Michael Opperskalski: Wer sind die Gegner?

Michael Opperskalski:
Wer sind die Gegner?

Vorbemerkung der Redaktion: Der Leserbrief von Michael Opperskalski ist an die „Rote Fahne” der KPD gerichtet, wurde dort aber leider nicht veröffentlicht. Damit er nicht gänzlich unveröffentlicht bleibt, bringen wir ihn hier – genauso wie den Leserbrief von Heinz-W. Hammer in unserer letzten Ausgabe.

Leserbrief zu Euren Artikeln zum „Parteienheft” der „offen-siv” in „Rote Fahre” (März 2002)

Ihr habt die März-Ausgabe Eures Zentralorgans „Rote Fahne” in weiten Teilen, also sehr umfangreich, direkt oder indirekt dem „Parteienheft” der Zeitschrift „offen-siv” gewidmet, deren regelmäßiger Autor ich bin. Das ist nicht nur Euer gutes Recht, zumal der Genosse Flegel und ich in besagtem Heft ja auch auf die KPD eingegangen sind, Euer so umfangreiches „Eingehen” auf das Parteienheft hätte eigentlich auch die Chance eröffnen können, um über die Strategie und Taktik der Kommunisten in Deutschland zu diskutieren. Bei dieser Diskussion sollte das Ziel nie aus den Augen verloren werden, eine einheitliche kommunistische Partei zu schaffen, die auf den Prinzipien des Marxismus-Leninismus fußt. Eine solche offene Diskussion wollten wir u.a. auch mit unserem „Parteienheft” initiieren. Das haben Genosse Flegel und ich auch an mehreren Stellen des Heftes hervorgehoben. Dabei waren von uns kritische Stellungnahmen nicht nur erwartet, sondern auch gewünscht worden…

Die Chance, in diese notwendige Diskussion konstruktiv und prinzipiell einzugreifen, habt Ihr aus meiner Sicht mit der März-Ausgabe der „Roten Fahne” – leider – gründlich vertan. Im Gegenteil, Ihr habt Gräben aufgerissen, wo keine notwendig sind und Brücken eingerissen, wo schon welche gebaut worden waren. Warum?

Da ist zunächst einmal die ganz offensichtliche Charakterisierung, die Ihr in den Artikeln zum Ausdruck bringt und uns zuordnet. „Da haben zwei seit längerem in politisch ‚linken’ Kreisen bekannte Leute (…) eine schon kurz nach ihrer Veröffentlichung im Leserkreis umstrittene Arbeit präsentiert.” Also Genossen sind wir für die „Rote Fahne” nicht, sondern werden bereits zu Beginn des Artikels zu „Leuten” degradiert und wir sind, Eurer Einschätzung zufolge, höchstens in eher dubiosen Kreisen bekannt. Wie ist es denn anders zu werten, wenn Ihr jene Kreise, wo wir angeblich oder tatsächlich bekannt sind, ganz einfach so durch ein paar Anführungszeichen, die das Wort links relativieren und in Frage stellen, in eine zumindest äußerst dubiose Ecke rückt? Wenn Ihr damit uns schon mit dem üblen Geruch von „Provokateuren”, „Agenten” (?), „unter falscher Flagge segelnden Opportunisten” etc. umgeben wollt, meint Ihr denn, Ihr macht Euch z.B. bei den vielen Lesern der „offen-siv” Freunde, wenn ihr diese – das sind doch u.a. die in Anführungszeichen gesetzten „’linken’ Kreise“, in denen sich Genosse Flegel und ich bewegen!– in dieselbe anrüchige Ecke stellt? Das kann man doch nicht anders als schwere Hypothek für die von Euch immer wieder einforderte Aktionseinheit betrachten…

Frank Flegel und ich sind also keine Genossen (mehr), sondern lediglich Leute, denen dann auch eine Reihe von eindeutig negativen Adjektiven zugeordnet werden: „selbstüberhoben“, „arrogant”, „nicht genügend Kompetenz” besitzend etc. Mit dem „Parteienheft” hätten wir ein „Armutszeugnis“, ein „Geschreibsel” vorgelegt: „(…) welch ein Armutszeugnis für die doch Allwissenden, die sich umso mehr als Neunmalkluge gebärden, sich in Wirklichkeit aber doch nur als kleine Naseweise und Gernegroße erweisen (…).” Und das von den „Naseweisen” und „Gernegroßen” Geschriebene leide „am mangelnden Einschätzungsvermögen der Lage und Entwicklung der Autoren zu ihrem ‚Stoff’, an der (rundheraus) gesagt selbstüberhobenen und arroganten Art, Gottes Richter in Parteisachen zu sein und der daraus resultierenden Oberflächlichkeit in der am grünen Tisch ‚erledigten’ Arbeit.”

