Imperialistische Zielsetzung: Transformation in den Kapitalismus

Reinhold Schramm:
Imperialistische Zielsetzung: Transformation in den Kapitalismus

Es gibt einen „Bertelsmann-Transformations-Index“! Was verbirgt sich dahinter? Ein weltweit agierendes, konterrevolutionäres Forschungs- und Koordinationszentrum. Die Bertelsmann Stiftung führt zum “Bertelsmann Transformation Index (BTI)” aus:

“Der politische und wirtschaftliche Entwicklungsstand eines Landes sowie die Gestaltungsleistungen der politischen Entscheidungsträger sind messbar und weltweit vergleichbar. Der Bertelsmann Transformations Index (BTI) ist ein internationales Ranking von 119 Entwicklungs- und Transformationsländern. Durch die direkte Gegenüberstellung von gelungenen und weniger erfolgreichen Transformationsprozessen konkretisiert der BTI den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand sowie die Wirkung von Reformstrategien auf dem Weg zu Demokratie und Marktwirtschaft. Bewertungsgrundlage bilden ausführliche standardisierte Ländergutachten.”

“Gestützt auf die Systematik und die Erkenntnisse des BTI werden für ausgewählte Länder Kernaufgaben und politische Prioritäten definiert sowie Lösungsansätze und Strategien formuliert. Im engen Dialog mit Akteuren aus den jeweiligen Ländern sollen Ziele und Wege einer konsistenten Transformationspolitik zur Gestaltung des Wandels erarbeitet werden, die die gegebenen Rahmenbedingungen berücksichtigt.”

“Entwicklungs- und Transformationsprozesse sind gewaltige politische, ökonomische und gesellschaftliche Aufgaben. Die beteiligten Akteure gehen Risiken ein, wenn sie einen Systemwandel anstreben. Zumeist fehlen ihnen dabei der internationale Vergleich und der Austausch mit anderen. Vielfach haben sie nicht die Gelegenheit, sich systematisch mit strategischen Fragen auseinanderzusetzen. Die Konferenz ‘Transformation Thinkers’ bietet jungen Entscheidungsträgern aus Entwicklungs- und Transformationsländern Gelegenheit zur strategischen Reflexion und zum internationalen Erfahrungsaustausch.”

“Das Projekt fördert den Erfahrungsaustausch von Politikern und Wissenschaftlern, Praktikern der Außenunterstützung von Transformationsprozessen und Vertretern der Zivilgesellschaft durch internationale Vernetzung mit ausgewählten Initiativen und Organisationen. So engagiert sich die Bertelsmann Stiftung personell und inhaltlich im ‘International Advisory Committee’ (IAC), einem hochrangigen Beratergremium aus Regierungsvertretern, Politikexperten und ehemaligen Staatschefs, die durch ihre Empfehlungen zu einem transparenteren und nachvollziehbaren Einladungsprozess der ‘Community of Democracies’ beitragen wollen. Die ‘Community of Democracies’ ist ein Zusammenschluss von demokratisch regierten Staaten mit dem Ziel, ihre Kooperation bei der weltweiten Demokratieentwicklung zu vertiefen.”

“Ausführliche Ländergutachten zu allen 119 untersuchten Staaten informieren über Entwicklungsstand, Problemlagen und Steuerungsleistungen, die den Bewertungen jedes Landes zugrunde liegen. Die Ländergutachten wurden von externen Länderexperten verfasst und in der Regel unter der Beteiligung von Experten aus den untersuchten Staaten kommentiert und überarbeitet. Die Ergebnisse zeigen Erfolgsfaktoren und Strategien in einzelnen Staaten auf. Durch die umfassende Standardisierung der Untersuchung erlauben sie gezielte Vergleiche von Reformpolitik.”


Das BTI-Ländergutachten – Kuba

Die Autoren des Gutachtens verweist auf “eklatante Defizite” in Kuba und stellen fest, dass es “bedeutende Ressourcen … die einen Transformationserfolg maßgeblich fördern könnten”, gäbe. Sie sehen aber Unklarheiten bezüglich der “äußeren wie inneren Akteuren” der Transformation, was “deren weiteres Verhalten nur ansatzweise prognostizierbar“ mache.”

