Frank Flegel, Michael Opperskalski:
Ein Schelm, wer sich nichts dabei denkt…
Was haben der Ende Februar diesen Jahres stattfindende 18. Parteitag der DKP, die diesjährige Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin, eine Artikelserie von Robert Steigerwald in der „jungen Welt“ und die von uns nachfolgend dokumentierte „Stellungnahme des Parteivorstandes der DKP zu Artikeln von Renate Münder“ miteinander zu tun?
Gerne präsentieren DKP-Führungsmitglieder ihre Partei in öffentlichen Stellungnahmen als im wesentlichen homogen, solidarisch, kämpferisch, als die kommunistische Alternative eben. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Dies belegte bereits die in aller Schärfe geführte Programmdebatte im Vorfeld des letzten, des 17. Parteitages und gerade dieser Parteitag in vielen Facetten; „offen-siv“ berichtete darüber, auch über die Kräfteverhältnisse innerhalb der DKP. Die „Linke“ innerhalb der Partei war auf dem letzten Parteitag zwar deutlich zu vernehmen gewesen, aber deutlich unterlegen – sowohl inhaltlich, wie organisatorisch. Seither schien in der DKP eine gewisse „Friedhofsruhe“ eingekehrt zu sein, die jetzt jedoch ganz offensichtlich von der DKP-Führung aufgekündigt wird.
Das findet seinen Niederschlag sogar in der Tageszeitung „junge Welt“. Unter den Überschriften „100 Jahre RLK-Kultur. Je erfolgreicher die Rosa-Luxemburg-Konferenz, desto weniger wird in deutschen Medien darüber berichtet“ analysiert die „junge Welt“ am 19. Januar die Berichterstattung über die diesjährige Rosa-Luxemburg-Konferenz. In dem Artikel heißt es u.a. aber auch: „Etwas mehr Berichterstattung hätte man dafür von der UZ, Zeitung der DKP, erwarten dürfen. Dort wird lediglich die Podiumsdiskussion kommentiert, dabei aber ausgerechnet Hans Heinz Holz, Podiumsteilnehmer mit DKP-Parteibuch, aber keineswegs Vertreter der DKP auf dem Podium, wie die UZ behauptet, mit absurden Vorwürfen belegt. Kein Wort ansonsten über eine Konferenz mit dem Titel ‚Klasse für sich’ oder vom Redebeitrag von Aleka Papariga, der Vorsitzenden der griechischen Kommunisten.“ Unterschrieben ist der Artikel gleich im Gleichklang von „Verlag, Redaktion, Genossenschaft“ der „jungen Welt“, was die Bedeutung dieser Positionierung unterstreicht.
Die wichtige linke Tageszeitung bezieht sich auf die Zeitung der DKP, „unsere zeit (UZ)“ vom 18. Januar 2008. Dort hatte Lothar Geisler, u.a. Redaktionsmitglied der DKP-Zeitung sowie deren Verlagsleiter, sich auf den angeblichen Diskussionsverlauf auf dem Rosa-Luxemburg-Konferenz-Podium beziehend, u.a. geschrieben: „Damit demonstrierte der geladene DKP-Vertreter auf dem Podium (gemeint ist Hans Heinz Holz, d. Autoren) erneut (sic! D. Autoren), dass ein guter Philosoph noch lange kein guter Politiker sein muss und wie wenig er die DKP, ihren kämpferischen Alltag und ihre Mitglieder kennt. (…) Auch die übergroße Mehrheit der DKP und ihres Parteivorstandes hätte dem meisten, was er (gemeint ist Hans Heinz Holz, d. Autoren) in dieser Podiumsdiskussion zur Frage der Existenzberechtigung der DKP gesagt hat, applaudierend zustimmen können, wäre der nächste Parteitag nicht so nah und kommunistische Alleinvertretungsansprüche nicht so nah und kommunistische Alleinvertretungsansprüche nicht so offensichtlich, bei Hans Heinz Holz und einer kleinen Minderheit, die sich mit ihm hinter seiner Autorität verschanzt, sich aufführt wie die ‚kommunistische Plattform der DKP’ und uneinlösbar das Heil verspricht, alles werde kommunistischer und besser, wenn man Führungsköpfe austausche.“