Es kommt jedoch noch dicker: Genosse Flegel und ich sind lediglich sich „als Kommunisten gerierende Publizisten“. Was heißt das? Schon der Blick in jedes beliebige Lexikon genügt, um zu verstehen, was sich „gerieren” in der Realität bedeutet: wer sich „geriert“, der täuscht etwas vor, was er nicht ist. Auf gut Deutsch gesagt, behauptet die „Rote Fahne” in ihrer März-Ausgabe, dass Genosse Flegel und ich überhaupt keine Kommunisten seien, sondern lediglich Täuscher…

Und was sind wir, die „Herren F. und O.”, dann in den Augen der „Roten Fahne”-Redakteure und der KPD wohl wirklich? Das lässt die „Rote Fahne”-Redaktion dann einen Leserbriefschreibe recht deutlich ausdrücken: „Büttel des Weltimperialismus!”

Inhaltlich ist auf die „Parteienheft”-Kritik der „Roten Fahne” nur sehr schwierig einzugehen, weil sie sich im wesentlichen auf Spekulationen und Beschimpfungen der „Herren F. und O.” beschränkt. Ich möchte dennoch drei Punkte inhaltlich anreißen:

wir haben die KPD NICHT dafür kritisiert, dass sie solidarisch mit dem sozialistischen Korea (KDVR) oder der Volksrepublik China ist, sondern lediglich das WIE, d.h. die Art und Weise ihrer Berichterstattung „unter die Lupe” genommen. Die Fähigkeit, angesichts der imperialistischen Bedrohung eine notwendige Solidarität mit der KDVR zu entwickeln, hängt auch davon ab, ob es gelingt, die sozialistische Entwicklung dieses Landes den Menschen – und besonders auch progressiven Kräften – in Deutschland näher zu bringen. Das geschieht in der Regel durch fundierte Informationen, verständliche Analysen und anschauliche Berichte. Ihr macht es Euch – diplomatisch formuliert – viel zu einfach, wenn Ihr ja selbst schreibt: „Die Gegner reden alles schlecht, wir reden um so mehr alles gut.” Deshalb erscheint Eure Berichterstattung sehr oft als „platt” und „Lobhudelei”. Nicht mehr und nicht weniger haben wir gesagt! Schaut Euch doch einfach einmal die Wochenzeitung der belgischen Genossen der PTB, „Solidaire”, an. „Solidaire” beweist regelmäßig, dass es auch anderes geht, liebe Genossen von der KPD und auch, ohne Prinzipien aufzugeben!

Hinsicht bestimmter Entwicklungen in der VR China sind wir allerdings der Meinung, dass sie einer gründlichen Analyse und auch Diskussion bedürfen. Zu „einfache Erklärungen” können da durchaus in die Irre führen. Dafür fehlt hier aber der Platz. Sie könnte jedoch, bei Interesse, sicherlich in der „offen-siv” geführt werden;

