Dr. Klaus Blessing (redaktionelle Leitung):
Unsere Position zum Sozialismus im 21. Jahrhundert
Ein Diskussionsangebot an alle, die nach Alternativen zum Kapitalismus suchen
Das Material ist das Ergebnis einer umfangreichen demokratischen Debatte mit Basisorganisationen der Partei DIE LINKE, des Rotfuchsförderverein und Gewerkschaften, Aussprachen mit und Stellungnahmen von Bürgerinnen und Bürgern, Politikern und Gesellschaftswissenschaftlern und der Auswertung von aktuellen Publikationen und Doku-menten zu dieser Problematik.
Ausarbeitung: Landeskoordinierungsrat der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE, Landesverband Brandenburg unter der redaktionellen Leitung von Dr. Klaus Blessing Potsdam, Februar 2008
Unter den Linken haben Debatten über den Sozialismus im 21. Jahrhundert zugenommen. Sie finden vorwiegend im akademischen Rahmen statt. Dabei werden nicht nur unterschiedliche Vorstellungen über die Wege zu einer künftigen sozialistischen Gesellschaftsordnung und die Ursachen für die Niederlage des im Aufbau befindlichen Sozialismus erkennbar, auch der Begriff und die Wesensmerkmale des Sozialismus werden unterschiedlich definiert. Ohne ein klares Ziel zu benennen, wird jedoch ein sozialistischer Weg nicht zu finden sein und eine mobilisierende Wirkung in der Öffentlichkeit nicht erreicht werden.
Wir bekennen uns mit unserer Position zu grundlegenden sozialistischen Werten, Überzeugungen, Zielen und Wegen. Wir nehmen nicht in Anspruch, alle Probleme erfasst zu haben und schon gar nicht, auf alle Fragen eine schlüssige Antwort geben zu können. Wir wollen zur weiteren Diskussion und öffentlichen Meinungsbildung anregen und immer mehr Menschen für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch eine sozialistische Alternative gewinnen. Besonders der Jugend, die vom Rückfall großer Teile der Menschheit in die Barbarei besonders betroffen wäre, zeigen wir eine menschenwürdige Perspektive auf.
Warum ist eine sozialistische Alternative notwendig?
Nach der Niederlage des im Aufbau befindlichen Sozialismus in den osteuropäischen Ländern hat sich der Imperialismus nahezu ungebremst weltweit weiter entwickelt und ausgebreitet. Er setzt sich immer brutaler über die lebensnotwendigen Grundbedürfnisse der Menschen hinweg.
Die Ausbeutung von Mensch und Natur erfolgt weltweit in nie gekanntem Ausmaß. Die Ergeb-nisse dieser Ausbeutungsexplosion verbleiben jedoch in einer kleinen, immer reicher werdenden Clique von Großaktionären, Börsianern und Oligarchen.
Die menschliche Schöpferkraft wird entwertet, der Mensch wird zunehmend aus dem Pro-duktionsprozess heraus geschleudert. Millionen Bürger werden vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, verhöhnt und gedemütigt, weil sie ihre Existenz nicht durch Arbeit sichern können. Sozialleistungen werden abgebaut.
Die Widersprüche zwischen Arm und Reich haben national und international historisch einmalige Dimensionen erreicht. Sie bilden den Nährboden für Nationalismus, Rassismus, Extremismus und Terrorismus.
International vagabundierendes Finanzkapital bestimmt zunehmend die Entwicklung der Welt-wirtschaft. Spekulationen, Finanzkrisen und Verschuldung erschüttern in immer kürzeren Ab-ständen mit immer tiefer greifenden Wirkungen die Volkswirtschaften und zerstören die Lebensgrundlagen und die Zukunft vieler Menschen.
Im Kampf um Rohstoffe, Absatzmärkte und Weltherrschaft sind Kriege einschließlich atomarer Drohung wieder zum Bestandteil internationaler Politik geworden. Die Jagd nach Profit und Ressourcen zerstört die Umwelt.
Die Menschheit wird an den Rand des Unterganges getrieben, der Rückfall großer Teile der Menschheit in die Barbarei ist nicht auszuschließen. Das kapitalistische Privateigentum an den bestimmenden Produktions- und Finanzmitteln hat sich zu einer die menschliche Existenz unmittelbar bedrohenden Gefahr entwickelt. Seine Vergesellschaftung wird deshalb immer dringlicher. Die materiell-technischen Grundlagen einer sozialistischen Gesellschaft sind bereits in höchstem Maße im Schoße des Kapitalismus entwickelt. Eine neue sozialistische Alternative ist zum Überleben der Menschheit deshalb dringender denn je notwendig und auch möglich.
