Zu den „Leitsätzen des RotFuchs-Fördervereins

Andrea und André Vogt:

Zu den „Leitsätzen des RotFuchs-Fördervereins

Liebe Redaktion, eure Anregung, die Leitsätze des RotFuchs-Fördervereins zu diskutieren, nehmen wir gern auf. Uns ist dazu folgendes eingefallen:

Zu 1.

„Wir konstatieren die Wirkung einer gewaltigen Entwicklung der Produktivkräfte, der Globalisierung und tiefgreifender Veränderungen in der Struktur der Arbeiterklasse sowie eine nie gesehene Macht der Massenmedien…“

Gewaltige Entwicklung der Produktivkräfte – entweder sprechen die Autoren hierbei von der stürmischen, weil sozialistischen, Entwicklung in der Sowjetunion der dreißiger bis fünfziger Jahre des letzten Jh’s oder sie haben Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung der Jetztzeit. Die Dekadenz des Imperialismus zeigt sich ja gerade darin, daß er die Produktivkräfte eben nicht mehr „gewaltig“ entwickeln kann, sondern daß seine auf Privateigentum fußende Wirtschaftsform zur Fessel, zum Hemmnis der Produktivkraftentwicklung geworden ist. Die Hauptproduktivkraft ist bekanntlich der Mensch. Hunderte Millionen von ihnen sind weltweit arbeitslos, das heißt, ihre schöpferischen Kräfte und Fähigkeiten bleiben weitgehend ungenutzt, weil die Kapitalisten unfähig und mit fortschreitender Automatisierung immer weniger in der Lage sind, deren Arbeitskraft gewinnbringend auszubeuten. Funktionierende Betriebe werden aus Konkurrenzgründen stillgelegt, installierte Produktionskapazitäten nicht ausgelastet, fortschrittliche Technologien nicht angewendet usw. usf. Die Produktion von Tauschwerten, die immer neue Aufschwünge erfuhr, hat mit dem Sieg über das sozialistische Weltsystem ihren wohl endgültig letzten Höhepunkt erlebt.

In diesem Zusammenhang den bürgerlichen Terminus „Globalisierung“ aufzutischen, ist keine Offenbarung wissenschaftlicher Anschauung. Dieses Modeunwort verkündet keine Neuigkeit. Sein Gebrauch sollte den bürgerlichen Ideologen vorbehalten sein.

 „…die Wirkungen tiefgreifender Veränderungen in der Struktur der Arbeiterklasse“

Diese spezielle Anschauung wird leider nicht weiter ausgeführt. Insbesondere wäre interessant zu erfahren, was das mit der Realität des Proletariats von dem, „…was es ist und was es diesem Sein gemäß geschichtlich zu tun gezwungen sein wird.“ (Marx) zu tun hat.

Daß das heutige Proletariat in großen Teilen ein notwendig falsches Bewußtsein hat, daß es vom Klassenfeind, den es nicht wahrnimmt, verhetzt und mißbraucht wird und daß die ökonomischen Zwänge noch relativ moderat ausfallen, hindern es momentan daran, seine Befreiung ernsthaft zu erwägen. Zeit also für marxistisch-leninistische Bildungsarbeit.

Dagegen hält es eine jüngst in Essen abgehaltene Expertenversammlung für geboten, Begriffe zu rochieren, indem Teile der Arbeiterklasse nun als „arbeitende Klasse“ bezeichnet werden sollen. Das Proletariat ist demnach zu differenzieren. Der Unvereinbarkeit der Einzelinteressen folgt dann die Unmöglichkeit des gemeinsamen Kampfes. Wer, bitte, braucht solche Art Klassen“analysen“?

„…eine nie gesehene Macht der Massenmedien“

Diese Macht beruht natürlich zum einen auf der Verfügungsgewalt der Eigentümer. Deshalb produzieren Presse, Funk und Fernsehen ihrem Geschäftszweck entsprechend diesen verachtenswürdigen Wort-, Ton- und Bildmüll. Allerdings braucht es, um wirksam zu sein, Käufer, Zuschauer und Zuhörer. Kein Mensch nämlich muß (West-)Fernsehen oder BILD lesen. Aber die Leute tun das. Proletarier selber produzieren und konsumieren bürgerliche Nachrichten und andere Ablenkungen. Sie geben damit den Medien erst wirklich Macht. Sie wissen es nicht besser und wollen es auch nicht besser wissen. Wäre es anders, hätte die „Junge Welt“ heute mindestens eine um den Faktor Fünfhundert höhere Auflage. Imperialistische Verhältnisse erzeugen nun mal imperialistisches Verhalten. Da hilft es wenig, „die Macht der Medien“ anzuprangern.

