Andrea und André Vogt:
Information über eine internationale Konferenz in Beirut
Vom 12.-14. Juli 2007 fand in Beirut das „Erste Arabische Internationale Beiruter Sozialforum“ statt. Dazu waren Vertreter verschiedenster antiimperialistischer Kräfte (gemäß dem Aufruf „The Beirut Resistance Call“ Wissenschaftler, Aktivisten, Widerstandsbewegungen, Graswurzel-organisationen, globalisierungskritische und anti-imperialistische Bewegungen, Friedensaktivisten, humanitäre Arbeiter, Repräsentanten internationaler Solidaritätsbewegungen und prominente Persönlichkeiten, die international bekannt sind als Symbole für Frieden, internationales Verständnis, Solidarität und Widerstand) eingeladen. Ziel war es, eine Bewegung gegen die Globalisierung zu errichten, indem die Grundlage für eine „Universität des populären Widerstands“ gegen die globale Aggression und Okkupation gelegt wird.
Zur Konferenz waren Delegationen aus Europa, Asien und Afrika angereist. In mindestens zwei Fällen wurde Teilnehmern die Einreise nach Libanon verweigert. Auch „offen-siv“ war offiziell eingeladen worden. Unsere Abordnung bestand aus zwei Mitgliedern des Herausgebervereins und einem Vertreter der Fernstudenten.
Am Abend des 1. Konferenztages fand im Festsaal des UNESCO – Gebäudes die Eröffnungsveranstaltung mit Kulturprogramm statt. Eine Theatergruppe erinnerte, in Militär-Tarn-Uniformen gekleidet, an den tapferen Widerstand des libanesischen Volkes gegen die israelische Invasion im Juli 2006. Videosequenzen lieferten zum Teil schockierende Originalbilder von den Kämpfen, Zerstörungen und Opfern. Bilder von Mahatma Gandhi und Karl Marx wurden gezeigt, so daß die Verbindung des völkerverständigenden Charakters dieses Kampfes mit dem revolutionären klassenbezogenen zum Ausdruck kam. Die Eröffnungsreden waren getragen vom Willen aller, die Konferenz im Interesse der um ihre Befreiung vom Imperialismus kämpfenden Völker zum Erfolg zu führen.
Der zweite Tag zeichnete sich durch eine konstruktive Debatte aus, welche zum Ziel hatte, in einem ersten Schritt ein gemeinsames Fundament der Zusammenarbeit zu legen. Die unterschiedlichen Ausgangspositionen konnten schließlich zu einem Konsens geführt werden, wobei lediglich zwei Teilnehmer ihr grundsätzliches Nichteinverständnis bekundeten und die Konferenz umgehend verließen.
Der Wortlaut des so erarbeiteten Grundlagenpapiers lautet (aus dem Englischen übersetzt):
Widerstand in all seinen Formen und Variationen, eingeschlossen bewaffneter Widerstand (wie z.B. der Widerstand in Palästina, Irak und im Libanon) ist ein legitimes Recht für alle Menschen unter Okkupation und Unterdrückung.
Die Anerkennung jeder Legitimation jeder Art von Okkupation ist abzulehnen. Das schließt ein, die Ablehnung der Anerkennung der Legitimation der kolonialen Landbesiedelung der rassistischen Zionisten, der US-Okkupation von Irak und die zionistische Okkupation von Libanesischen und Syrischen Territorien; Ablehnung der Anerkennung aller politischen Resultate von Okkupation, wie politische Prozesse, Vereinbarungen, Regierungen, Parlamente und Autoritäten, die von Okkupanten unterstützt oder dominiert werden.
Der Imperialismus und seine zionistischen Verbündeten sind die Hauptfeinde der Menschen, dasselbe gilt für lokale Regierungen, die Werkzeuge des Imperialismus sind. Der Imperialismus nutzt nicht nur militärische Mittel zur Aggression, sondern auch ökonomische Mittel (Globalisierung und Neoliberalismus), zusätzlich zu Propaganda und Desinformation zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung.
Die wahre Legitimation ist die Legitimation der Menschen und ihrer grundlegenden und historischen Rechte, nicht die sogenannte „internationale Legitimation“.
Aufbauend auf dieser Basis sollten dann weitere konkrete Schritte hin zur Vernetzung internationaler Aktivitäten und des Informationsaustausches führen. Dazu kam es allerdings nicht mehr.
Am Samstag, dem dritten Konferenztag, wurden Themen wie die Globalisierung, die Rolle von Weltbank und Währungsfond und die Menscherechte diskutiert. Ein Teilnehmer berichtete über entsetzliche Greueltaten der Besatzer im Irak und sprach denen und deren Führern in diesem Zusammenhang das Recht ab, von Freiheit und Demokratie zu reden.
Anschließend fand eine Pressekonferenz statt. Im Gegensatz zur bisherigen Praxis, sämtliche Redebeiträge zu dolmetschen (arabisch – englisch – französisch), wurde diese jedoch ausschließlich auf Arabisch abgehalten. Mehrere Redner beteiligten sich mit längeren und teils sehr leidenschaftlichen Statements. Die ausländischen Vertreter kritisierten im Anschluß die fehlende Übersetzung. Daraufhin wurde uns versichert, daß ausschließlich Inhalte aus der Konferenz bekannt gegeben worden seien. Daß dies so nicht den Tatsachen entsprach, darüber informierte uns ein Genosse, welcher ein wenig arabisch versteht. Seiner Beobachtung nach wurden auf der Pressekonferenz Dinge erzählt, die mit den Delegierten nicht diskutiert worden waren, so daß der Eindruck entstand, daß das Beiruter Treffen am Ende von einigen für konferenzfremde Zwecke instrumentalisiert werden sollte. Daraufhin verließen mehrere Delegierte die Konferenz.