Hier einige Zitate aus dem Gutachten: “Kuba hat bei der Transformation der Wirtschaftsordnung hauptsächlich im Außenhandel Fortschritte gemacht. Eklatante Transformationsdefizite bestehen weiter in allen Bereichen”

“Kuba verfügt über ein ausgedehntes staatliches Wohlfahrtsregime, das der gesamten Bevölkerung eine umfassende soziale Versorgung garantiert. Hierzu gehören ein kostenloses Gesundheits- und Bildungssystem, generelle Kinderbetreuung sowie eine staatliche Rentenversorgung, Arbeitslosenunterstützung, Hilfen zum Lebensunterhalt, etc. Die Gesellschaft kann – besonders im regionalen Vergleich – noch als eher homogen bezeichnet werden. Politische Muster und kulturelle Traditionen begünstigen dabei egalitäre Einstellungen.” Und weiterhin im Text: “Die offene Arbeitslosigkeit erhöht nicht zwingend das Armutsrisiko, da es zahlreiche staatliche Programme der Arbeitsbeschaffung beziehungsweise Weiterbildung gibt.” Und: “Entsprechend der politischen Leitbilder ist die Chancengleichheit ebenfalls ausgeprägt; die meisten – und auch höheren – Bildungseinrichtungen sind allgemein, also auch für einkommensschwächere Gruppen zugänglich. Die berufliche, soziale und politische Integration der Frauen hat in Kuba nach zahlreichen Indikatoren Modellcharakter. …“

„Dass dieses Wohlfahrtsregime, welches den Staatshaushalt jährlich mit circa 30 % belastet, auch in der Krisenphase zu Beginn der 90er Jahre nicht eingeschränkt wurde, verdeutlicht, welche Legitimationsfunktion es für das Regime hat. Die Frage der nachhaltigen Finanzierbarkeit wird aber mittelfristig auch hier Reformen erforderlich machen”.

Hier ein kurzer Blick auf ausgewählte Indikatoren, die vom BTI angelegt werden:

4. Stichwort „Transformation“ (wohin: siehe Fußnote!) Kennziffern: Demokratie, Marktwirtschaft, Bewertung des Transformationsmanagements, Schwierigkeitsgrad, Gestaltungsfähigkeit, Internationale Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang führt das Ländergutachten aus: “In Kuba sind keine demokratischen Institutionen etabliert. Allerdings sind die meisten Institutionen des Regimes stabil, professionell ausdifferenziert und leistungsfähig, …Allgemein wird Kubas Bereitschaft der regionalen und internationalen Zusammenarbeit als hoch eingeschätzt: Die Insel ist in vielen Organisationen – mit dem Schwerpunkt Entwicklungspolitik – engagiert, wird dort als kooperativer Partner betrachtet und versucht besonders die regionale Integration auch institutionell zu stärken.

Allerdings werden diese Bemühungen regelmäßig von den Isolationsbemühungen der USA konterkariert.” (Hervorhebung: R.S.)

Das ist ein interessanter Blick auf die unterschiedlichen Strategien des BRD- und des US-Imperialismus bezüglich Kuba! Mögliche Bewertungen und Schlussfolgerungen durch die bürgerlichen Wissenschaften und deren Gesellschaftsanalyse, auch mit Bezug auf deren Zielstellung einer Transformation in die kapitalistische Gesellschaftsordnung (Konterrevolution), sollten wir nicht unterbewerten.