Die deutsche Linke sieht sich der Ausarbeitung einer solchen sozialistischen Alternative besonders verpflichtet. Sie verfügt über reichhaltige Traditionen der Arbeiterbewegung und praktische Erfahrungen beim Aufbau und beim Niedergang des Sozialismus in der DDR und beim Klassenkampf in der BRD.
Was ist Sozialismus im 21. Jahrhundert?
Die sozialistische Theorie als Utopie einer gerechten und humanen Gesellschaft existiert von der Antike über die französische Aufklärung bis in die Gegenwart. Jedoch erst mit dem Marxismus-Leninismus wurde aus utopischen Vorstellungen eine komplexe Gesellschaftswissenschaft. Im 21. Jahrhundert sollte diese undogmatisch, kritisch und schöpferisch angewendet werden. Sie muss dabei die praktischen Erfahrungen und theoretischen Erkenntnisse aus dem Wirken der internationalen und deutschen Arbeiterbewegung, insbesondere von Clara Zetkin, August Bebel, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Ernst Thälmann ebenso berücksichtigen, wie die Erfahrungen und Erkenntnisse beim sozialistischen Aufbau in der Sowjetunion, den osteuro-päischen Ländern, in China, anderen Ländern Asiens, in Kuba sowie in weiteren Ent-wicklungsländern. Diese sind jedoch nicht schematisch zu übertragen. Vielmehr sind die Anforderungen des 21. Jahrhunderts, insbesondere aus der Globalisierung, der Bevölkerungs-explosion und Umweltzerstörung zu beachten.
Unter Sozialismus verstehen wir eine selbständige Gesellschaftsordnung, die den Kapitalismus überwindet und durch eigene politische, ökonomische, rechtliche, kulturelle, ideologische und moralische Bedingungen geprägt ist.
Unabdingbare Voraussetzung für eine sozialistische Gesellschaftsordnung ist ein hoher Grad der Vergesellschaftung volkswirtschaftlich entscheidender Produktionsmittel. Nur auf diesem Wege kann die privatkapitalistische Aneignung des von der gesamten Gesellschaft geschaffenen Reichtums unterbunden werden.
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Humanismus auf Grundlage weitgehender sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit sind Existenzbedingungen des Sozialismus. Freiheit und Menschenwürde sind nur durch Sozialismus möglich. Nur er schafft die Einheit von sozialen und politischen Menschenrechten.
Sozialismus ist gekennzeichnet durch eine aktive Friedenspolitik, Antifaschismus, hohe volks-wirtschaftliche Effektivität in Übereinstimmung mit Ökologie, Vollbeschäftigung als Grundlage sozialer Sicherheit, Gleichstellung der Geschlechter und Kulturen, Achtung der Religionen und eine wirksame Mitbestimmung des Volkes.
Die sozialistische Idee führte zu einer der gewaltigsten Bewegungen der Menschheit. Sie hat den gesellschaftlichen Fortschritt zum Inhalt und hat das 20. Jahrhundert geprägt. Nach Über-windung ihrer Niederlage wird sie auch die Entwicklung im 21. Jahrhundert bestimmen.
Warum hat der im Aufbau befindliche Sozialismus eine Niederlage erlitten?
Das historisch bedingt niedrige Entwicklungsniveau der Produktivkräfte in allen Ländern, die den Weg zum Sozialismus beschritten, barg bereits das Risiko einer Niederlage in sich. Hinzu kam, dass die osteuropäischen Länder durch verheerende Kriege stark zerstört und ihre Volkswirtschaften ruiniert waren. Ihnen blieb jedoch keine Alternative. Sie unternahmen große Anstrengungen diesen Rückstand durch die Mobilisierung der Kräfte ihrer Völker, beispiellose Initiativen und zentrale planwirtschaftliche Methoden durch Partei und Staat aufzuholen.
Dabei wurden gewaltige Leistungen vollbracht, die weltweit Anerkennung erfuhren. Eingeleitet durch die Große Sozialistische Oktoberrevolution entstand in der UdSSR trotz schlimmster heißer und kalter Kriege und mit großen Opfern aus dem rückständigen russischen Agrarland eine politische, ökonomische und militärische Weltmacht.