Zu 2.

„Wir sind Zeitgenossen und Leidtragende einer ungezügelten Offensive des Kapitals, eines Klassenkampfes „von oben“, der seinesgleichen in der Geschichte sucht. Das Kapital verschärft maßlos die Ausbeutung und setzt alle Mittel ein, um den dauernden Bestand kapitalistischer Verhältnisse zu sichern…“

Die hier ausgesprochenen Übertreibungen zeugen nicht gerade von Übersicht und klarem Blick. Weder ist die „Offensive des Kapitals“ ungezügelt, denn sie hat zum einen immer noch die Reste der bürgerlichen Demokratie zur Barriere und zum anderen eine ausreichende Anzahl williger Ausbeutungssubjekte, noch ist dieser Klassenkampf „von oben“ neuartig, wenn man mal nur an 1918, 1923 oder 1933 denkt. Auch setzt „das Kapital“ längst nicht „alle Mittel“ ein, über die es verfügt. Und wirklich „leidtragend“ sind die Damen und Herren des RotFuchs-Fördervereins ganz sicher nicht. Sie tragen nicht das Los von Flüchtlingen, von Zwangs-prostituierten, von Geduldeten, von Gefolterten…. Dafür aber haben sie sich entschlossen, Verantwortung zu übernehmen, um vorgenannte Verbrechen abschaffen zu helfen. Also nicht das Moment des Tragens am eigenen Leid gehört in den Vordergrund, sondern das Moment der bewußten Handlung, der bewußten Tat gegen das organisierte Verbrechen Imperialismus im allgemeinen und BRD im besonderen.

Außerdem ist die Loslösung des Begriffes Kapital von dem Verhältnis, in welchem es nur existiert, eine die Zusammenhänge und Mechanismen der auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden waren-produzierenden Gesellschaftsformation verschleiernde Unart geworden. „…das Kapital (ist) in erster Linie ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis, das den Dingen spezifische, gesellschaftliche Eigenschaften verleiht“, heißt es beispielsweise im Kleinen Politischen Wörterbuch von Dietz 1967, S. 322. Und bei Marx: „Ein Neger ist ein Neger. In bestimmten Verhältnissen wird er erst zum Sklaven. Eine Baumwollspinnmaschine ist eine Maschine zum Baumwollspinnen. Nur in bestimmten Verhältnissen wird sie zu Kapital. Aus diesen Verhältnissen herausgerissen, ist sie so wenig Kapital, wie Gold an und für sich Geld oder der Zucker der Zuckerpreis ist.“ [Marx: Lohnarbeit und Kapital, in: MEW Bd. 6, S. 407]

Natürlich weiß man das im RotFuchs-Förderverein, nur man sagt es nicht, sondern läßt stattdessen ein Neutrum „Das Kapital“ agieren, wo da doch Kapitalisten sind mit Namen und Gesichtern, die sich das täglich neu geschaffene gesellschaftlich erzeugte Mehrprodukt privat aneignen, also das Ergebnis anderer Leute Arbeit nehmen, die Kriege anzetteln und das Volk in Dummheit, Demut und Schande halten lassen.

Dem kleinen Mann erscheint Kapital als Geldhaufen, als etwas Notwendiges und Nützliches, ohne das er sich kein Auto und keine Reise kaufen kann. Ihr aber prangert „das Kapital“ an. Ist da nicht mehr zu sagen, deutlicher zu sprechen? Entsteht Kapital etwa gar durch Lohnarbeit?

Zu 4.

„Wir richten unsere Anstrengungen auf die Bündelung eines breiten Spektrums von Kommunisten, Sozialisten und anderen Linken in Deutschland. Wir sind Gegner des Opportunismus und des Sektierertums….“

Kommunisten sind natürlich keine Linke und Linke sind keine Kommunisten. Schließlich heißt es ja nicht „Manifest der linken Partei“. Linke sind andere und nicht selten sehr spezielle Truppenteile: reformistisch, anarchistisch, verbalantikapitalistisch, pseudorevolutionär, sich fortschrittlich wähnend jedenfalls und sich auch gern sozialistisch nennend. Nimmt man davon noch die Opportunisten und Sektierer aus; wer bleibt dann eigentlich übrig als Kampfgefährte des RotFuchs-Fördervereins?

