Sekretariats des Parteivorstandes der DKP:
Stellungnahme zu Artikeln von Renate Münder in der „jungen Welt”
(7. und 8. August 2007)[6]
Die DKP hat nach dem Pressefest der UZ – Fest der Solidarität und nach dem Wirken in außerparlamentarischen Bewegungen wie in Heiligendamm / Rostock neue Chancen politischen Einfluss, Mitglieder sowie Abonnentinnen und Abonnenten für die UZ zu gewinnen. Die 11. Parteivorstandstagung hat im Referat und in der Diskussion diese Einschätzung bekräftigt. Erneut wurde festgestellt, dass das neue Programm der DKP eine gute politische Grundlage ist, diese Chancen zu nutzen.
Genossin Renate Münder ist Mitglied des Parteivorstandes der DKP. Das Sekretariat des Parteivorstandes der DKP hält die veröffentlichte Position für nicht vereinbar mit dem Programm der DKP. Das Sekretariat und sicher auch die große Mehrheit der Mitglieder wollen auf der Grundlage des Programms, der beschlossenen Politik, aufbauend auf Erfolgen wie zum Beispiel dem Pressefest der UZ den Einfluss der DKP erhöhen.
Renate Münder hat in ihren zwei Beiträgen in der „jungen Welt” am 7. und 8. August ausgerechnet die Politik der friedlichen Koexistenz und die Entspannungspolitik der sozialistischen Staaten in Europa nach 1955 ins Visier genommen um einen zunehmenden Einfluss „des Revisionismus” in den regierenden Parteien der sozialistischen Staaten in Europa nach Stalin zu behaupten. Zu diesem Zwecke verschweigt sie historische Fakten oder „interpretiert” sie um.
Beispielsweise meint sie, Chrustschow habe, um die Zusammenarbeit mit den USA „zu legitimieren”, „die Angst vor einem Atomkrieg” verstärkt. Als hätte es keine realen Bedrohungen und zunehmenden Spannungen gegeben. Sie erklärt – angesichts fortdauernder Spannungen und Konflikte (Berlinkrise 1948, Koreakrieg, Suezkrise, Destabilisierung der DDR, Kubakrise 1962, Provokation der USA im Golf von Tonking und Vietnamkrieg) sowie der unaufhörlichen atomaren Aufrüstung – auch nicht, welche realen Alternativen es zu Verhandlungen und zur Politik der friedlichen Koexistenz gegeben hätte um die Welt damals vor einem verheerenden Atomkrieg zu bewahren. Sah sie als Alternative den „atomare Gegenschlag”? Renate Münder schrieb:
„Eine UdSSR, die über die Möglichkeit eines atomaren Gegenschlags verfügte, hätte umso mehr dieser Erpressungsstrategie der kapitalistischen Staaten widerstehen können. Chruschtschow nutzte hingegen die Atomkriegsangst, um die Vorbehalte gegen den US-Imperialismus abzubauen und seiner Zusammenarbeit mit ihm in der sowjetischen Bevölkerung Akzeptanz zu verschaffen.”
Die notwendige Politik der friedlichen Koexistenz wurde auch nach 1955 (mit Ausnahme der letzten Jahre und da betrifft dies vor allem Gorbatschow und seine Anhänger) in den regierenden Parteien der sozialistischen Staaten in Europa als spezifische Form des Klassenkampfes zwischen Sozialismus und Kapitalismus auf internationaler Ebene gesehen. Friedliche Koexistenz war der Klassenkampf, mit dem der Imperialismus gezwungen wurde, die Existenz zweier gesellschaftlicher Systeme anzuerkennen und die Beziehungen dieser Systeme ohne Krieg zu gestalten. Der Kampf um die Anerkennung der DDR war ebenso Bestandteil dieser Politik wie die Erfahrung, dass unter dem Vorzeichen der friedlichen Koexistenz nationale Befreiungsbewegungen erfolgreich agieren konnten und nicht zuletzt mit der Konstituierung der DKP die Legalität der Kommunistischen Partei in Deutschland erkämpft wurde.
Klasseninteressen wurden also nicht ausgeblendet, sondern manifestierten sich in der Politik der friedlichen Koexistenz. Es gab keine andere Möglichkeit um den Frieden zu erhalten. Die Friedenspolitik der sozialistischen Staaten war im Übrigen Teil einer weltweiten, viele Hundertmillionen umfassenden Friedensbewegung.
Renate Münder stellt im Zusammenhang mit ihren Behauptungen die Politik Stalins und Mao Zhe Dongs der Politik Chrustschows entgegen. Sie erklärt, Stalins und Maos Außenpolitik wären durch proletarischen Internationalismus geprägt gewesen.
Lässt sich diese Behauptung angesichts der Unterstützung der konterrevolutionären UNITA in Angola gegen die revolutionäre Regierung, der Unterstützung Pol Pots und ähnlicher Kräfte durch Mao Zhe Dong und seine Nachfolger sowie angesichts anderer historischer Fakten wie des Überfalls Chinas auf Vietnam im Jahr 1979 tatsächlich aufrechterhalten?