Die DDR, abhängig von der Entwicklung des gesamten sozialistischen Lagers und der Führungsrolle der UdSSR, hat eine beeindruckende wirtschaftliche und soziale Entwicklung genommen, obwohl das westdeutsche Kapital und die ihm hörige Politik alles unternommen haben, um die sozialistische Entwicklung in der DDR zu stören und zu verhindern.
Geschichtlich einmalige Sozialleistungen, Vollbeschäftigung, für jedermann bezahlbare Mieten, Energie- und Transporttarife, ein kostenloses Gesundheitswesen, hohes Bildungs- und Kultur-niveau der Bevölkerung zwangen das westdeutsche Kapital, diesen Entwicklungen teilweise Rechnung zu tragen. Den Gewerkschaften wurden größere Möglichkeiten zur Mitbestimmung und für sozialpolitische Maßnahmen geschaffen.
Der Produktivitätsrückstand der DDR gegenüber der BRD wurde durch ein schnelleres Wirt-schaftswachstum verringert.
Ein Einholen oder gar Überholen des westdeutschen Niveaus hat sich durch die historisch unterschiedlichen Bedingungen jedoch als ein unrealistisches Ziel erwiesen.
Eine Ursache besteht darin, dass es nicht gelang, rechtzeitig vom extensiven Entwicklungspfad auf eine intensive Wirtschaftsentwicklung umzustellen. Das hätte eine wirkungsvolle Anwen-dung der ökonomischen Wertkategorien und eine hohe Eigenverantwortung der wirtschaftenden Einheiten erfordert. Dadurch wäre das Eigentümerbewusstsein der Werktätigen erhöht worden. Trotz einiger Versuche im Zuge des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) wurde dieser Weg jedoch nicht konsequent beschritten, da er die führende Rolle der Partei in der Wirtschaft in Frage gestellt hätte, was auch am Einspruch der Sowjetunion scheiterte.
Statt dessen hemmte eine umfassende Verstaatlichung in allen Gesellschaftsbereichen, verbunden mit einer überzentralisierten und bürokratisierten Planung und Bilanzierung die Eigeninitiative der Betriebe und Kombinate. Die ökonomische Interessiertheit der Leiter und Betriebskollektive wurde durch Vernachlässigung des Leistungsprinzips eingeschränkt.
Die kapitalistischen Industriestaaten bauten die eigene ökonomische Stärke weiter aus. Das erreichten sie vorrangig durch die Ausplünderung der Entwicklungsländer. Derartige Methoden waren und sind für sozialistische Länder aus ethischen und humanistischen Gründen nicht anwendbar. Sie widersprechen dem Wesen des Sozialismus. Dieser ist durch solidarische Hilfe für unterentwickelte Länder geprägt. Die Potenzen des RGW zur internationalen Kooperation wurden jedoch nicht ausgeschöpft.
Die ökonomische und politische Entwicklung in den sozialistischen Ländern wurde auch ziel-gerichtet durch Embargomaßnahmen, Preisdiktate und Rüstungswettlauf behindert.
Unter diesen Bedingungen der erbitterten Klassenauseinandersetzung zwischen Ost und West konnten bedeutende Wesensmerkmale des Sozialismus nur unvollständig durchgesetzt werden. Das in den Völkern steckende Leistungspotential wurde ungenügend genutzt.
Der in der Verfassung der DDR verankerte Führungsanspruch der SED entartete zu einem auto-ritären Zentralismus. Das führte zu einer Behinderung der vielerorts vorhandenen initiativ-reichen Arbeit.
SED und Staat verschmolzen immer mehr zu einem administrativ-bürokratischen Apparat, ohne abgegrenzte Verantwortung. Die autoritäre Führung durch den Generalsekretär und das Politbüro bei Umgehung der verfassungsmäßigen Verantwortung staats- und wirtschafts-leitender Organe, Volksvertretungen, Massenorganisationen und Parteien verdrängte häufig eigenständiges Denken und Handeln. Vom Wunschdenken geprägte Bewertungen und Entscheidungen gesellschaftlicher und ideologischer Prozesse führten zu Fehlern in der Politik. Das ständige einseitige Hervorheben der Einheit und Geschlossenheit der Partei bei gleich-zeitiger Vernachlässigung von Kritik und Selbstkritik im Parteileben verursachte ein Nachlassen der viel beschworenen Kampfkraft.