es ist schon interessant, dass Ihr uns vorwerft, wir hätten „nicht noch andere sich kommunistisch nennende Parteien, Organisationen, Vereine und Gruppierungen” in dem „Parteienheft” behandelt hätten. Dabei empfehlt Ihr uns z.B. ausdrücklich die MLPD… Auf die tatsächliche Bedeutung dieser Organisationen für die kommunistische Bewegung möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. Eine Frage möchte ich Euch in diesem Zusammenhang nicht ersparen: Ist es tatsächlich Eure Position, dass objektiv konterrevolutionäre Maoisten à la MLPD, die auch heute noch die Konterrevolution in der DDR und den anderen sozialistischen Ländern bejubeln, integraler Bestandteil der kommunistischen Bewegung in Deutschland sind? Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann würde dies durchaus ein Fragezeichen hinter das setzen, was Euch so positiv von anderen Parteien und Organisationen der kommunistischen Bewegung in Deutschland abhebt, nämlich Eure eindeutig formulierte Positionierung zur DDR als größter Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung. Dieses Fragezeichen bekäme dann vielleicht noch eine zusätzliche Bedeutung dadurch, dass Ihr auch schon mal – erinnert sei in diesem Zusammenhang an Eure, von uns auch im „Parteienheft” erwähnte, Rolle bei der Gründung der so genannten „Neuen Kommunistischen Internationale” – den Eindruck erweckt, auf internationaler Ebene direkt oder indirekt eine Rolle extrem sektiererischer oder aber sogar objektiv konterrevolutionärer Organisationen zu akzeptieren, wenn Ihr wohl glaubt, das diene der Entwicklung Eurer internationalen Beziehungen;

etwas pikant erscheint mir aber besonders, dass gerade KPD und „Rote Fahne”, die sich dem Kampf gegen den Revisionismus und für die „Einheit und Reinheit des Marxismus-Leninismus” verschrieben haben, nun vor „negativen Pauschalverurteilungen” revisionistischer Tendenzen warnen, die wir im „Parteienheft” nicht erfunden, sondern zum Teil sehr detailliert belegt haben. Noch interessanter wird es dann, wenn die KPD zur Verteidigerin der Führung der „Kommunistischen Plattform (KPF) der PDS” wird, wenn sie Genossen – in den Worten der „Roten Fahne” natürlich „Herrn” – Flegel auffordert, sich öffentlich für seine im „Parteienheft” entwickelte und nachgewiesene Rolle der KPF-Führung zu entschuldigen (!): „Das wäre also eine Klarstellung – heute PDS-modischer – eine Entschuldigung wert.” Relativiert Ihr mit solchen Aussagen und Positionierungen nicht selbst den von Euch so oft proklamierten „Anti-Revisionismus”?

Vieles wäre noch zu Eurer „Kritik” des „Parteienheftes” zu sagen, vor allem – was sehr leicht nachzuweisen ist (!) -, was Ihr alles über den tatsächlichen Inhalt dieses Heftes unter einem Schwall wilder Beschimpfungen vergrabt und vor Euren eigenen Mitgliedern sowie den Lesern der „Roten Fahne” somit zu verstecken sucht. Wer das Original lesen will, dem ist zu empfehlen, dieses ganz einfach zu bestellen.

Die Frage, die sich zum Schluss daher stellt, ist die: Warum nur, Genossen, habt Ihr Euch für diese „Schlammschlacht” entschieden?

Mir fallen da eigentlich (bisher) nur zwei Antworten ein. Entweder, ihr seid maßlos enttäuscht darüber, dass wir Euch nicht so dargestellt haben, wie Ihr es wohl gerne gehabt hättet (und wie Ihr Euch manchmal auch gerne gebärdet), was aber von der Realität nun doch ein ganzes Stück entfernt ist: das Ihr DIE Kommunistische Partei in Deutschland seid. Weil wir diesen, Euren Wunschvorstellungen nicht nachkommen konnten und wollten, könnten dann bei Euch ganz „einfach die Sicherungen” durchgebrannt sein (mit dem Ergebnis der März-Ausgabe der „Roten Fahne”)…

Oder aber Ihr seid inzwischen tatsächlich der Meinung, dass Genosse Flegel und ich zum gegnerischen/feindlichen Lager gezählt werden müssen, mit denen man – wie in Eurer „Roten Fahne” – dementsprechend auch sprachlich umgehen sollte, die man also schlicht und einfach als „Büttel des Weltimperialismus” behandeln muss. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, liebe Genossen, ist Euch, so fürchte ich, kaum mehr zu helfen…

Wie immer man die ganze Sache jedoch dreht und wendet, die von Euch offenbar gewünschte „Schlammschlacht” hat Schaden angerichtet, den Ihr zu verantworten habt. Vor allem aber, so sehe ich es, habt Ihr Euch selbst diskreditiert. Und dies nutzt tatsächlich nur einem: unserem gemeinsamen Gegner…

Mit kommunistischem Gruß, Michael Opperskalski, Köln