Rumms – das sollte sitzen! Einmal abgesehen davon, dass diese Schreibe, ganz locker vom Wahrheitsgehalt entfernt, was gerade der „jungen Welt“ (siehe Zitat oben) übel aufgestoßen ist – sich an der Region unterhalb der Gürtellinie orientiert, werden die inhaltlichen Aussagen, noch auf der gleichen Seite von einem redaktionellen Bericht der UZ über die letzte Parteivorstandstagung als Vorbereitung auf den kommenden Parteitag komplimentiert. Dort wird über – aus Sicht der DKP-Vorstandsmehrheit – offensichtlich ganz fürchterliche Vorgänge berichtet (Dokumentation des Originaltextes in Auszügen – J.P.: „DKP stellt sich zum Parteitag auf“ -weiter unten in diesem Heft)
Diese sehr eindeutigen, klaren UZ-Veröffentlichungen haben einen Vorlauf – einen öffentlichen wie einen nicht-öffentlichen. Als öffentlichen sollte man die Artikelserie von Robert Steigerwald werten, die er am 10. und 12. Dezember in der „jungen Welt“ als Replik auf zwei Beiträge der Genossin Renate Münder vom August des vergangenen Jahres in der gleichen Zeitung veröffentlichte. Genosse Münder hatte sich kritisch mit einigen Aspekten und Konsequenzen des Revisionismus in Folge wie als Ergebnis des XX. Parteitage beschäftigt (siehe weiter unten die entsprechende Erklärung des DKP-Sekretariats dazu). Steigerwald greift in seinen Artikeln jedoch nicht nur Genossin Münder an, sondern fertigt zugleich in einem Atemzug die Genossen Gossweiler und Holz ab. Dabei greift auch er, der in anderen Zusammenhängen so großen Wert darauf legt, dass mit ihm wissenschaftlich und stilvoll umgegangen wird, ganz zweierlei Maß messend, unter die Gürtellinie: „Dass die ‚revisionistischen’ Zielsetzungen nur in den erfolterten ‚Geständnissen’ der danach Hingemordeten existierten, spielt für ihn (gemeint ist Genosse Gossweiler, d. Verf.) keine Rolle. Aber selbst, wenn es solche Zielsetzungen gegeben hätten, so wäre festzustellen, dass für Gossweiler die Auseinandersetzungen mit Revisionismus mittels Todesurteilen zu erledigen war.“ (Robert Steigerwald: „Das Versagen der Partei“, junge Welt, 11.12.2007). Da haben wir’s. Antirevisionistische Kritiker sind nach Steigerwald anti-humanistische Blutsäufer, furchterregende Henker… Einmal abgesehen davon, dass sich Robert Steigerwald nachweislich einseitig interpretierter, indirekt wiedergegebener, auch aus dem Zusammenhang gerissener oder gar unkorrekt dargestellter Zitate des Genossen Gossweiler bedient – das platte Blutsäufer-Image, das auch Steigerwald bewusst bedient, wird eigentlich vor allem von den schärfsten bourgeoisen Feinden des Sozialismus bedient. Auf seine Argumentationslinien an dieser Stelle inhaltlich einzugehen, ist nicht die Aufgabe dieses Beitrages, zumal ein Sonderheft der „offen-siv“ (Briefwechsel Gossweiler-Steigerwald) en Detail auf die alt-bekannten Positionen Robert Steigerwalds wissenschaftlich eingeht, ohne sich auf die schiefe Ebene demagogischer Plattheiten oder gar im Kern bürgerlicher Horror- und Propagandagemälden zu begeben. Und was sind nun für ihn Kommunisten, die anti-revisionistische Positionen vertreten? „Den anderen (gemeint sind Kommunisten auf anti-revisionistischen Positionen, d. Verf.) muss man vielleicht einfach nur sagen, dass sie verantwortungslos und mit historischen Unwahrheiten handeln.“ (zit ebenfalls nach: junge Welt, 11.12.2007) Das zum „öffentlichen Teil“ der Auseinandersetzung…
Den schon erwähnten nicht-öffentlichen (weil von der DKP nicht veröffentlicht und lediglich von den Genossen Holz u.a. herausgebenen Zeitschrift „Theorie & Praxis“ publizierten) Teil der „Auseinandersetzung“ machen wir mit dem nachfolgenden Nachdruck der DKP-Sekretariatserklärung nachlesbar. Sie sagt im Kern klar und deutlich, dass Genossen, die auf anti-revisionistischen, marxistisch-leninistischen Positionen stehen oder diese diskutieren, sich nicht mehr im Rahmen des auf dem letzten Parteitag beschlossenen DKP-Programms bewegen.