Die persönlichen Freiheiten, insbesondere die Presse- und Meinungsfreiheit, waren einge-schränkt, Erfolgshascherei, Formalismus und Bürokratie verbreitet. Sie beeinträchtigten auch den Charakter demokratischer Wahlen. Reisefreiheit in nichtsozialistische Länder konnte aus ökonomischen Gründen(fehlende Devisen) und politischen Sorgen(Abwerbung und Abwan-derung) nicht gewährt werden.
Die unzureichend entwickelte ökonomische Basis wurde zum Hemmnis politischer Freiheiten. Zwischen Realität und Darstellung klaffte eine immer größere Lücke. Es entstand eine wach-sende Entfremdung der Menschen von der SED und ihrer Führung. Durch den Zerfall des gesamten sozialistischen Lagers war die selbständige Existenz einer sich zum Sozialismus entwickelnden DDR nicht mehr möglich. Die Widerstandskraft gegen einen Anschluss an die kapitalistische BRD war bei vielen Mitgliedern der SED und großen Teilen der Bevölkerung erlahmt. Das kapitalistische Gesellschaftssystem der BRD wurde politisch, ökonomisch, sozial und juristisch komplett und schlagartig auf das Gebiet der DDR übertragen.
Welche prinzipiellen Lehren ziehen wir aus der Niederlage?
Noch nie in der Geschichte haben sich revolutionäre Veränderungen in kurzen Zeiträumen durchgesetzt. Aber aus Niederlagen ist zu lernen. Zu den wesentlichen Lehren zählen wir:
Sozialismus erfordert und unterstützt eine andere Lebensphilosophie als sie in der kapitalis-tischen Gesellschaft dominiert.
Die sinnlose Jagd nach Besitz, Reichtum und Macht können nicht die Lebensmaxime für die Menschheit in einer sozialistischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sein.
Sozialismus hat zum Ziel, allen Menschen auf der Erde ein lebenswertes Dasein in Frieden und sozialer Geborgenheit zu bieten. Er lässt aber nicht zu, dass der größte Teil der Menschheit am oder unter dem Existenzminimum vegetiert, während eine Minderheit sich zügellosem Konsum-rausch hingibt. Das würde die Lebensgrundlagen für die Menschheit zerstören. Bereits gegen-wärtig wird der Natur und Umwelt irreparabler Schaden zugefügt. Deshalb müssen wir der Umweltverträglichkeit unserer Lebensansprüche und des Wirtschaftens weit mehr Rechnung tragen als es in den sozialistischen Ländern und besonders im heutigen Kapitalismus praktiziert wurde und wird.
Für einen Sozialismus im 21. Jahrhundert ist unabdingbar, dass die Menschheit sparsamer pro-duziert und gerechter verteilt. Dazu ist Solidarität zwischen den Völkern unabdingbar.
Die entscheidende Aufgabe bei der Errichtung eines Sozialismus im 21. Jahrhundert ist es deshalb, die Menschen von den dem Sozialismus innewohnenden Stärken wie Frieden, soziale Sicherheit und Geborgenheit, Bildung und Kultur, Gleichberechtigung der Geschlechter, Religionen und Kulturen zu überzeugen. Sozialismus bedeutet Solidarität und nicht vorrangig Eigennutz. Insofern knüpft der Sozialismus an Verhaltensregeln der Nächstenliebe in Religionen und anderen Kulturen an. Im Unterschied zu diesen schafft er jedoch die materiellen Grund-lagen, um Nächstenliebe durch eine gerechte Teilhabe aller am gesellschaftlichen Reichtum zu verwirklichen.
Nur wenn es gelingt, breite Kreise des Volkes für diese Lebensauffassung zu gewinnen, hat der Sozialismus im 21.Jahrhundert eine neue Chance. Dabei ist jedoch noch über einen längeren historischen Zeitraum zu berücksichtigen, dass der Mensch nach materiellen und ideellen Vor-teilen für sich selbst strebt, ehe er bereit ist, mit der gesamten Gesellschaft zu teilen und sich vorrangig für diese zu engagieren. Deshalb muss das sozialistische Leistungsprinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“ auf allen Ebenen der Gesellschaft nicht nur Theorie, sondern Praxis sein.
Eine Übereinstimmung zwischen gesellschaftlichen und persönlichen Interessen ist schrittweise anzustreben. Die dazu notwendigen politischen Entscheidungen können nicht ohne das Volk und schon gar nicht gegen seine Interessen getroffen werden.