Das BTI-Ländergutachten – Nordkorea

Das Ländergutachten zu Nordkorea interpretiert den so genannten “kreativen Standpunkt” als Bereitschaft zu Veränderungen, in Richtung einer weiteren kapitalistischen Transformation und führt hierzu aus: “In diesem Kontext sind das Joint-Venture-Gesetz von 1984 und spätere Gesetze mit ähnlicher Zielrichtung zu nennen, durch welche zumindest legal die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit ideologischen Gegnern institutionalisiert wurde. Die in weiten Teilen noch ausstehende tatsächliche Umsetzung ist nunmehr eher eine technische denn eine prinzipielle Angelegenheit. Eine weitere gravierende wirtschaftliche Entwicklung mit Signalcharakter war die Einrichtung der Freihandels- und Wirtschaftszone im Tumen-Delta im Nordosten des Landes um die Ortschaften Rajin und Sònbong Anfang der 90er Jahre. Trotz eher mäßigen ökonomischen Erfolges sind die politischen Implikationen dieser und anderer Sonderzonen massiv und nachhaltig. Auch hier gilt, dass Transformationskeime grundsätzlich vorhanden sind und auf ihre Aktivierung warten, welche wiederum von politischen Erwägungen abhängig ist.”

Das BTI interpretiert weiterhin: (…) …unter “dem neuen Führer beziehungsweise der neuen Führung ist eine Fortsetzung, wenn nicht Beschleunigung des potenziell zur Transformation führenden Prozesses zu beobachten. … Es wird vermutet, dass gravierende Versorgungsunterschiede in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit harter Währung sowie der jeweiligen Position in der gesellschaftlichen Hierarchie bestehen.”

Zu “privatwirtschaftlichen Initiativen” führt das BTI aus: “Versuche, privatwirtschaftliche Initiativen in Ergänzung zur staatlichen Wirtschaftsordnung zuzulassen, beschränken sich auf wenige und deutlich abgegrenzte Sonderzonen.(…) Unklarheit in der politischen Führung besteht zurzeit offensichtlich darüber, wie man die unerwünschten politischen Effekte dieser Modelle reduzieren bzw. eliminieren kann. … Aus Anfragen Nordkoreas an die EU zur Ausbildung nordkoreanischer Führungskräfte erkennt man, dass Interesse an westlichen marktwirtschaftlichen Modellen vor allem im Bereich Banking, Kapitalmärkte, Außenhandel und Buchführung besteht.”[3]

Mit Bezug auf eine (bisherige) transformatorische Entwicklung in Richtung “Marktwirtschaft” kommt das BTI zur Aussage: “Die institutionellen Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten haben sich leicht verbessert. Dies betrifft insbesondere die Tätigkeit ausländischer Firmen in Nordkorea.” Und: “Die Zahl der Sonderzonen wurde erweitert …” Das BTI führt aus: “In vielen Fällen wird Nordkorea von der Kooperation ausgeschlossen, obwohl das Land seine Bereitschaft zur Mitarbeit deutlich und wiederholt signalisiert hat. (Beispiel: Asian Development Bank).” Aber: “Die politischen Institutionen des autokratischen Systems sind stabil.”

Hinsichtlich der Ausgangsbedingungen der Transformation kommt das BTI-Gutachten u.a. zu folgenden abschließenden Bewertungen:  “Die Ausgangsbedingungen (…) sind verhalten positiv zu bewerten. (…)” Und: “Das hoch entwickelte Bildungssystem hat gute Voraussetzungen für die schnelle Verbreitung politischer, ökonomischer und sozialer Konzepte geschaffen. (…)“ Jedoch: “Die Regierung ist ein deutliches Transformationshemmnis. Das Potential für Demokratie und Marktwirtschaft wird nicht hinreichend genutzt, wobei dies eine logische Folge des Bemühens der Führung um Macht- und Systemerhalt ist.”

Im “Ausblick” führt das Gutachten zur Transformation u.a. aus: “Impulse für weitere Veränderungen auf dem Wege zur Marktwirtschaft sind von den wirtschaftlichen Sonderzonen wie Rajin-Sònbong, Kaesòng und gegebenenfalls auch Sinùiju zu erwarten, die in gewissem Sinne als Testlabors fungieren. … Dringende Aufgabe ist die systematische Angleichung der nordkoreanischen Wirtschaftsstruktur an internationale Standards. (…)”

Die abschließende Schlussfolgerung im BTI- Gutachten: “Zu massive Versuche der Einflussnahme von außen können zu Instabilität und/oder Vergeltungsmaßnahmen einer sich bedroht sehenden Elite führen.”

