Offener Brief an die Parteiführung (KPÖ)

Offener Brief an die Parteiführung (KPÖ)

Wir wollen eine revolutionäre Erneuerung der KPÖ

Seit Walter Baier KPÖ-Vorsitzender ist, spricht er von der „Erneuerung” unserer Partei. Diese sei unbedingt erforderlich und müsse konsequent durchgeführt und nachhaltig umgesetzt werden. Doch was hat er erricht? GenossInnen, die in Betrieben, Gewerkschaften, Gemeindestuben und an Universitäten erfolgreich sind, verweigern ihm die Unterstützung, viele haben resigniert und sich zurückgezogen. Unsere Partei ist nur mehr der Schatten ihrer selbst. Auch wir sehen unverändert die Notwendigkeit der Erneuerung unserer Partei. Was allerdings den Weg und das Ziel dieser Erneuerung betrifft, so unterscheiden wir uns grundlegend von den Intentionen Walter Baiers.

Was bedeutet für uns Erneuerung der kommunistischen Bewegung?

Die Auflösung politischer und gesellschaftlicher Alternativen zum herrschenden System und zur Hegemonie bürgerlicher Vorstellungen macht es für Menschen immer schwieriger, soziale Widersprüche zu erkennen und ihre Interessen zu artikulieren. Gerade deshalb ist eine Kommunistische Partei mit ihrer wissenschaftlichen Weltanschauung so wichtig! Wir wollen, dass die KPÖ den von Marx, Engels und Lenin begründeten Weg des Marxismus weitergeht. Wir wollen, dass die KPÖ diesen Weg ständig überprüft und weiterentwickelt. Wir wollen, dass die KPÖ den Kampf für eine sozialistische Gesellschaft wieder ins Zentrum ihrer Politik rückt, so utopisch das jetzt auch scheinen mag. „Eine andere Welt ist möglich”, lautet das Motto des Weltsozialforums. Diese andere Welt kann doch für uns nichts anderes als die Überwindung der kapitalistischen Ordnung, als der Sozialismus als Übergangsstadium zum Kommunismus sein.

Diese andere Welt werden wir nicht ausschließlich durch Reformvorschläge und schon gar nicht durch eine neue „Spiritualität” erreichen, sondern durch den revolutionären Kampf des internationalen Proletariats, verbündet mit den fortschrittlichen Kräften der Welt. In unserer Zeit der totalen Dominanz der Medienmonopole, in der die „kritischen” Gesellschaftswissenschaften die Unmöglichkeit des Erkennens von Wahr und Unwahr, von Realität und Illusion behaupten, muss sich die Sprache einer Kommunistischen Partei durch Genauigkeit, Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit auszeichnen, muss unsere Theorie um die Exaktheit und Klarheit von Begriffen bemüht sein. Die weltweiten Massenbewegungen für soziale Forderungen und für den Frieden zeigen, dass die kapitalistische Globalisierung eine krisenhafte Phase erreicht hat. Wir brauchen marxistische Antworten auf diese Herausforderung.

Wir benötigen gerade heute in grundlegenden Fragen ideologische Klarheit und Festigkeit nicht zuletzt für unsere politische Praxis. Abseits der erfolglosen und abgehobenen Scheinpolitik der Parteiführung bewähren sich österreichische Kommunistinnen und Kommunisten tagtäglich in Gemeinden, Gewerkschaften und Arbeiterkammern, in der betrieblichen und studentischen Interessenvertretung. Wir wollen, dass sich die inhaltlichen und organisatorischen Anstrengungen unserer Partei auf die Basisarbeit konzentrieren, nur auf diesem Wege können wir die Anerkennung der arbeitenden Menschen und der Jugend gewinnen, nur über diesen Weg werden wir unsere Vorstellungen von einer „anderen Welt” Menschen begreifbar machen können. Sowohl für unsere Zukunft als Partei, als auch für die Entwicklung der verschiedensten Bündnisse ist es notwendig, dass die Partei auf klaren marxistischen Klassenpositionen steht. Die unreflektierte Übernahme von politischen Einschätzungen unserer Bündnispartner oder gar das „Aufgehen” der Partei in irgendwelchen Bündnisstrukturen sind für unsere eigene Entwicklung wie auch für jene der Bündnisse schädlich. Nur wer Positionen und Standpunkte einbringt, kann ernst genommen werden, ist bündnisfähig.