Wie kann ein Sozialismus im 21. Jahrhundert in den Grundzügen aussehen?
Welche Anforderungen stellen wir an ein Übergangsprogramm?
Wir legen nicht nur unsere Grundposition für eine künftige sozialistische Gesellschaftsordnung dar, sondern leiten daraus auch prinzipielle Forderungen an die aktuelle Politik für ein Über-gangsprogramm ab.
Die konkrete Ausgestaltung der sozialistischen Gesellschaft und die Schritte zur Umsetzung des Übergangsprogramms werden von den historischen Bedingungen und dem Kräfteverhältnis abhängen. Wir gehen im Übergangsprogramm davon aus, dass auf dem Boden der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft Schritte und Maßnahmen erkämpft werden müssen, die die Lebens-bedingungen für die Mehrheit der Menschen verbessern. Wir schätzen die schrittweise Durch-setzbarkeit dieser Maßnahmen nur dann als möglich ein, wenn die Errungenschaften bür-gerlicher Demokratie erhalten, in Richtung breiter Mitbestimmung des Volkes erweitert und durch wirkungsvolle außerparlamentarische Maßnahmen unterstützt werden.
Wir fordern die Erweiterung demokratischer Grundrechte zur direkten Mitbestimmung des Volkes.
Wir unterstützen die Aufnahme des politischen Streiks bis zum Generalstreik in das Grund-gesetz.
Wir schließen uns der Initiative zu einer Volksbefragung über den EU-Vertrag von Lissabon an.
Dreh- und Angelpunkt für die Gestaltung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung ist eine breite Basis vergesellschafteten Eigentums. Nur auf dieser Grundlage kann der sozialistische Staat Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen, kulturellen und rechtlichen Situation im Interesse der gesamten Bevölkerung durchsetzen.
Grund und Boden, Wälder und Seen gehören dem Volk und nicht Adligen oder Kapitalisten. Die Ausbeutung von Bodenschätzen zum privaten Nutzen von Oligarchen wird unterbunden. Der Sozialismus vollendet damit Forderungen der bürgerlich demokratischen Revolutionen zur Abschaffung des Feudalbesitzes.
Schlüsselindustrien und große Finanzinstitutionen werden verstaatlicht. Öffentliche Güter und Leistungen der Gesundheitsversorgung, der Bereitstellung von Wohnraum, Energie und des Transportes werden gesamtstaatlich wahrgenommen und nicht den Regeln privater Profit-wirtschaft unterworfen.
Wir treten für die Einhaltung und Durchsetzung der Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes der BRD zur Sozialpflichtigkeit
des Eigentums und der Enteignung zum Wohle des Volkes ein. Wir fordern Rechtsakte zur Durchsetzung dieses die Gesellschaft prägenden Verfassungsgrundsatzes.
Wir fordern, mit der Privatisierung öffentlicher Leistungen Schluss zu machen.
Das gesellschaftliche Eigentum an entscheidenden Produktionsmitteln ist Voraussetzung für eine leistungsgerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Das schließt die ange-messene Versorgung Alter und Kranker ein. Sozialismus schützt persönliches durch Arbeit erworbenes Eigentum, unterbindet jedoch extreme Unterschiede in Einkommen und Vermögen, die nicht auf eigener Arbeit beruhen. Persönlicher Wohlstand für alle gedeiht in dem Maße, wie die ökonomischen Voraussetzungen dafür durch die gesamte Gesellschaft geschaffen werden.
Wir fordern die Beendigung des Sozialabbaues in der BRD, einem der reichsten Länder in der Welt.
Wir treten ein für eine leistungsgerechte Beteiligung der Werktätigen an den Ergebnissen ihrer Arbeit.
Wir sind für Mindestlöhne der Beschäftigten und Maximalgrenzen für Managereinkommen.
Nur gesellschaftliches Eigentum beseitigt die ökonomischen Grundlagen und Triebkräfte für imperialistische Eroberungskriege. Deshalb bedeutet Sozialismus konsequente Friedenspolitik.
Wir fordern auf der Grundlage des Grundgesetzes:
Die Beteiligung Deutschlands an Kriegen ist unverzüglich einzustellen. Es ist Schluss zu machen mit jedweder Unterstützung aggressiver Handlungen der USA und der NATO. Der Rüstungsexport ist zu unterbinden. Von deutschem Boden darf keine Kriegsgefahr ausgehen.
