Die wütenden Verteidiger der schlimmsten Reaktionäre der Welt und ihre Widersacher

Franz Siklosi:
Die wütenden Verteidiger der schlimmsten Reaktionäre der Welt und ihre Widersacher

Erwiderung zum Artikel von Kurt Gossweiler in Offensiv 11/06 und der allgemeinen Einschätzung des islamischen Widerstands

Der Artikel des Genossen Gossweiler zeigt wieder einmal, mit welcher polarisierenden emotionalen Verbissenheit über das Thema Israel gestritten wird. Entweder für Israel – oder für den Islam, vermischt mit Teilwahrheiten zur ideologischen Rechtfertigung je nach Befürworter, so stellt sich die Lage innerhalb der Linken und ,,Linken“ dar. Die Antideutschen sind nicht mehr als eine ideologische Variante des Imperialismus und die Linken huldigen einen verkappten Antisemitismus, so die Anklagen. Also gehen wir der Sache, wie es für Kommunisten üblich sein sollte, auf materialistischer Grundlage auf den Grund.

Was sind die Leitaussagen der Antideutschen?

Allgemein:

  • Der Nationalsozialismus im Allgemeinen und das, wofür Auschwitz im Besonderen steht, sei ein Deutsches Verbrechen.
  • Damit dieses Verbrechen niemals mehr geschehen kann, dürfe Deutschland  innerhalb der Weltpolitik keine dominante Rolle mehr spielen.
  • Der deutsche Faschismus sei nicht nur mit ökonomischen, sondern auch mit psychologischen Kategorien zu erfassen.
  • Da jede Revolution in Deutschland scheiterte, sei dem Deutschen  der faschistische Charakter quasi anerzogen.
  • Die Deutschen seien gern Faschisten. Sie täten dies eliminatorisch.
  • Verurteilt wird auch der Deutsche Nationalismus- egal aus welcher Ecke er kommt.
  • Über die tatsächlichen Rechte der Frauen definiere sich der Freiheitsgrad einer Gesellschaft.
  • Religiös bestimmte politische Organisationen fielen hinter den bürgerlichen und sozialistischen Fortschritt zurück.

Zur gegenwärtigen Lage:

  • Die Annexion der DDR bedeute ein Widererstarken des deutschen Imperialismus und Nationalismus.
  • Da Deutschland  wieder zu spät kommt, sei sein Imperialismus aggressiver als der seiner Konkurrenten.
  • Deutschland stehe in seiner imperialistischen Strategie in der Tradition des 3. Reiches.

Über die deutschen Kommunisten und die DDR

  • Da selbst die DDR und die Sowjetunion auch auf die nationalistische – statt auf die sozialistische – Karte setzten, gäbe es auch in diesen Länder Antisemitismus.

Wie sind diese Aussagen marxistisch zu bewerten?

Wir sind wieder einmal mitten drin in der Debatte zum Thema: Die deutsche Misere seit den Bauernkriegen.

Nationalsozialismus und Auschwitz sind ein deutsches Verbrechen. Da aber nicht alle Deutschen Nazis waren, ist eine Kollektivschuld absurd. Wie ist also der Terminus ,,Deutsche“ zu verstehen. Genosse Flegel hat völlig richtig darauf hingewiesen, das solche Begriffe völkisch sind und für marxistische Analysen keinen Wert ergeben. Das würde aber auch für Begriffe wie ,,Volkskrieg“, „Der Große Vaterländische Krieg“ und andere von uns verwendeten Begriffe gelten. Völkische Begriffe lassen sich soziologisieren und umgedreht. In der Argumentation gegen Nazis bekommt der Begriff „Deutsche“ einen Sinn. Wenn ausgesagt wird, die Deutschen hätten mit den Nazis nichts zu tun gehabt, ist es richtig darauf hinzuweisen, dass die Nazis Deutsche waren. Für die Sowjets war jeder Deutsche, der an Verbrechen teilnahm, unabhängig von seiner Klassenzugehörigkeit ein Nazi. Und in diesem Sinne wird „deutsch“ von den Antideutschen benutzt.

Über die Bedeutung psychologischer Erkenntnisse möchte ich mich im Rahmen dieses Artikels nicht äußern, ich halte die gemachten Aussagen im Kern für richtig.

Richtig ist auch die Kritik an dem unsäglichen Versuch der DDR, in Punkto Nationalismus mit der BRD zu konkurrieren. Erinnert sei nur an die Ausstellung über Friedrich ,,den Großen“. Auch Brecht hat sich über die deutsche Misere beklagt.

Dass der deutsche Imperialismus in den Fußstapfen des 3. Reiches steht, zeigt ein Blick auf die heutige Landkarte der ehemaligen sozialistischen Länder Osteuropa mit einem Vergleich der Okkupationskarte während der Besetzung der Sowjetunion.

