Freundeskreis, wurden in keiner Form konsultiert.

Wenn nunmehr das Inventar nach Ansicht des Eigentümers weit mehr als 100.000 EUR wert sein soll, dann ergibt sich natürlich auch die Frage, warum die Treuhand alles versteigern ließ und insgesamt nur 86.000 EUR für Grundstück, Gebäude und Inventar der Gedenkstätte erzielte. In Anbetracht der Summe der Umstände fordern wir, dass der Gesamtdeal noch einmal, nämlich ab Mitte 2002, auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft wird. Wir denken, es müssen auch solcher Art geschlossener Verträge, oberflächlich und einseitig zugunsten des Käufers abge-schlossen, hinsichtlich ihrer Gültigkeit überprüft werden.

Interessant dürfte auch sein, wie sich nunmehr die Landesregierung zu den privaten Geschäften eines ihrer Spitzenbeamten äußern wird. Bisherige kleine Anfragen der Partei Die Linke im Landtag wurden mit Verweis auf die Verantwortlichkeit des Landrates und mit Verweis auf die „Privatangelegenheiten“ des Ministerialbeamten abgewiesen. Der jetzige Eigentümer scheint aber den Anforderungen und Pflichten, die er mit dem Kauf dieses bedeutenden denkmal-geschützten Ortes eingegangen ist, nicht gewachsen zu sein. Im Gegenteil, er will auf Kosten einer Gedenkstätte Gewinn herausschlagen. Das wirft ein sehr schlechtes Licht nicht nur auf das Land Brandenburg, sondern auf die gesamte BRD.

Wir rufen auf, uns in dieser äußerst kritischen Situation zu unterstützen und fordern:

• Die Abrissgenehmigung muss vom Tisch!

• Stoppt den Verfall von Gebäude und Areal!

• Überprüfung von Rechtmäßigkeit und Gültigkeit   des Gesamtdeals!

• Wiedereröffnung und Erhalt der Ernst-  Thälmann-Gedenkstätte am authentischen Ort! Die Gedenkstätte gehört der Öffentlichkeit!

Schreibt Briefe an die Landesregierung und Leserbriefe an alle Zeitungen, macht diese Fakten  öffentlich!

Die Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals bleibt!

Freundeskreis startet Postkarten-Protest

Wir, der Freundeskreis „Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals“, e. V. nehmen den diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“ zum Anlass, um mit einer Postkarten-Aktion die sofortige Öffnung der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals und ihren weiteren Erhalt zu fordern.

Um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen, starten wir ab dem 14.9.08 unsere Postkarten-Aktion an die Landesregierung von Brandenburg und an den Ministerpräsidenten M. Platzeck.

Informationen: Freundeskreis „Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals“, e. V., c/o M. Renkl, Fürstenwalder Weg 11, 15711 Königs-Wusterhausen. Email: vorstand@etg-ziegenhals.de  Kontoverbindung: Kto.nr.: 3302254 BLZ: 12070000 Bank: Deutsche Bank