Der „Fall Wegner“ und die Klarheit

Frank Flegel:
Der „Fall Wegner“ und die Klarheit

„Nun so er das Feuer hat angezündet
Wäscht er mit Pilato die Händ
Den Mantel nach dem Wind hingewendt
Und will Euch jetzt dem Teufel geben.“

(Aus einem Spottlied aus den Bauernkriegen über Martin Luther aus dem Jahr 1525, überliefert von dem Rothenburger Franziskanermönch Michael Eisenhart)

„Ich habe im Aufruhr alle Bauern erschlagen,
denn ich habe sie heißen totschlagen.
All ihr Blut ist auf meinem Hals.
Aber ich weis es auf unsern Herrgott,
der hat mir das zu reden befohlen.“

(Martin Luther über sich selbst, einige Jahre später.)

Beide Texte entnommen dem Buch: „Der Bauerkrieg in Franken“ von Carlheinz Gräter, Frankonia-Buch Tauberbischofsheim, ohne Datum

Wir hatten ernste Befürchtungen, dass die Wahlerfolge der Partei „Die Linke“ in Hessen, Niedersachsen und auch in Hamburg zu überbordenden Illusionen in diese Partei führen würde.

Natürlich bestehen diese Befürchtungen noch immer, aber sie sind abgeschwächt worden, und das liegt vor allem an dem „Fall Wegner“. Vorauseilender kann ja kein Gehorsam mehr sein als derjenige, der von der niedersächsischen Landtagsfraktion der so genannten „Linkspartei“ hier gegenüber der herrschenden Klasse und ihren Medien gezeigt wurde. Und was das Ganze mit einem pikanten „Geschmäckle“ versieht ist die Tatsache, dass wichtige Funktionsträger dieser Landtagsfraktion ehemaligen DKP-Mitglieder sind:

Der ehemalige Genosse Hans-Henning Adler kam aus dem so genannten „Erneuererflügel“ der DKP in die PDS, war stellvertretender Landesvorsitzender der PDS Niedersachsen zu der Zeit, in der Anna Vorsitzende war – und einer der schärfsten Vertreter der rechten Linie innerhalb der PDS. Nun ist er Mitglied der Landtagsfraktion und selbstverständlich eindeutig positioniert gegen seine ehemalige Parteigenossin.

Der ehemalige Genosse Patrick Humke ist ein ähnlicher Fall. Er war Doppelmitglied, also Mitglied sowohl in der PDS als auch in der DKP, hatte die Gruppe der Kommunistischen Plattform der PDS in Göttingen gegründet und wurde dann in den Göttinger Stadtrat gewählt. Damit begann der Verfall. So war er daran beteiligt, zur Bundestagswahl Rolf Köhne (der sich immerhin zur Kommunistischen Plattform bekannte) vom Listenplatz eins der Landesliste Niedersachsen der PDS und damit aus dem Bundestag zu entfernen und durch eine gerade neu in die Partei eingetretene ehemalige Grüne zu ersetzen. Diese Person hat der Politik inzwischen den Rücken gekehrt und betreibt einen Swingerclub. Patrick Humke ist inzwischen Geschäfts-führer der Landtagsfraktion und betätigt sich als Wadenbeißer gegen Christel Wegner.

Der ehemalige Genosse Manfred Sohn war Parteivorstandsmitglied der DKP. Vor rund zehn Jahren war ihm der Kurs der DKP zu weich und zu anpasserisch, er sah revisionistische Ten-denzen, deshalb verfasste er eine „Polemik gegen das allmähliche Abheben von unseren theo-retischen Grundlagen“, die er bei uns unter dem Titel: „Ein Schimmel ist ein Pferd aus der Art der Rösser“ (offen-siv 8/98, Mai 1998) veröffentlichte. Darin kritisiert er die in der DKP breiten Raum einnehmenden Theorien von der „neoliberalen Globalisierung“, verteidigt die Leninsche Imperialismustheorie und beschreibt die Aufgabe der Kommunisten als „Vermittlung von Klarheit und Nüchternheit“. Das war vor zehn Jahren. Inzwischen „weint er der DDR keine Träne nach“ (HAZ) und will „den Stecker ziehen“ (junge Welt).

Dies sollen nur drei kleine Beispiele sein dafür, dass eine sozialdemokratische, damit antikommunistische und folgerichtig antikapitalistischen Kräften gegenüber feindlich Organi-sation ebensolche menschliche Charaktere anzieht bzw. hervorbringt.

Was geschehen ist, ist ein sehr klares Beispiel für das, was von der so genannten „Linkspartei“ zu erwarten ist; erstens: mit Sicherheit kein Sozialismus; zweitens: unsolidarisches Verhalten und Verrat gegenüber konsequenter antikapitalistischer Opposition; drittens: Sonntagsreden für soziale Verbesserungen. Von diesen Sonntagsreden bleiben dann, wenn die Partei in Regie-rungsbeteiligung kommt, nicht mal mehr 10,- € mehr Wohngeld monatlich für Bedürftige übrig – und der Streik der Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe wird einfach ausgesessen. Die „Linkspartei“ ist keine Partei der gesellschaftlichen Veränderung. Sie verteidigt in Berlin seit geraumer Zeit die staatsmonopolistische Finanzpolitik – und dies ohne Probleme auch gegen die Gewerkschaften.