Erscheinungen des Nationalismus, der Völkerhetze, des Rassismus und des Faschismus ist mit allen verfügbaren Mitteln entgegen zu treten.
Sozialismus lässt zu, dass neben dem staatlichen Sektor Dienstleistungen, kleine und mittlere Unternehmen des Einzelhandels und Gewerbes genossenschaftlich oder privatwirtschaftlich betrieben werden.
Wenn in diesen Bereichen Eigentümer unternehmerische Arbeit leisten und mit ihren Ent-scheidungen für Erfolg und Nichterfolg gerade stehen, sind ihnen berechtigt Anteile an den Ergebnissen ihrer Arbeit zu gewähren.
Wir unterstützen Maßnahmen zur Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen.
Im Sozialismus des 21. Jahrhunderts werden Geld und Preis als Instrument zur Wirtschafts-führung weiter bestehen. Die Preisbildung bleibt jedoch nicht dem blinden Wirken des Marktes überlassen. Der Preis erfasst alle volkswirtschaftlichen Aufwendungen, insbesondere die für die Erhaltung der Umwelt. Die Preisbildung unterliegt einer staatlichen Kontrolle und Aufsicht.
Wir fordern, den Preiswucher der Monopole, vorrangig bei Energie, Transport und im Gesund-heitswesen durch staatliche Regulierungen zu unterbinden.
Wir fordern, öffentlichen Nahverkehr und Schienenverkehr ökonomisch zu unterstützen.
Auch im Sozialismus sollte der Gewinn Maßstab ökonomischer Effektivität sein. Profit und Aktienkurs werden jedoch nicht die Weltwirtschaft steuern. Makro-ökonomische Planung durch den Staat wird gezielt mit ökonomischer Eigenverantwortung der Wirtschaftseinheiten ver-bunden.
Börsen und Spekulationsfonds sind mit einer sozialistischen Gesellschaft nicht vereinbar. Spekulativen Gelderträgen ohne Arbeit wird der Boden entzogen.
Wir unterstützen Maßnahmen, die die Macht des internationalen Finanzkapitals beschneiden, die Unabhängigkeit der Volkswirtschaften von der Erpressung globaler Finanzfonds herstellen und Spekulationen hoch besteuern.
Wir fordern Maßnahmen gegen die Geldentwertung und den Missbrauch von Ersparnissen für Spekulationszwecke.
Wir fordern staatliche Maßnahmen zur Kontrolle der Finanzströme.
Wir fordern die Vergesellschaftung und öffentliche Kontrolle großer Finanzinstitute.
Arbeit wird im Sozialismus als Menschenrecht für Jeden anerkannt und als Rechtsanspruch verankert. Arbeit wird wieder zur Haupterwerbsquelle. Sie dient aber nicht nur als Mittel zum Gelderwerb, sondern auch der Entwicklung der Persönlichkeit im Kollektiv.
Wir fordern Rechtsakte zur Sicherung des Menschenrechts auf Arbeit.
Die Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit steigt auf Grundlage wissenschaftlicher Entwick-lungen. Deshalb wird im Sozialismus die verbleibende Arbeit gerechter und vernünftiger ver-teilt, sie wird reduziert.
Wir unterstützen Maßnahmen zur Reduzierung der Arbeitszeit und wenden uns entschieden gegen Arbeitszeitverlängerungen.
Bildung und Kultur sind für jeden Bürger entsprechend seinen Fähigkeiten und Interessen möglich. Durch Sinn erfüllte Arbeit und humanistische Bildung wird Kriminalität, Extremismus und Ausländerfeindlichkeit weitgehend der Nährboden entzogen.
Wir treten für Bildung und Kultur ein, die allen Menschen unabhängig vom Geldbeutel gleiche Entwicklungschancen gibt.
Sozialismus garantiert bezahlbare Gesundheitsversorgung für alle.
Wir verlangen, das privatisierte und allein am Profit orientierte Gesundheitswesen einer staat-lichen Kontrolle zu unterstellen.
Wir fordern die Enteignung der Pharmakonzerne, die Abschaffung der privaten Krankenkassen und ein einheitliches Sozialsystem.