Auszug und Zusammenfassung: Reinhold Schramm


Das BTI-Ländergutachten – Vietnam

„Die Regierung verabschiedete im Jahr 1998 ein so genanntes ‘grassroots democracy degree’, das demokratische Entscheidungsstrukturen auf lokaler Ebene etablieren soll, dem jedoch ein Demokratieverständnis zugrunde liegt, das nicht liberalen Vorstellungen entspricht.” – Und: “Nach Lesart der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) bedeutet ‘Demokratisierung’ eine größere Offenheit und die Möglichkeit einer kritischen Auseinandersetzung innerhalb der Strukturen des kommunistischen Systems, nicht jedoch die Infragestellung desselben.” (Hervorhebung: BTI)

Weil die Kommunistische Partei Vietnams (KPV) nicht die Strukturen des gesellschaftlichen Systems in Frage stellt “… kommt dieses Gutachten zum Stand der demokratischen und marktwirtschaftlichen Transformation (…) zu dem Ergebnis, dass der insgesamt erfolgreiche bisherige marktwirtschaftliche Transformationsprozess nicht mit maßgeblichen demokratischen Fortschritten einhergegangen ist. … Gleichzeitig ist das Herrschaftsmonopol der KPV im Beobachtungszeitraum aber größeren Herausforderungen innerhalb und von außerhalb des Staats- und Parteiapparats ausgesetzt gewesen als früher. Öffentliche Protestaktionen haben in den letzten fünf Jahren quantitativ und in ihrer Intensität zugenommen.”

In der BTI- Zusammenschau: “bestehen die größten Transformationsprobleme Vietnams (…) in sozioökonomischen Ungleichgewichten und (…) der Marginalisierung ethnischer Minderheiten, einem beschleunigten Auseinanderklaffen der Einkommensschere (…) einer im regionalen Vergleich sehr hohen Korruption (…) und der nur zögerlichen Umsetzung der Privatisierung von Staatsunternehmen.”

Unter “Transformationsgeschichte und -charakteristika” führt das BTI- Gutachten u.a. aus: “Nach ersten gescheiterten Reformversuchen zwischen 1979 und 1985 initiierte der Sechste Parteitag der KPV (1986) das ökonomische Reformprogramm ‘doi moi’ (Erneuerung), mit dem die Partei das Scheitern der zentralen Planwirtschaft eingestand und den Weg zur Marktwirtschaft ebnete. … In nur wenigen Jahren entledigte sich Vietnam der sozialistischen Planwirtschaft (…)” – und – “Zwar werden auch weiterhin zentrale Wirtschaftssektoren von Staatsbetrieben dominiert, doch operieren auch diese auf der Grundlage kapitalistischer Prinzipien und konkurrieren mit einer wachsenden Anzahl privater Unternehmen.” (…)

Zur Außenpolitik: “In den 90er Jahren verfünffachte Vietnam seine diplomatischen Beziehungen und trat den wichtigsten regionalen und globalen internationalen Organisationen bei. Von besonderer Bedeutung für den Erfolg des wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses war die Normalisierung der Beziehungen mit den USA, die Aufhebung des amerikanischen Handelsembargos (1994), die Normalisierung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten (1995) und das Inkrafttreten eines bilateralen Handelsabkommens (2001).”(…)

“Die Toleranz gegenüber parteiinterner Kritik ist (…) gewachsen. Dies gilt nicht für Opposition außerhalb des Staats- und Parteiapparats. Vereinzelt geäußerte Forderungen nach einem Mehrparteiensystem werden von der politischen Elite regelmäßig kategorisch zurückgewiesen.” Weiterhin aus dem BTI- Gutachten: “Laut Transparency International gilt Vietnam als zweitkorruptestes Land in Südostasien – wird aber zunehmend durch die intensivierte parteiinterne Kontrolle erschwert.”