So viel zur offiziellen Politik dieser Partei.

Nun ein kurzer Blick auf ihre „Kommunistische Plattform“: Sonst im Aufführen von Eiertänzen sehr geübt, gab es diesmal zunächst unerwartet deutlichen Klartext: Sahra Wagenknecht ließ verlautbaren, dass ein Rücktritt Christel Wegners wohl das beste sei (junge Welt). Aber in den „Miteilungen“ musste man doch etwas zurückrudern, hier erfolgte eine pflaumenweiche und konsequenzlose Solidarisierung mit Christen Wegner. Also doch der bekannte Eiertanz, der durch Ellen Brombacher einen weiteren Schlenker erfuhr: sie sagte, dass Christel Wegner ja nicht direkt Mauer und MfS verteidigt habe, auch wenn ihre Äußerungen eine solche Deutung nicht ausschlössen. Aber da sie es nicht wörtlich gesagt habe, gäbe es auch keine persönlichen Konsequenzen (junge Welt). Also: hätte Christel Wegner Mauer und MfS verteidigt, wäre auch die KPF für „persönliche Konsequenzen“, womit in diesem Fall ja nur der Rücktritt aus der Landtagsfraktion gemeint sein kann.

Das macht jeden Kommentar überflüssig.

Wir sprechen Christel Wegner unsere uneingeschränkte Solidarität aus. Wir haben kein Problem mit der Tatsache, dass sozialistische Gesellschaften einen Abwehrdienst brauchen. Deshalb war das Ministerium für Staatssicherheit der DDR ohne Zweifel ein legitimes Organ eines sozia-listischen Staates – ebenso, wie es der KGB für die Sowjetunion war. Wir können auch nichts Verwerfliches daran entdecken, dass selbstverständlich Cuba, Nordkorea, Vietnam und China heute geheimdienstlich tätig sind. Schließlich geht es darum, die Revolution und den Sozialismus zu schützen und gegen die Konterrevolution zu verteidigen.

Wer das nicht will, will weder Revolution noch Sozialismus. Auch wenn es manche nicht gern hören wollen: so einfach ist das. „Which side are you on?“

Und deshalb ist der „Fall Wegner“ ein gutes Lehrstück.

Und eine letzte Bemerkung: Was wir in diesem Zusammenhang nicht recht verstehen können ist die Veröffentlichungspolitik der „jungen Welt“. Was denkt man sich dort dabei – angesichts des Anspruches, eine marxistische Tageszeitung zu sein – einem solchen Wendehals wie Manfred Sohn zunächst eine Tribüne im Ausmaß von zwei kompletten Druckseiten zu gewähren und ihm dann auch noch einen persönlichen Auftritt bei einer von der „jungen Welt“ organisierten Veranstaltung zu verschaffen?

Wir sind der Meinung, dass von solchen Leuten wie Manfred Sohn, Patrick Humke, Hans-Henning Adler und ähnlichen Renegaten kein aufrechter Linker mehr ein Stück Brot nehmen sollte. Und da das, was diese Herren als „Theorie“ absondern, weder der Aufklärung noch dem Marxismus, sondern einzig der Vernebelung ihres Verrates dient, sollten sie die Druckkosten für ihre Rechtfertigungsergüsse schon selbst bezahlen müssen.

Im Folgenden bringen wir unterschiedliche Artkel und Reflexionen zum Thema. Leider muss dabei auch die DKP erwähnt werden.

So berichtet Spiegel-Online über den DKP-Vorsitzenden Heinz Stehr im Zusammenhang mit dem Parteitag: „Was die DKP zum ´humanistischen Erbe in Deutschland`zählt, ist im Parteiprogramm nachzulesen: die DDR, eine der ´größten Errungen-schaften der deutschen Arbeiterbewegung`. Später, im Gespräch, versucht Stehr die DDR-Verherrlichung zu relativieren: Man werde nirgendwo im Programm finden, ´dass wir an der DDR alles unisono gut und richtig fanden`. Was Entscheidungen der SED angehe, da müsse man schon andere fragen. Er sagt auch, dass ihm die Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit nicht ausreiche. ´Es gibt kein Klima, in dem man offen und ehrlich über die Arbeitsweise der Stasi sprechen kann.` Geheimdienste gehörten im Sozialismus im Übrigen abgeschafft.“ (Spiegel-online, 23.2.2008, DKP-Bundesparteitag, „Nie so viel Antikapitalismus wie heute“ von Phillip Wittrock)

Und Ulrich Sander schreibt in „Der Metzger“, Nr. 81 vom März 08: „Was da jetzt von einem DKP-Mitglied in Panorama geäußert wurde, war nie die DKP-Position,…“

Weiter unten dazu mehr.

Frank Flegel,
Hannover