Die wissenschaftlich-technische Entwicklung wird staatlich auf lebensnotwendige Schwer-punkte gelenkt und vom Profitzwang befreit. Sie wird auf die Einsparung von Ressourcen, den Umwelt- und Gesundheitsschutz konzentriert. Ungezügeltes, allein am Profit orientiertes Wirt-schaftswachstum wird gebremst und in
Übereinstimmung mit dem realen Bedarf der Menschen und ökologischen Anforderungen gebracht.
Wir fordern eine Erhöhung der staatlichen Forschung und Entwicklung für volkswirtschaftliche Schwerpunktaufgaben.
Wir fordern eine stärkere staatliche Wirtschaftssteuerung für den realen Bedarf der Menschen und für die Erhaltung der Umwelt.
Das Staatswesen wird im Sozialismus gestärkt und neu gestaltet. Der Einfluss der Parteien wird auf programmatische Konzeptionen konzentriert. Der direkte Einfluss des Volkes im Staat und in der Wirtschaft wird schrittweise erhöht.
Um Amtsmissbrauch zu verhindern, wird die Funktionsdauer auf allen Verantwortungsebenen differenziert begrenzt. Ausnahmen bedürfen der Direktbestätigung durch das Volk.
Wir fordern die Erweiterung der direkten Demokratie durch das Volk.
Wir sind für die Erweiterung der Mitbestimmung der Werktätigen in den Betrieben.
Ein sozialistisches Staatswesen erfordert hohe finanzielle Mittel zur Bewältigung gesamtstaat-licher Aufgaben. Es bezieht diese aus dem Gewinn der staatlichen, genossenschaftlichen und auch privaten Betriebe.
Das System der Steuern und Abgaben wird dazu grundlegend umgestaltet mit dem Ziel, die Arbeit wesentlich geringer zu belasten. Steuern und Abgaben werden statt dessen auf den Verbrauch von Ressourcen, den Einsatz von Fonds und auf die Erträge konzentriert.
Wir fordern eine grundlegende Steuerreform zur Entlastung der arbeitenden Menschen und zur Belastung des Verbrauches von Ressourcen und Luxusgütern, eine hohe Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften sowie eine Vermögensabgabe.
Sozialistisches Rechtswesen unterscheidet sich grundlegend von dem des bürgerlichen „Rechtsstaates“. Wesensmerkmal einer sozialistischen Gesellschaft wird zunehmend ein soli-darisches Miteinander der Menschen, das nicht vorrangig juristisch geregelt wird.
Die Einmischung der Justiz in alle Bereiche des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens, die Beschneidung persönlicher Freiheit und die Rechtsunsicherheit durch inkompetente Rechts-prechung werden unterbunden. Die Beteiligung des Volkes an der Rechtsprechung wird erhöht, ehrenamtliche Schiedsstellen schränken gerichtliche Auseinandersetzungen ein.
Die politische Führung des Staates wird nicht Juristen, sondern Volksvertretern aus allen Schichten der Bevölkerung übertragen. Grundlegende politische und ökonomische Entschei-dungen sind nicht Gegenstand von Gerichtsprozessen, sondern werden durch die dafür politisch Verantwortlichen in Parlamenten und Regierungen getroffen. Diese sind für ihre Ent-scheidungen gegenüber dem Volk rechenschaftspflichtig. Unabhängige Gremien zur direkten Volkskontrolle werden zunehmend wirksam.
Wir fordern eine Justizreform, die höhere Rechtssicherheit für die Bürger gewährleistet, Gesetze und Rechtsakte in einer für den Bürger verständlichen Form und Sprache abfasst und die Wahrung der politischen Verantwortung sichert.
Sozialismus schließt unabhängige Medien und wirkliche Meinungsfreiheit ein. Deshalb werden Medien vergesellschaftet und vom Profitzwang befreit. Dadurch wird der Manipulation der Menschen und dem katastrophalen Absturz des Bildungsniveaus entgegen getreten.
Wir sind für eine Medienreform, die der wahrheitsgetreuen Information der Bürger dient und einen Machtmissbrauch für privatwirtschaftliche Zwecke ausschließt.
Wir fordern eine gesellschaftliche Kontrolle der Medien gegen Verrohung und Verhetzung der Bürger, insbesondere der Jugend.
Sozialismus erfordert eine tätige internationale Solidarität. Deshalb haben die durch Kolonia-lisierung und Ausbeutung reich gewordenen Industrieländer einen Teil ihres Reichtums an Entwicklungsländer zurückzugeben.