Zur “Marktwirtschaft” führt das BTI u.a. aus: “Von allen ehemals oder weiterhin kommunistischen Staaten des asiatisch-pazifischen Raums bekennt sich Vietnam am deutlichsten zur Marktwirtschaft.” Folgerichtig kommt das Gutachten u.a. zur Feststellung: “Probleme in den Politikfeldern Umwelt, Bildung, Gesundheit, Beschäftigung und soziale Grundversorgung können aufgrund knapper staatlicher Ressourcen nicht mehr von der KPV und ihren Massenorganisationen im Alleingang bearbeitet und gelöst werden.”

Mit Bezug auf das “Sozioökonomische Entwicklungsniveau” führt das Gutachten aus: “Während sich Vietnams HDI als Ergebnis des ökonomischen Reformprozesses seit Mitte der 1980er Jahre stetig verbessert…, haben sich Einkommensunterschiede und soziale Exklusionen im Beobachtungszeitraum verstärkt und scheinen zumindest teilweise strukturell verfestigt. … Insgesamt leben etwa 37 Millionen Menschen (47,4%) unterhalb der Armutsgrenze …“.  Begründung der Kapitalismus-Experten: “Der Grund für das Auseinanderklaffen der Einkommensschere ist die geographische, soziale, linguistische und intellektuelle Isolation breiter Bevölkerungsteile insbesondere in ländlichen Regionen.” Für das BTI “schreitet die Privatisierung der staatlichen Großunternehmen nur langsam voran.”[4]  “Die Zahl der nichtstaatlichen Unternehmen stieg im gleichen Zeitraum von 17143 auf 49492, davon 25903 reine Privatunternehmen.” Weiterhin: (…) “ist durch die Implementierung eines neuen Enterprise Law (2000) die Gründung von Privatunternehmen erleichtert worden. Dies hat einen Gründerboom ausgelöst.” Und: “Die Gründung der Ho Chi Minh City stock exchange, der ersten vietnamesischen Wertpapierbörse, im Juli 2000 ist ein wichtiges symbolisches Bekenntnis zur Marktwirtschaft. … Eigentumsrechte und die Regulierung sind gesetzlich definiert, aber noch nicht hinreichend gegen Eingriffe gesichert.” Immerhin aber: “Ho Chi Minh City, traditionell das wirtschaftliche Zentrum des Landes, hat sich als Hochburg des privaten Unternehmertums etabliert.Bereits 1998 (…) betrug der von nationalen Privatbetrieben erwirtschaftete Anteil am BIP der Stadt 36,4%. Insgesamt können privatwirtschaftliche Unternehmen frei agieren. Sie sind jedoch gegenüber Staatsunternehmen diskriminiert. Letztere dominieren die strategischen Wirtschaftssektoren.”

Das BTI- Gutachten berichtet von “einer verbesserten Koordination der Aktivitäten von Staat, NGOs und internationalen Akteuren” stellt dann fest: “Wie andere kommunistische Staaten auch verfügt Vietnam im Vergleich mit ähnlich entwickelten Ländern über ein überdurchschnittlich gut ausgebautes soziales Netz und Gesundheitssystem. Außerdem besitzt Vietnam eine ausgeprägte Bildungstradition, die sich zwar nicht in herausragenden Bildungseinrichtungen, wohl aber in einer vergleichsweise hohen Alphabetisierungsquote niederschlägt.” Diese Standards sind allerdings gefährdet: “Der Zugang zu Sozial-, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen ist jedoch nicht für alle Bevölkerungsgruppen auf gleiche Weise möglich. … 57% der Kinder beenden die Grundschule.” (…) Und: „Der ökonomische Reformprozess hat zudem zu einer Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und zu einer ‘Zwei-Klassen-Medizin’ geführt.“ (Hervorhebung: R.S.) „Während Preisstabilität, Verschuldung und das Haushaltsdefizit moderat ausfallen, ist die Arbeitslosigkeit mit bis zu 25% sehr hoch und die Handelsbilanz negativ.”