„Offen-siv“ ja bekanntermaßen nicht (mehr). Diesbezüglich glaubt man im „Fuchsbau“ weiterhin, sich und seiner Sache durch Ignorieren nützen zu können. Obgleich solche eklatanten Wissenslücken, wie sie beispielsweise ein gar nicht an Selbstunterschätzung leidender Professor Matho zuletzt in der September-Ausgabe des RotFuchs offenbarte, bei einer Teilnahme am m/l- Fernstudium von offen-siv zuverlässig geschlossen werden könnten. Aber das nur am Rande.

Eine Bündelung von nichtkommunistischen Kräften hat meistens nur dann einen revolutionären Sinn, wenn sie von der kommunistischen Partei geführt wird. (Ansonsten setzt es „friedliche“ oder „orangene Revolutionen“) Eine solche Partei, die dazu in der Lage wäre, gibt es im Jahr 2006 in Deutschland nicht. Es ist wahrscheinlich die derzeit wichtigste Aufgabe der Kommu-nisten hierzulande, diese kommunistische Partei herzustellen, respektive die dazu notwendigen Auseinandersetzungen zu führen. Das heißt nicht, daß man deswegen nicht auch andere Akteure bei Laune halten kann, wie das „RotFuchs“, „Weissenseer Blätter“, „Ossietzki“, „Junge Welt“ und weitere engagiert tun. Nur ist es eben nicht gerade klug, denen, die sich um die kommu-nistische Partei intensiver bemühen, Voluntarismus (Punkt 10) vorzuwerfen, um auf diese Weise seine eigene Zurückhaltung in der wichtigen Frage zu rechtfertigen. Diese Zurückhaltung ist aber die Folge dessen, daß man beim RotFuchs bislang außerstande war, zwei Fragen zu beantworten. Erste Frage: Warum konnte die Stalin’sche Sowjetunion den Imperialisten widerstehen, wurde immer stärker? Zweite Frage: Warum konnte das sozialistische Lager den Imperialisten nicht mehr widerstehen, wurde immer schwächer? Zutreffende Antworten sind längst erarbeitet worden. Andere haben das geleistet. Der RotFuchs-Förderverein braucht es nur noch aufzugreifen. Allerdings müßte man sich dann schon mal mit dem modernen Revi-sionismus beschäftigen, also an die Wurzel der Konterrevolution fassen.

Zu 8.

„Wir kämpfen für den Frieden und sind entschiedene Gegner imperialistischer Kriege der USA sowie ihrer offenen oder verdeckten Unterstützung durch die Regierungen der BRD und anderer kapitalistischer Staaten. Wir verurteilen den Tabubruch, …“

Man wußte am 01. Juli 2006 im „Fuchsbau“ sicher noch nicht, daß Israel den Libanon in Kürze erneut überfallen würde. Aber daß es noch andere kriegführende Staaten auf der Erde gibt, könnte bekannt sein (siehe Fernstudium bei offen-siv). Warum man also seine Gegnerschaft ausschließlich auf Kriege der USA beschränkt, ist befremdlich und ganz sicher falsch.

Zu 10.

„…Es kann also nicht um die Gründung neuer kleiner Parteien mit lupenreinen Programmen, aber ohne Masseneinfluß gehen…“

Die KPD(B) beispielsweise hat nicht vor, eine kleine Partei ohne Masseneinfluß zu bleiben. Aber klein anzufangen ist keine Schande. Ein lupenreines Programm allerdings, das muß man erst mal schreiben. Marx und Engels haben das getan und deshalb ist das Manifest der Kommunistischen Partei noch heute das Programm aller Kommunisten. Der DKP ist ähnliches bislang  nicht gelungen, obwohl sie schon seit 38 Jahren übt und ausreichend Vorlagen dazu hat. (Wie wir aus dem jüngst veröffentlichten Briefwechsel zur Revisionismusanalyse zwischen Kurt Gossweiler und Robert Steigerwald erfahren konnten, hält sich Letztgenannter, und er dürfte in der DKP einige Hörer haben, weiterhin mit der abgeschmackten Phrase von „Stalins Ver-brechen“ auf. Mit solchen Flausen im Kopf bekommt man natürlich kein vernünftiges Programm zustande.)

Die 10 Leitsätze des RotFuchs-Fördervereins sind kein Parteiprogramm. Dennoch mangelt es schon hier an ideologischer Klarheit, die eben vor der Einheit („Einigung“) zu erreichen ist.

Fazit: Daß der RotFuchs-Förderverein von dem „Ziel, (…) sich (…) auf die Höhe von Marx und Lenin zu begeben (…) noch eine beträchtliche Strecke entfernt“ ist; wer wollte das bestreiten.

Andrea und André Vogt,
Dresden