Wir fordern einen umfassenden„Schulden“erlass, fairen gleichberechtigten Handel, Abbau der Zollschranken und die Einhaltung sozialer Mindeststandards bei Importen aus Entwicklungs-ländern, sowie zinsgünstige Entwicklungshilfe zum Aufbau der eigenen Industrie- und Infra-struktur dieser Länder.
Welche Kräfte sind in der Lage,
eine neue sozialistische Gesellschaftsordnung zu gestalten?
Wir gehen von der Einschätzung aus, dass in den entwickelten kapitalistischen Industrieländern gegenwärtig trotz gravierendem Sozialabbau noch keine revolutionäre Situation heran gereift ist.
Das ist auch dadurch begründet, dass in den „entwickelten Demokratien“ ein perfektes System der Korrumpierung der politischen Eliten, des Missbrauchs formaler bürgerlicher Freiheiten, der Demütigung der aus dem Arbeitsprozess Ausgestoßenen und zunehmend der offenen und verdeckten Repressalien gegen anders Denkende und Handelnde wirksam wird. Der unein-geschränkte Machtmissbrauch der Herrschenden hat viele Menschen in die Resignation getrie-ben und ihnen das Vertrauen in die eigene Kraft genommen.
Nicht zufällig haben sich die revolutionären Zentren in der Welt in Entwicklungsländer verschoben. Diese haben umso mehr Gewicht und Einfluss, wie sie über Ressourcen an Energieträgern und Rohstoffen verfügen. Der Kampf um Ressourcen entscheidet zunehmend über die politischen und ökonomischen Gestaltungsmöglichkeiten. Es ist sichtbar, dass sich die Entwicklungsländer immer stärker in politischen und ökonomischen Bündnissen zusammen-schließen. Verbunden mit einer wirklichen volksdemokratischen Mitbestimmung, der Schaffung eigener, vom internationalen Finanzkapital unabhängiger Märkte können somit die Entwick-lungsländer zu Zentren neuer sozialistischer Bewegungen werden. Mit großer Sympathie ver-folgen und unterstützen wir die in Ländern Lateinamerikas sich vollziehenden Veränderungen.
Jedes Volk wird seine nationalen und historischen Bedingungen für den Übergang zum Sozialismus zu finden und zu berücksichtigen haben. Wichtig dabei ist, dass sozialistische Grundprinzipien bewahrt bleiben.
Die Linkskräfte in Europa dürfen nicht tatenlos diese Entwicklungen abwarten, sie müssen konzeptionell und organisatorisch vorbereitet sein. Wir sprechen uns für die Gewinnung aller vom Kapital geschädigten Bürger für den antikapitalistischen Kampf aus.
Wir sind der Auffassung, dass dieser bei weiterer Zuspitzung der nationalen und internationalen Widersprüche in den Kampf für den Sozialismus überführt werden kann. Deshalb ist die große, zunehmend durch das Kapital geschädigte Mehrheit der Bevölkerung für eine sozialistische Alternative zu gewinnen. Das sind neben Arbeitern und Bauern vorrangig alle sozial Aus-gegrenzten, aber auch Intellektuelle, Künstler und Mittelständler. Der Jugend obliegt besondere Verantwortung für die Gestaltung ihrer Zukunft.
Um das Überleben zu sichern, haben wir keine Zeit zu verlieren. Sozialismus ist keine Aufgabe künftiger Generationen, sondern ein Erfordernis der Zeit.
Dabei streben wir eine wirksame Verbindung von parlamentarischen und außerparlamen-tarischen Maßnahmen an. Den Schwerpunkt sehen wir in außerparlamentarischen Massen-bewegungen. Die historischen Erfahrungen lehren, dass noch in keinem entwickelten kapita-listischen Land eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft allein durch parlamentarische Mittel erreicht wurde. Die weltpolitischen Entwicklungen beweisen demgegenüber, dass durch außerparlamentarische Massenaktionen nicht nur dem Kapital Zugeständnisse abgerungen werden können, sondern auch revolutionäre gesellschaftliche Umgestaltungen möglich sind. Wir bekennen uns dabei zur Gewaltfreiheit bei Ausschöpfung aller legalen Mittel von Massen-demonstrationen, Streiks, Blockaden an Einrichtungen wirtschaftlicher und politischer Macht und zivilen Ungehorsam.
Landeskoordinierungsrat der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE,
LV Brandenburg, unter der redaktionellen Leitung von Dr. Klaus Blessing,
Februar 2008