Um unsere kommunistische Positionen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, benötigen wir Betriebs- und Ortszeitungen, dort, wo wir Positionen haben, und ein zentrales und kostengünstiges Kommunikationsmittel, ein Sprachrohr der Partei also. Dies erfordert eine Erneuerung der Volksstimme! Wir lehnen ab, dass die Zeitung, die von der Partei bezahlt wird, als Diskussionsmedium für diffuse „linke” Inhalte, abgehoben von den Interessen der Partei agiert. Die erneuerte Volksstimme muss sich inhaltlich und stilistisch an die arbeitenden Menschen richten, sie muss wieder die Sympathie der Mitglieder erringen und in der Partei wieder gern gelesen werden, damit wir sie auch gern und mit Überzeugung in den Betrieben und Universitäten, im Freundeskreis und auf Demonstrationen verteilen und verkaufen können, weil der Inhalt unserer kommunistischen Überzeugung entspricht. Sie muss der Propagierung der Politik der Partei und unserer sozialistischen Perspektive dienen.

Es gibt noch zahlreiche andere Dinge, die in unserer Partei revolutionär zu erneuern sind, etwa die marxistische Bildungsarbeit, kommunistische Sozialpolitik und Betriebsarbeit, und nicht zuletzt Organisationspolitik. Statt mit Hilfe einer Organisationsanalyse den tatsächlichen Gesamtzustand der KPÖ zu untersuchen, zu diskutieren und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, wird von freigestellten Funktionären viel Arbeitszeit in ellenlange Argumentation gegen(!) eine Befragung der Mitglieder aufgewendet.

Auch die notwendige politische Arbeit unter Jugendlichen muss unter dem Gesichtspunkt revolutionärer kommunistischer Orientierung gesehen werden. Die Zusammenarbeit zwischen den Jugendorganisationen KSV und KJÖ sowie der KPÖ soll solidarisch und frei von altväterlicher Besserwisserei, sondern vom Geist gegenseitigen Respekts und kommunistischer Solidarität getragen sein. Die Orientierung soll dabei auf gemeinsamen politischen Aktionen liegen. Die derzeitige Praxis ständiger politischer Einmischung und Bevormundung bzw. Versuche, die jungen Kommunisten zu gängeln und sie im Falle der Nichtbefolgung von Parteidirektiven an die Kandare zu nehmen, muss endgültig der Vergangenheit angehören.

Kritik gegenüber der Führung um Walter Baier wird selbstherrlich zurückgewiesen. Kritiker seien ewiggestrige Dogmatiker, die sich dem Weg der Erneuerung von oben in den Weg stellen wollen. Was aber haben Spitzelwesen und Bloßstellungen mit Erneuerung zu tun? Wer ständig von „Demokratie” spricht, muss sich fragen lassen, weshalb er sie in der Partei nicht zulässt. Wie kann eine Kommunistische Partei des 21. Jahrhunderts behaupten, sich in einem Prozess der Erneuerung zu befinden, wenn Kritiker der Parteiführung des Fraktionismus, Dogmatismus bezichtigt, ja sogar als „faschistoid” denunziert werden? Wir wollen eine Erneuerung der innerparteilichen Demokratie, wir wollen eine Mitgliederbefragung, wir wollen einen Mitgliederparteitag. Wir wollen, dass die Erneuerung der Partei von unten ausgeht und nicht von einer Handvoll GenossInnen, die seit über einem Vierteljahrhundert bezahlte „Spitzen”funktionäre in verschiedenen Funktionen der Partei sind, definiert wird. Erhalt von Macht und Pfründen einer Funktionärsgruppe darf nicht länger das bestimmende Credo unserer Partei sein. Wir wollen eine von der Basis ausgehende und von ihr getragene kommunistische Erneuerung unserer Partei.

Unterschrieben von mehr als 140 Genossinnen und Genossen, u.a. ein beträchtlicher Teil der öffentlichen Mandatsträger der KPÖ, zahlreiche Gemeinde- und Betriebsräte, die beiden Arbeiterkammerräte, Genossinnen und Genossen, die im antifaschistischen Widerstand aktiv waren und ein beträchtlicher Teil der aktiven jungen Generation; aus nVs 3/02