Bleibt dann wohl nur noch zu fragen: wann werden diese Genossinnen und Genossen, sofern sie nicht feierlich abschwören oder den Mund haltend in die innere Emigration gehen, mittels Parteiverfahren noch weiter isoliert, aus der Partei gedrängt oder gar ausgeschlossen? Wer Feindbilder à la Geisler oder Steigerwald aufbaut, wer zugegebene „Minderheiten“ öffentlich denunziert, während er gleichzeitig Demokratie, Solidarität und eine angeblich mehr oder weniger harmonische und kämpferische Organisation beschwört, wer das Recht auf die innerorganisatorische, demokratische Entwicklung von Alternativkonzeptionen oder Positionen, gar von Personalvorschlägen faktisch in Frage stellt (siehe Bericht von der letzten UZ in Originalzitaten weiter oben), der will dann noch sehr viel mehr als das bisher erreichte, gerade weil er um die zu seinen Gunsten schon entschiedenen Kräfteverhältnisse in der DKP weiß[5]. Am Ende könnten sich viele Genossinnen und Genossen in der DKP dann in einer Partei wiederfinden, die sich weit von kommunistischen Grundpositionen entfernt hat; sie wären dann auf einem Weg mitgezogen worden, den sie niemals haben einschlagen wollen…
Frank Flegel (Hannover), Michael Opperskalski (Köln)
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Diese siegesgewisse Selbstsicherheit sieht man auch sehr schön an der „Entschuldigung“, die die UZ am 1. 2. 08 auf der Seite der „Diskussionstribüne“ gebracht hat. Erstens: die UZ-Redaktion bedauert den Abdruck und will sich bemühen, „trotz großer Arbeitsdichte“ künftig solche Fehler zu vermeiden, sprich: die Überarbeitung ist Schuld, das war sozusagen ein Flüchtigkeitsfehler, keinesfalls aber geht es um eine politisch motivierte Personalisierung der innerparteilichen Auseinandersetzung! Zweitens: der Lothar hat das alles gar nicht so gemeint, er schreibt halt manchmal etwas „verunglückt“ und hat sich ja auch schon bei Hans Heinz entschuldigt. Also alles halb so schlimm! Abgeschlossen der Fall, man geht zur Tagesordnung über, indem man „um Verständnis“ dafür bittet, „dass wir weitere Zuschriften zu diesem Thema nicht veröffentlichen. …“ Im Originalton:
„Anmerkung der Redaktion: Die Redaktion bedauert die Veröffentlichung des Artikels von Lothar Geisler. Er enthält unzulässige Darstellungen und Zuspitzungen. Genosse Lothar Geisler hat sich in einem Brief am 23. Januar an Hans Heinz Holz gewandt und schrieb ihm u.a.: < Sei also versichert: es lag mir fern, `persönliche Bosheiten´ gegen Dich zu publizieren. Der Halbsatz vom `Bürgersohn und Vollblutakademiker´ (…) war nicht mal im Ansatz als Denunziation gedacht. Es ist, wenn Du so willst, die völlig verunglückte Kurzfassung Deines Einstiegs in den `Klasse´-Artikel in der jW vom 10. Januar, den ich natürlich gelesen hatte. Auch ich fand – wie viele GenossInnen – diese Podiumsdiskussion eine im wesentlichen tolle Veranstaltung. Aber richtig geärgert habe ich mich (…) über Laakmann’s Lügen und darüber, dass Du als DKP-Mitglied an diesem zentralen Punkt – nämlich dem Profil, der Rolle und der Verdienste der DKP und ihrer Mitglieder in Arbeitskämpfen – nicht rebelliert und widersprochen hast! Entschuldige: Das war politisch nicht wirklich klug! Diese Kritik kann ich – bei aller Rücknahme von Überspitzungen und bei Anerkennung aller Deiner Verdienste – nicht zurücknehmen. An diesem einen Punkt hast Du `versagt´ und ich habe dagegen – zugegeben überzogen – `rebelliert´.“
Wir werden uns bemühen, trotz großer Arbeitsdichte, künftig solche Fehler zu vermeiden. Wir bitten um Verständnis, dass wir weitere Zuschriften zu diesem Thema nicht veröffentlichen, da die wesentlichen Kritikpunkte benannt sind und wir auf der Seite der Diskussionstribüne unser Hauptaugenmerk auf die inhaltliche Vorbereitung des 18. Parteitages der DKP lenken wollen.“ (UZ, 1.2.08, S. 12)