Auch ihre Einschätzung der Ursachen der Niederlage des Sozialismus in Europa widerspricht dem Programm der DKP. In den Diskussionen zum Programm ist die Partei zu anderen Ergebnissen gekommen. Wer zudem alles auf das Wirken der inneren und äußeren Konterrevolution reduziert, vergisst die historischen Ausgangs- und Begleitbedingungen, verschweigt den wirtschaftlichen Rückstand, den Mangel an sozialistischer Demokratie, die eigenen Fehler, Irrtümer und auch Verbrechen.
Die DKP hat in ihrem im April 2006 beschlossenen Parteiprogramm differenziert die objektiven und subjektiven, die inneren und äußeren Ursachen der Niederlage von 1989/90 analysiert. Renate Münders Auffassung „…Der Übergang der Führung der KPdSU zum Revisionismus ab 1955 manifestierte sich in der als Entspannungspolitik verstandenen Politik der friedlichen Koexistenz…” ist das Gegenteil dessen, was wir im Parteiprogramm beschlossen haben.
Im DKP-Parteiprogramm wird betont: „Als Folge der sich zuspitzenden inneren gesellschaftlichen Probleme, des äußeren Einflusses und der zunehmenden Unfähigkeit, die anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben zu lösen, verengten sich die Handlungsspielräume weiter. In einigen sozialistischen Ländern Europas gewannen in dieser Krisensituation in den regierenden Parteien – vor allem auch in der KPdSU – revisionistische Kräfte die Überhand. Damit wurde zum Schluss der Weg frei für die Niederlage des Sozialismus”.
In dem Artikel werden jene Faktoren, die zu dieser Situation führten, tunlichst ausgeklammert, die aber die Krise der kommunistischen Parteien wesentlich verursachten:
Die Übertragung eines administrativ-zentralistischen Sozialismusmodells auf andere Länder,
die staatliche Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche, die die Eigeninitiative hemmten, autoritäre Maßnahmen, Massenverfolgungen und Verbrechen, denen viele Kommunisten zum Opfer fielen, dogmatische Erstarrungen in den Gesellschaftswissenschaften.
Die Erstarrung der gesellschaftlichen Verhältnisse, schreiben wir im Programm der DKP, war die Hauptursache für das Scheitern der sozialistischen Staaten in Europa und nicht wie Renate Münder meint, die friedliche Koexistenz, die Entspannungspolitik und das Fehlen einer kommunistischen Internationale.
Im Programm der DKP heißt es unter anderem: „Es ist unsere Aufgabe als Kommunistinnen und Kommunisten, die historischen Erfahrungen unserer Bewegung und des Aufbaus des Sozialismus zu bewahren, wenn wir uns nun unter neuen Bedingungen eine sozialistische Gesellschaft als Ziel setzen. Wir weisen antikommunistische Verfälschungen zurück. Wir verteidigen die Legitimität unserer Bewegung, die Millionen von Menschen im Ringen um ihre Rechte und um Frieden inspiriert hat. Wir halten die Erinnerung an diese Kämpfe wach. Wir sind uns dabei aber bewusst, dass auf diesem Weg Fehler, Unrecht und Verbrechen geschahen. Dies gilt es in Zukunft zu verhindern.
Der DKP geht es um die kritische Überprüfung ihrer Geschichte, um Denkweisen und Strukturen zu überwinden, die dem humanistischen Anspruch unserer Idee und Weltanschauung widersprechen.
Es geht uns um die Schlussfolgerungen, wie heute eine kommunistische Partei aussehen muss, die den revolutionären Kampf führt und mit der Arbeiterklasse und allen dazu bereiten Bündnispartnern eine neue Gesellschaft aufbauen will.”
Genossin Renate Münder agiert, als gäbe es diese beschlossenen Positionen der DKP, den Programmbeschluss der 2. Tagung des 17. Parteitages unserer Partei nach einer mehr als zehn Jahre währenden Programmdebatte nicht. Mit theoretischem Meinungsstreit haben diese Artikel nichts zu tun, denn Meinungsstreit setzt (in einer kommunistischen Partei) voraus, dass man von einer gemeinsamen Basis (dem Programm der Partei) ausgeht.
Insgesamt erinnern uns ihre Darstellungen an die Positionen und Vorurteile jener Gruppen, Organisationen und Parteien, die schon in den 60er Jahren die illegale KPD, später die DKP bekämpften und gegen den Sozialismus in Europa unter dem Banner des „Kampfes gegen den Revisionismus” auftraten und jetzt offenbar – in einer Situation gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und wachsenden Interesses an kapitalismuskritischen und antikapitalistischen Positionen – eine Renaissance versuchen.
Sekretariat des Parteivorstandes der DKP
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[6] Quelle: www.tundp.inf; die Stellungnahme ist dort nicht datiert. Die Hervorhebungen im Text stammen von uns, Redaktion Offensiv.