Neben der Konferenz gab es eine Vielzahl von Einzel- und Gruppengesprächen. Diese bildeten den zweiten, wenn nicht sogar wichtigeren Teil unserer Bemühungen in Beirut. Wir konnten bereits bestehende Kontakte zu französischen und indischen Genossen sowie dem u.a. auch russisch sprechenden Vertreter aus Tschad auffrischen (welche alle unsere Zeitschrift gut kannten). Und es gab neue Begegnungen mit Aktivisten aus Belgien, Jordanien, Bangladesh sowie türkischen, ägyptischen und natürlich libanesischen Genossen und anti-imperialistischen Kräften, um nur einige zu nennen. Desweiteren fand ein Treffen mit Vertretern des libanesischen Widerstandes und der Opposition statt[14], welche sehr an einer internationalen Zusammenarbeit und am Erfahrungsaustausch mit anti-imperialistischen und revolutionären Kräften unterschiedlicher Tendenz im Kampf gegen den Imperialismus interessiert sind.
Bei einem Rundgang in dem besonders stark zerstörten Wohngebiet „Dahier“ konnten wir uns ein Bild über das Ausmaß der Zerstörungen machen, welche die Angreifer vor exakt einem Jahr angerichtet hatten. Die Menschen leben hier tatsächlich inmitten von Trümmern. Es ist unvorstellbar, mit welcher menschenverachtenden Kraft die Angreifer hier gewütet haben. Nur Dank der von Hisbollah-Kämpfern organisierten und durchgeführten Evakuierungsaktion konnten viele Menschenleben gerettet werden. Mit eigener Kraft und wenigen technischen Mitteln bauen die Beiruter nach und nach ihre Häuser, Straßen und Brücken wieder auf. Auch bei diesen Aufbaumaßnahmen spielt Hezbollah wieder eine herausragende Rolle. In den noch oder wieder bewohnbaren Wohnungen sind die Menschen allerdings auf häufig eintretende Stromabschaltungen eingestellt. So trugen unsere Freunde Taschenlampen o.ä. Geräte bei sich, um in diesem Fall das plötzlich dunkle Treppenhaus zu beleuchten. Für die Wohnungen werden batteriebetriebene Lampen als Notbeleuchtung verwendet. Auch mit steckenbleibenden Fahrstühlen infolge der Stromunterbrechungen wurden wir konfrontiert, weshalb wir dann doch lieber wieder die Treppe benutzten.
Eine zunächst geplante Fahrt in die zerstörten und über Jahre hinaus durch Chlusterbomben der Israelis verminten Gebiete des Südlibanon bis nah an die israelische Grenze fiel leider einer konterrevolutionären Intrige zum Opfer und konnte deshalb nicht stattfinden. Uns wurde aber von einem Pressefotografen eine CD mit erschütternden Bildern aus diesem Gebiet übergeben, welche vor einem Jahr aufgenommen worden waren und die wir nach Möglichkeit auch veröffentlichen wollen.
Die Reise nach Beirut war für uns ein überwältigendes Erlebnis. Das große Maß an Übereinstimmung in den Grundpositionen mit den internationalen Kämpfern gegen den Imperialismus und Zionismus bleibt uns unvergessen und ist uns Ansporn, nicht nachzulassen im täglichen Kampf um Bedingungen für die finale Befreiung der Arbeiterklasse und den Sozialismus.Zum Abschluß möchten wir allen Spendern des Freundeskreises von „offen-siv“ ganz herzlich danken, die einen Teil der Reisekosten übernommen haben.
Andrea und André Vogt, Dresden
- [14]Die libanesische Opposition ist kein amorphes Gebilde, sondern ein organisierter Zusammenschluss von mehr als 30 libanesischen Parteien und Organisationen sowie prominenten Einzelpersönlichkeiten, die in Opposition zur pro-imperialistischen libanesischen Regierung steht. Dieser organisierte Zusammenschluss reicht von der Hezbollah als stärkster Kraft über verschiedene Organisationen des progressiven arabischen Nationalismus, Gewerkschaften bis hin zur Kommunistischen Partei des Libanon. Mit dem libanesischen Widerstand, der Teil und bedeutender Träger der Opposition ist, werden jene Kräfte identifiziert, die im bewaffneten Widerstand die israelische Aggression im vergangenen Jahr zurückschlugen und bereit und in der Lage sind, Widerstand (auch bewaffneten!) gegenjede weitere imperialistische und zionistische Aggression gegen den Libanon zu leisten. Die absolut führende Kraft des Widerstandes ist Hezbollah, aber auch die Kommunistische Partei es Libanon ist dem Widerstand zuzurechnen. Separat von der Beiruter Konferenz wurden die anwesenden ausländischen Delegationen vom Sekretariat der libanesischen Opposition empfangen, um über Möglichkeiten weiterer anti-imperialistischer Zusammenarbeit zu diskutieren