Der Kontext dieser Leitaussagen bestimmt das politische Vorgehen der Antideutschen. Verdächtig ist jeder Bündnispartner deutscher Außenpolitik, wenn dieser schon zu Zeiten des 3. Reiches bestand hatte. Steht der Bündnispartner selbst in antisemitischer Tradition, so ist dies ein weiterer Schritt zur Rekonstruktion des Faschismus mit deutscher Hilfe. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem jetzigen deutschen Imperialismus und dem Faschismus des 3. Reiches.

Zum Nahen Osten

,,Und der islamische Widerstand setzt seine heldenhaften Handlungen, seine Opfer und Siege fort. KP Libanons. In Offensiv 8/2006

,,…hat der heldenhafte patriotische Widerstand den Nazis unserer Zeit…. Syrische KP. In Offensiv 8/2006.

,,Die Bereitschaft der Zionisten für solches Blutvergießen drückt den faschistischen, rassistischen Charakter der zionistischen Ideologie aus….. Syrische KP. In Offensiv 8/2006.

Sind diese Passagen entstanden aus einer ML-Analyse der Lage Israels und des Libanons? Kommt hier irgendwie zur Geltung, dass diese Aufrufe von Kommunistischen Parteien stammen? Nein! Dies ist die Propaganda der islamischen Klerikalfaschisten. Hier werden völkische Einschätzungen soziologisiert, um damit die eigene rassistische Ideologie ,,marxistisch“ rechtfertigen zu können. Genosse Flegel hätte mit seiner Aussage, dass dies völkische Aussagen wären, völlig Recht. Liegt hier nicht völkisches neben Klassendenken? Die Antideutschen haben auf die Wesensgemeinschaft zwischen islamischer und faschistischer Propaganda hingewiesen. Ist der Staat Israel gleichzusetzen mit dem Nationalsozialismus? Ist der Staat Israel faschistisch? Nein! Aber es besteht ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der antijüdischen Ideologie des Islam und des Nationalsozialismus. Dies ist im Kern auch die Kritik der Antideutschen an der Herangehensweise der Linken an die USA.

Hier wird der gesamte Marxismus ad absurdum geführt. Religiöse Auseinandersetzungen bilden nur die Oberfläche wirklicher ökonomischer Kämpfe. Wir müssen also alle beteiligten Protagonisten analysieren, bevor wir Partei ergreifen können. Die Antideutschen sind der Meinung, dass die Invasion Afghanistans und des Iraks dem Kampf gegen den islamischen Terrorismus gelte und die Invasoren der Bevölkerung Demokratie brächten. Dies ist im Kern falsch. Die Invasion Afghanistans hat zwar die Taliban vertrieben, aber es fand bis zum heutigen Tag kein Wiederaufbau statt. Es gibt keine Zentralgewalt, keine Industrie, keine Infrastruktur und keine Säkularisierung des Staates. Die Frauen sind immer noch weniger wert als ein Kamel.

Im Irak wurde zwar eine Despotie abgeschafft, aber damit auch die Zentralgewalt. Neben dem eigentlichen Widerstand gegen die Besatzer führen Clans unter religiösen Vorwand einen Bürgerkrieg und töten dabei die eigene Bevölkerung.

Im Libanon und Gaza ist der islamische Terrorismus, gesponsert von Syrien und dem Iran, am Werk. Leiden müssen überall die Menschen, die sich der Scharia entziehen möchten, insbesondere Frauen. Im Libanon putschen offen islamische Fundamentalisten.

Hier haben sich die Antideutschen verkalkuliert. Imperialismus und Menschenrechte, das geht nicht. Aber auch wir Kommunisten sind in einer Schieflage! Islamischer Fundamentalismus und Befreiung, das geht auch nicht. Der Beweis dieser These liegt vor unserer Haustür.

Arabische Feministen haben schon lange auf die Lage der Frau im Islam hingewiesen, hier in Deutschland. Leider sind wir auf diesem Ohr noch etwas taub. Hier sind uns die Antideutschen voraus. Der Islam verträgt sich aber auch nicht mit dem Marxismus. Die marxistische Religionskritik ist eine der Grundlage des Marxismus. Ein Marxist kann keinen Gottesstaat tolerieren. Aber auch keinen Zionismus.

Genosse Gossweiler! Sollen wir im Kampf gegen den Imperialismus reaktionäre Kräfte, welche weit hinter den zivilisatorischen Fortschritt von 1789 und 1917 zurückfallen, unterstützen? Heiligt der Zweck die Mittel? Sollen wir Terrororganisation unterstützen, nur weil diese gegen die USA kämpfen?

Franz Siklosi,
Heppenheim