Unter dem Punkt “Internationale Zusammenarbeit” schlussfolgert das BTI- Gutachten u.a.: “Die politischen Akteure haben sich aktiv und erfolgreich um Aufbau und Vertiefung möglichst vieler internationaler Kooperationsbeziehungen bemüht. (…) Auch die vormals problematischen Beziehungen mit den USA, China und Thailand wurden deutlich verbessert.” Und: “Die Vorteile internationaler Kooperation für den wirtschaftlichen Reformprozess werden von einer großen Akteursmehrheit gesehen. Gleichzeitig sorgt sich ein Teil der politischen Elite, dass eine zu rasche politische Integration infolge potenziell wachsender Einflussmöglichkeiten externer Akteure destabilisierend auf die politische Ordnung Vietnams wirken und die KPV-Herrschaft gefährden könnte. (…)” Und im Text: “Nach Angaben der Working Commission on Foreign Nongovernment Organizations operierten im Jahre 2000 circa 500 ausländische NGOs in Vietnam (…)”  Und weiterhin: “Die Bereitschaft zur Entwicklungszusammenarbeit mit Vietnam ist besonders nach dem letzten Parteikongress (2001), der ein eindeutiges Bekenntnis zu einer Fortsetzung des Reformprozesses aussprach, gewachsen. Die Weltbank hat angekündigt, die Reformpläne der Regierung zu unterstützen.” (Hervorhebung: R.S.)

Die “abschließenden Bewertungen” lauten u.a.: “Nach anfänglichen Schwierigkeiten der Implementierung sind in den 90er Jahren wesentliche Ziele des Reformprogramms erreicht worden, wie insbesondere die umfassende Abschaffung der zentralen Planwirtschaft, der Aufbau eines privaten Unternehmenssektors und generell die makro-ökonomische Stabilisierung. (…)” Und die BTI-Experten weiterhin: “Trotz eines generellen Konsenses in der KPV, das Reformprogramm weiterzuführen, existieren einige Veto-Akteure. Spätestens seit dem Neunten Parteitag (2001) haben die Reformkräfte aber deutlich die Oberhand gewonnen. (…)” “Trotz einer gestiegenen Protestbereitschaft der Bevölkerung ist das Herrschaftsmonopol der KPV bisher noch nicht ernsthaft herausgefordert worden. … Kritik aus der Gesellschaft bezieht sich … auf … Mängel und Versäumnisse bei den wirtschaftlichen Reformen (…)” und “Probleme bilden die willentlich von Schlüsselakteuren in der KVP behinderte Privatisierung von Staatsunternehmen (…)” und u.a.: “die immer schneller auseinander klaffende Einkommensschere.” (…)

“Der ökonomische Transformationsprozess hat … an Zielsicherheit, Geschwindigkeit und Erfolgsaussichten gewonnen. Die Rahmenstrukturen der marktwirtschaftlichen Ordnung konnten dank der Managementleistungen der staatlichen Akteure mit Unterstützung einer besonders im Südteil des Landes aufstrebenden Unternehmerschaft dauerhaft verankert werden. (…)”

Unter Punkt 7. „Ausblick” führt das Gutachten u.a. aus: “An der Bereitschaft der KPV, die marktwirtschaftliche Transformation fortzusetzen, kann kein Zweifel bestehen. … In den kommenden Jahren ist eher mit einer Vergrößerung des noch kleinen zivilgesellschaftlichen Sektors und einer Verschärfung der innerparteilichen Auseinandersetzungen zu rechnen. Ein freiwilliger Verzicht der KPV auf das Herrschaftsmonopol ist in einem überschaubaren Zeithorizont unwahrscheinlich.” Und: “Die im Vergleich mit anderen kommunistischen Parteien relativ kleine Mitgliederbasis (zwei Millionen Mitglieder bei knapp 80 Millionen Einwohnern) und ein schon seit einigen Jahren anhaltendes Rekrutierungsproblem sind jedoch Faktoren, die eher gegen eine langfristige Absicherung des Macht- und Herrschaftsmonopols der KPV sprechen.”

Auszug und Zusammenfassung: Reinhold Schramm